Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 450/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 254/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Änderung der Bescheide vom 20.07.2011, 22.08.2011, 21.09.2011, 21.10.2011 und 21.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2011 sowie der Änderungsbe-scheide vom 19.12.2011, 20.01.2012, 22.02.2012, 23.03.2012 und 20.04.2012 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.08.2011 weitere Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ohne Anrechnung russischer Renten als Einkommen und für die Zeit vom 01.09.2011 bis 30.06.2012 ohne Anrechnung der auf die Leiden der Kläger im Zwei-ten Weltkrieg bezogenen Rentenanteile zu gewähren. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der den Klägern gewährten Leistung nach dem 4. Kapitel Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII), insbesondere um die Anrechen-barkeit einer russischen Invalidenrente für Blockadeopfer Leningrads, bzw. für Invali-den des Großen Vaterländischen Krieges als Einkommen.
Der im Jahr 19xx geborene Kläger und die im Jahr 19xx geborene Klägerin sind russi-sche Staatsangehörige. Es handelt sich bei den Klägern um Cousin und Cousine, die eine gemeinsame Wohnung in Stadt D. bewohnen. Beide sind verwitwet. Sie bezie-hen seit Jahren Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beklagten, ur-sprünglich ohne Anrechnung von Einkommen. Darüber hinaus gewährt die Beklagte den Klägern Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII. Beim Kläger liegt ausweislich seines Schwerbehindertenausweises ein Grad der Behinde-rung (GdB) von 80 und Merkzeichen G vor, bei der Klägerin ein GdB von 100 und Merkzeichen G.
Mit Schreiben vom 01.02.2011 wies die Beklagte die Kläger daraufhin, dass diese möglicherweise einen Anspruch auf eine russische Rente haben könnten, die ge-genüber den Leistungen nach dem SGB XII vorrangig sei. Es werde daher darum ge-beten, einen entsprechenden Antrag zu stellen und die Bemühungen nachzuweisen. Die Kläger teilten mit Schreiben vom 14.02.2011 mit, dass sie bereits vor ihrem Umzug nach Deutschland im Mai 20xx eine russische Rente bezogen haben. Allerdings sei die Rente gering und werde an Bekannte, bzw. Verwandte in Russland gezahlt, die hiermit die Grabpflege von Gräbern Angehöriger sicherstellen sollten. Seit dem Umzug nach Deutschland hätten sie daher von ihren russischen Renten nichts erhalten.
Mit Schreiben vom 25.02.2011 forderte die Beklagte die Kläger auf, unverzüglich einen aktuellen Nachweis über die Höhe der russischen Renten zu erbringen. Aus einer Be-scheinigung des russischen Rentenversicherungsträgers vom 24.03.2011 ergab sich die Rente des Klägers, aus einer Bescheinigung vom 11.05.2011 die der Klägerin. An-teilig in der Rente des Klägers war unter anderem eine Invalidenrente als "Invalide des Großen Vaterländischen Krieges" i.H.v. 10.622,81 Rubel und eine "DEMO-Rente" i.H.v. 1.000,00 Rubel enthalten und in der Rente der Klägerin eine Invalidenrente i.H.v. 4.323,76 Rubel, die für Personen mit dem Abzeichen "Bewohner der Blocka-destadt Leningrad" gewährt wird sowie eine "DEMO-Rente" i.H.v. 500,00 Rubel.
Mit Bescheid vom 20.07.2011 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII für die Zeit von August 2011 bis Juni 2012 i.H.v. insgesamt 616,87 EUR monatlich. Sie berücksichtigte hierbei die Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe (381,24 EUR Grundmiete zzgl. 60,94 EUR Heizkostenvorauszahlung) und legte für die Kläger jeweils den Mischregelsatz i.H.v. 328,00 EUR, einen Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.H.v. 55,76 EUR pro Person und einen Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 S.GB XII i.H.v. 7,54 EUR pro Person zugrunde. Zudem rech-nete sie beim Kläger eine russische Rente i.H.v. 274,25 EUR und bei der Klägerin i.H.v. 333,66 EUR als Einkommen auf die Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII an. Beim Kläger ging sie dabei von einer russischen Rente i.H.v. insgesamt 10.622,00 Rubel, bei der Klägerin i.H.v. insgesamt 13.504,00 Rubel monatlich aus und legte den Wech-selkurs vom 29.04.2010 bzw. 30.12.2010 zugrunde.
Die Kläger erhoben hiergegen unter dem 04.08.2011 Widerspruch. Die russischen Renten stünden ihnen noch nicht zur Verfügung, da sie noch nicht auf ihr deutsches Konto gezahlt würden. Daher sei eine Anrechnung rechtswidrig. Unter dem 21.09.2011 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid betreffend den Zeitraum von August 2011 bis Juni 2012. Hiergegen erhoben die Kläger unter dem 12.10.2011 Wi-derspruch.
