L 9 AL 224/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 AL 120/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 224/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 28/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Bezug einer Abfindung führt unabhängig davon, ob darin Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens enthalten sind, zum Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld. Denn § 158 SGB III regelt die Anrechnung einer Entlassungsentschädigung in pauschalierter und typisierter Form durch gestaffelte Freibeträge abhängig von dem Alter des Arbeitnehmers und der Dauer des Arbeitsverhältnisses.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.08.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte auch für den Zeitraum vom 07.02.2018 bis zum 16.02.2018 zu Recht ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen einer Entlassungsentschädigung festgestellt hat.

Der am 00.00.1977 geborene, verheiratete Kläger war vom 01.04.2016 bis zum 23.10.2017 bei der Fa. D - im Folgenden ehemalige Arbeitgeberin - als Außendienstmitarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Die arbeitsvertraglich vereinbarte ordentliche Kündigungsfrist betrug zwölf Monate zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Am 07.07.2017 kündigte die ehemalige Arbeitgeberin dem Kläger ordentlich. Am 21./27.07.2017 schlossen die Arbeitsvertragsparteien eine Abwicklungsvereinbarung. Danach waren sich beide darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung zum 30.06.2018 enden würde. Sie vereinbarten einen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes nach §§ 9, 10 KSchG, §§ 24, 34 EStG i.H.v. 2.200,00 Euro. Zudem wurde dem Kläger die Option eingeräumt, den Dienstwagen am Beendigungstag zu einem Bruttokaufpreis von 35.860,00 Euro zu erwerben. Im Fall der vorzeitigen Beendigung sollte sich die Abfindung für jeden vollen Monat um 2.500,00 Euro brutto erhöhen. Bei einem Ausscheiden bis zum 30.09.2017 sollte der Kläger den Dienstwagen anstelle der Erhöhungsbeträge als zusätzliche Abfindung ohne Zuzahlung erhalten. Mit Schreiben vom 23.10.2017 kündigte die ehemalige Arbeitgeberin dem Kläger dann verhaltensbedingt außerordentlich fristlos.

Am 30.10.2017 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Durch Bewilligungsbescheid vom 30.11.2017 bewilligte diese ihm vorläufig Arbeitslosengeld für die Dauer von 360 Kalendertagen, wobei sie den Leistungsbetrag für die Zeit vom 30.10.2017 bis zum 31.10.2017 (Bezug von Arbeitsentgelt) und vom 30.10.2017 bis zum 18.01.2018 (unter Ankündigung einer gesonderten Entscheidung) auf 0,00 Euro sowie vom 19.01.2018 bis zum 17.10.2018 auf 77,64 Euro täglich festsetzte.

Der Kläger erhob zwischenzeitlich unter dem Aktenzeichen 2 Ca 2377/17 EU Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht C. Dieses Verfahren endete mit Vergleich vom 01.12.2017. Darin wurde eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund arbeitgeberseitiger Veranlassung mit Ablauf des 31.10.2017 vereinbart. Die ehemalige Arbeitgeberin verpflichtete sich zur Gewährung einer Abfindung i.H.v. 9.000,00 Euro in bar sowie durch Übereignung des Dienstwagens unter Annahme eines Zeitwertes von 21.150,00 Euro.

Mit Bescheid vom 05.01.2018 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger für den Zeitraum vom 30.10.2017 bis zum 16.02.2018 ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld fest. Er habe von seiner ehemaligen Arbeitgeberin wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Leistung in Höhe von insgesamt 30.150,00 Euro erhalten. Die Frist für eine ordentliche Kündigung sei nicht eingehalten worden. Anspruch auf Leistungen bestehe daher erst für die Zeit nach Ablauf des Ruhenszeitraums.

Durch Sperrzeitbescheid vom gleichen Tag stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe im Zeitraum vom 27.10.2017 bis zum 18.01.2018 fest. Im Änderungsbescheid vom 08.01.2018 berücksichtigte die Beklagte dann für den Zeitraum vom 30.10.2017 bis zum 31.10.2017 den Bezug von Arbeitsentgelt sowie die vorgenannten Sperrzeit- und Ruhenszeiträume. Der vorläufige Bewilligungsbescheid werde gemäß § 48 SGB X aufgehoben.

