L 1 U 3477/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 1600/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3477/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.08.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 4301 (durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen) und nach der Nummer 4302 (durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ihres verstorbenen Ehemannes hat. Zudem macht die Klägerin eigene Leistungsansprüche geltend.

Der Ehemann der Klägerin, der bei der Beklagten versicherte, 1939 geborene H. K. (künftig: der Versicherte) war von Januar 1962 bis September 1964 bei der Firma R. A. in V. als Weber von chrysotilasbesthaltigen Garnen beschäftigt. Er verstarb am 01.12.2013.

Mit Schreiben vom 29.11.1997 wandte sich der Versicherte an die Zentrale Erfassungsstelle Asbest in A. und beantragte die Anerkennung einer BK und die Entschädigung der Folgen, wobei er die Einwirkungen von Asbest als ursächlich für eine seit Februar 1996 bestehende Bronchitis-Erkrankung ansah.

Der Antrag wurde an die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden auch nur: Beklagte) weitergeleitet, die ein Feststellungsverfahren einleitete und nach Auswertung medizinischer Unterlagen mit Bescheid vom 23.04.1998 entschied, dass eine BK 4103 (Asbeststaublungenerkrankung oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura) nicht vorliege.

Mit erneuter ärztlicher Anzeige über eine BK vom 15.10.2001 trug die Ärztin für Arbeitsmedizin Dr. K. vor, dass eine Pleuraasbestose nach Nr. 4103 vorliege. Nach Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. U. lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.2002 eine Rücknahme des Bescheids vom 23.04.1998 gemäß § 44 SGB X ab, da sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben würden, dass die damalige Entscheidung unrichtig gewesen sei.

Im Rahmen einer Nachkontrolle holte die Beklagte u.a. ein Gutachten bei Dr. M., Internist, Lungen- und Bronchialheilkunde, ein und erkannte sodann mit Bescheid vom 23.06.2008 eine BK 4103 an. "Ansprüche auf Leistungen wegen der BK" bestünden nicht. Folge der BK sei eine Pleuraasbestose ohne Lungenfunktionseinschränkung im Sinne einer Restriktion. Unabhängig von der BK lägen bei dem Versicherten eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung mit zunehmender respiratorischer Insuffizienz; eine Pneumonie rechts 10/2007 und Rechtsherzbelastungszeichen vor. Die BK habe keine rentenberechtigende MdE zur Folge.

Auf Veranlassung der Beklagten erfolgte im Januar 2011 eine weitere Nachuntersuchung durch Dr. M ... Dieser kam in seinem Gutachten vom 19.01.2011 zu dem Ergebnis, dass die bei dem Versicherten bestehende respiratorische Insuffizienz primär durch die schicksalhaft bzw. zigarettenrauchinduzierte chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung entstanden sei. Die asbestbedingten pleuralen Veränderungen würden zu keiner messtechnisch erfassbaren restriktiven Ventilationsstörung führen. Es bestehe somit nach wie vor eine berufsbedingte Pleuraasbestose, jedoch werde das Krankheitsbild von der BK-unabhängig entstandenen chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung und ihren Folgeschäden dominiert. Es liege weiterhin keine asbestbedingte MdE vor. Im Rahmen einer weiteren Nachbegutachtung führte Dr. M. mit Gutachten vom 13.12.2012 aus, dass gemäß der durchgeführten Röntgenuntersuchung die Asbestose nicht zunehme. Das Erkrankungsgeschehen werde von der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung (Stadium IV nach GOLD) mit respiratorischer Insuffizienz dominiert, die asbestbedingte MdE sei weiterhin kleiner 20.

Wegen zunehmender Luftnot mit produktivem Husten wurde der Versicherte in der Zeit vom 21.05. bis 28.05.2013 stationär im X.-Klinikum Sch. H. behandelt. Im Juni 2013 kam es zur Perforation eines neu entdeckten Dickdarmkarzinoms mit anschließend septischem Schock. Bei respiratorischer Insuffizienz musste ein Luftröhrenschnitt durchgeführt werden. Anschließend war über mehrere Monate eine Langzeitbeatmung erforderlich.

Am 01.12.2013 verstarb der Versicherte im Pflegestift V ... In der Todesbescheinigung wurde als Todesursache eine Ateminsuffizienz genannt.

