S 2 KR 15/19 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KR 15/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 179/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller die mit Bescheid vom 15.08.2017 bewilligten Leistungen in Höhe von 24,60 Euro und die mit Bescheid vom 22.08.2017 bewilligten Leistungen in Höhe von 41,60 Euro auf das Konto des Antragstellers bei der Sparkasse C unter der IBAN DE00 0000 0000 0000 0000 00 zu erbringen. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller den elektronischen Rechtsverkehr via Fax und Email zu ermöglichen. Im Übrigen wird der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Jede Seite trägt die eigenen Kosten.

Gründe:

I. Der Antragsteller begehrt die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Regelung des elektronischen Rechtsverkehrs mit seiner Krankenkasse und zur Erstattung von Fahrtkosten.

Der Antragsteller steht im Leistungsbezug nach dem SGB II und hat am 21.07.2017 die Erstattung von Fahrtkosten betreffend eine ihm bewilligte Therapie in der Tagesklinik C Ost, einer Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, beantragt. Dabei bat er um Überweisung der Fahrtkosten auf sein Konto bei der Sparkasse unter Angabe der entsprechenden IBAN-Nummer.

Die Antragsgegnerin forderte mit Schreiben vom 10.08.2017 unter Beifügung eines Freiumschlags die Originale der Bustickets an. Ohne diese sei eine Bearbeitung nicht möglich.

Mit Schreiben vom 13.08.2017 thematisierte der Antragsteller das Risiko des Verlusts der Bustickets auf dem Postweg. Bereits anhand der übersandten Kopien sei nachvollziehbar, dass Tickets erworben wurden. Er sei es langsam leid dabei zuzusehen, "wie die Herrschaften Ihrs Hauses und des JobCenter Arbeitplus Bielefeld sich gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben. Ich kann mir die Fahrkarten nicht leisten. ( ...) Es ist eine Schande was hier mit kranken Bedürftigen nach SGB veranstaltet wird. Aber wir sind ja ein Sozialstaat. Wir sind nicht besser als jede Bananenrepublik. Verfüge ich bis spätestens 19.08.2017 nicht über das Geld, gehe ich andere Wege, die ihrem Laden bitter aufstoßen werden."

Nach Übermittlung der Originaltickets bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 15.08.2017 für Fahrten im Zeitraum vom 25.07.2017 bis zum 31.07.2017 Fahrtkosten von 24,60 Euro und kündigte an, dieser Betrag werde in den kommenden Tagen auf das Konto des Antragstellers überwiesen. Ferner forderte sie zur Vorlage der Tickets für August auf.

Mit Schreiben vom 16.08.2017 bedankte sich der Antragsteller für die nun doch prompte Abwicklung ganz herzlich und entschuldigte sich für seinen schroffen und unhöflichen Ton.

Ferner legte er ein Monatsticket in Form eines Sozialtickets für den Monat Juli 2017 zum Preis von 41,60 Euro vor.

Mit Bescheid 22.08.2017 bewilligte die Antragsgegnerin weitere Fahrtkosten in Höhe von 41,60 Euro

Mit Fax vom 29.08.2017 wies der Antragsteller darauf hin, dass bisher kein Geld auf seinem Konto eingegangen sei. Er erwarte den Geldeingang bis zum 30.08.2017 um 10 Uhr. "Ansonsten wünschten sie nicht aufgestanden zu sein. Ich bereite Ihrem Laden dann eine Menge negative Publicity. Und die Justiz wird sich mit der BKK ebenfalls beschäftigen. Haben sie Geld zu kriegen, da wird sofort mit dem VwVG NRW gewinkt. Müssen sie zahlen kann man hungern. Es reicht jetzt! Braucht Ihr Vorstand einen neuen Dienstwagen? Wie gesagt Morgen habe ich das Geld!"