Die Anrechnung der Renten sei zu hoch, da diese Bestandteile enthielten, die im Zu-sammenhang mit dem 2. Weltkrieg stünden und nicht anrechenbar seien.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2011 als unbegründet zurück. Bei den von der Klägern bezogenen russischen Renten, die laut der Bescheinigung des russischen Rentenversicherungsträgers 10.622,81 Rubel, bzw. 13.504,76 Rubel betragen, handele es sich um Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII, welches anzurechnen sei. Aus dem Gesetz ergebe sich nicht, dass Teile der von den Klägern bezogenen Renten anrechnungsfrei bleiben müssten.
In weiteren auf den Bewilligungszeitraum bis zum 30.06.2012 bezogenen Änderungs-bescheiden rechnete die Beklagte teilweise Einkommen aus russischen Renten in geänderter Höhe an.
Die Kläger haben am 09.12.2011 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, es sei schon nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte bei den im Jahr 2011 gezahlten und angerechneten Renten einen Wechselkurs aus 2010 bei der Umrechnung zu-grunde lege. Im Zeitraum der Anrechnung habe ein anderer Wechselkurs gegolten. Im August 2011 seien ihnen – auch in Russland – keine Renten zugeflossen, da die Be-antragung der künftigen Auszahlung auf ihr deutsches Konto dazu geführt habe, dass die Renten in Russland für etwa drei Monate blockiert waren. Darüber hinaus dürften die Bestandteile der russischen Rente, die eine Entschädigungsleistung für die Lei-den des Zweiten Weltkrieges darstellten, nicht angerechnet werden. Dies sei bei der Invalidenrente und dem Erhöhungsbetrag des Versicherungsteils der russischen Ren-te der Fall, was sich auch aus der beigefügten, in einem Verfahren vor dem Sozialge-richt Nürnberg (Az.: S 19 SO 100/10) eingeholten Stellungnahme des Instituts für Ost-recht München ergebe. Der in den Rentenbescheiden nicht extra ausgewiesene Er-höhungsbetrag liege bei 788,62 Rubel. Aus der teilweisen Nichtanrechenbarkeit folge ein höherer Grundsicherungsanspruch. Sie seien beide Invaliden der Stufe II. Die überwiegende Mehrheit der Kommunen rechne die im Streit stehenden Rentenanteile nicht als Einkommen an.
Sie beantragen,
die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 20.07.2011, 22.08.2011, 21.09.2011, 21.10.2011 und 21.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 02.12.2011 sowie der Änderungsbescheide vom 19.12. 2011, 20.01.2012, 22.02.2012, 23.03.2012 und 20.04.2012 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.08.2011 weitere Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nach Maßgabe der gesetzlichen Bestim-mungen ohne Anrechnung russischer Renten als Einkommen und für die Zeit vom 01.09.2011 bis 30.06.2012 ohne Anrechnung der auf die Leiden der Kläger im Zweiten Weltkrieg bezogenen Rentenanteile zu gewähren.
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für unbe-gründet. Da § 82 SGB XII ausdrücklich Leistungen aufführe, die nicht als Einkommen angerechnet werden dürfen und die von den Klägern bezogenen Leistungen dort nicht genannt würden, seien diese voll anzurechnen. Für eine Gleichsetzung der von den Klägern empfangenen Leistungen mit den in § 82 Abs. 1 SGB XII genannten Leis-tungen nach dem BVG fehle die gesetzliche Grundlage. Eine analoge Anwendung auf Rechtsvorschriften anderer Länder verbiete sich. Für eine analoge Anwendung fehle es schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Im Übrigen seien die russi-schen Rentenanteile aber auch nicht nach Grund und Höhe mit den im deutschen Recht privilegierten Entschädigungsleistungen vergleichbar.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genom-men auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die die Kläger betreffende Leistungsak-te der Beklagten. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozi-algerichtsgesetz (SGG) und verletzen die Kläger in ihren Rechten.
Die Kläger haben im streitigen Zeitraum Anspruch auf weitere Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Streitiger Zeitraum ist vorliegend der in den angefochtenen Be-scheiden geregelte Bewilligungszeitraum vom 01.08.2011 bis 30.06.2012.
Nach § 19 Abs. 2 SGB XII ist Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den besonderen Voraussetzungen des 4. Kapitels des SGB XII den Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können. Die Kläger gehören schon aufgrund ihres Alters und des jedenfalls nicht den sozialhilfe-rechtlichen Bedarf übersteigenden Einkommens grundsätzlich zu dem nach §§ 41, 19 Abs. 2 SGB XII leistungsberechtigten Personenkreis, was zwischen den Beteiligen auch nicht streitig ist. Den Bedarf der Kläger in Bezug auf Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat die Beklagte grundsätzlich zutreffend ermittelt, indem sie die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung, jeweils Leistungen nach Regelbe-darfsstufe 2 und Mehrbedarfe nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 7 S. 2 Nr. 1 SGB XII zugrundegelegt hat.
