S 9 U 147/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 9 U 147/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 97/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Impfung als Arbeitsunfall.

Die 1990 geborene Klägerin absolvierte seit August 2008 ihre Ausbildung in der Praxis von Dr. C. Am 9.11.2009 wurde die Klägerin wegen der H1N1-Epidemie mit Pandemrix geimpft. Mit Schreiben vom 11.8.2011, eingegangen bei der Beklagten am 16.8.2011, reichte der Internist Dr. C. eine Unfallmeldung ein. Im beigefügten Schreiben vom 29.7.2011 schilderte Dr. C., dass die Klägerin bis zur Impfung völlig gesund gewesen sei, sportlich sehr aktiv. Es hätten keine relevanten Vorerkrankungen bestanden. Am 10.11.2009 sei es bei der Klägerin dann zu Unwohlsein und Sinustachykardie gekommen mit 105/bpm Ruhepuls. In der am 1.12.2009 durchgeführten Ergometrie sei die Klägerin bei 175 Watt bereits ausgelastet gewesen, wobei keine EGK-Veränderungen vorgelegen hätten. Am 3.12.2009 habe sich dann in der Echokardiographie eine diskret reduzierte Pumpfunktion gezeigt. Er habe eine Therapie mit Beta-Blocker eingeleitet und zur körperlichen Schonung geraten bei Verdacht auf Myokarditis. Am 23.2.2010 sei die Klägerin dann bereits bei 150 Watt ergometrisch ausbelastet gewesen. In der Kontrolle am 28.4.2010 im Ambulanten Herzzentrum sei die Klägerin dann beschwerdefrei gewesen, sodass die Therapie beendet worden sei. Seit Anfang 2011 klage die Klägerin nun erneut über rasche Ermüdbarkeit und Herzpalpitationen bei sportlicher Aktivität. In den durchgeführten Kontrollen mittels Echokardiographie und Kardio-MRT habe sich wieder eine lokale Myokarditis gezeigt, sodass am 25.6.2011 erneut eine Therapie eingeleitet worden sei. Beigefügt waren Berichte des Ambulanten Herzzentrums Kassel vom 11.1.2010, 1.2.2010, 1.6.2010, 14.3.2011, der Röntgengemeinschaftspraxis an den Asklepios-Kliniken Schildautal vom 20.6.2011, der Ruhr-Universität Bochum Kardiologische Klinik – vom 15.7.2011. Die Beklagte bat die Klägerin um weitere Auskünfte. Die Klägerin teilte am 19.9.2011 mit, dass ihr Chef damals allen Angestellten die Empfehlung gegen habe, sich impfen zu lassen, da sie im ständigen Kontakt mit Patienten stünden. Sie sei von einer Kollegin an ihrer Arbeitsstelle geimpft worden. Die Klägerin erklärte, vor der Impfung keine vergleichbaren Beschwerden gehabt zu haben, und im Zeitpunkt der Impfung nicht akut erkrankt (Erkältung, Grippe, Fieber, Schnupfen) gewesen zu sein. Weiter holte die Beklagte eine Auskunft von Dr. C. vom 8.10.2011 ein, der ergänzend mitteilte, dass die Klägerin am 11.6.2008 durch seinen Kollegen in der Praxisgemeinschaft Dr. D. im Rahmen einer Jugenarbeitsschutzuntersuchung am 3.6.2008 untersucht worden sei, von ihm selbst sei sie erstmals am 1.9.2008 im Rahmen einer Impfprophylaxe bezüglich Hepatitis B behandelt worden. Am 5.3.2009 habe die Klägerin bei einer sportmedizinischen Untersuchung 250 Watt erreicht. Arbeitsunfähigkeit habe bei der Klägerin nach der Impfung nicht bestanden, jedoch habe man ihr nun eine leicht reduzierte Stundenzahl von 30 Arbeitsstunden pro Woche zugebilligt. Dr. D. übersandte den Untersuchungsbogen vom 3.6.2008. Die Beklagte zog Unterlagen des Hessischen Amts für Versorgung und Soziales bei, bei dem die Klägerin mit Schreiben vom 11.8.2011 ebenfalls einen Impfschaden geltend gemacht hatte. Dieses hatte beim Hersteller des Impfstoffes ermittelt. Der Hersteller übersandte allgemeine Informationen zum Impfstoff Pandemrix und teilte mit, die Meldung der Klägerin an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weitergemeldet zu haben – dieses teilte jedoch dann mit, zur Klägerin keine Daten zu haben. Daraufhin übersandte das Versorgungsamt dem Paul-Ehrlich-Institut die ihm vorliegenden Informationen und bat um Angabe, wie der Zusammenhang zwischen der angeschuldigten Impfung und der aufgetretenen Myokarditis von dort beurteilt werde. Das Paul-Ehrlich-Institut teilte am 23.9.2011 mit, dass bei Auftreten von Beschwerden bereits einem Tag nach der Impfung und erneutem Auftreten nach über einem Jahr nach der Impfung ein kausaler Zusammenhang als unwahrscheinlich angesehen werde. Dem Institut lägen 14 Fälle von Myokarditis, Perikarditis oder Perimyokarditis nach Pandemix-Impfung vor. (Peri-)Myokarditis sei ein Sammelbegriff für entzündliche Herzmuskel- und Herzbeutelerkrankungen. In über 50% der Fälle sei kein auslösendes Agens gefunden. Das klinische Bild sei vielfältig von asymptomatisch über Thoraxschmerz, Herzinsuffizienz oder Rhythmusstörungen bis zum fulminanten kardiogenen Schock. Häufigste Ursache sei eine Virusinfektion. Ohne Infektion könne eine (Peri-)Myokarditis im Rahmen von entzündlich-rheumatischen und immunologischen