Unter dem 31.08.2017 erstattete die Antragsgegnerin Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft C. Der Antragsteller versuche nach dem Dafürhalten der Antragsgegnerin, diese zur erneuten Auszahlung der dem Antragsteller bereits ausgezahlten Beträge ohne Rechtsgrund zu nötigen, um sich zu bereichern. Die Zahlungen vom 17.08.2017 und vom 24.08.2017 seien seinem seit Jahren unverändert bei der U-Bank geführten Konto im Zeitpunkt des Schreibens vom 29.08.2017 längst gutgeschrieben worden. Die Ankündigung, die Justiz werde sich mit der Antragsgegnerin beschäftigen müssen, verstehe man als Ankündigung der Bekanntmachung von erweislich falschen Verdächtigungen durch den Antragsteller. Die Aussage des Antragstellers im Fax vom 29.08.2017, es reiche jetzt, brauche der Vorstand einen neuen Dienstwagen, verstehe man als Ankündigung, den Dienstwagen des Vorstandes beschädigen, demolieren, oder anderweitig zerstören zu wollen.

Mit Fax vom 03.09.2017 schrieb der Antragsteller, nach seinem Dafürhalten verstehe die Antragsgegnerin keine andere Sprache, als dass er jetzt wohl gezwungen werde, den großen Hammer herauszuholen. Sollte die erneut gesetzte Frist wieder verstreichen, so übergebe er die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft C. Es reiche ihm mit dem Saftladen.

Mit Email vom 03.09.2017 monierte der Antragsteller, dass bei der Antragsgegnerin Faxgeräte abgestellt worden seien.

Mit Email vom 04.09.2017 teilte die Antragsgegnerin mit, die Zahlungsansprüche seien bereits am 17.08.2017 und am 24.08.2017 auf das Konto des Antragstellers überwiesen worden. Aufgrund seiner unsachgemäßen Beleidigungen und Drohungen sehe man sich leider gezwungen, seine weiteren Fax- und E-Mailzustellungen abzuweisen.

Unter dem 20.09.2017 erstattete der Antragsteller per Fax Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Sachbearbeiterin.

Am gleichen Tag schickte der Antragsteller die Dienstaufsichtsbeschwerde per email-Anhang und führte in der email aus, gehe diese Mail nebst Anhang der Antragsgegnerin auch nicht zu, so könne diese sich darauf einstellen, dass sie schon bald Besuch bekomme.

Unter dem 26.09.2017 veranlasste der Justitiar intern per email, dass die Änderung der Bankverbindung des Antragstellers erfasst werde.

Sodann befindet sich ein Aktenvermerk vom 26.09.2017 in der Akte, wonach der Versicherte Anspruch auf Überweisung der von ihm nachgewiesenen Fahrtkosten aus dem August 2017 und dem Juli 2017 auf das von ihm benannte Konto bei der Sparkasse C habe. Durch einen Fehler in der Sachbearbeitung sei die Überweisung auf das alte Konto bei der U-Bank erfolgt. Es solle zunächst geklärt werden, ob der Versicherte noch Inhaber des Kontos bei der U-Bank sei. Sofern dies der Fall sei, erfolge keine weitere Zahlung an das Konto der Sparkasse.

Am 16.10.2017 schrieb die Antragsgegnerin durch die Sachbearbeiterin an den Antragsteller, die angeforderten Zahlungen seien am 17.08.2017 in Höhe von 17,08 Euro sowie am 24.08.2017 in Höhe von 24,08 Euro an die Bankverbindung bei der U-Bank überwiesen worden. Dies sei ihm bereits mehrfach mitgeteilt worden. Nach den vorliegenden Informationen seien die Beträge auf der aktuell bestehenden Bankverbindung gutgeschrieben worden. Er solle sich mit seiner Bank in Verbindung setzen.

Mit Fax vom 18.10.2017 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, dass ihm bisher nie mitgeteilt worden sei, auf welches Konto das Geld angewiesen worden sei. Er habe seit Januar 2017 in mehrfacher Weise kundgetan, dass er eine neue Bankverbindung bei der Sparkasse habe und fügte mehrere entsprechende Anlagen bei. Am Ende schrieb er: "Sollten Sie das Rückholen mir anlasten, reiße ich Ihnen Ihren Hintern auf".

Unter dem 20.10.2017 ergänzte der Antragsteller die Strafanzeige vom 31.08.2017.