Die russischen Renten der Kläger sind im Monat August 2011 nicht, in der Zeit vom 01.09.2011 bis 30.06.2012 nur teilweise auf die Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII als Einkommen anrechenbar. Der nach § 82 SGB XII erforderliche Einkom-mens- und nach § 90 SGB XII erforderliche Vermögenseinsatz dient der Wahrung des Nachranggrundsatzes. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Le-ben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Im Wesentlichen ist damit beabsichtigt, gerade diese Renten,
die im besonderen Maße ein mit dem Verlust körperlicher Unversehrtheit einherge-hendes Sonderopfer für die Allgemeinheit ausgleichen, nicht durch Anrechnung auf Grund-sicherungsleistungen zu entwerten (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2007, Az.: B 11b AS 49/06 mwN). Die Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) liegen aktuell gemäß § 31 BVG abhängig vom jeweiligen Grad der Schädigungsfolgen zwi-schen 124,- EUR und 652,- EUR monatlich.
Grundsätzlich handelt es sich bei ausländischen Renten um (anrechenbares) Ein-kommen im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII. Dies gilt zur Überzeugung der Kammer jedoch nicht für die den Klägern aufgrund der Leiden im Zweiten Weltkrieg gewährten Renten-bestandteile, also die russischen Invalidenrenten, den Erhöhungsbetrag des Versicherungsteils und für die zusätzliche monatliche materielle Versorgung – sog. DEMO-Rente - (vgl. ebenso: SG Augsburg, Urteil vom 22.12.2011, Az.: S 15 SO 145/11), wobei letztere von der Beklagten tatsächlich auch gar nicht angerechnet wur-de, ohne dass hierfür eine Begründung ersichtlich ist. Diese Rentenbestandteile wer-den den Klägern aufgrund ihres anerkannten Status als Blockadeopfer Leningrads, bzw. als Invaliden des Großen Vaterländischen Krieges gewährt. Zwar sind diese Ren-tenbestandteile nicht als Ausnahmen von einer Anrechnung in § 82 Abs. 1 SGB XII aufgeführt; dieser bezieht sich nur auf die dort genannten Entschädigungsleistungen nach deutschem Recht. Jedoch gilt – worauf die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 09.07.2008 auf eine kleine Anfrage (BT-Drucks. 16/9950, 2) zutreffend hingewie-sen hat - für die Leistungsgewährung nach dem SGB XII der in § 9 SGB XII enthaltene Grundsatz "Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles", nach dem sich Art, Form und Maß der Leis-tungen nach dem jeweiligen Einzelfall zu richten haben. Im Einzelfall ist deshalb vom zuständigen Sozialhilfeträger zu prüfen, ob eine russische Rente auch nicht anzurechnende Bestandteile umfasst. Dabei ist nach Auffassung der Bundesregierung in analoger Anwendung von § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII zu prüfen, ob Leistungsbestandteile, wür-den sie auf deutschem Recht beruhen, nicht anzu-rechnen wären. Dies hat die Beklagte nicht getan, sondern sich vielmehr darauf beru-fen, dass § 82 Abs. 1 S. 1 abschließend die Ausnahmen von der Einkommensanrech-nung aufzähle und eine - eine analoge An-wendung ermöglichende - planwidrige Regelungslücke nicht vorliege. Allerdings hat schon das BSG in seiner Entscheidung vom 05.09.2007 (aaO) zu dem § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII entsprechenden § 11 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) und in Bezug auf eine britische Kriegsop-ferrente (zur Gleichstellung einer ukrainischen Militärinvalidenrente im Geltungsbereich des § 76 BSHG vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2005, Az.: 2 K 3314/04) ausgeführt, dass ausländische Leistungen aus Gründen der Gleichbehandlung der vorgenannten Regelung gleichgestellt werden können und müssen, wenn sie nach Grund und Höhe einer anrechnungsfreien Grundrente ver-gleichbar sind. Dies hat die Beklagte vorliegend verkannt. Es ist nicht ersichtlich, dass vor Erlass der angefochtenen Bescheide eine Vergleichbarkeit der streitigen russi-schen Rentenbestandteile nach Grund und Höhe mit den Entschädigungsleistungen nach deutschem Recht geprüft wurde.
