S 16 SO 18/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
16
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 SO 18/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), wobei vorliegend ausschließlich Streit besteht über die Bewilligung weiterer Kosten für die Bestattung des Vaters der Klägerin.

Dieser verstarb im Zeitraum zwischen dem 03.10.2009 und 08.10.2009. Die Klägerin war auf Grund §§ 14 Abs. 2, 10 Abs. 2 Bestattungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (BestattG LSA) verpflichtet, die Bestattung des Verstorbenen durchzuführen.

Ihr sind hierdurch zunächst folgende Kosten entstanden:

- Rechnung des Eeigenbetriebes des L. M., S. und F. vom 29.10.2009 in Höhe von EUR 291,99

- Rechnung der Friedhofsverwaltung St. N. vom 19.10.2009 EUR 510,00

- Rechnung der Fa. A. B. vom 02.11.2009 EUR 1.115,23

Gesamtsumme EUR 1.917,22

Am 02.11.2009 hat die Klägerin das Erbe nach dem Verstorbenen ausgeschlagen (Urkunde des Amtsgerichts M. vom 02.11.2009, 190 VI 277/09, Blatt 6 der Gerichtsakte). Am 23.11.2009 hat sie bei der Beklagten beantragt, die angefallenen Bestattungskosten als Leistungen nach § 74 SGB XII zu übernehmen.

Zum Zeitpunkt des Todes war der verstorbene Vater der Klägerin Inhaber von zwei Bausparverträgen in Höhe von EUR 1.380,38 sowie noch zum Zeitpunkt der Erbausschlagung eines Postbankgirokontos in Höhe von EUR 798,14 (Vgl. Blatt 62 der Gerichtsakte).

Die Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 10.09.2010 (Blatt 7 der Gerichtsakte) Leistungen in Höhe von insgesamt EUR 1.069,54; im Übrigen wies sie den Antrag zurück. Den vorstehend genannten Betrag ließ sie sich aus dem Guthaben der Baussparverträge erstatten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Klägerin hätte die Bestattung vollständig aus dem vorhandenen Nachlass bezahlen können. Ihr hätte vor Antragstellung bei der Beklagten oblegen, den Nachlass zu sichern, um festzustellen, ob dieser zur Begleichung der Bestattungskosten ausreiche.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 12.10.2010 (Blatt 8 der Gerichtsakte) hat die Beklagte mit derselben Begründung durch Widerspruchsbescheid vom 25.01.2011 (Blatt 16 der Gerichtsakte) zurück gewiesen.

Nachdem sämtliche Erben nach dem verstorbenen Vater der Klägerin das Erbe ausgeschlagen hatten, hat das Amtsgericht Magdeburg durch Beschluss vom 11.04.2013, 190 VI 176/13 (Blatt 104 der Gerichtsakte) auf Antrag des Sozialgerichts das Fiskalerbrecht festgestellt. Der zuständige Landesbetrieb Bau- und Liegenschaftsmanagement S.-A. hat sodann einen Betrag in Höhe von EUR 329,27, welcher sich noch als Guthaben auf einem Bausparvertrag des Verstorbenen befunden hat, an den Bestattungsunternehmer gezahlt.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Ihr sei die Kostentragung für die Bestattung ihres verstorbenen Vaters aus finanziellen und persönlichen Gründen nicht zuzumuten gewesen. Sie selbst sei erwerbsunfähig und beziehe – was im Übrigen unstreitig ist – eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Darüber hinaus habe sie zu ihrem verstorbenen Vater wegen eines Streites seit November 2007 keinen Kontakt mehr gehabt. Nach dem Tod ihres Vaters seien von dessen Girokonto noch Abhebungen vorgenommen worden, so dass ihr das Guthaben darauf nicht vollständig zur Verfügung gestanden habe. Auch ihre Schwester, N. M., sei nicht in der Lage gewesen, die Bestattungskosten zu tragen, weil sie ALG II beziehe.

Neben den oben angeführten Rechnungen seien auf Grund von Mahnungen und Erlass von Vollstreckungsbescheiden weitere Kosten entstanden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, weitere Bestattungskosten in Höhe von 1.385,20 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Die Klägerin wird durch den Bescheid der Beklagten vom 10. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2011 nicht in ihren Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage für das von der Klägerin erhobene Begehren ist § 74 SGB XII. Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung (aus Sozialhilfemitteln) übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Die Bestimmung nimmt im Recht der Sozialhilfe eine Sonderstellung ein. Zielsetzung ist zwar die Sicherstellung einer der Würde des Toten entsprechenden Bestattung. Den sozialhilferechtlichen Bedarf stellt nicht die Bestattung als solche oder deren Durchführung dar; vielmehr dient die Regelung der Vermeidung einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten durch die Kosten der Beerdigung (vgl. BSG, FEVS 61, 337 ff). Der Anspruch auf Kostenübernahme gemäß § 74 SGB XII steht damit nicht dem Verstorbenen, sondern demjenigen zu, der verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu tragen.

Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII ist derjenige, den die Kostentragungspflicht rechtlich notwendig im Verhältnis zu Dritten endgültig und damit vorrangig trifft (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.02.2012, L 8 SO 24/11 B). Hier ist zwischen den Beteiligten - zu Recht - nicht streitig und unzweifelhaft, dass die Klägerin als Tochter des Verstorbenen gemäß §§ 10 Abs. 2, 14 Abs. 2 BestattG LSA verpflichtet war, die Kosten der Beerdigung ihres verstorbenen Vaters zu tragen Ebenfalls unstreitig und unzweifelhaft ist die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, diese Aufwendungen zu übernehmen. Sie hat damit grundsätzlich Anspruch auf Übernahme der Kosten der Bestattung aus Sozialhilfemitteln gem. § 74 SGB XII.

