L 3 R 82/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 4 R 1362/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 82/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ham¬burg vom 27. Juli 2016 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Der Klägerin werden gerichtliche Verschuldenskosten gemäß § 192 Absatz 1 Satz 1 2. Alternative Sozialgerichtsgesetz in Höhe von 500,00 Euro auferlegt. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2013 (Ende Zeitrente) hinaus.

Die Klägerin ist am xxxxx 1955 geboren, hat die t. Staatsangehörigkeit und war zuletzt als Raumpflegerin tätig.

Bereits in Jahre 2000 hatte sie einen Rentenantrag gestellt. Nach dem Gutachten von Frau B. (Neurologin/Psychiaterin) vom 14. Juni 2000 bestand noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit wenigen qualitativen Einschränkungen. Zur Wiedereingliederung sei jedoch ein stationäres Heilverfahren empfehlenswert. Ausweislich des Berichtes der Segeberger Kliniken über den Aufenthalt vom 5. Oktober bis 16. November 2000 wurde die Klägerin zwar wegen eines akuten Harnwegsinfektes als ar¬beitsunfähig entlassen, jedoch das Leistungsvermögen als ausreichend für leichte bis mittel¬schwere Arbeiten vollschichtig mit wenigen qualitativen Einschränkungen eingeschätzt. Im Bericht wurde auf eine Aggravationsneigung der Klägerin und einen sekundären Krankheits¬gewinn hingewiesen.

Der nächste Rentenantrag wurde von der Klägerin am 26.11.2007 gestellt. Begutachtet wurde sie von dem Neurologen/Psychiater A., der im Gutachten vom 15. April 2008 unter Auswertung des Gutachtens der Fachärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. M. vom 8. Mai 2008 in seiner abschließenden Äußerung (vom 9. Mai 2008) zu dem Ergebnis kam, dass ein Leistungsvermögen für mittelschwere Arbeiten im Umfang von 6 Stunden und mehr täglich mit wenigen qualitativen Einschränkungen vorliege. Bei dieser Einschätzung blieb Herr A. auch im Widerspruchsverfahren (Stellungnahme vom 11. Februar 2009). Im Klageverfahren (S 10 R 543/09) gegen den Ablehnungsbescheid vom 20. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2009 kam der Neuro-loge/Psychiater/Neuropsychologe Prof. Dr. M1 im Gutachten vom 26. Oktober 2011 zum Ergebnis, dass bei der Klägerin eine chronifizierte Panikstörung bei kardialer Gefährdung und instabiler Blutdrucksituation vorliege, aufgrund derer das Leistungsvermögen aufgeho¬ben sei. Das mit der Störung einhergehende Vermeidungsverhalten führe zu relevanten Be-einträchtigungen der Durchhaltefähigkeit. Die Wegefähigkeit sei vermutlich auch aufgehoben und die Klägerin sei nicht in der Lage, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden. In seiner Stellungnahme für die Beklagte vom 8. Dezember 2011 wies der Facharzt für Innere Medizin/Sozialmedizin Dr. T. darauf hin, dass eine koronare Herzer-krankung bei der Klägerin nicht manifest sei und keine Behandlungsdaten über das Blut-druckleiden vorlägen, so dass für eine besondere Gefährdungslage im Rahmen der Panikatta¬cken die Grundlage fehle. Die Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie Dr. F1 bemän-gelte in ihrer Stellungnahme vom 12. Dezember 2011, dass angesichts der demonstrativen bewusstseinsnahen Verhaltensweisen der Klägerin die Schlussfolgerung eines aufgehobe¬nen Leistungsvermögens sich völlig unerwartet anschließe. Da ein deutlich erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall aus internistischer Sicht nicht bestätigt werden könne, fehle es an der Grundlage, die sich darauf aufgepfropfte Panikstörung als besonders gefährlich einzuschätzen. Bei unauffälligem psychopathologischem Befund ohne wesentliche Ein-schnitte im psychosozialen Bereich sowie ohne psychotherapeutische Behandlung oder zu-mindest regelmäßiger nervenärztlicher Behandlung könne aus der eher fraglichen Panikstö-rung nicht auf ein aufgehobenes Leistungsvermögen geschlossen werden. In seiner Stel-lungnahme vom 2. Februar 2012 verteidigte Prof. Dr. M1 seine Einschätzung. Hierzu nahm auch Dr. F1 unter dem 8. Mai 2012 Stellung und blieb bei ihrer Kritik. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 27. August 2012 verglichen sich die Be¬teiligten auf eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis 31. Dezember 2013. Im Gutachten für die Bundesagentur für Arbeit vom 2. August 2012 ging die beratende Ärztin Lewandowski-Klein ebenfalls von einem aufgehobenen Leistungsvermögen für länger als sechs Monate aus, was sie mit einer im Vordergrund stehenden psychischen Erkrankung, für die der Psychiater eine fehlende Belastbarkeit attestiert habe, begründete.