Nach Auffassung der Kammer ist vorliegend bei den aufgrund der Leiden im Zweiten Weltkrieg erbrachten Rentenbestandteilen der Kläger eine solche Vergleichbarkeit ge-geben. Die bei den Klägern gegebene Eigenschaften als anerkannte "Einwohnerin der Blockadestadt Leningrad", bzw. anerkannter "Invalide des Großen Vaterländischen Krieges", die Voraussetzung für die russische Invaliden- und DEMO-Rente sind, sind ebenso entschädigungswürdig, wie die in § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII genannten, im deutschen Recht vorgesehenen Entschädigungsleistungen. Auch werden diese Leis-tungen ausdrücklich wie eine Entschädigung, also zusätzlich zu anderen Leistungen, gewährt. Dies hat auch das Sozialgericht Augsburg in seinem Urteil vom 22.12.2011 (aao.) so gesehen und ausführlich begründet. Die Kammer nimmt auf die dortigen Ausführungen, insbesondere zur Vergleichbarkeit der russischen Invalidenrente für Blockadeopfer und der DEMO-Rente mit der Grundrente nach § 31 BVG - vollumfäng-lich Bezug und schließt sich diesen nach eigener, eingehender Prüfung vollumfäng-lich an. Insbesondere ergibt sich die Vergleichbarkeit der hier streitigen, den Klägern gewährten Rentenbestandteile dem Grund und der Höhe nach mit den privilegierten Entschädigungsleistungen nach deutschem Recht auch aus der von den Klägern in das Verfahren eingeführten Stellungnahme des Instituts für Ostrecht vom 31.01.2011. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass Voraussetzung für die russische Invalidenrente nicht ist, dass die Invalidität gerade auf den Geschehnissen während des Zweiten Weltkriegs beruht. Der Grund für die Invalidität ist vielmehr unerheblich, er muss nicht auf einer Kriegsverletzung beruhen. Es reicht beispielsweise eine Inva-lidität infolge der schlechten Ernährung oder der während der Blockade Leningrads schlechten Versorgung oder jeder andere Grund (vgl. Stellungnahme des Instituts für Ostrecht, S. 15). Dies ändert nach Auffassung der Kammer jedoch nichts an der grundsätzlichen Vergleichbarkeit mit den deutschen Entschädigungsleistungen. Bei den den Klägern gewährten Invalidenrenten handelt es sich gerade nicht um eine all-gemeine russische Invalidenrenten, die der Sicherung des Lebensunterhaltes dient, sondern vielmehr um eine aufgrund ihres besonderen Status gewährte Rente. Der russische Gesetzgeber ging bei Einführung dieser Rente davon aus, dass die Blocka-deopfer infolge der Belagerung Leningrads typischerweise einem hohen Risiko der Invalidität ausgesetzt waren und sind (vgl. Stellungnahme des Instituts für Ostrecht, S. 17). Die streitigen Rentenbestandteile erfüllen die Funktion einer Entschädigung für die Leiden des Zweiten Weltkriegs.
Nach Auffassung der Kammer sind die den Klägern aufgrund der Leiden im Zweiten Weltkrieg gewährten Rentenanteile auch der Höhe nach mit der Grundrente nach dem BVG vergleichbar. Diese bewegt sich gemäß § 31 BVG zwischen 124,- EUR und 652,- EUR monatlich. Die streitigen Rentenanteile der Kläger liegen nicht außerhalb dieses Rahmens.
Im Monat August 2011 war eine Anrechnung russischer Renten insgesamt rechtswid-rig, da den Klägern in diesem Monat die Renten noch nicht als bereite Mittel zur Ver-fügung standen. Die erste der quartalsweise erfolgenden Auszahlungen hat im Sep-tember
2011 stattgefunden, erst dann ist den Klägerin Einkommen zugeflossen. Im Monat August 2011 standen die Renten den Klägern auch nicht in Russland zur Verfügung. Die Kläger haben im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit glaubhaft vorge-tragen, dass die Beantragung der künftigen Auszahlung auf ihr deutsches Konto dazu geführt hat, dass die Renten in Russland für etwa drei Monate "geblockt" waren. Eine Anrechnung durfte daher erst ab dem Zuflussmonat September 2011 erfolgen.
Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass die Praxis der Beklagten, im streitigen Zeitraum in den Jahren 2011 und 2012 bei den nicht auf die Leiden im Zweiten Welt-krieg bezogenen und damit unstreitig als Einkommen anrechenbaren russischen Ren-tenbestandteilen einen Wechselkurs aus dem Jahr 2010 zugrunde zu legen, nicht nachvollziehbar ist und bedenklich erscheint. Ausländische Leistungen sind zum Kurswert in Euro umzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2007, aaO mwN). Aufgrund vorhandener Kursschwankungen wird damit das Einkommen der Kläger nicht korrekt ermittelt. Vielmehr müsste die Beklagte sich regelmäßig Kontoauszüge vorlegen las-sen, aus denen die den Klägern zugeflossenen Renten in Euro ersichtlich sind und anhand dieser Beträge eine Berechnung vornehmen, oder sie müsste monatlich auf-grund des aktuellen Wechselkurses eine Berechnung anstellen und prüfen, ob sich die russischen Renten im Laufe der Zeit der Höhe nach geändert haben.
Darüber hinaus weist das Gericht darauf hin, dass – da den Klägern die Renten nicht monatlich zufließen, sondern ausweislich der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen des russischen Rentenversicherungsträgers nur einmal im Quartal - eine Berechnung nach § 8 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII erfolgen muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Obsiegen/Unter-liegen.