Erkrankungen, selten auch toxisch bedingt. Darüber hinaus gebe es isolierte Autoimmun-(Peri-)Myokarditien. Die Hintergrundinzidenz von (Peri-)Myokarditis sei unbekannt. In den USA werde sie auf 1-0 pro 100.000 Einwohner geschätzt. Es werde angenommen, dass 1-5% der Patienten mit einem viralen Infekt eine myokardiale Beteiligung haben. Danach sei in der mit Pandemix geimpften Bevölkerungsgruppe mehr als 50 Fälle in den ersten vier Wochen nach Impfung zu erwarten. Anzumerken sei, dass es in der Literatur Einzelfallbeschreibungen von (Peri-)Myokarditis nach Impfungen mit anderen Stoffen beschrieben sei, ohne dass ein ursächlicher Zusammenhang belegt sei – es werde diskutiert, ob eventuell eine Hypersensitivtätsreaktion die (Peri-)Myokarditis auslösen könne. Weiter holte die Beklagte eine Auskunft des Ambulanten Herzzentrums vom 6.10.2011 ein – unterzeichnet von Dr. C., den die Beklagte als externen Mitarbeiter identifizierte. Es gingen weitere Berichte ein, des Herzzentrums (Dr. C.) vom 26.9.2011, und der Röntgengemeinschaftspraxis vom 27.10.2011. Die Klägerin reichte MRT-Bilder vom 17.6.2011 und 11.11.2011 herein. Sodann holte die Beklagte eine Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes Regierungspräsidium Darmstadt – ein. Dr. E. teilte am 20.11.2011 mit, dass sie aus gewerbeärztlicher Sicht die Anerkennung der BK Nr. 3101 nicht empfehle, da laut fachgutachterlicher Stellungnahme ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankungen nicht gegeben sei. Das Hessische Amt für Versorgung und Soziales teilte am 10.1.2012 mit, den Antrag mit nach dem Infektionsschutzgesetz abgelehnt zu haben, da nach der beigefügten versorgungsfachärztlichen Stellungnahme kein ursächlicher Zusammenhang bestehe, jedenfalls nicht mit der dafür erforderlichen Wahrscheinlichkeit. Dr. F. wies in seiner Stellungnahme vom 18.11.2011 darauf hin, dass der Hersteller kardiale Erscheinungen nicht als Folge der Impfung angebe und derartige Folgeerkrankungen auch nicht vom Paul-Ehrlich-Institut bestätigt würden. Überdies sei ein Zusammenhang aufgrund des sehr kurzen Zeitraumes zwischen Impfung und Erstsymptomen ohne Nachweis anderer Erscheinungen wie Lokalreaktionen oder der vom Hersteller als häufig beschriebenen Allgemeinsymptome ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich. Es handele sich wahrscheinlich um einen rein zeitlichen Zusammenhang, sodass der Antrag nach dem Infektionsschutzgesetz nicht gestützt werde. Mit Bescheid vom 8.2.2012 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab. Nach den eingeholten ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts, sei aufgrund des verwendeten Impfstoffs und aufgrund des zeitlichen Ablaufs zwischen Impfung und ersten Beschwerden am Folgetag sowie des erneuten Auftretens einer Myokarditis über ein Jahr nach der Impfung ein Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung nicht wahrscheinlich. Am 16.2.2012 legte die Klägerin Widerspruch ein, zu dem sich am 6.3.2012 Dr. C. meldete und die Vorlage der eingeholten Unterlagen an ihn forderte sowie riet, den Vorgang gutachterlich nochmals prüfen zu lassen, ansonsten müsse er der Klägerin raten, gerichtlich ihren Rechtsanspruch geltend zu machen. Seiner Meinung nach handele es sich bei der Myokarditis um eine medikamentöse Unverträglichkeit im Sinne einer allergischen Reaktion – erstmals diagnostiziert circa vier Wochen nach der Impfung. Für ihn sei nicht verständlich, warum nicht am Folgetag einer Impfung eine Reaktion auftreten können solle – es handele sich ja hier nicht um eine Myokarditis, die sich natürlich nicht an einem Tag entwickeln könne, sondern um eine Impfreaktion. Die Beklagte stellte fest, dass für Dr. C. keine Vollmacht vorliege, und reagierte nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.6.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, wobei sie einleitend zugestand, dass die vom Arbeitgeber empfohlene Impfung eine versicherte Tätigkeit gewesen sei. Hernach griff die Beklagte die Argumentationen des vom Versorgungsamt gehörten Dr. F. sowie des Paul-Ehrlich-Instituts auf. Ein ursächlicher Zusammenhang der von der Klägerin auf die Impfung zurückgeführten Beschwerden lasse sich mit den in der Unfallversicherung geltenden Beweismaßstäben nicht feststellen. Am 25.9.2012 fragte die Klägerin bei der Beklagten telefonisch nach dem Stand des Widerspruchsverfahrens. Die Beklagte teilt ihr mit, dass bereits über den Widerspruchsbescheid entschieden worden sei. Auf die Angabe der Klägerin, keinen Widerspruchsbescheid erhalten zu haben, stellte die Beklagte ihr den Widerspruchsbescheid vom 29.6.2012 nunmehr zu. Nach Angaben der Beklagten datiert die Zustellung laut Postzustellungsurkunde auf den 2.10.2012.