Auf Veranlassung der Beklagten erfolgte am 05.12.2013 im Pathologischen Institut des Universitätsklinikums H. eine Obduktion. Prof. Dr. Sch. führte im Obduktionsbericht vom 05.12.2013 und anschließendem Sektionsgutachten vom 09.01.2014 aus, die führenden bei der Obduktion erhobenen Befunde eines chronisch substantiellen Lungenemphysems, einer fokalen interstitiellen Lungenfibrose sowie hyaliner Pleuraplaques seien als Folge einer langjährigen Asbestexposition anzusehen.

Die Beklagte beauftragte sodann Prof. Dr. M., Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Facharzt für Arbeitsmedizin, Allergologie, Umweltmedizin mit der Erstellung eines arbeitsmedizinisch-internistischen Fachgutachtens nach Aktenlage. Dieser führte in seinem Gutachten vom 02.06.2014 aus, der Tod des Versicherten sei durch die anerkannte BK 4103 nicht wesentlich mitverursacht worden.

Mit an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 25.06.2014 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin, die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab. Der Tod des Versicherten sei nicht auf die anerkannte BK 4103 zurückzuführen. Einen hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2014 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 03.11.2014 beim SG Heilbronn (SG) Klage auf Feststellung, dass der Tod des Versicherten infolge der BK 4103 BKV eingetreten sei (S 5 U 3728/14). Nach Einholung eines lungenfachärztlichen Gutachtens bei Dr. G. sowie eines gemäß § 109 SGG beantragten Gutachtens bei Prof. Dr. T. wies das SG die damalige Klage mit Urteil vom 10.10.2016 ab.

Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein, die vor dem 8. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) geführt wurde (L 8 U 4946/16). Im Verlauf dieses Berufungsverfahrens ließ die anwaltlich vertretene Klägerin mit Schriftsatz vom 06.02.2017 durch ihre Prozessbevollmächtigte vortragen, "die Beklagte möge dringend überdies auch rechtsmittelfähigen Bescheid zu den Berufskrankheiten 4301/4302 erteilen und die Entschädigung insofern aufnehmen".

Nach ausführlichem Schriftwechsel der Beteiligten, in dem die Klägerin nach Aufforderung der Beklagten zur Konkretisierung der beruflichen Belastungen u.a. schilderte, die Luft im Betrieb sei ganz neblig gewesen bzw. es seien lauter Asbestfasern durch die Luft gewirbelt. Zudem ließ die Klägerin mitteilen, dass "im Rahmen der weiteren Tätigkeiten ab Herbst 1964 [ ...] als Kranführer und im Rahmen der Rangierertätigkeit weitere chemisch toxische Belastungen auf den Versicherten eingewirkt haben dürften"

Mit Bescheid vom 19.02.2018 lehnte die Beklagte Anerkennung einer BK Nr. 4301 und einer BK Nr. 4302 ab. Einwirkungen im Sinne dieser BK hätten nicht benannt werden können und hätten offensichtlich nicht bestanden. Zudem spreche der Zeitablauf zwischen dem erstmaligen Auftreten von Beschwerden und der Beendigung der Beschäftigung bei der Firma R. gegen einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und der Erkrankung.

Hiergegen erhob die Klägerin am 20.03.2018 Widerspruch, den sie dahingehend begründete, es sei nicht auszuschließen, dass im Zuge der Tätigkeit für die Firma R. Stäube allergisierender Art angefallen seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Anerkennung einer BK nach den Nrn. 4301 oder 4302 erfordere u.a. den Nachweis einer Einwirkung entsprechend gefährdender Stoffe. Es seien keine atemwegsgefährdenden Tätigkeiten im Sinne der fraglichen BK benannt worden. Wegen des angegebenen Asbestkontaktes werde ein eigenständiges Verfahren durchgeführt, so dass dieser nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 18.08.2018 erneut Klage beim SG erhoben und zur Begründung insbesondere ausgeführt, die Ermittlung sei Sache der Beklagten. Jede Betriebsbegehung hätte "eine Verstaubung an den Arbeitsplätzen ergeben müssen". Im Übrigen werde der bisherige Vortrag wiederholt. Vor dem SG hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten beantragt, hinsichtlich des verstorbenen Versicherten die Berufskrankheiten nach Nr. 4301 und Nr. 4302 BKV festzustellen.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.08.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zwar zulässig, insbesondere sei die Klägerin als Witwe des Versicherten im Hinblick auf mögliche Hinterbliebenenleistungen gem. § 63 SGB VII aus eigenem Recht klagebefugt, die Klage sei aber unbegründet. Es fehle am Nachweis von Einwirkungen für die Annahme der BK 4301 und 4302. Die Klägerin habe keinen konkreten Anhaltspunkt für Belastungen vorgetragen, sondern lediglich das Vorliegen zweier BKs pauschal behauptet.