Die Statthaftigkeit der Berufung folgt aus § 144 Abs. 1 SGG. Bei beiden Klägerin über-steigen die auf die Leiden des Zweiten Weltkrieges bezogenen russischen Rentenan-teile im streitigen Zeitraum jeweils den maßgeblichen Beschwerdewert von 750,00 EUR.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der den Klägern gewährten Leistung nach dem 4. Kapitel Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII), insbesondere um die Anrechen-barkeit einer russischen Invalidenrente für Blockadeopfer Leningrads, bzw. für Invali-den des Großen Vaterländischen Krieges als Einkommen.
Der im Jahr 19xx geborene Kläger und die im Jahr 19xx geborene Klägerin sind russi-sche Staatsangehörige. Es handelt sich bei den Klägern um Cousin und Cousine, die eine gemeinsame Wohnung in Stadt D. bewohnen. Beide sind verwitwet. Sie bezie-hen seit Jahren Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beklagten, ur-sprünglich ohne Anrechnung von Einkommen. Darüber hinaus gewährt die Beklagte den Klägern Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII. Beim Kläger liegt ausweislich seines Schwerbehindertenausweises ein Grad der Behinde-rung (GdB) von 80 und Merkzeichen G vor, bei der Klägerin ein GdB von 100 und Merkzeichen G.
Mit Schreiben vom 01.02.2011 wies die Beklagte die Kläger daraufhin, dass diese möglicherweise einen Anspruch auf eine russische Rente haben könnten, die ge-genüber den Leistungen nach dem SGB XII vorrangig sei. Es werde daher darum ge-beten, einen entsprechenden Antrag zu stellen und die Bemühungen nachzuweisen. Die Kläger teilten mit Schreiben vom 14.02.2011 mit, dass sie bereits vor ihrem Umzug nach Deutschland im Mai 20xx eine russische Rente bezogen haben. Allerdings sei die Rente gering und werde an Bekannte, bzw. Verwandte in Russland gezahlt, die hiermit die Grabpflege von Gräbern Angehöriger sicherstellen sollten. Seit dem Umzug nach Deutschland hätten sie daher von ihren russischen Renten nichts erhalten.
Mit Schreiben vom 25.02.2011 forderte die Beklagte die Kläger auf, unverzüglich einen aktuellen Nachweis über die Höhe der russischen Renten zu erbringen. Aus einer Be-scheinigung des russischen Rentenversicherungsträgers vom 24.03.2011 ergab sich die Rente des Klägers, aus einer Bescheinigung vom 11.05.2011 die der Klägerin. An-teilig in der Rente des Klägers war unter anderem eine Invalidenrente als "Invalide des Großen Vaterländischen Krieges" i.H.v. 10.622,81 Rubel und eine "DEMO-Rente" i.H.v. 1.000,00 Rubel enthalten und in der Rente der Klägerin eine Invalidenrente i.H.v. 4.323,76 Rubel, die für Personen mit dem Abzeichen "Bewohner der Blocka-destadt Leningrad" gewährt wird sowie eine "DEMO-Rente" i.H.v. 500,00 Rubel.
Mit Bescheid vom 20.07.2011 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII für die Zeit von August 2011 bis Juni 2012 i.H.v. insgesamt 616,87 EUR monatlich. Sie berücksichtigte hierbei die Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe (381,24 EUR Grundmiete zzgl. 60,94 EUR Heizkostenvorauszahlung) und legte für die Kläger jeweils den Mischregelsatz i.H.v. 328,00 EUR, einen Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.H.v. 55,76 EUR pro Person und einen Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 S.GB XII i.H.v. 7,54 EUR pro Person zugrunde. Zudem rech-nete sie beim Kläger eine russische Rente i.H.v. 274,25 EUR und bei der Klägerin i.H.v. 333,66 EUR als Einkommen auf die Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII an. Beim Kläger ging sie dabei von einer russischen Rente i.H.v. insgesamt 10.622,00 Rubel, bei der Klägerin i.H.v. insgesamt 13.504,00 Rubel monatlich aus und legte den Wech-selkurs vom 29.04.2010 bzw. 30.12.2010 zugrunde.
Die Kläger erhoben hiergegen unter dem 04.08.2011 Widerspruch. Die russischen Renten stünden ihnen noch nicht zur Verfügung, da sie noch nicht auf ihr deutsches Konto gezahlt würden. Daher sei eine Anrechnung rechtswidrig. Unter dem 21.09.2011 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid betreffend den Zeitraum von August 2011 bis Juni 2012. Hiergegen erhoben die Kläger unter dem 12.10.2011 Wi-derspruch.
Die Anrechnung der Renten sei zu hoch, da diese Bestandteile enthielten, die im Zu-sammenhang mit dem 2. Weltkrieg stünden und nicht anrechenbar seien.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2011 als unbegründet zurück. Bei den von der Klägern bezogenen russischen Renten, die laut der Bescheinigung des russischen Rentenversicherungsträgers 10.622,81 Rubel, bzw. 13.504,76 Rubel betragen, handele es sich um Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII, welches anzurechnen sei. Aus dem Gesetz ergebe sich nicht, dass Teile der von den Klägern bezogenen Renten anrechnungsfrei bleiben müssten.