Die Klägerin stellte einen Rehabilitationsantrag Anfang 2013. In seiner Stellungnahme vom 19. April 2013 hielt der Radiologe Dr. L. eine medizinische Rehabilitation nicht für ge¬eignet. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2013 ab und wies den dagegen gerichteten Widerspruch mit Bescheid vom 17. Februar 2014 zurück (Stellungnahmen im Widerspruchsverfahren durch die Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie Dr. F1 unter dem 9. Oktober 2013 und den Facharzt für Innere Medizin Dr. F. unter dem 16. Januar 2014, die beide bei der Klägerin ein Leistungsvermögen für mittel¬schwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen von über 6 Stunden annahmen und eine Rehabilitationsmaßnahme nicht für sinnvoll hielten.) Das Klageverfahren S 4 R 265/14 endete am 12. Mai 2016 mit einem Anerkenntnis, nachdem der Neurologe/Psychiater Dr. N. im Gutachten vom 12. August 2015 dargelegt hatte, es bestehe eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit. Im Übrigen legte er dar, dass grundsätzlich ein Leistungsvermögen von über 6 Std täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit wenigen qualitativen Einschrän-kungen bei erhaltener Wegefähigkeit und der Fähigkeit, Hemmungen gegenüber einer Ar-beitsleistung zu überwinden, bestehe und begründete dies mit der zurzeit nicht so ausge-prägter Panikstörung. In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 1. Oktober 2015 schloss sich der Facharzt für Innere Medizin/Sozialmedizin Dr. E. zuvor der medizinischen Ein-schätzung des Krankheitsbildes an, vertrat aber die Auffassung, eine ambulante Psychothe-rapie sei eine medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vorzuschalten.

Den zwischenzeitlich ebenfalls gestellten Antrag auf Weiterzahlung der ihr mit Bescheid vom 5. November 2012 gewährten Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit über den 31. Dezember 2013 hinaus (Antrag vom 24.05.2013) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 2013 ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbe-scheid vom 5. November 2013 zurück.

Im hier vorliegenden Gerichtsverfahren gegen diese Ablehnung ist der Bericht über medizini-sche Rehabilitationsmaßnahme in den Segeberger Kliniken vom 25. August bis 29. September 2016 vorgelegt worden. Nach Einschätzung der Klinik bestehe bei der Kläge-rin ein aufgehobenes Leistungsvermögen wegen der ausgeprägt maladaptiven (=unangepassten) Krankheitsverarbeitung und der langen Arbeitsunfähigkeitszeit, aufgrund derer nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Klägerin ihre Restleistungsfähigkeit wahrnehmen könne. Daher sei das an sich vorhandene Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit nur qualitativen Einschränkungen auf unter 3 Std tägliche Ar-beitsleistung gesunken. Als Diagnose auf psychiatrischem Gebiet ist mitgeteilt worden: So-matisierungsstörung und rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig. Weiter ist aufgeführt worden, dass die Klägerin über weite Teile einem Verständnis des Krankheits-mechanismus, insbesondere des Krankheitsgewinns, nicht zugänglich gewesen sei. Es werde davon ausgegangen, dass psychotherapeutische Behandlungen erst nach Beendi¬gung des Rentenverfahrens eingreifen könnten.

Im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren S 4 R 265/14 (Streitgegenstand: medizinische Reha-bilitation) ist der Neurologe/Psychiater Dr. N. – und im Übrigen auch der berufskundige Sachverständige Herr M2 – in der mündlichen Verhandlung am 12. Mai 2016 zu sei¬nem Gutachten vom 12. August 2015 gehört worden. Anschließend ist die Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheides im vorliegenden Verfahren erfolgt.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. Juli 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Rente. Zu Recht und von Dr. N. be¬stätigt, sei die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden von einem noch ausreichenden Leistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Entscheidung des Sozialgerichts sei un-zutreffend. Tatsächlich könne sie (die Klägerin) die Panikattacken, unter denen sie leide, trotz erheblicher Anstrengungen nicht überwinden. Auch das Reha-Verfahren habe die Situ¬ation nicht verbessern können. Das bestätige der Bericht über den Notfallaufenthalt im Krankenhaus E1 Anfang des Jahres 2016.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 27. Juli 2016 sowie den Ablehnungsbe-scheid der Beklagten vom 23. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts sei nicht zu beanstanden. Die medizinische Rehabilitationsmaßnahme habe nur deswegen keinen Erfolg gehabt, weil das Rentenverfahren nicht abgeschlossen gewesen sei. Im Übrigen sei dort auch der nicht hilfreiche multimodale Behandlungsansatz verfolgt worden.

Im Berufungsverfahren hat der Neurologe/Psychiater Dr. N. nach Untersuchung der Klägerin seine gutachterliche Äußerung mündlich im Verhandlungstermin am 11. April 2017 abgegeben. Er hat die Klägerin weiterhin für in der Lage gehalten, leichte bis mittelschwere Arbeit mit wenigen qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich zu ver-richten. Auch sei die Wegefähigkeit – anders als früher von Prof. Dr. M1 angenommen – erhalten, denn die Panikattacken seien nicht (mehr) so ausgeprägt, dass sie die Klägerin relevant einschränken würden. Auch sei die Klägerin in der Lage, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden. In der Untersuchung am Tage vor dem Verhandlungs-termin habe die Klägerin über Ängste, Depression und Panikattacken berichtet. Hinsichtlich der Panikattacken habe sie angegeben, 4- bis 5-mal monatlich unter ausgeprägten Attacken zu leiden, bei denen sie zittere, handlungsunfähig sei und fast ohnmächtig werde. Dann sei sie auf die Hilfe von Angehörigen angewiesen und komme nur langsam wieder zu sich. Im letzten Türkeiaufenthalt sei auch eine solche Attacke eingetreten. Sie habe da eine Tablette von einer Neurologin bekommen. Als Befund bei der Untersuchung habe eine gute Schwin-gungsfähigkeit festgestellt werden können. Die depressive Symptomatik sei nicht gravierend. Auch sei die Klägerin distanziert in der Lage gewesen, Ängste und Panik zu schildern. Es gebe keinen sozialer Rückzug, keinen Interessenverlust und keine Freudlosigkeit. Die Ta-gesstruktur sei aufrecht haltbar. Eine vermehrte Selbstbeobachtung sei willentlich überwind-bar, weil eine gute psycho-soziale Integration gegeben sei und die komplexen Ich-Funktio¬nen (Affekt, Intentionalität, Realitätsprüfung, Urteilsbildung, Interaktionskompetenz) erhalten seien. Deswegen werde das Leistungsvermögen so wie im eigenen früheren Gutachten ein-geschätzt. Die Klägerin sei insbesondere auch in der Lage, unbegleitet Fahrten mit öffentli-chen Verkehrsmitteln durchzuführen, denn sie habe auch ihre Flugangst überwinden können. Die Klägerin erfahre einen sehr hohen Krankheitsgewinn durch Entpflichtung und Entlastung. Anders als von den Segeberger Kliniken im Bericht über den dortigen Aufenthalt angenom-men, sei der Klägerin dieser Krankheitsgewinn bewusst. Sie könne diesen Vorteil auch wil-lentlich überwinden. Ebenso seien für sie Ängste und Panik aus eigenem Entschluss über-windbar. Die Einschätzung von Prof. Dr. M1 treffe zumindest für die Zeit nach der Zeit¬rente nicht mehr zu. Der Bevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung die Stellung eines Antrags auf Anhö-rung eines von der Klägerin gewählten Gutachters gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angekündigt, den er versichert hat, innerhalb von sechs Wochen nach dem Verhandlungstag zu benennen. Eine solche Benennung erfolgte nicht und sämtliche Erinnerungen des Gerichts blieben un-beantwortet. Das Gericht hat dann für den 12. Juni 2018 einen erneuten Verhandlungstermin geladen. Im Rahmen mehrmaliger Versuche, die Empfangsbescheinigung für die Terminsla-dung vom Bevollmächtigten der Klägerin zu erhalten, hat die Geschäftsstelle den Bevoll-mächtigen der Klägerin telefonisch erreicht. Dieser hat über eine Überschwemmung seiner Büroräume berichtet und in der Folge dann um Aufhebung des Termins gebeten. Nach weiteren Anfragen des Gerichts zum Fortgang des Verfahrens hat der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 3. September 2018 als Gutachter nach § 109 SGG den be-handelnden Facharzt Dr. S. benannt. Diesen Antrag hat das Gericht mit Beschluss vom 16. Oktober 2018 abgelehnt. Nach Einholung aktualisierter Befundberichte der behandelnden Ärzte hat der Neuro-loge/Psychiater Dr. N. im Gutachten vom 31. Januar 2019 nach eingehender Untersu¬chung die Auffassung vertreten, das früher angenommene Restleistungsvermögen des Gut¬achtens vom 12. August 2015 und der gutachterlichen Stellungnahme von 11. April 2017 liege bei der Klägerin weiterhin vor. Hinsichtlich der Einzelheiten seiner Äußerung wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen. Der in der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2019 gegen die Berichterstatterin ge-stellte Befangenheitsantrag ist mit Senatsbeschluss vom 21. Februar 2019 zurückgewiesen worden. Das Urteil ist am 26. Februar 2019 verkündet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 19. Februar 2019 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Gerichts gewesen.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 SGG). Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet.

Gemäß § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte u.a. Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs (teilweise Erwerbsminderung gemäß Abs. 1) bzw. drei (volle Erwerbsminderung gemäß Abs. 2) Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Ar-beitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jewei¬lige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Sie ist nach Überzeugung des Gerichts weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, sondern in der Lage, zumindest körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen unter den übli-chen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des Neurologen/Psychiaters Dr. N., der insbesondere im Einzelnen dargelegt und begründet hat, dass die bei der Klägerin vorlie¬gende depressive Störung, mit Ängsten und Panik gemischt, nicht so ausgeprägt ist, dass sie einer Leistungsfähigkeit entgegensteht. Die Klägerin kann auch Hemmungen gegenüber der Aufnahme einer Tätigkeit aus eigener Kraft überwinden. Wegefähigkeit ist gegeben, wo¬bei die Klägerin öffentliche Verkehrsmittel auch alleine benutzen kann. Die qualitativen Leis-tungseinschränkungen sind von einer solchen Art, dass sie ebenfalls einer Arbeitstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegenstehen. Es kann dahinstehen, ob dem Gutachten vom 26. Oktober 2011 des Neurolo-gen/Psychiaters/Neuropsychologen Prof. Dr. M1 überhaupt gefolgt werden kann, jeden¬falls kann ihm keine Aussage für die hier streitige Zeit ab 1. Januar 2014 entnommen wer¬den. Selbst wenn man unterstellt, dass die Panikstörung bei der Klägerin seinerzeit so aus¬geprägt war, dass sie diese an einer Erwerbstätigkeit gehindert hat, so gilt das nicht mehr für die Folgezeit. Wie der Neurologe/Psychiater Dr. N. in zwei schriftlichen und einem mündlichen Gutachten überzeugend dargelegt hat, kommt es zwar noch vor, dass die Kläge¬rin in Panik verfällt, jedoch sind diese Attacken jedenfalls bereits seit 2015 nicht so ausge¬prägt, dass sie einer Arbeitsleistung entgegenstehen würden. Die Klägerin selbst gibt sogar an, lediglich 4- bis 5-mal monatlich in eine Situation zu geraten, in der sie auf Hilfe angewie¬sen sei. Auch das Gutachten für die Bundesagentur für Arbeit vom 2. August 2012 der beratenden Ärztin Lewandowski-Klein stellt die Einschätzung von Dr. N. nicht in Frage, denn es äußert sich nur für einen Zeitraum von über sechs Monaten und trifft keine Aussage für eine längere Zeit. Im Übrigen wird dort keine nachvollziehbare Begründung für die Annahme des aufgehobenen Leistungsvermögens angegeben. Entgegen der Auffassung der Klägerin, ist der Einschätzung im Bericht über medizinische Rehabilitationsmaßnahme in den Segeberger Kliniken vom 25. August bis 29. September 2016 nicht zu folgen, wo von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen wird. Nach Meinung der Klinik besteht bei der Klägerin ein aufgehobenes Leistungsvermögen we-gen der ausgeprägt maladaptiven (=unangepassten) Krankheitsverarbeitung und der langen Arbeitsunfähigkeitszeit, aufgrund derer nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Klägerin ihre Restleistungsfähigkeit wahrnehmen könne. Weiter ist aufgeführt worden, dass die Klägerin über weite Teile einem Verständnis des Krankheitsmechanismus, insbesondere des Krankheitsgewinns, nicht zugänglich gewesen sei. Daher sei das an sich vorhandene Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit nur qualitativen Einschränkun-gen auf unter 3 Std tägliche Arbeitsleistung gesunken. In ihrer Begründung gibt die Klinik damit keine Einschätzung auf Basis der gesundheitlichen Situation ab, sondern folgert im Wesentlichen aus dem Krankheitsverständnis der Klägerin, dass diese ihre eigentliche Restleistungsfähigkeit nicht ausschöpfen wird. Wenn als Diagnose auf psychiatrischem Ge-biet eine Somatisierungsstörung und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig, angenommen werden, reicht dies nicht, um schlüssig ein aufgehobenes Leis-tungsvermögen zu begründen. Daher folgt das Gericht zusammen mit dem Gutachter Dr. N. dieser Einschätzung nicht.