Gegen den am 30.08.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.09.2018 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung hat sie u.a. vorgetragen, die BK sei zu Lebzeiten des versicherten Ehemannes der Klägerin gemeldet worden, so dass "auch Lebenszeitleistungen eine Rolle spielen würden". Ein Weber von Asbest bzw. chrysotilasbesthaltigen Garnen, könne den Belastungen bzw. arbeitstechnischen Bedingungen der BK 4301/4302 und 4103 nicht entgehen. Der Umgang mit chrysotilasbesthaltigen Garnen beinhalte allergisierende Belastungen wie chemisch-toxische Belastungen. Es sei gerichtsbekannt, dass beim ehemaligen Arbeitgeber des Versicherten ein "Verdacht auf eine Berufskrankheit bestehe" wegen der "Berufskrankheitenlast, die dort entstanden" sei. Das SG habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt.

Die Klägerin hat mit ihrer Berufungsschrift beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.08.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2018 zu verurteilen, der Klägerin unter Berücksichtigung der Berufskrankheiten nach Nr. 4301 und Nr. 4302 BKV die gesetzlichen Lebenszeitleistungen und Hinterbliebenenleistungen zu gewähren, hilfsweise unter Berücksichtigung der Asbeststaublungenerkrankung, Lebenszeitleistungen und Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides und des erstinstanzlichen Urteils.

In der vor dem 8. Senat des LSG geführten Berufung L 8 U 4946/16 hat der 8. Senat auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG ein Gutachten nach Aktenlage bei Prof. Dr. Sch. eingeholt und hat sodann mit Urteil vom 18.05.2018 die Berufung zurückgewiesen. Unmittelbar hiernach hat die Klägerin am 20.06.2018 einen neuen Antrag gem. § 44 SGB X gestellte und beantragt, ihr Hinterbliebenenleistungen in Form von Hinterbliebenenrente, Sterbegeld und Überführungskosten zu gewähren. Diesen neuen Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 19.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2018 abgelehnt. Hiergegen hat die Klägerin am 27.09.2018 abermals Klage zum SG (S 6 U 2969/18) erhoben, welche das SG mit Gerichtsbescheid vom 15.03.2019 abgewiesen hat und der Klägerin Verschuldenskosten in Höhe von 300 EUR auferlegt hat. Dagegen hat die Klägerin am 01.04.2019 Berufung beim erkennenden Senat eingelegt (L 1 U 1125/19), über die bislang noch nicht entschieden wurde.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Akten des Verfahrens L 8 U 4594/16 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und teilweise zulässig, aber nicht begründet.

Obgleich für die Klägerin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte der Senat verhandeln und entscheiden, denn die Beteiligten sind - mit Hinweis auf diese Möglichkeit - ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 13.05.2019 geladen worden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG; vgl. BSG, Beschluss vom 30.05.1958 – 2 RU 159/57 –, juris, Rn. 6).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 19.02.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2018, mit dem die Beklagte die Anerkennung einer BK Nr. 4301 und 4302 BKV abgelehnt hat.

