L 1 KR 385/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 198 KR 220/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 385/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob der Kläger in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) zu versichern ist.

Der 1944 geborene Kläger war bis Juli 1990 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Seither ist er privat krankenversichert. Bis 31. Dezember 2014 war er hauptberuflich selbstständig. Seit 2009 bezieht er eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Seine Frau, die am 4. April 2015 verstarb, war als Rentnerin in der KVdR bei der Beklagten krankenversichert. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 14. Juli 2015 eine große Witwerrente. Am 8. Mai 2015 hatte er in diesem Zusammenhang das Meldeformular zur KVdR nach § 201 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ausgefüllt. Am 1. Juli 2015 beantragte er, in das Krankenversicherungsverhältnis seiner verstorbenen Ehefrau einzutreten. Er habe diese über einen Zeitraum von fast vier Jahren gepflegt und damit eine nicht unerhebliche Kosteneinsparung erarbeitet. Die ständig steigenden Beitragssätze in seiner privaten Krankenversicherung würden in absehbarer Zeit dazu führen, dass er staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen müsse. Die Beklagte lehnte eine Versicherungspflicht in der KVdR mit Bescheid vom 23. Juli 2015 ab, da die Ausnahme von der Versicherungspflicht des § 6 Abs. 3a SGB V erfüllt sei. Danach blieben Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungsfrei, wenn sie in den letzten fünf Jahren zu keinem Zeitpunkt gesetzlich krankenversichert gewesen seien und in der Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit oder hauptberuflich selbstständig gewesen seien.

Der Kläger erhob Widerspruch. Die Beklagte habe pauschal abgelehnt. Sie habe sich nicht mit dem begehrten Eintritt beschäftigt. Er erwarte eine Einzelfallprüfung.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2016 zurück. Der Kläger habe bei Stellung des Antrages auf Hinterbliebenenrente das 55. Lebensjahr bereits vollendet und sei in den letzten fünf Jahren vor Beginn der grundsätzlich bestehenden Versicherungspflicht, hier also im Zeitraum vom 6. Mai 2010 bis zum 5. Mai 2015, nicht gesetzlich krankenversichert gewesen. Daneben sei er mehr zweieinhalb Jahre während des vorgenannten Zeitraumes hauptberuflich selbstständig tätig gewesen, nämlich 4 Jahre und 8 Monate.

Hiergegen hat der Kläger am 10. Februar 2016 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Durch den Eintritt in die Krankenversicherung seiner Ehefrau würde er finanziell entlastet werden.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. August 2017 abgewiesen. Zwar erfülle der Kläger grundsätzlich die Voraussetzungen der KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, da der Kläger über seine Ehefrau die erforderlichen Vorversicherungszeiten erfülle. Jedoch greife die Ausschlussregelung des § 6 Abs. 3a SGB V. Der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung vor einem Wechsel der schlechten Risiken in die gesetzliche Krankenversicherung schützen wolle. Versicherungsfreie Personen, die sich frühzeitig für eine Absicherung in der privaten Krankenversicherung entschieden hätten, sollten diesem System auch im Alter angehören (Bezugnahme auf BT-Drucksache 14/1245, Seite 59). Zur Abmilderung der Folgen sei parallel zur Einführung des § 6 Abs. 3a SGB V zum 1. Juni 2000 der damalige § 257 Abs. 2a SGB V (Beitragszuschüsse für eine private Krankenversicherung) geändert und die Altersgrenze für ein Recht auf Zugang zum Standardtarif (in der privaten Krankenversicherung) von 65 auf 55 Jahre gesenkt worden, um die in der privaten Krankenversicherung verbleibenden Personen finanziell zu schützen. Die Regelung des § 6 Abs. 3a SGB V sei von der Rechtsprechung auch als verfassungsgemäß angesehen worden. Dem Kläger stehe darüber hinaus kein Anspruch auf Eintritt in die Krankenversicherung seiner verstorbenen Ehefrau oder auf Übernahme deren Krankenversicherungsvertrages zu. Denn nach § 190 Abs. 1 SGB V ende die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger mit dem Tod des Mitglieds. Mitgliedschaft und Versicherung seien höchstpersönlich und nicht vererblich. Es gäbe keine Möglichkeit, Krankenversicherungsverträge von Dritten zu übernehmen.

Gegen diese ihm am 5. August 2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers vom 31. August 2017. Zur Begründung hat er ausgeführt, Rechtsexperten verwiesen darauf, dass durch eine Einzelfallprüfung eine Auslegung der gesetzlichen Vorgaben mit anderem Ergebnis möglich sei. Er sei bereits bis Juli 1990 Mitglied bei der Beklagten gewesen. Damals sei für ihn die Weiterführung der Mitgliedschaft nicht finanzierbar gewesen, da mit Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit regelmäßiges Einkommen gefehlt hätte. Die Beklagte habe es damals abgelehnt, am Jahresende einen Ausgleich vorzunehmen. Seit Mai 2011 habe seine Ehefrau unter einer folgenschweren Erkrankung gelitten, die über eine Pflegezeit von vier Jahren durch alle damaligen Pflegestufen bis zum Ableben geführt habe. Es sei ein Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung vertretbar, bevor er zum Sozialfall werde. Er habe derzeit nur 246,84 EUR monatlich zum Leben.

Er beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 1. August 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2015 aufzuheben und festzustellen, dass er bei der Beklagten pflichtversichert in der Krankenversicherung der Rentner ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Besetzung durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Der Rechtsstreit weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG). Es konnte entschieden werden, obgleich für die Beklagte in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Sie ist auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 SGG).

Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird, abgewiesen. Das SGB V sieht keine Möglichkeit vor, die Ausschlussregelung des § 6 Abs. 3a SGB V für Personen unbeachtet zu lassen, die Pflegeleistungen erbracht haben. Im Übrigen ist die Pflegekasse bei der Beklagten eine von dieser unabhängigen Körperschaft. Der Beklagten als Krankenkasse hat der Kläger keine Kosten für Pflegeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch erspart. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 6 Abs. 3a SGB V bestehen nicht: Soweit seine finanziellen Verhältnisse nicht ausreichend sind, hat der Kläger Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch, etwa auf Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung. Dass er kein "Sozialfall" werden will, zeigt eine verfassungsrechtlich unzumutbare Härte nicht auf.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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