Der Antragsteller begehrt nun einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich des Zugangs zur elektronischen Kommunikation mit der Antragsgegnerin und hinsichtlich der Fahrtkosten.

Der Antragsteller beantragt,

die Beklagte per einstweiliger Anordnung dazu zu verpflichten, dass er wieder über Mail und/oder Fax mit der Beklagten ohne weitere Einschränkung in Kontakt treten könne und die Beklagte zu verpflichten, an ihn die dargelegten Fahrtkosten nebst Zinsen und Schadensersatz und Schmerzensgeld zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

Das Sozialgericht sei für die Frage der elektronischen Kommunikation schon gar nicht zuständig. Es handle sich um eine Angelegenheit des allgemeinen öffentlichen Rechts. Zuständig sei das Verwaltungsgericht. Eine irgendwie geartete verfassungsrechtliche oder einfachgesetzliche Pflicht, dem Antragsteller Kommunikationskanäle einzurichten, um ihm die Beleidigung und Bedrohung von Mitarbeitenden zu ermöglichen bzw. die Ankündigung der Beschädigung von Eigentum der Krankenkasse zu ermöglichen bestehe nicht.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Verwaltungsverfahrens Bezug genommen.

II.
Der Eilantrag ist zulässig. Hinsichtlich des Antrags auf Leistung der Fahrtkosten aus dem Versicherungsverhältnis ist die Zulässigkeit des sozialgerichtlichen Rechtswegs offensichtlich gegeben. Hinsichtlich des Antrags auf Zugang zur elektronischen Kommunikation ist der sozialgerichtliche Rechtsweg aus § 51 Abs.1 Nr.2 SGG ebenfalls gegeben.

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden gemäß § 51 Abs.1 Nr. 2 SGG über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,

Die Frage, ob der Antragsteller elektronisch mit der Antragsgegnerin kommunizieren darf, betrifft die Wahrnehmung seiner Rechte als krankenversichertes Mitglied. Bereits die Regelung des elektronischen Rechtsverkehrs in § 36a SGB I zeigt, dass hier das Sozialrechtsverhältnis betroffen ist. Nach § 36a Abs.1 SGB I ist die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang ermöglicht. Die Antragsgegnerin kommuniziert allgemein mit ihren Mitgliedern auch elektronisch. Ob sie die elektronische Kommunikation mit dem Antragsteller zu Recht per Spamfilter unterbunden hat, ist eine Frage des Bestehens des Kommunikationsanspruchs, nicht der Zulässigkeit des Rechtswegs.

Der Eilantrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG - Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05). Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).

1.
Der Auszahlungsanspruch hinsichtlich der mit Bescheiden vom 15.08.2017 und vom 22.08.2017 bewilligten Leistungen von 24,60 Euro und von 41,60 Euro ergibt sich aus der Bewilligung selbst. Die Ansprüche wurden auch noch nicht erfüllt. Der Antragsteller hat für die Überweisung sein Konto bei der Sparkasse benannt. Es ist keine Erfüllung eingetreten. Die Erfüllung ist allgemein in § 362 BGB geregelt.

Die Erfüllung einer Geldschuld durch Banküberweisung setzt voraus, dass sich die Parteien (auch stillschweigend) darüber geeinigt haben, dass der Schuldner die Geldschuld auch durch Überweisung (Buchgeld) erfüllen darf (MüKo zum BGB / Fetzer § 362 BGB, Rdnr. 20)

Eine Geldschuld kann zwar anstatt durch Barzahlung auch im Wege einer Banküberweisung getilgt werden, wenn die Parteien dies vereinbart haben; dabei ist es eine untergeordnete Frage, ob dann eine Leistung gemäß § 362 Abs. 1 BGB oder eine Leistung an Erfüllungs statt im Sinne der §§ 363, 364 Abs. 1 BGB vorliegt (BGHZ 98, 24, 29 f.; Senat, Urteil vom 28. Oktober 1998 - VIII ZR 157/97, NJW 1999, 210 = WM 1999, 11 unter II 1). Das stillschweigend erklärte Einverständnis des Gläubigers liegt in der Regel in der Bekanntgabe des Girokontos auf Briefen, Rechnungen und dergleichen an den Schuldner. Teilt der Gläubiger dem Schuldner jedoch lediglich ein bestimmtes Girokonto mit, liegt darin grundsätzlich nicht das Einverständnis mit der Überweisung auch auf ein anderes Konto des Gläubigers. Folglich hat die Überweisung auf ein anderes als das angegebene Konto grundsätzlich keine Tilgungswirkung (BGHZ 98, 24, 30; 128, 135, 137 und BGH Urteil vom 17.03.2004 zum Aktenzeichen VIII ZR 161/03, abrufbar bei juris).