Am 09.01.2018 legte der Kläger Widerspruch gegen die Feststellung des Sperrzeiteintritts ein. Durch Abhilfebescheid vom 31.01.2018 hob die Beklagte daraufhin ihren Sperrzeitbescheid auf. Dies setzte sie im Änderungsbescheid vom 31.01.2018 um und bewilligte (weiterhin) Arbeitslosengeld ab dem 17.02.2018. Daraufhin legte der Kläger am 01.02.2018 erneut Widerspruch ein, mit dem er sich nun gegen das Ruhen wandte. Da er die fristlose Kündigung nicht habe kommen sehen und die Abfindung als Schmerzensgeld bewerte, bitte er die "Sperrzeit" aufgrund der Entlassungsentschädigung zurückzunehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. § 158 Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) bestimme, dass der Leistungsanspruch ruhe, wenn die oder der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen habe und außerdem das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, ohne dass die ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers eingehalten worden sei. Der Kläger habe wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung i.H.v. 30.150,00 Euro zu beanspruchen. Das Arbeitsverhältnis sei am 23.10.2017 zum 31.10.2017 beendet worden. Bei Einhaltung der Kündigungsfrist von zwölf Monaten habe das Arbeitsverhältnis erst am 31.10.2018 enden können. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe von dem Ende des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet hätte. Der Kläger sei am Ende des Arbeitsverhältnisses 40 Jahre alt und zwei Jahre im Betrieb beschäftigt gewesen. Die Entlassungsentschädigung sei daher nur in Höhe von 55 Prozent, mithin i.H.v. 16.582,50 Euro, zu berücksichtigen. Dieser Anteil der Entlassungsentschädigung sei dem kalendertäglichen Arbeitsentgelt (152,78 Euro) gegenüberzustellen, welches der Kläger während seiner letzten Beschäftigungszeit verdient habe. Der Anteil der Entlassungsentschädigung entspreche folglich einem Entgelt von 108 Tagen. Dies führe zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bis zum 16.02.2018. Auf die Gründe, aus denen das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, komme es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an.

Am 23.02.2018 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Köln erhoben, mit der er lediglich eine Verkürzung des Ruhenszeitraumes begehrt.

Bei der Berechnung der Frist nach § 158 Abs. 1 SGB III sei auf die Abwicklungsvereinbarung abzustellen, wonach entsprechend der zuvor schon erklärten ordentlichen Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2018 enden sollte. Von der Abfindung im arbeitsgerichtlichen Vergleich seien zudem noch die Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens abzuziehen (RA-Vergütung 2.922,64 Euro), da er über keine Rechtsschutzversicherung verfüge. Bei dem ausgehandelten Vergleichsbetrag seien diese Verfahrenskosten schon berücksichtigt worden. Folglich ruhe der Anspruch nur für die Dauer von 98 Tagen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Ruhensbescheides vom 05.01.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2018 zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 07.02.2018 bis zum 16.02.2018 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ihre Berechnung des Ruhenszeitraumes sei zutreffend. Aufwendungen zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seien nicht abzugsfähig.

Am 01.06.2018 hat der Kläger eine Tätigkeit als Key Account Manager bei der Fa. N T GmbH & Co. KG aufgenommen.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 27.08.2018 abgewiesen:

Der Kläger sei durch den Bescheid der Beklagten vom 05.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2018 nicht in seinen Rechten verletzt, denn die Beklagte habe damit zu Recht ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen einer Entlassungsentschädigung in Form der durch die ehemalige Arbeitgeberin gewährten Abfindung im Wert von insgesamt 30.150,00 Euro für die Zeit vom 01.11.2017 bis zum 16.02.2018 festgestellt.

Die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 108 Tagen gemäß § 158 Abs. 1 SGB III lägen bei dem Kläger vor. Sein Arbeitsverhältnis habe durch die Arbeitgeberkündigung und den anschließenden arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 01.12.2017 zum 31.10.2017 - ohne Einhaltung der sich aus dem Arbeitsvertrag vom 01.04.2016 ergebenden ordentlichen Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats - sein Ende gefunden.

Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe der Kläger von seiner ehemaligen Arbeitgeberin ausweislich des arbeitsgerichtlichen Vergleichs eine Abfindung im Gesamtwert von 30.150,00 Euro erhalten. Der Wortlaut des Vergleichs sei hinsichtlich der Bezeichnung der arbeitgeberseitigen Leistung wegen der Entlassung als Abfindung eindeutig. In der getroffenen Vereinbarung fänden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich nicht um eine Abfindung, sondern um eine teilweise Kostenerstattungsregelung habe handeln sollen. Mit der Auffassung der Beklagten scheide ein Abzug von der Abfindungssumme i.H.v. 2.922,64 Euro für Prozesskosten des Klägers aus. Eine derartige Abzugsmöglichkeit sei im Rahmen von § 158 SGB III nicht normiert und damit auch nicht vorzunehmen. Der Kläger habe eine Abfindung i.H.v. 30.150,00 Euro erhalten. Wofür er diese zu verwenden beabsichtige, etwa zum Ausgleich der ihm angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten, spiele im Rahmen der Berechnung der Ruhensfrist des § 158 SGB III keine Rolle.

Hinsichtlich der Dauer des Ruhens habe die Beklagte zutreffend 108 Tage entsprechend den gesetzlichen Vorgaben berechnet. Diesbezüglich werde gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergänzend auf die zutreffende Berechnung und Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen, der sich das Sozialgericht nach eigener Prüfung in vollem Umfang anschließe. Soweit die Beklagte in dem Bescheid vom 05.01.2018 noch einen Ruhenszeitraum vom 30.10.2017 bis zum 16.02.2018 angeführt habe, habe sie dies im Rahmen des Änderungsbescheides vom 31.01.2018 korrigiert.

Gegen das ihm am 01.10.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.10.2018 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Die von dem Sozialgericht vorgenommene Auslegung der Norm sei unzutreffend. Nach den klassischen Auslegungsgrundsätzen gelange man zu dem Ergebnis, dass die Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, die vom Arbeitnehmer zu tragen seien, bei der Abfindung berücksichtigt werden müssten. Die Norm verfolge den Zweck, den Doppelbezug von Arbeitslosengeld und Abfindung zu verhindern. Daher werde auch die Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs nicht gemindert, sondern nur der Leistungsbeginn zeitlich hinausgeschoben. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass Lohnersatzleistungen nach dem SGB III nicht benötigt würden, solange trotz Arbeitslosigkeit kein Verdienstausfall eintrete. Der Verdienstausfall trete aber dann ein, wenn dem Arbeitnehmer Kosten für ein arbeitsgerichtliches Verfahren entstünden, und diese bei der Berechnung der Ruhenszeiten nicht abgesetzt würden. Durch die aufgewandten Kosten vermindere sich die Abfindung, die dem Arbeitnehmer tatsächlich verbleibe. In dem Umfang der vom Arbeitnehmer selbst aufgewandten Kosten für ein arbeitsgerichtliches Verfahren fehle es daher an einem Doppelbezug. Würden die Kosten, die ein nicht rechtschutzversicherter Arbeitnehmer für ein arbeitsgerichtliches Verfahren aufgewendet hat, im Rahmen der Berechnung der Ruhensfristen nicht berücksichtigt, so würde dies im Einzelfall zu völlig unsachgemäßen Ergebnissen führen, die die Unbilligkeit im vorliegenden Fall noch deutlich überstiegen. Es sei sogar denkbar, dass die Rechtschutzkosten insbesondere bei Beschreiten des Instanzenweges die Abfindung überstiegen. Schließlich würden im Steuerrecht die Aufwendungen für ein arbeitsgerichtliches Verfahren bei der Versteuerung der Abfindung ebenfalls anerkannt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.08.2018 abzuändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Ruhensbescheides vom 05.10.2018 und Abänderung ihres Änderungsbescheides vom 08.01.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31.01.2018, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2018, zu verurteilen, dem Kläger auch für die Zeit vom 07.02. bis 16.02.2018 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

I. Die Berufung ist nach Maßgabe der §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750,00 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Beschwerdegegenstand ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht dem Kläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt wird (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 144 Rn. 14; Sommer, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 144 Rn. 17, jeweils m.w.N.). Das Sozialgericht hat ausgehend von dem auch im Berufungsverfahren weiterverfolgten Antrag des Klägers über die Gewährung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 07.02.2018 bis zum 16.02.2018 entschieden. Der Kläger begehrt demnach Arbeitslosengeld für weitere zehn Tage, d.h. in Höhe von 776,40 Euro.

II. Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen.

1. Gegenstand der statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt, Abs. 4, 56 SGG ist nicht nur der Ruhensbescheid vom 05.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2018. Der Ruhenszeitraum hat ebenso Aufnahme in den - erstmalig eine endgültige Bewilligung enthaltenden - Änderungsbescheid vom 08.01.2018 gefunden, durch den der ursprünglich nur vorläufige Bewilligungsbescheid vom 30.11.2017 i.S.v. § 328 Abs. 2 SGB III, § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ersetzt - und nicht wie die Beklagte meint, gemäß § 48 SGB X aufgehoben - worden war. Der Änderungsbescheid vom 08.01.2018 ist schließlich durch den Änderungsbescheid vom 31.01.2018 ersetzt worden. Ruhensbescheid und Änderungsbescheid bilden eine rechtliche Einheit.

2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 07.02.2018 bis zum 16.02.2018, weil der durch die Arbeitslosmeldung am 30.10.2017 zum 01.11.2017 gemäß §§ 136 Abs. 1 Nr. 1, § 137 Abs. 1 SGB III dem Grunde nach entstandene Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 158 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 2 SGB III im Zeitraum vom 01.11.2017 bis zum 16.02.2018 geruht hat. Der Senat schließt sich den in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid sowie des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 3, § 153 Abs. 2 SGG). Er weist lediglich ergänzend auf Folgendes hin:

Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung. Eine Rechtsgrundlage für den Abzug der Rechtsanwaltsvergütung von der Entlassungsentschädigung besteht - unabhängig von dem Bestehen oder Nichtbestehen einer Arbeitsrechtsschutz gewährenden Versicherung - nicht. Insbesondere lässt § 158 SGB III keinen Raum für die vom Kläger gewünschte Auslegung.

a) Nach Ziffer 3 des arbeitsgerichtlichen Vergleiches vom 01.12.2017 ist eindeutig eine Abfindung in Form einer Geldzahlung sowie der Übereignung des Dienstwagens vereinbart worden. Damit stellt diese nach dem Wortlaut des § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III eine zu berücksichtigende Entlassungsentschädigung dar.

b) Die heutige Regelung beruht auf der Vorläuferregelung, dem § 117 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i.d.F. v. 28.06.1969, die der Gesetzgeber folgender Maßen begründet hat (BT-Drs. 5/2291, S. 82 zu § 106):

"Die Vorschrift geht von dem Grundgedanken aus, daß Leistungen, die der Arbeitslose im Zusammenhang mit einem vorzeitigen Ausscheiden erhält oder zu beanspruchen hat, unter anderem zur Abfindung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die Zeit der Kündigungsfrist bestimmt sind. Derartige Leistungen sollen deshalb das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Kündigungszeit, längstens jedoch für ein Jahr bewirken. Die Neuregelung vereinfacht das Verfahren bei den Arbeitsämtern. Nach geltendem Recht müssen die Arbeitsämter in jedem Einzelfall prüfen, ob und in welchem Umfange eine Leistung zur Abgeltung von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gewährt wird. Das läßt sich in sehr vielen Fällen nur auf Grund umfangreicher und schwieriger Feststellungen beurteilen. Diese werden bei der neuen Regelung vermieden."