Soweit die Klägerin in Abweichung zu ihrem vor dem SG gestellten Klageantrag in der Berufungsschrift beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen "gesetzliche Lebenszeitleistungen und Hinterbliebenenleistungen unter Berücksichtigung der Berufskrankheiten Nr. 4301/4302 BKV" zu gewähren, erweist sich die Berufung als unzulässig. Bereits das SG hat die Klägerin mit Schreiben vom 13.06.2018 zutreffend darauf hingewiesen, dass mit dem angegriffenen Bescheid der Beklagten vom 19.02.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2018 lediglich über das Nichtvorliegen der genannten Berufskrankheiten entschieden wurde, die Beklagte demgegenüber keine Entscheidung zu Entschädigungsleitungen getroffen hat, weshalb es bereits an einer behördlichen Vorbefassung und damit am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Hieraufhin hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.07.2018 dann auch ausschließlich den Klageantrag gestellt, die Beklagte zu verurteilen, eine "Berufskrankheit Nr. 4301 / 4302" anzuerkennen. Das SG hat mithin im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 27.08.2018 über die nunmehr mit der Berufungsschrift wieder beantragten "Lebenszeitleistungen und Hinterbliebenenleistungen" nicht entschieden, so dass insoweit auch keine Beschwer der Klägerin durch den angefochtenen Gerichtsbescheid vorliegt. Eine Beschwer im Sinne eines Rechtsschutzbedürfnisses für die Rechtsmittelinstanz liegt nur dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung etwas versagt, was beantragt wurde (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, vor 143, Rn. 6). Dies ist vorliegend bezüglich des beantragten Leistungsbegehrens nicht der Fall. Die Voraussetzungen einer Klageerweiterung in der Berufungsinstanz liegen nicht vor, nachdem die Beklagte einer entsprechenden Klageänderung in der Verhandlung ausdrücklich widersprochen hat und der Senat diese im Übrigen auch nicht als sachdienlich erachtet (§ 99 SGG).

Zulässiger Gegenstand des Berufungsverfahrens ist damit ausschließlich der bereits vor dem SG gestellte Antrag, die Beklagte zu verurteilen, beim Versicherten die BK Nr. 4301 und Nr. 4302 BKV festzustellen. Die insoweit zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die hierauf gerichtete Klage im Ergebnis zutreffend abgewiesen. Allerdings ist die Klage bereits unzulässig und nicht nur unbegründet. Statthafte Klageart ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt die Klägerin die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidung. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte anstelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer BK bzw. eines Arbeitsunfalls als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R -; Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 8/11 R -, beide in juris). Die Klägerin hat jedoch mit Blick auf die von ihr begehrte Anerkennung der BK Nr. 4301 und Nr. 4302 BKV keinerlei Rechtsschutzbedürfnis, da die von der Beklagten begehrte Feststellung nicht geeignet ist, die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung der Klägerin zu verbessern (vgl. zum Rechtsschutzbedürfnis: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., vor § 51, Rn. 16 a, m.w.N.; in einer vergleichbaren Konstellation bereits die Klagebefugnis verneinend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2018 – L 10 U 317/15 –, juris, Rn. 14).

Aus der von ihr begehrten Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung der BK Nr. 4301 und Nr. 4302 BKV bei dem verstorbenen Versicherten kann die Klägerin keine Rechte herleiten.

Insbesondere kann sie keine Geldleistungsansprüche des Versicherten als dessen Sonderrechtsnachfolgerin geltend machen, da etwaige Ansprüche bereits erloschen sind. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB I gehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten u.a. auf den Ehegatten als Sonderrechtsnachfolger über, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Gemäß § 59 SGB I erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten; Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nach Satz 2 der Vorschrift (nur) dann, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch über sie ein Verwaltungsverfahren anhängig ist. Als Sonderrechtsnachfolgerin hat die Klägerin demnach nur dann ein Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung oder Erhebung einer Klage mit dem Ziel eine BK festzustellen, wenn als Folge der Feststellung - hier des Vorliegens einer BK 4301 und/oder BK 4302 BKV - ein Anspruch auf (weitere) Geldleistungen bestehen kann, die durch Sonderrechtsnachfolge auf sie übergegangen sein können (vgl. für das fehlende Feststellungsinteresse im Fall einer Feststellungsklage: BSG, Urteil vom 12.01.2010 – B 2 U 21/08 R –, SozR 4-2700 § 63 Nr 6, Rn. 13 – 20). Ansprüche des Versicherten auf weitere Geldleistungen kommen vorliegend aber nicht in Betracht, da diese mit dem Tod des Versicherten gemäß § 59 Satz 2 SGB I erloschen sind. Ansprüche des Versicherten auf Geldleistungen wegen einer BK Nr. 4301 und/oder Nr. 4302 BKV, wie bspw. eine Verletztenrente sind zum Zeitpunkt seines Todes am 01.12.2013 nicht positiv festgestellt gewesen und im Zeitpunkt des Todes war auch kein diesbezügliches Verwaltungsverfahren (im Sinne des § 8 SGB X) anhängig. Entscheidend hinsichtlich eines anhängigen Verwaltungsverfahrens ist der tatsächliche Verfahrensstand zur Zeit des Todes des Berechtigten. Ist in diesem Zeitpunkt weder von dem Berechtigten ein Antrag gestellt worden noch der Leistungsträger von Amts wegen tätig geworden, erlischt der Anspruch (vgl. auch BSG, Urteil vom 25.10.1984 - 11 RA 18/84 -, juris, Rn. 9). Ein Rechtsnachfolger kann einen tatsächlich nicht gestellten Antrag nicht nachholen (Lilge in: Lilge, SGB I, 4. Aufl. 2016, § 59, Rn. 12; Lebich in: Hauck/Noftz, SGB, 12/05, § 59 SGB I, Rn. 6).