Gemäß § 240 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auch noch nach dem 31. Dezember 2000 Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Hierfür ist das Vorliegen von Berufsunfähigkeit Voraussetzung (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer Berufstätigkeit zu-gemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB VI). Nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die je-weilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4 der Vorschrift).

Der Kreis der Tätigkeiten, auf die ein Versicherter gemäß § 240 SGB VI zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt sich nach der Wertigkeit seines bisherigen Berufes. Für die Beant-wortung der Frage, wie einerseits die bisherige Berufstätigkeit des Versicherten qualitativ zu bewerten ist, und andererseits Berufstätigkeiten, die der Versicherte nach seinen gesund-heitlichen Leistungsvermögen noch ausüben kann, zu beurteilen sind, hat das Bundessozial-gericht (BSG) aufgrund seiner Beobachtungen der tatsächlichen Gegebenheiten der Arbeits- und Berufswelt ein Mehrstufenschema entwickelt, das auch das erkennende Gericht seiner Einschätzung zugrunde legt. Danach sind zu unterscheiden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3); Berufe, die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4), zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbei-ter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung; Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufs-ausbildung voraussetzen (Stufe 5); Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hoch-schulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (Stufe 6, vgl. BSG, 29.7.04, B 4 RA 5/04 R, in: Juris; vgl. auch 9.12.97, a.a.O. sowie 14.5.96, 4 RA 60/94, BSGE 78, 207). Zumutbar im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind für Versicherte, die ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können, alle Tätigkeiten, die zur Gruppe mit einem Leitberuf gehö-ren, der höchstens eine Stufe niedriger einzuordnen ist als der von ihnen bisher ausgeübte Beruf. Dabei sind die sog. Facharbeiter (Stufe 3) auf alle Tätigkeiten der Stufe 2 verweisbar, auch auf die sog. einfachen Anlerntätigkeiten (BSG 26.1.00, B 13 RJ 45/98 R, SGb 2000, 364). Die Klägerin ist als Reinigungskraft im ungelernten Bereich tätig gewesen. Damit ist sie auf alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt es eine Vielzahl von Tätigkeiten, die sie verrichten kann. Daher liegt auch Berufsunfä-higkeit nicht vor.

Das Gericht hat von der Möglichkeit, Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen, im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Die Klägerin hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihr von der Berichterstatterin im Sitzungstermin am 19. Februar 2019 die Missbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverfolgung ausführlich dargelegt wurde und sie auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits – ohne dass dies von der Rechtsschutzversicherung übernommen würde – hingewiesen worden ist. Die wei¬tere Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren war missbräuchlich, weil sie angesichts der erdrückenden Gutachtenlage, gegen die die Klägerin Argumente nicht vorbringen konnte, offensichtlich aussichtslos war. Das gilt insbesondere nach dem Scheitern des Antrags auf weitere Begutachtung nach § 109 SGG. Dies konnte die Klägerin auch unschwer erkennen, denn sie wurde durch ihren Anwalt, also einen Volljuristen, beraten. Die Klägerin selbst hat sich dahingehend geäußert, dass sie den Betrag von ihrer Rente tragen werde. Das Gericht hat die Verschuldenskosten auf den pauschalen Betrag von 500,- Euro festge-setzt, der schätzungsweise durch die Absetzung und Zustellung des Urteils unter Beteiligung der Berichterstatterin sowie weiteren Mitarbeitern des Gerichts entsteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.

Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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