In weiteren auf den Bewilligungszeitraum bis zum 30.06.2012 bezogenen Änderungs-bescheiden rechnete die Beklagte teilweise Einkommen aus russischen Renten in geänderter Höhe an.
Die Kläger haben am 09.12.2011 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, es sei schon nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte bei den im Jahr 2011 gezahlten und angerechneten Renten einen Wechselkurs aus 2010 bei der Umrechnung zu-grunde lege. Im Zeitraum der Anrechnung habe ein anderer Wechselkurs gegolten. Im August 2011 seien ihnen – auch in Russland – keine Renten zugeflossen, da die Be-antragung der künftigen Auszahlung auf ihr deutsches Konto dazu geführt habe, dass die Renten in Russland für etwa drei Monate blockiert waren. Darüber hinaus dürften die Bestandteile der russischen Rente, die eine Entschädigungsleistung für die Lei-den des Zweiten Weltkrieges darstellten, nicht angerechnet werden. Dies sei bei der Invalidenrente und dem Erhöhungsbetrag des Versicherungsteils der russischen Ren-te der Fall, was sich auch aus der beigefügten, in einem Verfahren vor dem Sozialge-richt Nürnberg (Az.: S 19 SO 100/10) eingeholten Stellungnahme des Instituts für Ost-recht München ergebe. Der in den Rentenbescheiden nicht extra ausgewiesene Er-höhungsbetrag liege bei 788,62 Rubel. Aus der teilweisen Nichtanrechenbarkeit folge ein höherer Grundsicherungsanspruch. Sie seien beide Invaliden der Stufe II. Die überwiegende Mehrheit der Kommunen rechne die im Streit stehenden Rentenanteile nicht als Einkommen an.
Sie beantragen,
die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 20.07.2011, 22.08.2011, 21.09.2011, 21.10.2011 und 21.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 02.12.2011 sowie der Änderungsbescheide vom 19.12. 2011, 20.01.2012, 22.02.2012, 23.03.2012 und 20.04.2012 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.08.2011 weitere Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nach Maßgabe der gesetzlichen Bestim-mungen ohne Anrechnung russischer Renten als Einkommen und für die Zeit vom 01.09.2011 bis 30.06.2012 ohne Anrechnung der auf die Leiden der Kläger im Zweiten Weltkrieg bezogenen Rentenanteile zu gewähren.
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für unbe-gründet. Da § 82 SGB XII ausdrücklich Leistungen aufführe, die nicht als Einkommen angerechnet werden dürfen und die von den Klägern bezogenen Leistungen dort nicht genannt würden, seien diese voll anzurechnen. Für eine Gleichsetzung der von den Klägern empfangenen Leistungen mit den in § 82 Abs. 1 SGB XII genannten Leis-tungen nach dem BVG fehle die gesetzliche Grundlage. Eine analoge Anwendung auf Rechtsvorschriften anderer Länder verbiete sich. Für eine analoge Anwendung fehle es schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Im Übrigen seien die russi-schen Rentenanteile aber auch nicht nach Grund und Höhe mit den im deutschen Recht privilegierten Entschädigungsleistungen vergleichbar.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genom-men auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die die Kläger betreffende Leistungsak-te der Beklagten. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozi-algerichtsgesetz (SGG) und verletzen die Kläger in ihren Rechten.
Die Kläger haben im streitigen Zeitraum Anspruch auf weitere Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Streitiger Zeitraum ist vorliegend der in den angefochtenen Be-scheiden geregelte Bewilligungszeitraum vom 01.08.2011 bis 30.06.2012.
Nach § 19 Abs. 2 SGB XII ist Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den besonderen Voraussetzungen des 4. Kapitels des SGB XII den Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können. Die Kläger gehören schon aufgrund ihres Alters und des jedenfalls nicht den sozialhilfe-rechtlichen Bedarf übersteigenden Einkommens grundsätzlich zu dem nach §§ 41, 19 Abs. 2 SGB XII leistungsberechtigten Personenkreis, was zwischen den Beteiligen auch nicht streitig ist. Den Bedarf der Kläger in Bezug auf Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat die Beklagte grundsätzlich zutreffend ermittelt, indem sie die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung, jeweils Leistungen nach Regelbe-darfsstufe 2 und Mehrbedarfe nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 7 S. 2 Nr. 1 SGB XII zugrundegelegt hat.
