Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 BK 17/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Ausnahme von der Verpflichtung zur Erstattung von Kinderzuschlag nach § 11 Abs. 6 BKGG greift nicht ein, wenn die Minderung des Anspruchs auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nicht aufgrund des bloßen Bezugs des Kinderzuschlags in der Bedarfsgemeinschaft des Kinderzuschlagsberechtigten, sondern aufgrund eines unerlaubten Zugriffs auf den Kinderzuschlag durch den getrennt lebenden anderen Elternteil in dessen Bedarfsgemeinschaft erfolgt.
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung des für die Monate Januar und Februar 2017 gewährten Kinderzuschlags, der in einer anderen Bedarfsgemeinschaft als der des Kinderzuschlagsempfängers als Einkommen bedarfsmindernd auf bezogenes Arbeitslosengeld II (Alg II) angerechnet wurde.
Der Kläger bezog im Jahr 2016 Leistungen des Kinderzuschlags nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) von der Beklagten. Er wohnte zunächst zusammen mit seiner Ehefrau (im Folgenden "E") und den drei Kindern M., A. und S., für die Kindergeld gewährt wurde.
Mit Bescheid vom 2.12.2016 wurde dem Kläger vorläufig Kinderzuschlag für die Monate November 2016 bis April 2017 in Höhe von monatlich 480,00 EUR (160,00 EUR pro Kind) bewilligt.
Im Dezember 2016 trennte sich der Kläger von der E und zog aus der gemeinsamen Wohnung aus. Vor der Trennung verfügten der Kläger und die E über ein gemeinsames Konto, die E griff nach der Trennung weiterhin auf dieses Konto zu und nutzte den dem Kläger gewährten Kinderzuschlag zur Lebensführung für sich und der drei Kinder, da ihnen Alg II erst später bewilligt wurde. Eine Abrede zwischen dem Kläger und der E über die Verwendung des Kinderzuschlags nach der Trennung wurde nicht getroffen, eine gewollte Weiterleitung durch den Kläger an die E oder die Kinder erfolgte nicht.
Die E beantragte für sich und die Kinder Alg II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), das ihnen unter Anrechnung des Kinderzuschlags von jeweils 160,00 EUR auf die Bedarfe der Kinder unter anderem für die Monate Januar und Februar 2016 auch gewährt wurde (Bescheid des Jobcenters Berlin Neukölln vom 19.4.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.9.2017; diesbezügliche Klage anhängig beim Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 128 AS 13464/18).
Mit Bescheid vom 5.4.2017 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Leistungsbewilligung unter anderem für die Monate Januar und Februar 2017 endgültig ab, da die Leistungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten, weil der Kläger in diesen Monaten nicht mit seinen Kindern in einem Haushalt gelebt habe. Mit weiterem Bescheid vom 5.4.2017 forderte die Beklagte für die Monate Januar und Februar 2017 gestützt auf § 11 Abs. 5 S. 4 BKGG iVm § 41a Abs. 6 SGB II eine Erstattung des vorläufig gewährten Kinderzuschlags in Höhe von 960,00 EUR (2 x 480,00 EUR).
Der durch seinen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger erhob ausschließlich gegen den Erstattungsverwaltungsakt Widerspruch und führte insoweit aus, dass der Beklagten gegenüber dem Jobcenter Erstattungsansprüche nach § 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zustünden, weshalb keine Erstattung von ihm gefordert werden dürfe.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erließ die Beklagte einen Gegenstandsbescheid vom 11.5.2017, mit dem die Erstattungsentscheidung nunmehr auf § 50 Abs. 2 SGB X gestützt wurde, nachdem mit einem weiteren Bescheid anstelle der endgültigen Festsetzungsentscheidung vom 5.4.2017 eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SGB X erlassen wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.5.2017 (W 569/17) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers sodann als unbegründet zurück und führte insoweit aus, dass aufgrund des Auszugs des Klägers die vorangegangene Bewilligungsentscheidung aufzuheben gewesen sei und die gewährten Leistungen deshalb zu erstatten seien. Ein Erstattungsverzicht nach § 11 Abs. 6 BKGG komme nicht in Betracht, da der Bezug des Kinderzuschlags nur den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II der E, nicht indes des Klägers gemindert habe.