Indem der Antragsteller seine neue Bankverbindung mitgeteilt hat, bestand kein Einverständnis mehr, das Geld auf die ehemalige Bankverbindung bei der U-Bank anzuweisen. Insoweit kann letztlich dahin stehen, warum er damit nicht mehr einverstanden ist, ob das Konto aufgelöst wurde, ob es gepfändet ist oder welcher sonstige Grund vorliegt.

Doch auch unter dem Aspekt des Rechtsgrundsatzes "dolo agit, qui petit quod statim redditurus est" (arglistig handelt, wer fordert, was sofort zurückzugeben wäre), kommt es bei näherer Überlegung auf den Grund der Benennung des neuen Kontos in dem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin anders als vielleicht im Zivilrecht nicht an. Denn für eine Rückforderung des im Rahmen des Krankenversicherungsverhältnisses rechtsgrundlos Geleisteten auf das Konto bei der U-Bank gilt die Bestimmung des § 50 SGB X. In eine solche Überlegung ist die Antragsgegnerin jedenfalls nicht in dokumentierter Art und Weise eingetreten. Hat eine Behörde Leistungen fehlerhaft zugunsten des Bürgers bewilligt, kann sie diese nicht einfach formlos zurückfordern oder mit anderen Leistungen saldieren. Ein Bescheid ist dann zunächst aufzuheben. Hier gelten insbesondere die separaten Anspruchsgrundlagen der §§ 45 und 48 SGB X für ihren Anwendungsbereich. Bei Leistung ohne Bewilligung wie etwa einer fehlerhaften Überweisung kommt § 50 SGB X zur Anwendung. Ein entsprechender Rückforderungsbescheid nach entsprechender rechtlicher Klärung liegt hier aber noch gar nicht vor. Daher hat die Antragsgegnerin die bewilligten Leistungen an den Antragsteller entgegen der in der Strafanzeige vom 20.10.2017 als weiteren Punkt geäußerten Auffassung der Antragsgegnerin noch zu leisten.

Da das Verhalten der Antragsgegnerin insoweit rechtswidrig ist, was ohne Beweisaufnahme beurteilt werden konnte, waren an die Eilbedürftigkeit keine hohen Anforderungen mehr zu stellen.

2.
Der Eilantrag hinsichtlich der elektronischen Kommunikation ist ebenfalls begründet.

Die Übermittlung elektronischer Dokumente ist gemäß § 36a SGB I zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet. Die Eröffnung des Zugangs bedeutet neben der Schaffung der technischen Voraussetzungen, dass der Kommunikationskanal diesem Rechtsverkehr gewidmet wird. Nach der Gesetzesbegründung ist für die Beurteilung im Einzelfall die Verkehrsanschauung, die sich mit der Verbreitung elektronischer Kommunikationsmittel fortentwickelt, maßgebend. Danach erklären etwa (nicht unter die §§ 1 und 2 EGovG fallende) Behörden, Gerichte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Firmen etc., die im Verkehr mit Bürger bzw. Verwaltung in ihrem Briefkopf eine E-Mail-Adresse angeben, bereits damit konkludent ihre Bereitschaft, Eingänge auf diesem Weg anzunehmen (dazu Pflüger, juris-PK zu § 36a, Rdnr.37). Nach § 2 Abs. 1 EGovG ist jede Behörde seit dem 01.07.2014 sogar verpflichtet, "auch" einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente, auch soweit sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, zu eröffnen. Das Wort "auch" soll das sog. Multikanalprinzip absichern. Da es beim Bürger bei der Freiwilligkeit bleibt, darf die Behörde nicht ausschließlich elektronisch erreichbar sein, sondern muss den Zugang für papierbasierte Eingänge nach wie vor offen halten und darf diese weder bevorzugen noch benachteiligen. Der Bürger soll zwischen den verschiedenen Zugängen wählen dürfen (dazu Pflüger, juris-PK zu § 36a Rdnr.29). Widmung ist die allgemeine Zweckbestimmung. Die Antragsgegnerin lässt allgemein eine elektronische Kommunikation mit ihren Versicherten zu. Damit hat sie einen elektronischen Zugang im Sinne des § 36a SGB I eröffnet. Darauf, ob sie den Antragsteller ausschließen will oder darf, kommt es im Rahmen des § 36a SGB I nicht an.