Die russischen Renten der Kläger sind im Monat August 2011 nicht, in der Zeit vom 01.09.2011 bis 30.06.2012 nur teilweise auf die Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII als Einkommen anrechenbar. Der nach § 82 SGB XII erforderliche Einkom-mens- und nach § 90 SGB XII erforderliche Vermögenseinsatz dient der Wahrung des Nachranggrundsatzes. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Le-ben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Im Wesentlichen ist damit beabsichtigt, gerade diese Renten,
die im besonderen Maße ein mit dem Verlust körperlicher Unversehrtheit einherge-hendes Sonderopfer für die Allgemeinheit ausgleichen, nicht durch Anrechnung auf Grund-sicherungsleistungen zu entwerten (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2007, Az.: B 11b AS 49/06 mwN). Die Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) liegen aktuell gemäß § 31 BVG abhängig vom jeweiligen Grad der Schädigungsfolgen zwi-schen 124,- EUR und 652,- EUR monatlich.
Grundsätzlich handelt es sich bei ausländischen Renten um (anrechenbares) Ein-kommen im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII. Dies gilt zur Überzeugung der Kammer jedoch nicht für die den Klägern aufgrund der Leiden im Zweiten Weltkrieg gewährten Renten-bestandteile, also die russischen Invalidenrenten, den Erhöhungsbetrag des Versicherungsteils und für die zusätzliche monatliche materielle Versorgung – sog. DEMO-Rente - (vgl. ebenso: SG Augsburg, Urteil vom 22.12.2011, Az.: S 15 SO 145/11), wobei letztere von der Beklagten tatsächlich auch gar nicht angerechnet wur-de, ohne dass hierfür eine Begründung ersichtlich ist. Diese Rentenbestandteile wer-den den Klägern aufgrund ihres anerkannten Status als Blockadeopfer Leningrads, bzw. als Invaliden des Großen Vaterländischen Krieges gewährt. Zwar sind diese Ren-tenbestandteile nicht als Ausnahmen von einer Anrechnung in § 82 Abs. 1 SGB XII aufgeführt; dieser bezieht sich nur auf die dort genannten Entschädigungsleistungen nach deutschem Recht. Jedoch gilt – worauf die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 09.07.2008 auf eine kleine Anfrage (BT-Drucks. 16/9950, 2) zutreffend hingewie-sen hat - für die Leistungsgewährung nach dem SGB XII der in § 9 SGB XII enthaltene Grundsatz "Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles", nach dem sich Art, Form und Maß der Leis-tungen nach dem jeweiligen Einzelfall zu richten haben. Im Einzelfall ist deshalb vom zuständigen Sozialhilfeträger zu prüfen, ob eine russische Rente auch nicht anzurechnende Bestandteile umfasst. Dabei ist nach Auffassung der Bundesregierung in analoger Anwendung von § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII zu prüfen, ob Leistungsbestandteile, wür-den sie auf deutschem Recht beruhen, nicht anzu-rechnen wären. Dies hat die Beklagte nicht getan, sondern sich vielmehr darauf beru-fen, dass § 82 Abs. 1 S. 1 abschließend die Ausnahmen von der Einkommensanrech-nung aufzähle und eine - eine analoge An-wendung ermöglichende - planwidrige Regelungslücke nicht vorliege. Allerdings hat schon das BSG in seiner Entscheidung vom 05.09.2007 (aaO) zu dem § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII entsprechenden § 11 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) und in Bezug auf eine britische Kriegsop-ferrente (zur Gleichstellung einer ukrainischen Militärinvalidenrente im Geltungsbereich des § 76 BSHG vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2005, Az.: 2 K 3314/04) ausgeführt, dass ausländische Leistungen aus Gründen der Gleichbehandlung der vorgenannten Regelung gleichgestellt werden können und müssen, wenn sie nach Grund und Höhe einer anrechnungsfreien Grundrente ver-gleichbar sind. Dies hat die Beklagte vorliegend verkannt. Es ist nicht ersichtlich, dass vor Erlass der angefochtenen Bescheide eine Vergleichbarkeit der streitigen russi-schen Rentenbestandteile nach Grund und Höhe mit den Entschädigungsleistungen nach deutschem Recht geprüft wurde.