Mit seiner am 17.5.2017 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Erstattungsentscheidung für die Monate Januar und Februar 2017. Entgegen der Auffassung der Beklagten mindere der Kinderzuschlag nicht den Anspruch nach dem SGB II der E, sondern den der Kinder des Klägers. Im Übrigen könne der Kinderzuschlag auch einen etwaigen SGB II-Anspruch des Klägers überhaupt nicht mindern, weil der Kinderzuschlag nach § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II den Kindern zuzuordnen sei. Es komme daher nur darauf an, ob die Leistungen des Kinderzuschlags vom SGB II-Träger berücksichtigt würden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 5.4.2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11. und 12.5.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.5.2017 insoweit aufzuheben, als das von ihm 960,00 EUR zu erstatten sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass ein Erstattungsverzicht nur nach § 11 Abs. 6 BKGG in Betracht käme, da die Erstattungsentscheidung letztlich auf § 50 SGB X gestützt worden sei. Dessen Voraussetzungen lägen indes nicht vor, weil der Bezug des Kinderzuschlags nicht den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II des Klägers oder aber seiner Bedarfsgemeinschaft gemindert oder ausgeschlossen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung der Kammer gemachten Prozessakte, der beigezogenen Gerichtsakte S 128 AS 13464/18 und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben jeweils mit Schriftsatz vom 4.1.2019 (Beklagte) und 10.1.2019 (Kläger) gegenüber dem Gericht ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) konnte das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist unbegründet. Der angefochtene Erstattungsbescheid vom 5.4.2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11.5.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.5.2017 (W 569/17) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Die Beklagte ist berechtigt, vom Kläger die Erstattung der für die Monate Januar und Februar 2017 erbrachten Leistungen des Kinderzuschlags in Höhe von 960,00 EUR zu fordern.
Streitgegenstand ist allein die von der Beklagten getroffene Erstattungsentscheidung betreffend der Monate Januar und Februar 2017 in Höhe von insgesamt 960,00 EUR, die von der Beklagten letztlich auf § 50 SGB X gestützt wurde. Nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist die Entscheidung über das (Nicht-)Bestehen des Leistungsanspruchs für diese Monate, denn der – anwaltlich vertretene – Kläger hat bereits den Widerspruch ausschließlich gegen die Erstattungsentscheidung vom 5.4.2017 erhoben (und insoweit in der Widerspruchsbegründung sogar die endgültige Festsetzungsentscheidung als rechtmäßig benannt) und auch die hiesige Klage wurde ausweislich des Betreffs ("wegen: Erstattung") und des Klageantrags (" ...aufzuheben, als das vom Kläger 960 Euro zu erstatten sind)" sowie der Klagebegründung ausschließlich gegen die Erstattungsentscheidung erhoben.
Rechtsgrundlage der Erstattungsentscheidung ist § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X, wonach bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Vorliegend ist die vorläufige Leistungsbewilligung für die Monate Januar und Februar 2017 mit dem im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erlassenen Gegenstandsbescheid vom 11.5.2017 gestützt auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SGB X in Gänze aufgehoben worden; diese Aufhebungsentscheidung ist bestandskräftig geworden und nicht Gegenstand des hiesigen Verfahren. Folglich liegen die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X vor.
Darüber hinaus ist auch keine Ausnahme von der Verpflichtung zur Rückerstattung des zu Unrecht bezogenen Kinderzuschlags gegeben. Da die Erstattungsentscheidung in der Folge der bestandskräftigen Aufhebungsentscheidung auf § 50 Abs. 1 SGB X zu stützen war (und von der Beklagten auch auf § 50 Abs. 1 SGB X gestützt wurde), kommt eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Rückerstattung lediglich nach § 11 Abs. 6 BKGG in Betracht. Nach dieser erst ab 1.8.2016 geltenden Regelung (eingefügt durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht v. 26.7.2016, BGBl. I, 1824ff.) sind nach einer Aufhebung der Bewilligung von Kinderzuschlag bereits erbrachte Leistungen abweichend von § 50 Abs. 1 SGB X nicht zu erstatten, soweit der Bezug von Kinderzuschlag den Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ausschließt oder mindert. Die Voraussetzungen dieser Regelung liegen zur Überzeugung der Kammer nicht vor.
Die vorliegende Sachverhaltskonstellation wird schon vom Wortlaut der Regelung nicht erfasst, denn im hiesigen Fall war es nicht der – bloße – Bezug des Kinderzuschlags, der den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II minderte, sondern erst der unerlaubte Zugriff der vom Kläger getrennt lebenden E auf den Kinderzuschlag.