Ziel der Neuregelung war mithin die Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens. Dieser Gedanke des historischen Gesetzgebers trägt auch die Nachfolgeregelegung in § 158 SGB III. Die Entlassungsentschädigung ist folglich gerade nicht auf ihre einzelnen Bestandteile hin zu überprüfen (vgl. Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB, 05/17, § 158 SGB III, Rn. 40). Die Beklagte ist daher nicht gehalten, die genauen Hintergründe des Vergleichsabschlusses aufzuklären. Es kann ihr nicht angesonnen werden, eine in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich als "Abfindung" bezeichnete Position auf alle Interessen und Einzelforderungen hin zu untersuchen, die auf Seiten beider Arbeitsvertragsparteien Berücksichtigung in dem Vergleich gefunden haben.

c) Systematische Gesichtspunkte, die für die Auslegung des Klägers sprechen sind nicht erkennbar. Insbesondere geht sein Verweis auf steuerrechtliche Regelungen ins Leere.

Dass im Steuerrecht ein Abzug von Rechtsverfolgungskosten vom Einkommen anerkannt ist, zwingt nicht dazu, auch im Sozialrecht einen Abzug von Rechtsverfolgungskosten von einer Abfindung bei der Prüfung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld anzuerkennen. Zwar ist der Begriff der Entlassungsentschädigung in § 24 Einkommenssteuergesetz (EStG) und § 158 SGB III ähnlich (vgl. zu den Verbindungen Geserich in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 294. AL 3/2019, § 24), jedoch hat der Gesetzgeber für die Behandlung derselben bewusst ganz unterschiedliche Regelungen getroffen. Bei den Werbungskosten geht es um die Frage steuerlicher Entlastung, bei dem Anspruch auf Arbeitslosengeld um eine Sozialversicherungsleistung.

Während § 158 SGB III einen Abzug der Kosten einer Kündigungsschutzklage von einer Entlassungsentschädigung nicht vorsieht, sind diese als Werbungskosten i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und liegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen ein objektiver Zusammenhang besteht (vgl. z.B. Urteil vom 09.02.2012 - VI R 23/10 -, juris Rn. 10). Für das Steuerrecht spielt es keine Rolle, ob die Verfahrenskosten in den Abfindungsbetrag eingegangen sind, solange der Kläger die Zahlung der Gerichtskosten und der Rechtsanwaltsvergütung nachweisen kann. Die durch das Steuerrecht geschaffene Möglichkeit, die Kosten des Verfahrens von seinen Einkünften, zu denen auch die komplette Abfindung zählt, abzusetzen, wird dem Kläger hier nicht genommen.

Das System des § 158 SGB III ist ungleich differenzierter, denn hier wird unterschiedlichen Bestandteilen einer Entlassungsentschädigung (Ausgleich für entgangenes Arbeitsentgelt und für den Verlust des Arbeitsplatzes) durch eine nur teilweise Berücksichtigung derselben Rechnung getragen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld wird der Höhe nach nicht beeinträchtigt, sondern nur hinsichtlich seines Beginns nach hinten verschoben, so dass es eines über steuerrechtliche Regelungen hinausgehenden Ausgleichs etwaiger Rechtsverfolgungskosten nicht bedarf.

d) Sinn und Zweck der Regelung in § 158 SGB III ist es, einen Doppelbezug von Arbeitslosengeld und Entlassungsentschädigung zu verhindern.

Die Vorschrift basiert auf der Überlegung, dass Entlassungsentschädigungen, die bei vorzeitiger Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, dann zumindest teilweise Lohnansprüche für die Zeit zwischen der vereinbarten Beendigung der Beschäftigung und dem Ende der ordentlichen Kündigungsfrist enthalten, wenn das Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wird. Nur insoweit soll ein Ruhen des Arbeitslosengeldes stattfinden. Das Gesetz löst diese Problematik durch eine Regelvermutung, die in pauschalierter und typisierter Form die Abfindungen teilweise als entgangenes Arbeitsentgelt und zum anderen Teil als Ausgleichsleistung für den Verlust des Arbeitsplatzes bewertet. Das Verhältnis zwischen Arbeitsentgelt und der Zahlung wegen Verlust des Arbeitsplatzes wird dabei durch gestaffelte Freibeträge typisiert ermittelt (vgl. Bender, in: Gagel, 72. EL Dezember 2018, SGB III § 158 Rn. 35; Schmitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, § 158 SGB III, Rn. 4). Bei diesen notwendigen typisierenden Regelungen sind auch gewisse Härten und Ungerechtigkeiten hinzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.1976 - 1 BvL 31/73 -, juris Rn. 29 m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund vermag der Senat im Fall des Klägers nicht zu festzustellen, dass der Sinn und Zweck verfehlt würde oder eine außergewöhnliche Härte vorläge.

