L 13 RA 84/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 6 RA 27/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 84/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 30. März 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten der Sache nach um die Verrechnung einer Rentennachzahlung über die Regelaltersrente des 1934 geborenen Klägers (Bescheid vom 27.10.1999).

Die sich für die Zeit ab 01.08.1999 ergebende Nachzahlung verrechnete die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 25.01. 2000 zur Hälfte, die laufende Rentenzahlung in Höhe von 400,00 DM, jeweils mit einer Forderung des Landesarbeitsamtes Bayern wegen - dem Betrieb des Klägers gewährten - Eingliederungszuschüssen in Höhe von 99.099,14 DM.

Einem Antrag des Klägers auf Überprüfung nach § 44 SGB X entsprach die Beklagte im Rechtsbehelfsverfahren insoweit, als ab September 2000 keine Verrechnung von der laufenden Rente mehr vorgenommen wurde. Im übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Eine hiergegen zum Sozialgericht Bayreuth (SG) gerichtete Klage nahm der Kläger am 13.03.2003 zurück und stellte bezüglich der Verrechnung in den Monaten Juli bis August 2000 und der vollen Nachzahlung einen erneuten Überprüfungsantrag.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte in dem streitbefangenen Bescheid vom 14.05.2003 ab, weil bei einer Nachzahlung eine nachträgliche Sozialhilfebedürftigkeit nicht eintreten könne und im übrigen Nachweise für das Vorliegen von Sozialhilfebedürftigkeit erst am 26.07.2000 eingereicht und somit die Verrechnungsbeträge für die Zeit vom 01.06.2000 bis 31.08.2000 mit befreiender Wirkung an das Landesarbeitsamt Bayern gezahlt worden seien. Dem Widerspruch des Klägers half die Beklagte zum Teil ab, indem sie die Verrechnung auch für den Zeitraum vom 01.06.2000 bis 31.08.2000 aufhob und einen Betrag von 409,03 EUR an den Kläger zahlte. Im Übrigen wies sie diesen mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2003 zurück.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben, welche er aber im Termin zur Erörterung des Rechtsstreits am 15.01.2004 zurückgenommen hat.

Mit Schreiben vom 20.01.2004 hat er die Klagerücknahme "widerrufen" und erklärt, dass er die Klage weiter aufrecht erhalte. Dazu hat er vorgetragen, auf seinen Forderungen zu bestehen, zumal der Beklagten bekannt gewesen sei, dass er bereits im Nachzahlungszeitraum sozialhilfebedürftig gewesen wäre. Die Klagerücknahme habe er nur erklärt, weil der Vorsitzende ihn für den Fall der Einschaltung eines Rechtsanwaltes auf Kosten in Höhe von ca. 600,00 EUR hingewiesen habe.