Ansprüche auf Geldleistungen, die im Zusammenhang mit der Feststellung der vorliegend streitigen BK 4301 und/oder BK 4302 BKV standen, wurden vom Versicherten vor dessen Tod nicht beantragt und die Beklagte hat auch kein entsprechendes Verwaltungsverfahren aufgenommen. Bei antragsunabhängigen Leistungen ist die Stellung eines Antrags nicht notwendige, aber stets hinreichende Bedingung für den Beginn des Verwaltungsverfahrens. Im Übrigen ist ein Verwaltungsverfahren über antragsunabhängige Leistungen anhängig, sobald der Leistungsträger das Verfahren "aufgenommen" hat (vgl. § 18 Satz 1 SGB X), gleichgültig aus welchen Gründen er Anlass hierfür sah. Von einer solchen "Aufnahme" kann gesprochen werden, sobald irgendein Aktenvorgang angelegt wurde (Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 59 SGB I, Rn. 24). Vorliegend wurde ein Verwaltungsverfahren betreffend die BK 4301 und/oder BK 4302 BKV erst mehrere Jahre nach dem Tod des Versicherten aufgenommen. Erst die Klägerin machte im Berufungsverfahren L 8 U 4946/16 mit Schriftsatz vom 06.02.2017 das Vorliegen der BK 4301 und/oder BK 4302 BKV geltend, in dem sie die Beklagte zum Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides zu diesen Berufskrankheiten aufforderte. Dass zu der BK 4103 BKV bereits zu Lebezeiten des Versicherten ein Verwaltungsverfahren geführt wurde, genügt indes nicht, um eine Rechtsnachfolge für Geldleistungsansprüche als Folge der BK 4301 und/oder BK 4302 BKV zu begründen. Die BK 4103 BKV ist ebenso wie hierauf beruhende Geldleistungen kein zulässiger Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Ein Rechtsschutzbedürfnis für die geführte Klage ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die begehrte Anerkennung der Klägerin bei der Durchsetzung eines möglichen Anspruchs auf Hinterbliebenenrente einen rechtlichen Vorteil verschaffen könnte. Denn das BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente ein eigener Rechtsanspruch ist, der sich zwar vom Recht des Versicherten ableitet, aber hinsichtlich aller Voraussetzungen gesondert zu prüfen ist (BSG, Urteil vom 07.02.2006 - B 2 U 31/04 R - sowie Urteil vom 25.07.2001 - B 8 KN 1/00 U R - beide in juris). Diese Trennung hat zur Folge, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach § 63 SGB VII ohne Bindung an bestands- oder rechtskräftige Entscheidungen gegenüber dem Versicherten neu zu prüfen sind. Verwaltungen und Gerichte haben vielmehr nach dem Tod eines Versicherten neu zu prüfen, ob bei diesem ein Versicherungsfall - im Sinne eines Arbeitsunfalls oder einer BK (§ 7 Abs.1 SGB VII) - vorgelegen hat und er infolge dessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden kann, sondern eine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente. Wird dieser Anspruch durch einen negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall habe nicht vorgelegen, nur ein unselbständiges Begründungselement des Verwaltungsakts (BSG, Urteil vom 04.12.2014 - B 2 U 18/13 R -, juris). Da die Anerkennung einer BK gegenüber dem Versicherten der Klägerin in Bezug auf die Hinterbliebenenrente keinen Vorteil verschaffen würde, fehlt es demzufolge an einem schutzwürdigen Interesse für eine solche postume Feststellung einer BK (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2018 - L 3 U 4168/17 -, juris, Rn. 22).

Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass die Klage im Übrigen auch unbegründet ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG zur Begründetheit der Klage Bezug und macht sich diese zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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