Am 31.10.2012 ist die Klage S 9 U 147/12 beim Sozialgericht Kassel eingegangen. Bereits am 22.6.2012 hatte die Klägerin die Klage S 6 VE 17/12 gegen das Versorgungsamt anhängig gemacht. Im Verfahren S 6 VE 17/12 hat das Gericht ein Gutachten bei Prof. Dr. G. vom 18.4.2013 eingeholt, in dem dieser auf Grundlage von Literaturreche und Daten des Paul-Ehrlich-Instituts einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Myokarditis gesehen hat, aber keinen kausalen Zusammenhang. Nachdem die Klägerin unter Vorlage von Berichten der Kardiologischen Praxis H-Stadt vom 10.7.2013, eines Berichtes der Charité vom 4.4.2013 und des Ambulanten Herzzentrums Kassel vom 2.5.2013 geltend gemacht hatte, dass bei ihr die Besonderheit einer chromosomalen Integration des Virusgenoms (ciHHV6) festgestellt worden sei, und die Auffassung vertreten hatte, dass dieses durch die Impfung aktiviert worden sei, hat die 6. Kammer eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. G. vom 26.8.2013 eingeholt, in dem dieser mitgeteilt hat, auch unter Berücksichtigung der HHV6-bedingten Myokarditis auf dem Boden einer ciHHV6-Reaktivierung bei seiner Auffassung zu bleiben, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung bestehe. Prof. Dr. G. hat ausgeführt, dass HHV6 der zweithäufigste Erreger für (Peri-)Myokarditis sei. Personen mit ciHHV6 seien gewöhnlich asymptomatisch, bis das HHV6-Virus aktiviert werde, z.B. durch Infektionen, immunsuppresive Medikamente oder bei Autoimmunerkrankungen, sodass auch eine Aktivierung durch Pandemrix grundsätzlich erwogen werden könne. Nach den Myokardbiopsien der Klägerin sei die rezidivierende Aktivierung des ciHHV6 als wahrscheinlichste Ursache ihrer Myokarditis anzusehen, wobei vom Beginn der Myokarditis in Dezember 2009 und ab 2011 von einer chronischen Myokarditis ausgegangen werden könne. Ein zeitlicher Zusammenhang mit der Impfung sei gegeben. Bei insgesamt 21 Millionen Pandemrix-Dosen im 4. Quartal 2009 hätten aber bei einer Myokarditis-Häufigkeit von 1-10/100.000 Einwohner mehr als die spontan zu erwartenden 50-500 Myokarditis-Fälle auftreten müssen. Bei nur 25 gemeldeten Verdachtsfällen habe die Zahl darunter gelegen. Selbst bei Annahme einer niedrigen Melderate von 10% könne nicht von einer Häufung von Fällen ausgegangen werden. Hinzukomme, dass auch in der Literatur eine Pandemrix-induzierte Myokarditis bislang nicht dokumentiert sei. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Myokarditis sei damit nicht nachweisbar.