Die Kammer kann insoweit dahingestellt lassen, ob im vorliegenden Fall der Kinderzuschlag vom Jobcenter Berlin Neukölln zu Recht bei den Kindern des Klägers leistungsmindernd angerechnet wurde oder ob § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II in der vorliegenden Konstellation, dass der Bezieher des Kinderzuschlags nicht mit den Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, überhaupt nicht anwendbar ist. Denn sollte § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II nicht einschlägig sein, wäre der Kinderzuschlag als Einkommen der E bei dieser nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II anzurechnen (und sodann horizontal innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zu verteilen), weil es sich insoweit um eine von der E verwendete Einnahme in Geld als bereites Mittel handelte, auf die sie – ohne Rücksprache mit dem Kläger – zur Sicherung des Lebensunterhalts zugegriffen hatte. In jedem Fall wäre der Kinderzuschlag daher – aufgrund der Verwendung durch die E – in der Bedarfsgemeinschaft der E anzurechnen.
Davon ausgehend war es indes nicht der bloße Bezug des Kinderzuschlags, der zur Anrechnung auf die Leistungen nach dem SGB II führte. Denn hätte die E nicht – ohne entsprechende Abrede mit dem Kläger – auf die diesem gewährten Leistungen des Kinderzuschlags zugegriffen, so hätte eine Anrechnung auf die SGB II-Leistungen nicht erfolgen können. Vordringliche Ursache der Anrechnung war mithin nicht der "Bezug von Kinderzuschlag" durch den Kläger, sondern der unerlaubte Zugriff und die Verwendung des Kinderzuschlags durch die E. Deutlich wird dies dann, wenn man sich vorstellte, der Kinderzuschlag wäre auf ein eigenes Konto des Klägers geflossen, auf das die E keinen Zugriff gehabt hätte. Eine leistungsmindernde Anrechnung in der Bedarfsgemeinschaft der E wäre dann nicht möglich gewesen. Hätte indes in einem solchen Fall der Kläger den Kinderzuschlag an die E weitergeleitet oder aber diese (wie auch immer) unerlaubt das an den Kläger als Kinderzuschlag geflossene Geld erlangt, so wäre es anzurechnen gewesen, indes nicht aufgrund des Bezugs des Kinderzuschlags, sondern aufgrund der bewussten Entscheidung der Weiterleitung bzw. des unerlaubten Zugriffs. In der vorliegenden Konstellation des zunächst gemeinsamen Kontos kann hingegen nichts anderes gelten.
Dieses Ergebnis korrespondiert im Übrigen auch mit dem Sinn und Zweck der Regelung. Nach der Gesetzesbegründung sah es der Gesetzgeber als unbefriedigend an, dass der Bezug von Kinderzuschlag auch bei rückwirkendem Entfallen des Kinderzuschlags aufgrund der im SGB II geltenden Einkommensanrechnung nach dem Zuflussprinzip einen etwaigen SGB II-Leistungsanspruch mindert oder ausschließt, obwohl der Kinderzuschlag zu erstatten ist. Die Fälle, in denen der Gesetzgeber die Erstattung des Kinderzuschlags vermeiden wollte, setzen somit voraus, dass der Kinderzuschlag deshalb zu erstatten ist, weil trotz des Bezugs des Kinderzuschlags die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II letztlich nicht vermieden wird (vgl. BT-Drs. 18/8041, S. 66). Dann soll neben einer Anrechnung des tatsächlich geflossenen Kinderzuschlags auf den SGB II-Leistungsanspruch, die schon aufgrund des bloßen – zunächst vorläufigen oder aber rechtswidrigen – Bezugs des Kinderzuschlags erfolgt, nicht auch noch zusätzlich eine Erstattungspflicht eintreten. Die vorliegende Konstellation des Auszugs des Kinderzuschlagsberechtigten aus dem gemeinsamen Haushalt mit den Kindern, die schon zum Wegfall einer der Grundvoraussetzungen des Bezugs des Kinderzuschlags führt, wird hingegen von der Intention des Gesetzgebers nicht erfasst.
Somit kann im vorliegenden Fall § 11 Abs. 6 BKGG nicht zu einer Ausnahme von der Erstattungspflicht führen.
Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen des vom Kläger – nur im Widerspruchsverfahren – vorgebrachten § 103 SGB X nicht vor, weil im vorliegenden Fall keine trotz nachträglichen Entfallens des Anspruchs des Klägers auf Kinderzuschlag entsprechende Leistung an diesen gewährt wurde, denn der Kläger als Kinderzuschlagsempfänger hat keine andere Leistung anstelle des Kinderzuschlags erhalten.
Nach alledem war die Klage mithin abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands entsprechend der Höhe der Erstattungssumme von 960,00 EUR den Betrag von 750,00 EUR übersteigt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung des für die Monate Januar und Februar 2017 gewährten Kinderzuschlags, der in einer anderen Bedarfsgemeinschaft als der des Kinderzuschlagsempfängers als Einkommen bedarfsmindernd auf bezogenes Arbeitslosengeld II (Alg II) angerechnet wurde.
Der Kläger bezog im Jahr 2016 Leistungen des Kinderzuschlags nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) von der Beklagten. Er wohnte zunächst zusammen mit seiner Ehefrau (im Folgenden "E") und den drei Kindern M., A. und S., für die Kindergeld gewährt wurde.
Mit Bescheid vom 2.12.2016 wurde dem Kläger vorläufig Kinderzuschlag für die Monate November 2016 bis April 2017 in Höhe von monatlich 480,00 EUR (160,00 EUR pro Kind) bewilligt.
Im Dezember 2016 trennte sich der Kläger von der E und zog aus der gemeinsamen Wohnung aus. Vor der Trennung verfügten der Kläger und die E über ein gemeinsames Konto, die E griff nach der Trennung weiterhin auf dieses Konto zu und nutzte den dem Kläger gewährten Kinderzuschlag zur Lebensführung für sich und der drei Kinder, da ihnen Alg II erst später bewilligt wurde. Eine Abrede zwischen dem Kläger und der E über die Verwendung des Kinderzuschlags nach der Trennung wurde nicht getroffen, eine gewollte Weiterleitung durch den Kläger an die E oder die Kinder erfolgte nicht.
Die E beantragte für sich und die Kinder Alg II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), das ihnen unter Anrechnung des Kinderzuschlags von jeweils 160,00 EUR auf die Bedarfe der Kinder unter anderem für die Monate Januar und Februar 2016 auch gewährt wurde (Bescheid des Jobcenters Berlin Neukölln vom 19.4.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.9.2017; diesbezügliche Klage anhängig beim Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 128 AS 13464/18).
Mit Bescheid vom 5.4.2017 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Leistungsbewilligung unter anderem für die Monate Januar und Februar 2017 endgültig ab, da die Leistungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten, weil der Kläger in diesen Monaten nicht mit seinen Kindern in einem Haushalt gelebt habe. Mit weiterem Bescheid vom 5.4.2017 forderte die Beklagte für die Monate Januar und Februar 2017 gestützt auf § 11 Abs. 5 S. 4 BKGG iVm § 41a Abs. 6 SGB II eine Erstattung des vorläufig gewährten Kinderzuschlags in Höhe von 960,00 EUR (2 x 480,00 EUR).
Der durch seinen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger erhob ausschließlich gegen den Erstattungsverwaltungsakt Widerspruch und führte insoweit aus, dass der Beklagten gegenüber dem Jobcenter Erstattungsansprüche nach § 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zustünden, weshalb keine Erstattung von ihm gefordert werden dürfe.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erließ die Beklagte einen Gegenstandsbescheid vom 11.5.2017, mit dem die Erstattungsentscheidung nunmehr auf § 50 Abs. 2 SGB X gestützt wurde, nachdem mit einem weiteren Bescheid anstelle der endgültigen Festsetzungsentscheidung vom 5.4.2017 eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SGB X erlassen wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.5.2017 (W 569/17) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers sodann als unbegründet zurück und führte insoweit aus, dass aufgrund des Auszugs des Klägers die vorangegangene Bewilligungsentscheidung aufzuheben gewesen sei und die gewährten Leistungen deshalb zu erstatten seien. Ein Erstattungsverzicht nach § 11 Abs. 6 BKGG komme nicht in Betracht, da der Bezug des Kinderzuschlags nur den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II der E, nicht indes des Klägers gemindert habe.
Mit seiner am 17.5.2017 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Erstattungsentscheidung für die Monate Januar und Februar 2017. Entgegen der Auffassung der Beklagten mindere der Kinderzuschlag nicht den Anspruch nach dem SGB II der E, sondern den der Kinder des Klägers. Im Übrigen könne der Kinderzuschlag auch einen etwaigen SGB II-Anspruch des Klägers überhaupt nicht mindern, weil der Kinderzuschlag nach § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II den Kindern zuzuordnen sei. Es komme daher nur darauf an, ob die Leistungen des Kinderzuschlags vom SGB II-Träger berücksichtigt würden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 5.4.2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11. und 12.5.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.5.2017 insoweit aufzuheben, als das von ihm 960,00 EUR zu erstatten sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass ein Erstattungsverzicht nur nach § 11 Abs. 6 BKGG in Betracht käme, da die Erstattungsentscheidung letztlich auf § 50 SGB X gestützt worden sei. Dessen Voraussetzungen lägen indes nicht vor, weil der Bezug des Kinderzuschlags nicht den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II des Klägers oder aber seiner Bedarfsgemeinschaft gemindert oder ausgeschlossen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung der Kammer gemachten Prozessakte, der beigezogenen Gerichtsakte S 128 AS 13464/18 und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben jeweils mit Schriftsatz vom 4.1.2019 (Beklagte) und 10.1.2019 (Kläger) gegenüber dem Gericht ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) konnte das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist unbegründet. Der angefochtene Erstattungsbescheid vom 5.4.2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11.5.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.5.2017 (W 569/17) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Die Beklagte ist berechtigt, vom Kläger die Erstattung der für die Monate Januar und Februar 2017 erbrachten Leistungen des Kinderzuschlags in Höhe von 960,00 EUR zu fordern.
Streitgegenstand ist allein die von der Beklagten getroffene Erstattungsentscheidung betreffend der Monate Januar und Februar 2017 in Höhe von insgesamt 960,00 EUR, die von der Beklagten letztlich auf § 50 SGB X gestützt wurde. Nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist die Entscheidung über das (Nicht-)Bestehen des Leistungsanspruchs für diese Monate, denn der – anwaltlich vertretene – Kläger hat bereits den Widerspruch ausschließlich gegen die Erstattungsentscheidung vom 5.4.2017 erhoben (und insoweit in der Widerspruchsbegründung sogar die endgültige Festsetzungsentscheidung als rechtmäßig benannt) und auch die hiesige Klage wurde ausweislich des Betreffs ("wegen: Erstattung") und des Klageantrags (" ...aufzuheben, als das vom Kläger 960 Euro zu erstatten sind)" sowie der Klagebegründung ausschließlich gegen die Erstattungsentscheidung erhoben.
Rechtsgrundlage der Erstattungsentscheidung ist § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X, wonach bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Vorliegend ist die vorläufige Leistungsbewilligung für die Monate Januar und Februar 2017 mit dem im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erlassenen Gegenstandsbescheid vom 11.5.2017 gestützt auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SGB X in Gänze aufgehoben worden; diese Aufhebungsentscheidung ist bestandskräftig geworden und nicht Gegenstand des hiesigen Verfahren. Folglich liegen die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X vor.
Darüber hinaus ist auch keine Ausnahme von der Verpflichtung zur Rückerstattung des zu Unrecht bezogenen Kinderzuschlags gegeben. Da die Erstattungsentscheidung in der Folge der bestandskräftigen Aufhebungsentscheidung auf § 50 Abs. 1 SGB X zu stützen war (und von der Beklagten auch auf § 50 Abs. 1 SGB X gestützt wurde), kommt eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Rückerstattung lediglich nach § 11 Abs. 6 BKGG in Betracht. Nach dieser erst ab 1.8.2016 geltenden Regelung (eingefügt durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht v. 26.7.2016, BGBl. I, 1824ff.) sind nach einer Aufhebung der Bewilligung von Kinderzuschlag bereits erbrachte Leistungen abweichend von § 50 Abs. 1 SGB X nicht zu erstatten, soweit der Bezug von Kinderzuschlag den Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ausschließt oder mindert. Die Voraussetzungen dieser Regelung liegen zur Überzeugung der Kammer nicht vor.
Die vorliegende Sachverhaltskonstellation wird schon vom Wortlaut der Regelung nicht erfasst, denn im hiesigen Fall war es nicht der – bloße – Bezug des Kinderzuschlags, der den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II minderte, sondern erst der unerlaubte Zugriff der vom Kläger getrennt lebenden E auf den Kinderzuschlag.
Die Kammer kann insoweit dahingestellt lassen, ob im vorliegenden Fall der Kinderzuschlag vom Jobcenter Berlin Neukölln zu Recht bei den Kindern des Klägers leistungsmindernd angerechnet wurde oder ob § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II in der vorliegenden Konstellation, dass der Bezieher des Kinderzuschlags nicht mit den Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, überhaupt nicht anwendbar ist. Denn sollte § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II nicht einschlägig sein, wäre der Kinderzuschlag als Einkommen der E bei dieser nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II anzurechnen (und sodann horizontal innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zu verteilen), weil es sich insoweit um eine von der E verwendete Einnahme in Geld als bereites Mittel handelte, auf die sie – ohne Rücksprache mit dem Kläger – zur Sicherung des Lebensunterhalts zugegriffen hatte. In jedem Fall wäre der Kinderzuschlag daher – aufgrund der Verwendung durch die E – in der Bedarfsgemeinschaft der E anzurechnen.
Davon ausgehend war es indes nicht der bloße Bezug des Kinderzuschlags, der zur Anrechnung auf die Leistungen nach dem SGB II führte. Denn hätte die E nicht – ohne entsprechende Abrede mit dem Kläger – auf die diesem gewährten Leistungen des Kinderzuschlags zugegriffen, so hätte eine Anrechnung auf die SGB II-Leistungen nicht erfolgen können. Vordringliche Ursache der Anrechnung war mithin nicht der "Bezug von Kinderzuschlag" durch den Kläger, sondern der unerlaubte Zugriff und die Verwendung des Kinderzuschlags durch die E. Deutlich wird dies dann, wenn man sich vorstellte, der Kinderzuschlag wäre auf ein eigenes Konto des Klägers geflossen, auf das die E keinen Zugriff gehabt hätte. Eine leistungsmindernde Anrechnung in der Bedarfsgemeinschaft der E wäre dann nicht möglich gewesen. Hätte indes in einem solchen Fall der Kläger den Kinderzuschlag an die E weitergeleitet oder aber diese (wie auch immer) unerlaubt das an den Kläger als Kinderzuschlag geflossene Geld erlangt, so wäre es anzurechnen gewesen, indes nicht aufgrund des Bezugs des Kinderzuschlags, sondern aufgrund der bewussten Entscheidung der Weiterleitung bzw. des unerlaubten Zugriffs. In der vorliegenden Konstellation des zunächst gemeinsamen Kontos kann hingegen nichts anderes gelten.
Dieses Ergebnis korrespondiert im Übrigen auch mit dem Sinn und Zweck der Regelung. Nach der Gesetzesbegründung sah es der Gesetzgeber als unbefriedigend an, dass der Bezug von Kinderzuschlag auch bei rückwirkendem Entfallen des Kinderzuschlags aufgrund der im SGB II geltenden Einkommensanrechnung nach dem Zuflussprinzip einen etwaigen SGB II-Leistungsanspruch mindert oder ausschließt, obwohl der Kinderzuschlag zu erstatten ist. Die Fälle, in denen der Gesetzgeber die Erstattung des Kinderzuschlags vermeiden wollte, setzen somit voraus, dass der Kinderzuschlag deshalb zu erstatten ist, weil trotz des Bezugs des Kinderzuschlags die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II letztlich nicht vermieden wird (vgl. BT-Drs. 18/8041, S. 66). Dann soll neben einer Anrechnung des tatsächlich geflossenen Kinderzuschlags auf den SGB II-Leistungsanspruch, die schon aufgrund des bloßen – zunächst vorläufigen oder aber rechtswidrigen – Bezugs des Kinderzuschlags erfolgt, nicht auch noch zusätzlich eine Erstattungspflicht eintreten. Die vorliegende Konstellation des Auszugs des Kinderzuschlagsberechtigten aus dem gemeinsamen Haushalt mit den Kindern, die schon zum Wegfall einer der Grundvoraussetzungen des Bezugs des Kinderzuschlags führt, wird hingegen von der Intention des Gesetzgebers nicht erfasst.
Somit kann im vorliegenden Fall § 11 Abs. 6 BKGG nicht zu einer Ausnahme von der Erstattungspflicht führen.
Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen des vom Kläger – nur im Widerspruchsverfahren – vorgebrachten § 103 SGB X nicht vor, weil im vorliegenden Fall keine trotz nachträglichen Entfallens des Anspruchs des Klägers auf Kinderzuschlag entsprechende Leistung an diesen gewährt wurde, denn der Kläger als Kinderzuschlagsempfänger hat keine andere Leistung anstelle des Kinderzuschlags erhalten.
Nach alledem war die Klage mithin abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands entsprechend der Höhe der Erstattungssumme von 960,00 EUR den Betrag von 750,00 EUR übersteigt.
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