Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2825/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 524/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.01.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente auf der Grundlage eines Zugangsfaktors von 1,0.
Auf seinen Antrag hin bewilligte die Beklagte dem am 1969 geborenen Kläger mit Bescheid vom 13.02.2004 (Bl. 0 VwA) auf Grund eines Leistungsfalls am 23.12.2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze beginnend ab 01.12.2003 in Höhe 821,72 EUR (brutto) monatlich. Für die Berechnung der Rente legte sie 35,2547 Entgeltpunkte (EP), ermittelt aus den rentenrelevanten Zeiten und Entgelten, zu Grunde. Hieraus berechnete sie unter Berücksichtigung eines auf 0,892 verringerten Zugangsfaktors (ZF) 31,4472 persönliche Entgeltpunkte (pEP). Die Kürzung des ZF von 1,0 um 0,108 auf 0,892 begründete sie mit der Verminderung des ZF für die Zeit nach dem 31.10.2029 bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres (36 Kalendermonate) um 0,03 monatlich (= 0,108). Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnungsgrundlagen und Berechnungen wird auf die Anlagen zum Bescheid vom 13.02.2004 verwiesen (Bl. 0 VwA).
Mit bei der Beklagten am 17.05.2016 eingegangenem Schreiben begehrte der Kläger eine Überprüfung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung der Höhe nach, da die Berechnung unter Berücksichtigung seiner 20jährigen Vollzeittätigkeit nicht stimme und die Rente von ca. 750 EUR (Zahlbetrag) daher zu niedrig sei (Bl. 10, 17/2, 18 VwA). Mit Schreiben vom 03.04.2017 erläuterte die Beklagte dem Kläger unter Darlegung der Rentenformel (monatliche Rentenhöhe = pEP x Rentenartfaktor x aktueller Rentenwert) die Rentenberechnung bei Berücksichtigung eines 10,8%igen Abschlags (Verminderung des ZF zur Ermittlung der pEP von 1,0 auf 0,892) wegen vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente (Bl. 26 VwA). Auf weitere Nachfrage des Klägers hin legte die Beklagte mit Schreiben vom 19.04.2017 (Bl. 28 VwA) die Berechnung der monatlichen Brutto- und Nettorente ausführlich dar. Nachfolgende Rückfragen des Klägers hierzu beantwortete sie mit ergänzenden schriftlichen Ausführungen (Schreiben vom 18.07.2017 und 26.07.2017, Bl. 35, 37 VwA). Mit bei der Beklagten am 29.07.2017 eingegangenem Schreiben stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag, verwies auf die nach seiner Ansicht fehlerhafte (zu niedrige) Rentenberechnung und verlangte rückwirkend eine Rentennachzahlung (Bl. 42 VwA). Mit Bescheid vom 11.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 lehnte die Beklagte das Begehren des Klägers unter nochmaliger Darlegung der einzelnen Berechnungselemente ab.
Hiergegen hat die gesetzliche Betreuerin des Klägers (Betreuerausweis Bl. 13 VwA) am 29.12.2017 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 16.05.2006, B 4 RA 22/05 R) daran festgehalten, dass die Rente des Klägers u. a. wegen eines rechtswidrigen ZF fehlerhaft zu niedrig berechnet worden sei (Bl. 42 SG-Akte). Mit der gesetzlichen Betreuerin am 28.01.2019 zugestelltem Gerichtsbescheid vom 22.01.2019 hat das SG die Klage unter Verweis auf die zutreffende Ermittlung der pEP durch die Beklagte abgewiesen.
Hiergegen hat die gesetzliche Betreuerin am 14.02.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und wiederholend die Rechtswidrigkeit des verminderten ZF behauptet.
Der Kläger beantragt (Bl. 31, 32 LSG-Akte),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.01.2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Rentenbescheid vom 13.02.2004 abzuändern und ihm rückwirkend ab 01.12.2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines (ungekürzten) ZF von 1,0 statt 0,892 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 11.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 über die Ablehnung einer teilweisen Rücknahme des ursprünglichen Rentenbescheides vom 13.02.2004 im Hinblick auf die dort festgesetzte Rentenhöhe, allerdings nur noch in Bezug auf den von der Beklagten auf 0,892 verminderten ZF. Denn der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das vom Kläger auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R, in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2; Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 113/00 R, in juris, Rdnr. 15). Dem entsprechend hat der Kläger den Streitgegenstand im vorliegenden Rechtsstreit zulässigerweise auf dieses Element der Rentenberechnung eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R, in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2 zum ZF; Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R, in SozR 4-2600 § 70 Nr. 2 zur Ermittlung von EP für bestimmte Zeiträume, hier der Kindererziehung), sodass sich die gerichtliche Prüfung hierauf beschränkt (BSG, a.a.O.).
Das SG hat diese Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat zu Recht in ihrem Bescheid vom 11.09.2017 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 06.12.2017 die teilweise Rücknahme des Rentenbescheides vom 13.02.2004 im Hinblick auf die dort mit einem ZF von 0,892 ermittelte Rentenhöhe von 821,72 EUR (brutto) monatlich abgelehnt.
Gemäß § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Die Rechtmäßigkeit eines Bescheides ist dabei nach der im Zeitpunkt seines Erlasses bestehenden Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht zu beurteilen (BSG, Urteil vom 14.11.2002, B 13 RJ 47/01 R, in juris). Vorliegend ist die dem Kläger mit Bescheid vom 13.02.1004 für die Zeit ab 01.12.2003 gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines auf 0,892 verminderten ZF nicht zu beanstanden. Der Kläger hat - ausgehend von der damals geltenden Rechtslage - keinen Anspruch auf eine höhere Rente unter Berücksichtigung eines ZF von 1,0 statt 0,892.
Rechtsgrundlage zur Berechnung der Rentenhöhe im ursprünglichen Rentenbescheid sind die Regelungen der §§ 63 ff. des Sechsten Buches sozialgesetzbauch - SGB VI -. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des - vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - ZF ermittelten pEP, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Der ZF ist dabei ein Berechnungselement zur Ermittlung der pEP. Gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI in der zum Rentenbeginn maßgebenden Fassung (§ 300 Abs. 1 SGB VI; BSG, Urteil vom 25.02.2004, a.a.O.) richtet sich der ZF nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang EP bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als pEP zu berücksichtigen sind. Der ZF ist nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (Einführung des verminderten Zugangsfaktors für Erwerbsminderungsrenten mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl. I S. 1827 mit Wirkung zum 01.01.2001) für EP, die noch nicht Grundlage von pEP einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird um 0,003 niedriger als 1,0. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) ist die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe legte die Beklagte bei der Berechnung der dem Kläger bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung zu Recht einen um 0,108 verringerten ZF (36 Kalendermonate x 0,003), mithin also einen ZF von 0,892 bei der Ermittlung der pEP zu Grunde. Denn der Kläger bezieht seit 01.12.2003 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, also vor Vollendung des für ihn nach § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI (in der vom 01.01.2001 bis 31.12.2007 geltenden Fassung) maßgeblichen 63. Lebensjahres, da er (geboren im Oktober 1969) zum Zeitpunkt des Beginns (vgl. § 99 Abs. 1 SGB VI) der Rente wegen voller Erwerbsminderung am 01.12.2003 erst das 34. Lebensjahr vollendet hatte. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (in der vom 01.01.2001 bis 31.12.2007 geltenden Fassung) hatte dies zur Folge, dass der ZF der von ihm vor Vollendung 60. Lebensjahres in Anspruch genommenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit um (maximal) 0,108 zu mindern und somit auf 0,892 festzulegen war (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2011, B 5 R 18/11 R, in juris, Rdnr. 12).
Soweit der Kläger sein Begehren auf die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (Urteil vom 16.05.2006, B 4 RA 22/05 R) stützt, der die Berücksichtigung eines verminderten ZF für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres als rechts- und verfassungswidrig erachtete hatte, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn mit den Beschlüssen vom 26.06.2008 (B 13 R 9/08 S und B 13 R 11/08 S, jeweils in juris) trat zunächst der zwischenzeitlich neben dem 5. Senat für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zuständige 13. Senat des BSG (nach einer Anfrage des 5a. Senats gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 SGG, mit der Absicht von der Rechtsauffassung des 4. Senats abzuweichen, Beschluss vom 29.01.2008, B 5a R 88/07 R, in juris) dieser Rechtsauffassung ausdrücklich entgegen. Dem folgend entschied der 5. Senat in seinem Urteil vom 14.08.2008 (B 5 R 32/07 R, in SozR 4-2600 § 77 Nr. 5), dass Erwerbsminderungsrentner die Absenkung des ZF auch dann hinnehmen müssen, wenn diese bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und gab damit die frühere Rechtsprechung des 4.°Senats ausdrücklich und endgültig auf. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 11.01.2011 (u.a. 1 BvR 3588/08 in juris) eine gegen diese Entscheidung eingereichte Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen und ausgeführt, dass die zur früheren Rechtsprechung des 4. Senats abweichende Auslegung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI durch den 5. und 13. Senat (Kürzung des ZF auch für Rentenbezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres, der Höhe nach begrenzt auf einen 10,8%igen Abschlag) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und die streitige Regelung selbst keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (BVerfG a.a.O. Rdnr. 26 ff.; zuvor bereits zur Verfassungsmäßigkeit der Kürzung des ZF bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit, Beschluss vom 11.11.2008, u.a. 1 BvL 3/05, u.a. in juris, Rdnrn. 75 ff.) Der Senat schließt sich dem uneingeschränkt an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente auf der Grundlage eines Zugangsfaktors von 1,0.
Auf seinen Antrag hin bewilligte die Beklagte dem am 1969 geborenen Kläger mit Bescheid vom 13.02.2004 (Bl. 0 VwA) auf Grund eines Leistungsfalls am 23.12.2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze beginnend ab 01.12.2003 in Höhe 821,72 EUR (brutto) monatlich. Für die Berechnung der Rente legte sie 35,2547 Entgeltpunkte (EP), ermittelt aus den rentenrelevanten Zeiten und Entgelten, zu Grunde. Hieraus berechnete sie unter Berücksichtigung eines auf 0,892 verringerten Zugangsfaktors (ZF) 31,4472 persönliche Entgeltpunkte (pEP). Die Kürzung des ZF von 1,0 um 0,108 auf 0,892 begründete sie mit der Verminderung des ZF für die Zeit nach dem 31.10.2029 bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres (36 Kalendermonate) um 0,03 monatlich (= 0,108). Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnungsgrundlagen und Berechnungen wird auf die Anlagen zum Bescheid vom 13.02.2004 verwiesen (Bl. 0 VwA).
Mit bei der Beklagten am 17.05.2016 eingegangenem Schreiben begehrte der Kläger eine Überprüfung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung der Höhe nach, da die Berechnung unter Berücksichtigung seiner 20jährigen Vollzeittätigkeit nicht stimme und die Rente von ca. 750 EUR (Zahlbetrag) daher zu niedrig sei (Bl. 10, 17/2, 18 VwA). Mit Schreiben vom 03.04.2017 erläuterte die Beklagte dem Kläger unter Darlegung der Rentenformel (monatliche Rentenhöhe = pEP x Rentenartfaktor x aktueller Rentenwert) die Rentenberechnung bei Berücksichtigung eines 10,8%igen Abschlags (Verminderung des ZF zur Ermittlung der pEP von 1,0 auf 0,892) wegen vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente (Bl. 26 VwA). Auf weitere Nachfrage des Klägers hin legte die Beklagte mit Schreiben vom 19.04.2017 (Bl. 28 VwA) die Berechnung der monatlichen Brutto- und Nettorente ausführlich dar. Nachfolgende Rückfragen des Klägers hierzu beantwortete sie mit ergänzenden schriftlichen Ausführungen (Schreiben vom 18.07.2017 und 26.07.2017, Bl. 35, 37 VwA). Mit bei der Beklagten am 29.07.2017 eingegangenem Schreiben stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag, verwies auf die nach seiner Ansicht fehlerhafte (zu niedrige) Rentenberechnung und verlangte rückwirkend eine Rentennachzahlung (Bl. 42 VwA). Mit Bescheid vom 11.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 lehnte die Beklagte das Begehren des Klägers unter nochmaliger Darlegung der einzelnen Berechnungselemente ab.
Hiergegen hat die gesetzliche Betreuerin des Klägers (Betreuerausweis Bl. 13 VwA) am 29.12.2017 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 16.05.2006, B 4 RA 22/05 R) daran festgehalten, dass die Rente des Klägers u. a. wegen eines rechtswidrigen ZF fehlerhaft zu niedrig berechnet worden sei (Bl. 42 SG-Akte). Mit der gesetzlichen Betreuerin am 28.01.2019 zugestelltem Gerichtsbescheid vom 22.01.2019 hat das SG die Klage unter Verweis auf die zutreffende Ermittlung der pEP durch die Beklagte abgewiesen.
Hiergegen hat die gesetzliche Betreuerin am 14.02.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und wiederholend die Rechtswidrigkeit des verminderten ZF behauptet.
Der Kläger beantragt (Bl. 31, 32 LSG-Akte),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.01.2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Rentenbescheid vom 13.02.2004 abzuändern und ihm rückwirkend ab 01.12.2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines (ungekürzten) ZF von 1,0 statt 0,892 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 11.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 über die Ablehnung einer teilweisen Rücknahme des ursprünglichen Rentenbescheides vom 13.02.2004 im Hinblick auf die dort festgesetzte Rentenhöhe, allerdings nur noch in Bezug auf den von der Beklagten auf 0,892 verminderten ZF. Denn der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das vom Kläger auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R, in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2; Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 113/00 R, in juris, Rdnr. 15). Dem entsprechend hat der Kläger den Streitgegenstand im vorliegenden Rechtsstreit zulässigerweise auf dieses Element der Rentenberechnung eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R, in SozR 4-2600 § 237 Nr. 2 zum ZF; Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R, in SozR 4-2600 § 70 Nr. 2 zur Ermittlung von EP für bestimmte Zeiträume, hier der Kindererziehung), sodass sich die gerichtliche Prüfung hierauf beschränkt (BSG, a.a.O.).
Das SG hat diese Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat zu Recht in ihrem Bescheid vom 11.09.2017 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 06.12.2017 die teilweise Rücknahme des Rentenbescheides vom 13.02.2004 im Hinblick auf die dort mit einem ZF von 0,892 ermittelte Rentenhöhe von 821,72 EUR (brutto) monatlich abgelehnt.
Gemäß § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Die Rechtmäßigkeit eines Bescheides ist dabei nach der im Zeitpunkt seines Erlasses bestehenden Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht zu beurteilen (BSG, Urteil vom 14.11.2002, B 13 RJ 47/01 R, in juris). Vorliegend ist die dem Kläger mit Bescheid vom 13.02.1004 für die Zeit ab 01.12.2003 gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines auf 0,892 verminderten ZF nicht zu beanstanden. Der Kläger hat - ausgehend von der damals geltenden Rechtslage - keinen Anspruch auf eine höhere Rente unter Berücksichtigung eines ZF von 1,0 statt 0,892.
Rechtsgrundlage zur Berechnung der Rentenhöhe im ursprünglichen Rentenbescheid sind die Regelungen der §§ 63 ff. des Sechsten Buches sozialgesetzbauch - SGB VI -. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des - vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - ZF ermittelten pEP, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Der ZF ist dabei ein Berechnungselement zur Ermittlung der pEP. Gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI in der zum Rentenbeginn maßgebenden Fassung (§ 300 Abs. 1 SGB VI; BSG, Urteil vom 25.02.2004, a.a.O.) richtet sich der ZF nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang EP bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als pEP zu berücksichtigen sind. Der ZF ist nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (Einführung des verminderten Zugangsfaktors für Erwerbsminderungsrenten mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl. I S. 1827 mit Wirkung zum 01.01.2001) für EP, die noch nicht Grundlage von pEP einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird um 0,003 niedriger als 1,0. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) ist die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe legte die Beklagte bei der Berechnung der dem Kläger bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung zu Recht einen um 0,108 verringerten ZF (36 Kalendermonate x 0,003), mithin also einen ZF von 0,892 bei der Ermittlung der pEP zu Grunde. Denn der Kläger bezieht seit 01.12.2003 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, also vor Vollendung des für ihn nach § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI (in der vom 01.01.2001 bis 31.12.2007 geltenden Fassung) maßgeblichen 63. Lebensjahres, da er (geboren im Oktober 1969) zum Zeitpunkt des Beginns (vgl. § 99 Abs. 1 SGB VI) der Rente wegen voller Erwerbsminderung am 01.12.2003 erst das 34. Lebensjahr vollendet hatte. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (in der vom 01.01.2001 bis 31.12.2007 geltenden Fassung) hatte dies zur Folge, dass der ZF der von ihm vor Vollendung 60. Lebensjahres in Anspruch genommenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit um (maximal) 0,108 zu mindern und somit auf 0,892 festzulegen war (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2011, B 5 R 18/11 R, in juris, Rdnr. 12).
Soweit der Kläger sein Begehren auf die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (Urteil vom 16.05.2006, B 4 RA 22/05 R) stützt, der die Berücksichtigung eines verminderten ZF für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres als rechts- und verfassungswidrig erachtete hatte, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn mit den Beschlüssen vom 26.06.2008 (B 13 R 9/08 S und B 13 R 11/08 S, jeweils in juris) trat zunächst der zwischenzeitlich neben dem 5. Senat für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zuständige 13. Senat des BSG (nach einer Anfrage des 5a. Senats gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 SGG, mit der Absicht von der Rechtsauffassung des 4. Senats abzuweichen, Beschluss vom 29.01.2008, B 5a R 88/07 R, in juris) dieser Rechtsauffassung ausdrücklich entgegen. Dem folgend entschied der 5. Senat in seinem Urteil vom 14.08.2008 (B 5 R 32/07 R, in SozR 4-2600 § 77 Nr. 5), dass Erwerbsminderungsrentner die Absenkung des ZF auch dann hinnehmen müssen, wenn diese bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und gab damit die frühere Rechtsprechung des 4.°Senats ausdrücklich und endgültig auf. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 11.01.2011 (u.a. 1 BvR 3588/08 in juris) eine gegen diese Entscheidung eingereichte Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen und ausgeführt, dass die zur früheren Rechtsprechung des 4. Senats abweichende Auslegung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI durch den 5. und 13. Senat (Kürzung des ZF auch für Rentenbezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres, der Höhe nach begrenzt auf einen 10,8%igen Abschlag) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und die streitige Regelung selbst keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (BVerfG a.a.O. Rdnr. 26 ff.; zuvor bereits zur Verfassungsmäßigkeit der Kürzung des ZF bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit, Beschluss vom 11.11.2008, u.a. 1 BvL 3/05, u.a. in juris, Rdnrn. 75 ff.) Der Senat schließt sich dem uneingeschränkt an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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