Die Klägerin verweist auf die Mitteilungen ihrer behandelnden Ärzte, wonach die Myokarditis eindeutig auf die Impfung zurückzuführen sei. Sie ist der Auffassung, dass der Datenbestand des Paul-Ehrlich-Instituts aufgrund ihrer genetischen Disposition nicht ausreichend sei. Dabei ist sie der Auffassung, dass ihre genetische Anlage die Kausalität nicht aufgrund leichter Ansprechbarkeit ausschließe, weil sie - so die Behauptung der Klägerin - der Virenbelastung in der Praxis widerstanden habe. Die Klägerin macht geltend, dass Pandemrix schnell auf den Markt habe gelangen müssen und daher nicht die üblichen Studien durchlaufen habe, sodass nicht sämtliche Wirkungen bekannt seien. Sie ist daher der Auffassung, dass ein Rückgriff auf die statistischen Daten nicht erlaubt sei, vielmehr eine Beweislastumkehr stattzufinden habe und die Beklagte zu beweisen habe, dass die Erkrankung nicht auf die Impfung zurückzuführen sei.

Die Klägerin beantragt (mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten),
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8.2.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.6.2012 zu verurteilen, die Schutzimpfung vom 9.11.2009 mit dem Impfstoff Pandemrix als Arbeitsunfall anzuerkennen und der Klägerin Leistungen gemäß der gesetzlichen Vorschrift zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält an ihren Entscheidungen fest und verweist insbesondere auf die Stellungnahmen des Paul-Ehrlich-Instituts sowie des Landesgewerbearztes.

Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 24.1.2014 zu einer beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid angehört, wobei dieses Schreiben nach den vorliegenden Empfangsbekenntnissen dem Bevollmächtigten der Klägerin am 27.1.2014 und der Beklagten am 28.1.2014 zugegangen ist. Mit Schreiben vom 29.1.2014 hat die Beklagte erklärt, mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden zu sein. Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen, insbesondere des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand dieser Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid in Beschlussbesetzung - ohne ehrenamtliche Richter - entschieden werden, nachdem die Beteiligten zu einer solchen Entscheidung binnen angemessener Frist angehört worden sind. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, und der Sachverhalt ist geklärt. Der Gerichtsbescheid wirkt insoweit als Urteil (§ 105 Abs. 3 1.HS SGG).

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist lediglich als Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig (vgl. SG Mainz vom 21.3.2013 – S 10 U 48/11, zitiert nach juris, mwN), insofern liegen die Sachurteilsvoraussetzungen vor. Der darüber hinaus von der Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten formulierte Leistungsanspruch ist hingegen vorgreiflich, es fehlt diesbezüglich eine Verwaltungsentscheidung der Beklagten.

Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid vom 8.2.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.6.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht abgelehnt, die Impfung vom 9.11.2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Dabei ist aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden, dass die Beklagte - anders als die von ihr gehörte Vertreterin des Landesgewerbearztes, die auf BK Ziff. 3101 abstellt - die Anschuldigung der Impfung durch die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsunfalles und nicht als Berufskrankheit beurteilt hat. Gemäß § 7 Sozialgesetzbuch (SGB) VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Der Begriff der zeitlichen Begrenzung erfasst einen Zeitraum bis zu einer Arbeitsschicht, weshalb eine einzelne Impfung anhand der Maßstäbe eines Arbeitsunfalles zu beurteilen ist (vgl. Hess. LSG vom 1.12.2010 – L 9 U 47/07, zitiert nach juris).

Nach § 8 SGB VII ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten erleidet. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tode führen.

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass das Unfallereignis selbst sowie die versicherte Tätigkeit als auch die Erkrankung mit dem sog. Vollbeweis nachgewiesen sein müssen. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Hess. LSG vom 1.12.2010, aaO, mwN).

Für das Gericht steht fest und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig, dass die Klägerin während der streitgegenständlichen Impfung bei der Beklagten versichert war. Gemäß § 8 SGB VII iVm § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Beschäftigte nicht nur im Rahmen des Kernbereichs ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit versichert, sondern es werden dem Versichertenbereich auch alle solche Tätigkeiten zugerechnet, die wesentlich der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit zugerechnet werden, wozu maßgeblich solche zählen, wenn die Tätigkeit nach den objektiven und dem Versicherten erkennbaren Umständen als dem Betrieb nützlich angesehen wird. Maßgeblich ist, ob das Handeln des Versicherten dazu bestimmt ist, dem Unternehmen zu dienen (vgl. Hess. LSG vom 1.12.2010, aaO, mwN). Da die streitgegenständliche Impfung – wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – auf ausdrückliche Empfehlung des das Direktionsrechts über die Klägerin ausübenden Arbeitgebers ausgeführt wurde, steht diese im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit der Klägerin. Die Impfung gegen H1N1 war angesichts des in einer Arztpraxis bestehenden Infektionsrisikos auch objektiv dem Unternehmen dienlich, um die Erkrankung an einer Berufskrankheit der dort Beschäftigten zu verhindern.

Für das Gericht steht auch fest und ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass bei der Klägerin eine Myokarditis erstmals im Dezember 2009 und dann Anfang 2011 wiederum aufgetreten ist.