Nach Auffassung der Kammer ist vorliegend bei den aufgrund der Leiden im Zweiten Weltkrieg erbrachten Rentenbestandteilen der Kläger eine solche Vergleichbarkeit ge-geben. Die bei den Klägern gegebene Eigenschaften als anerkannte "Einwohnerin der Blockadestadt Leningrad", bzw. anerkannter "Invalide des Großen Vaterländischen Krieges", die Voraussetzung für die russische Invaliden- und DEMO-Rente sind, sind ebenso entschädigungswürdig, wie die in § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII genannten, im deutschen Recht vorgesehenen Entschädigungsleistungen. Auch werden diese Leis-tungen ausdrücklich wie eine Entschädigung, also zusätzlich zu anderen Leistungen, gewährt. Dies hat auch das Sozialgericht Augsburg in seinem Urteil vom 22.12.2011 (aao.) so gesehen und ausführlich begründet. Die Kammer nimmt auf die dortigen Ausführungen, insbesondere zur Vergleichbarkeit der russischen Invalidenrente für Blockadeopfer und der DEMO-Rente mit der Grundrente nach § 31 BVG - vollumfäng-lich Bezug und schließt sich diesen nach eigener, eingehender Prüfung vollumfäng-lich an. Insbesondere ergibt sich die Vergleichbarkeit der hier streitigen, den Klägern gewährten Rentenbestandteile dem Grund und der Höhe nach mit den privilegierten Entschädigungsleistungen nach deutschem Recht auch aus der von den Klägern in das Verfahren eingeführten Stellungnahme des Instituts für Ostrecht vom 31.01.2011. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass Voraussetzung für die russische Invalidenrente nicht ist, dass die Invalidität gerade auf den Geschehnissen während des Zweiten Weltkriegs beruht. Der Grund für die Invalidität ist vielmehr unerheblich, er muss nicht auf einer Kriegsverletzung beruhen. Es reicht beispielsweise eine Inva-lidität infolge der schlechten Ernährung oder der während der Blockade Leningrads schlechten Versorgung oder jeder andere Grund (vgl. Stellungnahme des Instituts für Ostrecht, S. 15). Dies ändert nach Auffassung der Kammer jedoch nichts an der grundsätzlichen Vergleichbarkeit mit den deutschen Entschädigungsleistungen. Bei den den Klägern gewährten Invalidenrenten handelt es sich gerade nicht um eine all-gemeine russische Invalidenrenten, die der Sicherung des Lebensunterhaltes dient, sondern vielmehr um eine aufgrund ihres besonderen Status gewährte Rente. Der russische Gesetzgeber ging bei Einführung dieser Rente davon aus, dass die Blocka-deopfer infolge der Belagerung Leningrads typischerweise einem hohen Risiko der Invalidität ausgesetzt waren und sind (vgl. Stellungnahme des Instituts für Ostrecht, S. 17). Die streitigen Rentenbestandteile erfüllen die Funktion einer Entschädigung für die Leiden des Zweiten Weltkriegs.
Nach Auffassung der Kammer sind die den Klägern aufgrund der Leiden im Zweiten Weltkrieg gewährten Rentenanteile auch der Höhe nach mit der Grundrente nach dem BVG vergleichbar. Diese bewegt sich gemäß § 31 BVG zwischen 124,- EUR und 652,- EUR monatlich. Die streitigen Rentenanteile der Kläger liegen nicht außerhalb dieses Rahmens.
Im Monat August 2011 war eine Anrechnung russischer Renten insgesamt rechtswid-rig, da den Klägern in diesem Monat die Renten noch nicht als bereite Mittel zur Ver-fügung standen. Die erste der quartalsweise erfolgenden Auszahlungen hat im Sep-tember
2011 stattgefunden, erst dann ist den Klägerin Einkommen zugeflossen. Im Monat August 2011 standen die Renten den Klägern auch nicht in Russland zur Verfügung. Die Kläger haben im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit glaubhaft vorge-tragen, dass die Beantragung der künftigen Auszahlung auf ihr deutsches Konto dazu geführt hat, dass die Renten in Russland für etwa drei Monate "geblockt" waren. Eine Anrechnung durfte daher erst ab dem Zuflussmonat September 2011 erfolgen.
Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass die Praxis der Beklagten, im streitigen Zeitraum in den Jahren 2011 und 2012 bei den nicht auf die Leiden im Zweiten Welt-krieg bezogenen und damit unstreitig als Einkommen anrechenbaren russischen Ren-tenbestandteilen einen Wechselkurs aus dem Jahr 2010 zugrunde zu legen, nicht nachvollziehbar ist und bedenklich erscheint. Ausländische Leistungen sind zum Kurswert in Euro umzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2007, aaO mwN). Aufgrund vorhandener Kursschwankungen wird damit das Einkommen der Kläger nicht korrekt ermittelt. Vielmehr müsste die Beklagte sich regelmäßig Kontoauszüge vorlegen las-sen, aus denen die den Klägern zugeflossenen Renten in Euro ersichtlich sind und anhand dieser Beträge eine Berechnung vornehmen, oder sie müsste monatlich auf-grund des aktuellen Wechselkurses eine Berechnung anstellen und prüfen, ob sich die russischen Renten im Laufe der Zeit der Höhe nach geändert haben.
Darüber hinaus weist das Gericht darauf hin, dass – da den Klägern die Renten nicht monatlich zufließen, sondern ausweislich der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen des russischen Rentenversicherungsträgers nur einmal im Quartal - eine Berechnung nach § 8 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII erfolgen muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Obsiegen/Unter-liegen.
Die Statthaftigkeit der Berufung folgt aus § 144 Abs. 1 SGG. Bei beiden Klägerin über-steigen die auf die Leiden des Zweiten Weltkrieges bezogenen russischen Rentenan-teile im streitigen Zeitraum jeweils den maßgeblichen Beschwerdewert von 750,00 EUR.
Rechtskraft
Aus
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