e) Das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld hängt auch nicht vom Bestehen oder Nichtbestehen einer Arbeitsrechtsschutz gewährenden Versicherung ab, wie der Kläger meint. Auch dafür findet sich im Gesetz keine Stütze. Bei dem Risiko, die Kosten eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens tragen zu müssen, handelt es sich vielmehr um ein allgemeines Lebensrisiko. Dieses durch den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung zu begrenzen, steht jedermann frei. Es wird durch die steuerrechtliche Abzugsmöglichkeit der Kosten eines Arbeitsgerichtsprozesses als Werbungskosten abgemildert. Im Falle der Bedürftigkeit besteht zudem zumindest Anspruch auf Prozesskostenhilfe.

f) Soweit der Kläger behauptet, dass in die Abfindung auch die Kosten des Arbeitsrechtsstreites eingegangen seien, bleibt er schon den Nachweis dafür schuldig. Zudem sind Positionen, die nur gedanklich in den arbeitsgerichtlichen Vergleich eingeflossen sind, einer Aufklärung - insbesondere aufgrund der Zugehörigkeit zur Sphäre oft nur einer Arbeitsvertragspartei - nicht zugänglich. Vor allem aber verkennt der Kläger die Vorgaben des Arbeitsrechts. § 12a Abs. 1 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) bestimmt, dass in Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten besteht. Den Arbeitsvertragsparteien ist es trotz dieser gesetzlichen Regelung unbenommen, eine umfassende oder teilweise Kostenerstattungspflicht durch Parteivereinbarung in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich festzulegen und so im Rahmen der Vertragsfreiheit gemäß §&8201;305 Bürgerliches Gesetzbuch die Erstattung prozessual nicht auferlegungsfähiger Kosten zu vereinbaren (vgl. Mestwerdt/Spengler/Dubon, Kündigungsschutzrecht, ArbGG, beck-online, § 12a Rn. 6). Fehlt - wie im hier zu beurteilenden Fall - eine Kostenregelung gänzlich, so gelten die Kosten gemäß § 98 Zivilprozessordnung (ZPO) als gegeneinander aufgehoben (vgl. Schwab/Weth, in: Schwab/Weth, ArbGG, 5. Aufl. 2018, § 12a ArbGG, Rn. 30 m.w.N.), d.h. jede Partei trägt ihre Kosten selbst. Das gilt auch, wenn die Parteien eine solche Kostenübernahme nicht mit hinreichender Deutlichkeit vereinbaren, denn im Zweifel ist davon auszugehen, dass die nach § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht erstattungsfähigen Kosten nicht mit einbezogen sind, wenn diese nicht besonders erwähnt sind (vgl. BAG, Urteil vom 27.10.2005 - 8 AZR 546/03 -, juris Rn. 36).

Im vorliegenden Fall haben die Arbeitsvertragsparteien in dem Vergleich gerade keine ausdrückliche Kostenregelung getroffen. Zwar mag es sein, dass aus Vereinfachungsgründen im arbeitsgerichtlichen Vergleich darauf verzichtet und die Entlassungsentschädigung im Gegenzug um die zu erwartenden Rechtsanwaltsgebühren erhöht worden ist. Um unerwünschte Ruhensfolgen nach § 158 zu vermeiden, wäre es aber erforderlich gewesen (vgl. Bender in: Gagel, SGB III, 72. EL Dezember 2018, § 158 Rn. 47), in den Vergleich aufnehmen zu lassen, dass die ehemalige Arbeitgeberin die Kosten des Klägerbevollmächtigten trägt. Im Gegenzug hätte dann ggf. eine niedrigere Abfindung vereinbart werden können. Wenn der Kläger davon abgesehen hat, muss er sich im Rahmen des § 158 SGB III daran festhalten lassen. Die gewählte Gestaltung kann nicht zu Lasten der Arbeitslosenversicherung gehen.

III. Außergerichtliche Kosten sind auch in diesem Rechtszug nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

IV. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG) bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved