Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 1406/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 1513/19 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 24.04.2019 wird abgeändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 03.04.2019 bis zur Bestandskraft einer noch zu ergehenden endgültigen Entscheidung des Antragsgegners über den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers vom 10.01.2019, längstens aber bis 31.08.2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 124 EUR monatlich zu gewährten.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 24.04.2019 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller 2/5 der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.
Der 1961 geborene Antragsteller ist nach eigenen Angaben ohne festen Wohnsitz, hält sich tagsüber in der Caritas-Wärmestube in W. auf und schläft ausschließlich bei Bekannten. Von seiner auf den Philippinen lebenden Ehefrau lebt er seit 2006 dauernd getrennt, wobei jedoch keine Scheidung angestrebt werde. Der Antragsteller unterhält ein Konto bei der R. Bank (Kontostand per 24.04.2019: 13,39 Euro) sowie eine Bankverbindung bei der H.-bank (Kontostand per 24.04.2019: 31,90 Euro), für die ein Weiterleitungskonto bei der T. Ltd. eingerichtet ist.
Am 10.09.2018 beantragte er beim Antragsgegner, die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Er gab in diesem Zusammenhang an, er beziehe eine Opferrente (als Haftopfer, § 17a StRehaG) in Höhe von monatlich 300,00 EUR, diese reiche nicht aus, da keine Kranken- und Pflegversicherungsbeiträge aus dieser Rente abgeführt würden. Er habe keinerlei Vermögen und wohne bei Freunden mietfrei.
Einen am 25.09.2018 bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg gestellten Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, lehnte diese mit Bescheid vom 14.11.2018 wegen fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch, über den noch nicht entschieden wurde.
Mit Bescheid vom 23.11.2018 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.09.2018 bis 28.02.2019 in Höhe von monatlich 416,00 Euro. Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2018 setzte er den monatlichen Leistungsbetrag für den Zeitraum ab 01.01.2019 auf 424,00 EUR fest.
Am 15.01.2019 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.03.2019. Mit Schreiben vom 17.01.2019 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, aktuelle Kontoauszüge vorzulegen und wies auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung hin. Am 08.03.2019 fand eine persönliche Vorsprache des Antragstellers beim Antragsgegner statt, bezüglich deren Inhalt auf das Gesprächsprotokoll auf BI. 212 ff. der Verwaltungsakte verwiesen wird. Mit Schreiben vom 15.03.2018 machte der Antragsteller geltend, er sei zu "100 % erwerbsunfähig" und ihm sei "Grundsicherung bei voller Erwerbsminderung" nach den SGB XII auszuzahlen.
Mehrere Aufforderungen des Antragsgegners zur Mitwirkung (Scheiben vom 12.03.2019 sowie dem 25.03.2019) blieben unbeantwortet. Einen Meldetermin beim Antragsgegner am 13.03.2019 nahm der Antragsteller nicht wahr. Am 28.03.2019 teilte die Stadt W. dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller in W. nicht gemeldet sei.
Am 28.03.2019 führte der Antragsgegner einen "Hausbesuch" bei der vom Antragsteller angegebenen Postfachadresse durch, bezüglich dessen Ergebnis auf BI. 256 ff. der Verwaltungsakte verwiesen wird.
Am 03.04.2019 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Freiburg (SG) einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung hat er u.a. vorgetragen, bei seiner Opferrente handle es sich nicht um anrechenbares Einkommen. Dieses gehe auf das Referenzkonto seiner Ehefrau, er könne dann mittels Kreditkarte darüber verfügen. Er sei bedürftig und mittellos. Entgegen des Vortrags des Antragsgegners habe er seinen ständigen Aufenthaltsort auch nicht in Frankreich.
Mit Beschluss vom 24.04.2019 hat das SG den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 03.04.2019 bis zur Bestandskraft einer noch zu ergehenden Entscheidung des Antragsgegners über den Weiterbewilligungsantrag, längstens aber bis 31.08.2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung des maßgebenden Regelbedarfs in Höhe von 70 v.H. zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dem Antragsteller seien im Wege der Folgeabwägung Leistungen zu gewähren. Verbleibende Restzweifel, insbesondere den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragstellers betreffend, hätten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzustehen.
Der Antragsgegner hat diesen Beschluss des SG mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 29.04.2018 umgesetzt. Am 03.05.2019 hat er Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Anspruchsvoraussetzungen des SGB II seien völlig ungeklärt. Der Antragsteller habe sich durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen den Vermittlungen des Antragsgegners entzogen, habe sich aber dennoch nachgewiesenermaßen in C. aufgehalten. Für einen Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahmen Bereichs sei seitens des Antragsgegner nie eine Zustimmung erteilt worden. Es bestehe ein dauerhafter Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4a SGB II. Aktuell solle der Antragsteller in C. wohnhaft sein, weshalb keine Zuständigkeit des Antragsgegners mehr gegeben sei. Der Antragsgegner hat sich auf verschiedene Verbis Vermerke gestützt.
Der Antragsteller hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Eine endgültige Entscheidung des Antragsgegners über den Weiterbewilligungsantrag vom 10.01.2019 ist bislang noch nicht ergangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge, sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Sie ist auch zum Teil begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 aaO). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung – ZPO –). Maßgebend für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 42). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei haben sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache zu orientieren (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 13.04.2010 – 1 BvR 216/07 – juris, Rn. 64; BVerfG, Beschluss vom 06.08.2014 – 1 BvR 1453/12 – juris, Rn. 9). Können jedoch im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz die erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen aufgrund der Kürze der verfügbaren Zeit nicht vorgenommen werden, so kann auch auf der Grundlage einer Folgenabwägung entschieden werden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12 – juris, Rn. 3).
Da dem Senat eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage über den Anspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner auf Leistungen nach dem SGB II im Eilverfahren nicht möglich ist, entscheidet er anhand einer Folgenabwägung. Die Nachteile, die sich für den Antragsteller ergeben, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird, er aber in der Hauptsache obsiegt, überwiegen die Nachteile, die dem Antragsgegner drohen, wenn dem Antrag stattgegeben wird und der Antragsgegner im Hauptsacheverfahren obsiegt.
Zunächst ist klarzustellen, dass es dem Antragsteller nicht gelungen ist, einen gegen den Antragsgegner gerichteten Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft, d.h. einen Erfolg einer gegen den Antragsgegner geführten Hauptsache überwiegend wahrscheinlich zu machen.
Glaubhaft gemacht sind zwar zunächst die Voraussetzungen der Leistungsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 SGB II. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Durch die vorgelegten Kontoauszüge geht der Senat insbesondere von einer hinreichend glaubhaft gemachten Hilfebedürftigkeit aus (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II). Hinsichtlich des möglichen Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft mit der auf den Philippinen lebenden Ehefrau, wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen. Soweit der Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren gestützt auf Angaben in einem ER-Verfahren des Sohnes vor dem SG Stade sowie Mitteilungen des Jobcenters C. eingewendet hat, der Antragsteller habe seinen Wohnsitz nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Frankreich, mag dies zwar Anlass für weitere Ermittlungen im Hauptsacheverfahren geben, der Senat sieht dennoch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet als überwiegend wahrscheinlich und damit als glaubhaft gemacht an (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). Hierfür sprechen die vom Antragsteller vorgelegten Kontoauszüge, denen keine maßgeblichen, finanziellen Transaktionen außerhalb des Bundesgebiets entnommen werden können. Soweit der Antragsgegner in der Beschwerdeschrift argumentiert, der Antragsteller sei aktuell in C. wohnhaft, geht er mittlerweile offenbar ebenfalls von einem gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aus. Einem glaubhaft gemachten Leistungsanspruch steht auch nicht eine fehlende Erwerbsfähigkeit des Antragstellers entgegen (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Erwerbsfähig ist, gemäß § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Antragsteller selbst hat zu seiner Leistungsfähigkeit unterschiedliche Angaben gemacht. Mit Schreiben vom 02.10.2018 hat er vorgetragen, er könne "natürlich" drei Stunden arbeiten, bei einer Tätigkeit, die seinem gesundheitlichen Zustand entspreche und die mit einem angemessenen Lohn honoriert sei. Demgegenüber hat er mit Schreiben vom 15.03.2019 geltend gemacht, er sei seit 06.07.2018 "zu 100 % erwerbsunfähig". Tatsächliche aussagekräftige medizinische Befundunterlagen sind in den Verwaltungsakten nicht enthalten. Insbesondere lassen die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen keinen Rückschluss auf eine fehlende Erwerbsfähigkeit zu. Mangels konkreter Anhaltspunkte einer tatsächlich bestehenden, sich auf die Leistungsfähigkeit des 1961 geborenen Antragstellers auswirkenden Erkrankung, ist – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – jedenfalls im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz von einer glaubhaft bestehenden Erwerbsfähigkeit des Antragstellers auszugehen. Es steht dem Antragsgegner frei, eine Prüfung der Erwerbsfähigkeit nach § 44a SGB II einzuleiten.
Ob und wenn ja, in welchem Zeitraum der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 SGB II), jedenfalls aber seinen tatsächlichen Aufenthalt (§ 36 Abs. 1 Satz 4 SGB II) im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners hat und dieser mithin für Leistungen nach dem SGB II örtlich zuständig ist, kann hingegen im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz weder vollständig aufgeklärt werden, noch ist hier mit einer überwiegende Wahrscheinlichkeit von einem bestimmten Aufenthaltsort auszugehen. Gleiches gilt für die Frage, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4a SGB II - jedenfalls zeitweise - zu Ungunsten des Antragstellers greift. Nach § 7 Abs. 4a Satz 1 SGB II in der gemäß § 77 Abs. 1 SGB II weiter anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2007 (BGBl. I 3254, im Folgenden "a. F.") erhält keine Leistungen nach dem SGB II, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält; die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend. Aktuell stellt sich der Sachverhalt für den Senat so dar, dass sowohl der gewöhnliche als auch der tatsächliche Aufenthalt des Antragstellers seit der Stellung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz nicht geklärt sind und sich im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz auch nicht klären lassen, der Antragsteller sich aber zumindest zeitweise im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners aufhält. Zwar hat der Antragsgegner verschiedene Verbis Vermerke vorgelegt, denen ein stetig wiederkehrender Aufenthalt des Antragstellers in C. und damit nachweisbar einzelne Tag einer ungenehmigten Ortsabwesenheit entnommen werden können. Diese Vermerke geben auch Anlass für weitere Ermittlungen im Hauptsacheverfahren. Soweit der Antragsgegner hingegen meint, aus diesen Vermerken ergebe sich, dass der Antragsteller in C. wohnhaft und damit seine Zuständigkeit entfallen sei, vermag der Senat dem hingegen nicht zu folgen. Im Vermerk vom 12.04.2019 gibt die "Vermieterin" zwar an, dass der Antragsteller bei seinem Sohn C. "wohne", sie wird aber auch mit den Worten zitiert, sie habe nur der Vermietung der Wohnung an "M. M. S.", dem Sohn des Antragstellers, zugestimmt. Da in den dokumentierten Vermerken, beispielsweise im Vermerk vom 21.03.2019, zudem mehrfach lediglich von "Herrn S." die Rede ist, was sowohl den Antragsteller als auch einen der beiden Söhne des Antragstellers meinen könnte, sieht der Senat den Sachverhalt durch diese Vermerke keineswegs als geklärt an. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 05.04.2019 von einem Arzt im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners ausgestellt wurde und die vorgelegten Kontoauszüge zumindest im Januar und Februar 2019 Abhebungen und Kartenzahlungen im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners belegen. Zu der Frage des gewöhnlichen bzw. des tatsächlichen Aufenthaltes des Antragstellers werden daher weitere Ermittlungen im Hauptsacheverfahren - etwa durch Zeugenvernehmung sowie Einholung von Auskünften - erforderlich sein. Vor dem Hintergrund des zumindest für bestimmte Zeiträume - möglich erscheinenden, aber im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nicht aufklärbaren Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 4a Satz 1 SGB II a.F., kann sich ein glaubhafter Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner auch nicht aus § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB I ergeben.
Ist eine Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, weil es dafür wie vorliegend weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedarf, kann das Gericht die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - wie oben ausgeführt - ausnahmsweise auf der Grundlage einer Folgenabwägung treffen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 06.02.2013 – 1 BvR 2366/12 –, a.a.O.). Werden die einfachgesetzlich vorgeschriebenen überwiegenden Wahrscheinlichkeiten nicht erreicht, ist die Prüfung fortzusetzen: Droht bei Ablehnung des Eilantrags unter Berücksichtigung des Rechtsschutzziels eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, weil schwere, über den wesentlichen Nachteil hinausgehende Beeinträchtigungen möglich sind, ist eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der festgestellten Wahrscheinlichkeits- und Beeinträchtigungsgrade durzuführen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 1 BvR 569/05 -, juris Leitsatz 2 a und Rn. 25 - 28; Beschluss vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 , juris, Rn. 10; vgl. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.03.2019 - L 18 AY 12/19 B ER -, Rn. 29, juris). Im Rahmen der Folgenabwägung sind die Nachteile abzuwägen, die einträten, sofern keine einstweilige Anordnung erginge, der Rechtsbehelf aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erginge, Rechtsbehelfe in der Hauptsache jedoch erfolglos blieben.
Die Abwägung fällt in der tenorierten Höhe von 124 EUR zugunsten des Antragstellers aus. Bei der Folgeabwägung ist zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass der Senat von einer grundsätzlich glaubhaften Hilfsbedürftigkeit ausgeht, da der Antragsteller mit dem vorhandenen Einkommen und Vermögen seinen Bedarf nicht zu decken vermag. Dies erscheint vor dem Hintergrund der bis Februar 2019 erfolgten Leistungsbewilligung durch den Antragsgegner letztlich zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Der Bedarf beschränkt sich vorliegend auf die Regelleistung nach dem SGB II in Höhe von 424 EUR, da konkretisierte Kosten der Unterkunft vom Antragsteller weder geltend gemacht werden, noch ersichtlich sind. Dieser Bedarf wird jedoch im Rahmen der hier zu beurteilenden Folgeabwägung durch die nach eigenen Angaben des Antragstellers monatlich in Höhe von 300 EUR zufließende Opferente gedeckt, so dass lediglich ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 124 EUR verbleibt. Es ist dem Antragsteller jedenfalls einstweilig bis zur Klärung in der Hauptsache zumutbar, die Opferrente in Höhe von monatlich 300 EUR vollständig zur Deckung seines Lebensunterhaltes einzusetzen. Eine Eilbedürftigkeit besteht nämlich bereits dann nicht, wenn ein Antragsteller jedenfalls gegenwärtig auf eigene Mittel oder zumutbare Hilfe Dritter zurückgreifen und damit die Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache überbrücken kann (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.09.2014 - L 5 KR 147/14 B ER -, juris, Rn. 18; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.03.2011 - L 5 KR 20/11 B ER -, juris, Rn. 10). Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016 - 1 BvR 1825/16 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschluss vom 27.07.2016 - 1 BvR 1241/16 , juris, Rn. 7). Bei der Frage der Eilbedürftigkeit im Rahmen eines Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz können auch Mittel Berücksichtigung finden, die bei der materiellen Frage der Hilfebedürftigkeit außen vor bleiben müssen, weil es sich um Schonvermögen oder nicht zu berücksichtigendes Einkommen handelt (so explizit: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.03.2017 - L 7 SO 420/17 ER-B –, Rn. 9, juris), so dass bei der Beurteilung der Eilbedürftigkeit im Rahmen einer Folgeabwägung unbeachtlich ist, dass die Opferente im Hauptsachverfahren voraussichtlich nicht als Einkommen anrechenbar sein wird (§ 11a Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Der vorrangige Einsatz von geschütztem Vermögen oder nicht anrechenbarem Einkommen kann nämlich nach einer zusprechenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausgeglichen werden.
Dem Antragsgegner wiederum ist es zuzumuten, den nicht durch tatsächlich vorhandenes Einkommen gedeckten Teil des Regelbedarfs in Höhe von 124 EUR einstweilig zu zahlen, da der Ausgang des Hauptsacheverfahrens letztlich als offen zu werten ist und durchaus auch ein Unterliegen des Antragsgegners in Höhe der vollen Regelleistung möglich erscheint.
Hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung der einstweiligen Verpflichtung nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 24.04.2019 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller 2/5 der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.
Der 1961 geborene Antragsteller ist nach eigenen Angaben ohne festen Wohnsitz, hält sich tagsüber in der Caritas-Wärmestube in W. auf und schläft ausschließlich bei Bekannten. Von seiner auf den Philippinen lebenden Ehefrau lebt er seit 2006 dauernd getrennt, wobei jedoch keine Scheidung angestrebt werde. Der Antragsteller unterhält ein Konto bei der R. Bank (Kontostand per 24.04.2019: 13,39 Euro) sowie eine Bankverbindung bei der H.-bank (Kontostand per 24.04.2019: 31,90 Euro), für die ein Weiterleitungskonto bei der T. Ltd. eingerichtet ist.
Am 10.09.2018 beantragte er beim Antragsgegner, die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Er gab in diesem Zusammenhang an, er beziehe eine Opferrente (als Haftopfer, § 17a StRehaG) in Höhe von monatlich 300,00 EUR, diese reiche nicht aus, da keine Kranken- und Pflegversicherungsbeiträge aus dieser Rente abgeführt würden. Er habe keinerlei Vermögen und wohne bei Freunden mietfrei.
Einen am 25.09.2018 bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg gestellten Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, lehnte diese mit Bescheid vom 14.11.2018 wegen fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch, über den noch nicht entschieden wurde.
Mit Bescheid vom 23.11.2018 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.09.2018 bis 28.02.2019 in Höhe von monatlich 416,00 Euro. Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2018 setzte er den monatlichen Leistungsbetrag für den Zeitraum ab 01.01.2019 auf 424,00 EUR fest.
Am 15.01.2019 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.03.2019. Mit Schreiben vom 17.01.2019 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, aktuelle Kontoauszüge vorzulegen und wies auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung hin. Am 08.03.2019 fand eine persönliche Vorsprache des Antragstellers beim Antragsgegner statt, bezüglich deren Inhalt auf das Gesprächsprotokoll auf BI. 212 ff. der Verwaltungsakte verwiesen wird. Mit Schreiben vom 15.03.2018 machte der Antragsteller geltend, er sei zu "100 % erwerbsunfähig" und ihm sei "Grundsicherung bei voller Erwerbsminderung" nach den SGB XII auszuzahlen.
Mehrere Aufforderungen des Antragsgegners zur Mitwirkung (Scheiben vom 12.03.2019 sowie dem 25.03.2019) blieben unbeantwortet. Einen Meldetermin beim Antragsgegner am 13.03.2019 nahm der Antragsteller nicht wahr. Am 28.03.2019 teilte die Stadt W. dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller in W. nicht gemeldet sei.
Am 28.03.2019 führte der Antragsgegner einen "Hausbesuch" bei der vom Antragsteller angegebenen Postfachadresse durch, bezüglich dessen Ergebnis auf BI. 256 ff. der Verwaltungsakte verwiesen wird.
Am 03.04.2019 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Freiburg (SG) einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung hat er u.a. vorgetragen, bei seiner Opferrente handle es sich nicht um anrechenbares Einkommen. Dieses gehe auf das Referenzkonto seiner Ehefrau, er könne dann mittels Kreditkarte darüber verfügen. Er sei bedürftig und mittellos. Entgegen des Vortrags des Antragsgegners habe er seinen ständigen Aufenthaltsort auch nicht in Frankreich.
Mit Beschluss vom 24.04.2019 hat das SG den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 03.04.2019 bis zur Bestandskraft einer noch zu ergehenden Entscheidung des Antragsgegners über den Weiterbewilligungsantrag, längstens aber bis 31.08.2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung des maßgebenden Regelbedarfs in Höhe von 70 v.H. zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dem Antragsteller seien im Wege der Folgeabwägung Leistungen zu gewähren. Verbleibende Restzweifel, insbesondere den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragstellers betreffend, hätten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzustehen.
Der Antragsgegner hat diesen Beschluss des SG mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 29.04.2018 umgesetzt. Am 03.05.2019 hat er Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Anspruchsvoraussetzungen des SGB II seien völlig ungeklärt. Der Antragsteller habe sich durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen den Vermittlungen des Antragsgegners entzogen, habe sich aber dennoch nachgewiesenermaßen in C. aufgehalten. Für einen Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahmen Bereichs sei seitens des Antragsgegner nie eine Zustimmung erteilt worden. Es bestehe ein dauerhafter Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4a SGB II. Aktuell solle der Antragsteller in C. wohnhaft sein, weshalb keine Zuständigkeit des Antragsgegners mehr gegeben sei. Der Antragsgegner hat sich auf verschiedene Verbis Vermerke gestützt.
Der Antragsteller hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Eine endgültige Entscheidung des Antragsgegners über den Weiterbewilligungsantrag vom 10.01.2019 ist bislang noch nicht ergangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge, sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Sie ist auch zum Teil begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 aaO). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung – ZPO –). Maßgebend für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 42). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei haben sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache zu orientieren (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 13.04.2010 – 1 BvR 216/07 – juris, Rn. 64; BVerfG, Beschluss vom 06.08.2014 – 1 BvR 1453/12 – juris, Rn. 9). Können jedoch im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz die erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen aufgrund der Kürze der verfügbaren Zeit nicht vorgenommen werden, so kann auch auf der Grundlage einer Folgenabwägung entschieden werden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12 – juris, Rn. 3).
Da dem Senat eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage über den Anspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner auf Leistungen nach dem SGB II im Eilverfahren nicht möglich ist, entscheidet er anhand einer Folgenabwägung. Die Nachteile, die sich für den Antragsteller ergeben, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird, er aber in der Hauptsache obsiegt, überwiegen die Nachteile, die dem Antragsgegner drohen, wenn dem Antrag stattgegeben wird und der Antragsgegner im Hauptsacheverfahren obsiegt.
Zunächst ist klarzustellen, dass es dem Antragsteller nicht gelungen ist, einen gegen den Antragsgegner gerichteten Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft, d.h. einen Erfolg einer gegen den Antragsgegner geführten Hauptsache überwiegend wahrscheinlich zu machen.
Glaubhaft gemacht sind zwar zunächst die Voraussetzungen der Leistungsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 SGB II. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Durch die vorgelegten Kontoauszüge geht der Senat insbesondere von einer hinreichend glaubhaft gemachten Hilfebedürftigkeit aus (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II). Hinsichtlich des möglichen Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft mit der auf den Philippinen lebenden Ehefrau, wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen. Soweit der Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren gestützt auf Angaben in einem ER-Verfahren des Sohnes vor dem SG Stade sowie Mitteilungen des Jobcenters C. eingewendet hat, der Antragsteller habe seinen Wohnsitz nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Frankreich, mag dies zwar Anlass für weitere Ermittlungen im Hauptsacheverfahren geben, der Senat sieht dennoch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet als überwiegend wahrscheinlich und damit als glaubhaft gemacht an (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). Hierfür sprechen die vom Antragsteller vorgelegten Kontoauszüge, denen keine maßgeblichen, finanziellen Transaktionen außerhalb des Bundesgebiets entnommen werden können. Soweit der Antragsgegner in der Beschwerdeschrift argumentiert, der Antragsteller sei aktuell in C. wohnhaft, geht er mittlerweile offenbar ebenfalls von einem gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aus. Einem glaubhaft gemachten Leistungsanspruch steht auch nicht eine fehlende Erwerbsfähigkeit des Antragstellers entgegen (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Erwerbsfähig ist, gemäß § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Antragsteller selbst hat zu seiner Leistungsfähigkeit unterschiedliche Angaben gemacht. Mit Schreiben vom 02.10.2018 hat er vorgetragen, er könne "natürlich" drei Stunden arbeiten, bei einer Tätigkeit, die seinem gesundheitlichen Zustand entspreche und die mit einem angemessenen Lohn honoriert sei. Demgegenüber hat er mit Schreiben vom 15.03.2019 geltend gemacht, er sei seit 06.07.2018 "zu 100 % erwerbsunfähig". Tatsächliche aussagekräftige medizinische Befundunterlagen sind in den Verwaltungsakten nicht enthalten. Insbesondere lassen die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen keinen Rückschluss auf eine fehlende Erwerbsfähigkeit zu. Mangels konkreter Anhaltspunkte einer tatsächlich bestehenden, sich auf die Leistungsfähigkeit des 1961 geborenen Antragstellers auswirkenden Erkrankung, ist – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – jedenfalls im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz von einer glaubhaft bestehenden Erwerbsfähigkeit des Antragstellers auszugehen. Es steht dem Antragsgegner frei, eine Prüfung der Erwerbsfähigkeit nach § 44a SGB II einzuleiten.
Ob und wenn ja, in welchem Zeitraum der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 SGB II), jedenfalls aber seinen tatsächlichen Aufenthalt (§ 36 Abs. 1 Satz 4 SGB II) im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners hat und dieser mithin für Leistungen nach dem SGB II örtlich zuständig ist, kann hingegen im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz weder vollständig aufgeklärt werden, noch ist hier mit einer überwiegende Wahrscheinlichkeit von einem bestimmten Aufenthaltsort auszugehen. Gleiches gilt für die Frage, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4a SGB II - jedenfalls zeitweise - zu Ungunsten des Antragstellers greift. Nach § 7 Abs. 4a Satz 1 SGB II in der gemäß § 77 Abs. 1 SGB II weiter anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2007 (BGBl. I 3254, im Folgenden "a. F.") erhält keine Leistungen nach dem SGB II, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält; die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend. Aktuell stellt sich der Sachverhalt für den Senat so dar, dass sowohl der gewöhnliche als auch der tatsächliche Aufenthalt des Antragstellers seit der Stellung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz nicht geklärt sind und sich im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz auch nicht klären lassen, der Antragsteller sich aber zumindest zeitweise im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners aufhält. Zwar hat der Antragsgegner verschiedene Verbis Vermerke vorgelegt, denen ein stetig wiederkehrender Aufenthalt des Antragstellers in C. und damit nachweisbar einzelne Tag einer ungenehmigten Ortsabwesenheit entnommen werden können. Diese Vermerke geben auch Anlass für weitere Ermittlungen im Hauptsacheverfahren. Soweit der Antragsgegner hingegen meint, aus diesen Vermerken ergebe sich, dass der Antragsteller in C. wohnhaft und damit seine Zuständigkeit entfallen sei, vermag der Senat dem hingegen nicht zu folgen. Im Vermerk vom 12.04.2019 gibt die "Vermieterin" zwar an, dass der Antragsteller bei seinem Sohn C. "wohne", sie wird aber auch mit den Worten zitiert, sie habe nur der Vermietung der Wohnung an "M. M. S.", dem Sohn des Antragstellers, zugestimmt. Da in den dokumentierten Vermerken, beispielsweise im Vermerk vom 21.03.2019, zudem mehrfach lediglich von "Herrn S." die Rede ist, was sowohl den Antragsteller als auch einen der beiden Söhne des Antragstellers meinen könnte, sieht der Senat den Sachverhalt durch diese Vermerke keineswegs als geklärt an. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 05.04.2019 von einem Arzt im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners ausgestellt wurde und die vorgelegten Kontoauszüge zumindest im Januar und Februar 2019 Abhebungen und Kartenzahlungen im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners belegen. Zu der Frage des gewöhnlichen bzw. des tatsächlichen Aufenthaltes des Antragstellers werden daher weitere Ermittlungen im Hauptsacheverfahren - etwa durch Zeugenvernehmung sowie Einholung von Auskünften - erforderlich sein. Vor dem Hintergrund des zumindest für bestimmte Zeiträume - möglich erscheinenden, aber im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nicht aufklärbaren Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 4a Satz 1 SGB II a.F., kann sich ein glaubhafter Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner auch nicht aus § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB I ergeben.
Ist eine Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, weil es dafür wie vorliegend weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedarf, kann das Gericht die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - wie oben ausgeführt - ausnahmsweise auf der Grundlage einer Folgenabwägung treffen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 06.02.2013 – 1 BvR 2366/12 –, a.a.O.). Werden die einfachgesetzlich vorgeschriebenen überwiegenden Wahrscheinlichkeiten nicht erreicht, ist die Prüfung fortzusetzen: Droht bei Ablehnung des Eilantrags unter Berücksichtigung des Rechtsschutzziels eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, weil schwere, über den wesentlichen Nachteil hinausgehende Beeinträchtigungen möglich sind, ist eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der festgestellten Wahrscheinlichkeits- und Beeinträchtigungsgrade durzuführen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 1 BvR 569/05 -, juris Leitsatz 2 a und Rn. 25 - 28; Beschluss vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 , juris, Rn. 10; vgl. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.03.2019 - L 18 AY 12/19 B ER -, Rn. 29, juris). Im Rahmen der Folgenabwägung sind die Nachteile abzuwägen, die einträten, sofern keine einstweilige Anordnung erginge, der Rechtsbehelf aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erginge, Rechtsbehelfe in der Hauptsache jedoch erfolglos blieben.
Die Abwägung fällt in der tenorierten Höhe von 124 EUR zugunsten des Antragstellers aus. Bei der Folgeabwägung ist zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass der Senat von einer grundsätzlich glaubhaften Hilfsbedürftigkeit ausgeht, da der Antragsteller mit dem vorhandenen Einkommen und Vermögen seinen Bedarf nicht zu decken vermag. Dies erscheint vor dem Hintergrund der bis Februar 2019 erfolgten Leistungsbewilligung durch den Antragsgegner letztlich zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Der Bedarf beschränkt sich vorliegend auf die Regelleistung nach dem SGB II in Höhe von 424 EUR, da konkretisierte Kosten der Unterkunft vom Antragsteller weder geltend gemacht werden, noch ersichtlich sind. Dieser Bedarf wird jedoch im Rahmen der hier zu beurteilenden Folgeabwägung durch die nach eigenen Angaben des Antragstellers monatlich in Höhe von 300 EUR zufließende Opferente gedeckt, so dass lediglich ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 124 EUR verbleibt. Es ist dem Antragsteller jedenfalls einstweilig bis zur Klärung in der Hauptsache zumutbar, die Opferrente in Höhe von monatlich 300 EUR vollständig zur Deckung seines Lebensunterhaltes einzusetzen. Eine Eilbedürftigkeit besteht nämlich bereits dann nicht, wenn ein Antragsteller jedenfalls gegenwärtig auf eigene Mittel oder zumutbare Hilfe Dritter zurückgreifen und damit die Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache überbrücken kann (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.09.2014 - L 5 KR 147/14 B ER -, juris, Rn. 18; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.03.2011 - L 5 KR 20/11 B ER -, juris, Rn. 10). Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016 - 1 BvR 1825/16 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschluss vom 27.07.2016 - 1 BvR 1241/16 , juris, Rn. 7). Bei der Frage der Eilbedürftigkeit im Rahmen eines Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz können auch Mittel Berücksichtigung finden, die bei der materiellen Frage der Hilfebedürftigkeit außen vor bleiben müssen, weil es sich um Schonvermögen oder nicht zu berücksichtigendes Einkommen handelt (so explizit: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.03.2017 - L 7 SO 420/17 ER-B –, Rn. 9, juris), so dass bei der Beurteilung der Eilbedürftigkeit im Rahmen einer Folgeabwägung unbeachtlich ist, dass die Opferente im Hauptsachverfahren voraussichtlich nicht als Einkommen anrechenbar sein wird (§ 11a Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Der vorrangige Einsatz von geschütztem Vermögen oder nicht anrechenbarem Einkommen kann nämlich nach einer zusprechenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausgeglichen werden.
Dem Antragsgegner wiederum ist es zuzumuten, den nicht durch tatsächlich vorhandenes Einkommen gedeckten Teil des Regelbedarfs in Höhe von 124 EUR einstweilig zu zahlen, da der Ausgang des Hauptsacheverfahrens letztlich als offen zu werten ist und durchaus auch ein Unterliegen des Antragsgegners in Höhe der vollen Regelleistung möglich erscheint.
Hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung der einstweiligen Verpflichtung nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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