Wirken eine krankhafte Veranlagung und ein Unfallereignis bei der Entstehung einer Körperschädigung zusammen, so sind beide Umstände Bedingungen im naturwissenschaftlichen Sinne für das Unfallgeschehen. Nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung zur Beurteilung von Zusammenhangsfragen anzuwendenden Theorie von der wesentlichen Bedingung ist dann zu beurteilen, ob das Unfallereignis eine wesentlich mitwirkende Bedingung für die Schädigung gewesen ist oder ob die krankhafte Veranlagung alleinige oder überragende Ursache war. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis, nach welcher jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. conditio sine qua non ). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursache für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Im Sozialrecht erfolgt diese Unterscheidung und Zurechnung mangels einer Verschuldensprüfung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, nach welcher als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. Hess. LSG vom 1.12.2010, aaO, mwN).

Hierbei gilt, dass es mehrere rechtliche Mitursachen geben kann, wobei sozialrechtlich alleine relevant ist, ob das Unfallereignis als solches wesentlich war. Ob es eine konkurrierende Ursache war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannten Ursachen "wesentlich" und damit Ursachen im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber im zweiten Prüfungsschritt nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingungen im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder "Auslöser" bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen oder abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlich äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann zum einen der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkungen gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Schluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist (vgl. Hess. LSG vom 1.12.2010, aaO, mwN).

Weitere Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens, wobei allerdings eine Ursache nicht deswegen wesentlich ist, weil sie die letzte war, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. Hess. LSG vom 1.12.2010, aaO, mwN).

Für die Kausalbeziehungen zwischen dem unfallbringenden Verhalten und der Krankheit genügt nach herrschender Meinung der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, der dann gegeben ist, wenn mehr für als gegen Ursachenzusammenhang spricht bzw. wenn der bei Berücksichtigung aller Umstände die für den Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände so stark überwiegen, dass die Entscheidung darauf gegründet werden kann, wobei die bloße Möglichkeit hingegen nicht ausreicht (vgl. Hess. LSG vom 1.12.2010, aaO, mwN).

Für das Gericht steht fest, dass bei der Klägerin von Geburt an eine krankhafte Veranlagung in Form einer chromosomalen Integration des HHV6 (ciHHV6) bestanden hat.

Hingegen hat sich das Gericht nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die krankhafte Veranlagung hinreichend wahrscheinlich durch die angeschuldigte Pandemrix-Impfung aktiviert worden ist. Dabei geht das Gericht durchaus davon aus, dass das ciHHV6 durch Pandemrix – ebenso wie durch Infektionen, immunsuppresive Medikamente oder bei Autoimmunerkrankungen – möglicherweise aktiviert werden kann. Die reine Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt jedoch nicht, sondern dieser muss hinreichend wahrscheinlich sein. Für das Gericht ist aber nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Impfung tatsächlich irgendeine Ursache für die Myokarditis gesetzt hat – geschweige denn, dass diese eine rechtlich wesentliche Ursache darstellt. Die reine zeitliche Nähe genügt nicht. Die Klägerin selbst hat keinerlei wissenschaftliche Beleg für ihre These angeboten. Die mit keinerlei wissenschaftlicher Begründung versehenen Meinungsäußerungen ihrer behandelnden Ärzte genügen nicht um einen Zusammenhang zwischen Impfung und Myokarditis hinreichend wahrscheinlich zu machen. Vielmehr sprechen die Datenbestände des Paul-Ehrlich-Instituts sowie die Auswertungen der Daten und der Literatur durch Prof. Dr. G. in seinem Gutachten samt ergänzender Stellungnahme, eingeholt im Verfahren der Klägerin vor dem Sozialgericht Kassel S 6 VE 17/12 gegen das Versorgungsamt wegen derselben Anschuldigung und gemäß § 202 SGG iVm § 411a Zivilprozessordnung (ZPO) in das hiesige Verfahren eingeführt, gegen einen kausalen Zusammenhang. Weitere Möglichkeiten für Ermittlungen sieht das Gericht bei dieser Sachlage nicht.

Für die von der Klägerin geforderte Beweislastumkehr besteht keine gesetzliche Grundlage, sie widerspricht vielmehr sämtlichen Grundsätzen des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache selbst.
Rechtskraft
Aus
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