Eine Befugnis, den Antragsteller mit der Schließung der elektronischen Kommunikation gleichsam zu bestrafen, besteht offensichtlich als Rechtsgrundlage nicht.

Einziger Grund, den Antragsteller auszuschließen, wären Aspekte der Gefahrenabwehr unter dem Aspekt grundrechtlicher Kollisionen.

Der Antragsteller hat aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art.3 GG das Recht, von der Antragsgegnerin genauso behandelt zu werden, wie jeder andere Versicherte auch.

Die Mitarbeitenden der Krankenversicherung haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit einschließlich der seelischen Gesundheit.

Der Antragsteller hat das Recht, klar zum Ausdruck zu bringen, wenn er mit der Sachbearbeitung unzufrieden ist. Die Grenze ist auch hier natürlich das Strafrecht, insbesondere Beleidigungen oder Bedrohungen sind zu unterlassen.

Ferner haben auch rechtlich oder sprachlich unerfahrene und auch seelisch angeschlagene Personen das Recht, am Rechtsverkehr teilzunehmen. Äußerungen von Laien sind auch umgangssprachlich und auch noch deftig, aber natürlich nicht mehr beleidigend oder rechtswidrig drohend erlaubt. Die Drohung mit rechtlichen Schritten ist hingegen erlaubt und dies auch in ungeschickten, schroffen Formulierungen, aber eben nicht beleidigend. Die Abgrenzung von Drohungen und Beleidigungen zu ungeschickten Sachäußerungen in vulgärer Sprache auf der Sprachebene des Humilis insbesondere unter gleichzeitiger Verwendung von sprachlichen Idiomen kann dabei schwierig sein.

Im vorliegenden Verfahren liegt die Besonderheit nun darin, dass der Antragsteller mehrfach auf seine neue Bankverbindung hingewiesen hat und die Antragsgegnerin dies nicht beachtet hat. Der Antragsteller war schon zu Beginn des Verfahrens um die Fahrkosten erkennbar besorgt, wie schon seine Bedenken um die Übersendung der Originale der Tickets zeigt. Nachdem der Bewilligungsbescheid vom 15.08.2017 ergangen ist, hat er sich dann im Schreiben vom 16.08.2017 für seinen schroffen Tonfall entschuldigt. Sodann ist die Sache weiter eskaliert, als er keinen Zahlungseingang auf seinem Konto bei der Sparkasse feststellen konnte.

Statt die neue Bankverbindung zu beachten oder eine Störung in der Leistungsabwicklung zu hinterfragen, wurde bei der Antragstellerin stereotyp darauf hingewiesen, das Geld sei "auf Ihr Konto überwiesen" worden, ohne die Bankverbindung zunächst zu spezifizieren. Der wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung in der Tagesklinik C Ost befindliche Antragsteller hat sich sehr darüber aufgeregt und dann im Ton vergriffen.

Am 26.09.2017 ist dem Justitiar dann die fehlerhafte Überweisung aufgefallen. Am 16.10.2017 wurde dem Antragsteller durch die Sachbearbeitung oberflächlich mitgeteilt, die angeforderten Zahlungen seien am 17.08.2017 und am 24.08.2017 an die Bankverbindung bei der Targo-Bank überwiesen worden. Dies sei ihm bereits mehrfach mitgeteilt worden. Nach den vorliegenden Informationen seien die Beträge auf der aktuellen bestehenden Bankverbindung gutgeschrieben worden. Er solle sich mit der Bank in Verbindung setzen.