Übernahmefähig sind jedoch nicht die für die Beerdigung tatsächlich entstandenen Kosten, sondern nach dem Gesetzeswortlaut nur die Kosten, die für die Bestattung "erforderlich" waren, wobei im vorliegenden Fall zwischen den Parteien kein Streit über die erforderlichen Kosten besteht.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, ihr sei die Kostenübernahme aus persönlichen Gründen deshalb nicht zuzumuten, weil sie zum Zeitpunkt des Versterbens ihres Vaters wegen eines Streites seit etwa einem Jahr keinen Kontakt mehr zu diesem gehabt hat, greift diese Einwendung nicht durch.

Zwar beschränkt sich die im Übrigen voll überprüfbare Frage der Zumutbarkeit nicht ausschließlich auf finanzielle Zumutbarkeitsgründe, sondern lässt Raum für solche Gründe, die persönlicher Natur sind. Grundsätzlich kann daher die Heranziehung des Bestattungspflichtigen zu den Bestattungskosten deshalb unzumutbar sein, weil die Familienverhältnisse zwischen Bestattungspflichtigen und Verstorbenen so nachhaltig gestört sind, dass die Übernahme der Bestattungskosten für den Pflichtigen als grob unbillig anzusehen ist.

Entscheidend ist immer das Verhältnis des Einzelfalles. Bei zerrütteten Verwandtschaftsverhältnissen sind höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit, Kosten der Bestattung zu tragen, zu stellen. (Grube-Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 74 Rdn. 35). Zur Beurteilung der Frage, wann die Heranziehung zu den Bestattungskosten als unverhältnismäßig angesehen werden kann, sind zudem die einschlägigen zivilrechtlichen Bestimmungen in § 1579 BGB und § 1611 BGB mit der Maßgabe heranzuziehen, dass ein Absehen von der Kostenheranziehung allenfalls dann in Betracht kommen kann, wenn ein strafrechtlich relevantes oder dem vergleichbares Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber dem bestattungspflichtigen Angehörigen vorliegt, wie es sich beispielsweise in Missbrauchsfällen oder vergleichbaren schwerwiegenden Verfehlungen ausdrücken kann (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. Juni 2008, 4 ZB 07.2815; Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 27. Dezember 2007, 1 A 40/07). Hat der Verstorbene gegenüber dem Verpflichteten schwere Verfehlungen (z.B. Körperverletzungen, sexueller Missbrauch, gröbliche Verletzung von Unterhaltspflichten) begangen, so kann trotz eines engen Näheverhältnisses die Kostentragung unzumutbar sein. Hierfür sind im vorliegenden Fall weder irgendwelche Anhaltspunkte ersichtlich noch von der Klägerin, welche hierfür darlegungs- und beweispflichtig ist, vorgetragen worden. Dass sich die Klägerin mit dem Verstorbenen zerstritten haben will, reicht jedenfalls nicht aus.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, ihr hätten die finanziellen Mittel gefehlt, die Bestattungskosten zu tragen, greift dieser Einwand nicht durch. Zwar ist unstreitig, dass sie auf Grund ihrer eigenen Einkommenslage als Empfängerin einer Erwerbsunfähigkeitsrente die finanziellen Mittel selbst nicht aufbringen konnte.

Allerdings waren zum Zeitpunkt des Versterbens ihres Vaters in dessen Nachlass ausreichende finanzielle Mittel vorhanden, um die Bestattungskosten zu decken.

Unstreitig sind Bestattungskosten in Höhe von insgesamt EUR 1.398,81 aus den Guthaben der Bausparverträge des Verstorbenen gedeckt worden. Danach verblieb noch ein offener Betrag in Höhe von EUR 518,41, welcher, selbst unter Berücksichtigung der Behauptung der Klägerin, nach dem Tod ihres Vaters seien noch von Unbekannten Verfügungen von dessen Girokonto vorgenommen worden, durch den zur Zeit der Erbausschlagung auf dem Konto noch vorhandenen Betrag in Höhe von EUR 798,14 hätten gedeckt werden können.

Es wäre der Klägerin auch zuzumuten gewesen, dieses zu tun.

Zwar ist richtig, dass ihr nicht verwehrt werden kann, das Erbe nach ihrem Vater, aus welchen Gründen auch immer, auszuschlagen. Begehrt sie allerdings sodann Leistungen der Sozialhilfe, weil sie als Nichterbin keinen Zugriff mehr auf den vorhandenen Nachlass hat, fällt ihr dieses zur Last.

Es ist dem Bestattungspflichtigen stets zuzumuten, den vorhandenen Nachlass zur Begleichung der Bestattungskosten zu verwenden (Vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.05.2008, L 20 B 24/08 SO).

Dieses führt für die Klägerin auch nicht zu unbilligen Ergebnissen, weil sie ihre Haftung für etwaige Verbindlichkeiten des Verstorbenen auf den nach Begleichung der Bestattungskosten noch vorhandenen Nachlass beschränken kann (LSG Nordrhein-Westfalen, aaO).

Keine Ansprüche gegen die Beklagte bestehen im Übrigen wegen der weiteren Kosten, die der Klägerin durch ihr eigenes Verhalten in Form von Mahn- und Vollstreckungskosten, Zinsen und Rechtsanwaltsgebühren entstanden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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