Durch Urteil vom 30. März 2004 hat das SG festgestellt, der Rechtsstreit sei durch die Klagerücknahme am 15.01.2004 erledigt. Die Erklärung des Klägers vom 15.01.2004 sei ordnungsgemäß protokolliert, vorgelesen und genehmigt und damit wirksam geworden. Die Zurücknahme der Klage habe die Erledigung in der Hauptsache zur Folge. Als Prozesserklärung sei die Klagerücknahme nur unter eingeschränkten Voraussetzungen unwirksam. Der Kläger könne die Erklärung weder frei widerrufen noch entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums oder Drohung anfechten. Dies sei nur entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens möglich. Hierzu fehle es aber an einem Wiederaufnahmegrund nach den §§ 179 ff. SGG, 578 ff. ZPO, wie etwa einer falschen eidlichen Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, einer Urkundenfälschung, eines falschen Zeugnisses oder Gutachten von Zeugen oder Sachverständigen, einer Amtspflichtverletzung des Richters oder des Auffindens einer bisher unbekannten Urkunde. Insbesondere habe der Kläger keine bislang unbekannten Urkunden beibringen können, aus denen sich zumindest ein Anhalt dafür ergebe, dass der Beklagten eine Sozialhilfebedürftigkeit bereits im Nachzahlungszeitraum bekannt gewesen sei. Der Hinweis des Vorsitzenden im Termin vom 15.01. 2004, bei Einschaltung eines Rechtsanwaltes würden dem Kläger Kosten in Höhe von ca. 600,00 EUR entstehen, die er gegebenenfalls selbst tragen müsste, sei angesichts der eindeutigen Rechtslage ein Gebot der dem Gericht obliegenden Fürsorge-pflicht gewesen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und erneut die Zahlung von einbehaltener Rente in Höhe von 2.881,20 DM gefordert.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Bayreuth vom 30.03.2004 sowie des Bescheides vom 14.05.2003 in der Fassung der Bescheide vom 31.07.2003 und vom 03.09. 2003 sowie des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2003 zu verpflichten, den Bescheid vom 25.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2000 aufzuheben und zu verurteilen, ihm 2.881,20 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass das Klageverfahren mit dem Az.: S 6 RA 136/03 durch die Rücknahme der Klage am 15.01.2004 vom Kläger beendet worden sei. Weiterhin werde die Kenntnis des Vorliegens von Sozialhilfebedürftigkeit im Nachzahlungszeitraum bestritten.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge und der Beklagten. Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen (§§ 153 Abs. 1, 136 Abs.2 SGG).

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 151,143 SGG zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert für eine auf Leistung gerichtete Berufung überschritten (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet, denn der Rechtsstreit hat sich bereits durch die Rücknahme der Klage vor dem SG erledigt, Die Forderung des Klägers ist damit durch den Bescheid vom 25.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2000 bindend geregelt. Die Ablehnung einer weiteren Nachzahlung ist wirksam (§§ 39 Abs. 2 SGB X, 77 SGG).

Der Kläger hat die am 23.5.2003 erhobene Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 15.01.2004 zurückgenommen. Die Erklärung ist ordnungsgemäß protokolliert, vorgelesen und vom Kläger genehmigt worden (vgl. §§ 122 SGG i.V.m. §§ 159, 160, 162, 163 ZPO). Damit hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Satz 2 SGG) mit der Folge des Eintritts der Bindungswirkung (§ 77 SGG).

Als bedingungsfeindliche Prozesshandlung im Sinne des § 102 SGG (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, Rdnr. 11 vor § 60) kann die Klagerücknahme weder frei widerrufen noch wegen Willensmängel nach §§ 119 ff. BGB angefochten werden (a.a.O. Rdnr. 12, 12 a, 12 b vor § 60; Rdnr. 7 c zu § 102).

Der Kläger bestreitet auch die Rücknahmeerklärung als solche nicht. Er beantragt vielmehr ein erneutes Klageverfahren mit genau den Argumenten, die er immer schon in seinen Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren vorgetragen hat. Ein durch Klagerücknahme rechtskräftig beendetes Verfahren kann aber nur aufgrund prozessual bedeutsamer Fakten entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) wieder aufgenommen werden (vgl. §§ 179, 180 SGG i.V.m. §§ 578 ff. ZPO). Derartige Gründe, wie z.B. eine falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, Urkundenfälschung, Gutachten, bei denen sich der Sachverständige einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat, Urteilserschleichung, strafbare Amtspflichtverletzung eines Richters oder das Auffinden einer bisher unbekannten Urkunde, liegen nach Erkenntnis des Senats nicht vor. Daran fehlt es schon nach dem Vortrag des Klägers.

Das SG hat somit zu Recht festgestellt, dass der Rechtsstreit durch die Klagerücknahme vom 15.01.2004 rechtswirksam erledigt worden ist. Eine Entscheidung in der Sache war ihm ebenso wie dem Berufungsgericht verwehrt, weil in wirksame Regelungen der Verwaltung durch die Gerichte nicht eingegriffen werden darf. Zutreffend hat das SG damit die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt.

Die Berufung ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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