An dieser Stelle hat sich der Antragsteller dann im Kern zu recht darüber geärgert, dass ihm bisher gerade nicht mitgeteilt worden war, dass das Geld an das alte Konto bei der U-Bank überwiesen wurde und er schon mehrfach die neue Bankverbindung angegeben hatte. Und auch die Formulierung von der "aktuell bestehenden Bankverbindung" ist missverständlich, da sie einerseits zum Ausdruck bringen kann, dass das Konto bei der U-Bank nicht gelöscht sei und fortbestehe, zum anderen kann sie aber auch zum Ausdruck bringen, es sei die aktuell als bestehend zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin vereinbarte Bankverbindung. Und der Hinweis, er solle sich mit seiner Bank in Verbindung setzen, weist ihm die Pflicht zum Tätigwerden zu. Dies entspricht auch nicht § 50 SGB X, wie oben bereits ausgeführt wurde. Und eine Entschuldigung für den bei der Antragsgegnerin unterlaufenen Fehler hinsichtlich der Bankverbindung enthält das Schreiben auch nicht.

So hat der Antragsteller dann in der Sache zunächst einmal völlig korrekt unter dem 18.10.2017 geantwortet, dass ihm bisher nie mitgeteilt worden war, auf welches Konto das Geld überwiesen worden ist. Anschließend hat er sich dann im Ton vergriffen.

Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist die allgemeine Schließung der elektronischen Kommunikationskanäle für den Antragsteller, die man im Sinne eines die Auswirkungen beschreibenden Stichwortes gleichsam auch als elektronisches Hausverbot bezeichnen könnte, nicht angemessen. Ob unfreundliche oder gar beleidigende Schriftsätze per Post oder Email oder Fax eintreffen, macht die Sache nicht unterschiedlich gut. Und der Hinweis, der Antragsteller solle lieber im Kundencenter vorsprechen, erschließt sich unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit nicht, da ein unter Anwesenden ausgetragener verbaler Konflikt seelisch noch viel belastender für alle Beteiligten ist und unter Anwesenden sogar die abstrakte Gefahr von körperlichen Beeinträchtigungen besteht. Der Fall liegt auch nicht so, dass der Antragsteller die elektronischen Kommunikationswege mit unzähligen Emails lahm legen würde. Wenn der Antragsteller die Grenze zur Beleidigung oder Bedrohung überschreitet, kann die Antragsgegnerin Strafanzeige erstatten. Ferner steht es der Antragsgegnerin frei, zu entscheiden, wer intern die Bearbeitung des Falles im allgemeinen oder der elektronischen Eingänge im Besonderen übernimmt, und auf welche hausinterne Adresse Emails oder Faxe des Antragstellers gelangen sollen. Solange die Antragsgegnerin für eine zeitnahe Bearbeitung sorgt, genügt es insoweit, den Zugang von Emails an eine allgemeine Adresse wie etwa die "Info@ ..." zu ermöglichen. Die Antragsgegnerin kann also einzelne Mitarbeitende komplett von einem Versicherten abschirmen, solange die Sachbearbeitung gewährleistet ist. Dass die zahlreichen Email-Adressen der Antragsgegnerin in ihrem Netzwerk durch die Namen der Mitarbeiter individualisiert sind, ist zwar derzeit bisher allgemein verbreitet, eine Individualisierung über eine Namensgebung anhand von Abteilungen oder Funktionen wäre rechtlich jedenfalls möglich und vielleicht sogar klüger, was aber in die Entscheidungshoheit jeden Netzwerkbetreibers selbst fällt.

Soweit der Antragsteller Schadensersatz oder Schmerzensgeld begehrt, ist eine Anspruchsgrundlage in den Sozialgesetzbüchern nicht ersichtlich. Und die Prüfung von Amtshaftungsansprüche wäre per se den ordentlichen Gerichten vorbehalten.

Der Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit ist gegeben, weil der Krankenversicherungsschutz des Bürgers wichtig ist und die Kommunikation in der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses hier gegenwärtig beeinträchtigt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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