L 2 R 36/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 31 R 766/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 36/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 74/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Januar 2017 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Beteiligen haben einander für beide Verfahren keine Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Halbwaisenrente aus der Versicherung des C. A.

Der Kläger ist 1985 geboren und das Kind des 1953 geborenen und 2010 verstorbenen Versicherten C. A. Die Witwe des Versicherten, D. A., beantragte im März 2010 bei der Stadt E-Stadt die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des C. A. durch die Beklagte. Im Rentenantragsformular gab die hinterbliebene Witwe unter "Pflegeversicherung" auf die Frage: "Haben oder hatten Sie ein Kind? (das heutige Alter des Kindes ist hier ohne Bedeutung)" an, ja: A. A., xx.xx.1985, leibliches Kind/Adoptivkind. Ab 5. Februar 2010 gewährte die Beklagte der Witwe Hinterbliebenenrente.

Der Kläger befand sich in der Zeit von Oktober 2009 bis März 2013 im Hochschulstudium.

Im November 2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, sein Vater sei am xx. xxx 2010 verstorben. Daraufhin habe er Halbwaisenrente bei der F. Betriebsrentenkasse beantragt. Die Auszahlung habe er erst im August 2014 erhalten. Aus der Aufschlüsselung der Rentenkasse gehe hervor, dass er auch bei der Deutschen Rentenversicherung eine Halbwaisenrente beantragen könne. Dies tue er hiermit. Die F. Betriebsrentenkasse habe ihn über seine Ansprüche gegenüber der Deutschen Rentenversicherung beraten müssen. Dass dies nicht erfolgt sei, müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung von Halbwaisenrente nach § 48 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) ab, weil der Kläger das Höchstalter von 27 Jahren bereits überschritten habe. Die für den Anspruch von Waisenrente maßgebende Altersbegrenzung von 27 Jahren erhöhe sich bei Unterbrechung oder Verzögerung der Schulausbildung oder Berufsausbildung durch Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder eines gleichgestellten Dienstes grundsätzlich um die Zeit dieser Dienstleistung, höchstens jedoch um einen der Dauer des gesetzlichen Grundwehrdienstes oder Zivildienstes entsprechenden Zeitraum. Ein Anspruch auf Waisenrente für die Dauer des Verlängerungszeitraums könne sich nur ergeben, soweit sich die Waise während des Verlängerungszeitraums in Schul- oder Berufsausbildung befinde. Die Hinterbliebenenrente werde längstens für 12 Kalendermonate vor dem Monat der Antragstellung geleistet. Für davorliegende Zeiten bestehe ein materiell-rechtlicher Leistungsausschluss. Der Kläger habe den Antrag auf Halbwaisenrente am 18. November 2014 gestellt. Ein Rentenbeginn hätte sich somit zum 1. November 2013 ergeben. Zum Rentenbeginn 1. November 2013 habe der Kläger bereits das 27. Lebensjahr überschritten. Ein Verlängerungszeitraum liege nicht vor. Ein Anspruch auf Halbwaisenrente bestehe somit ab 1. November 2013 nicht.

Gegen den ablehnenden Rentenbescheid erhob der Kläger Widerspruch, weil die Beklagte übersehen habe, dass ihm ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zustehe. Eine Pflichtverletzung auf Seiten der Beklagten selbst sei möglicherweise nicht festzustellen. Sie müsse sich aber eine Pflichtverletzung der F. AG zurechnen lassen. Diese Pensionskasse sei sicherlich als Sozialleistungsträger anzusehen. Sein verstorbener Vater sei für die FX. Science AG tätig gewesen. Daraus habe sich für ihn ein Anspruch auf Halbwaisenrente aus der F. Pensionskasse ergeben.

Nachdem die Stadt E-Stadt der Beklagten mitgeteilt hatte, dass sie außer der Bestätigung des Antrags auf Witwenrente keine weiteren Aufzeichnungen vorlegen könne, wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. Oktober 2015 den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger habe erst im November 2014 die Halbwaisenrente beantragt, obwohl sein Vater bereits am xx. xxx 2010 verstorben sei. Die Leistungen der Rentenversicherung würden grundsätzlich nur auf Antrag erbracht. Die F. Pensionskasse sei keine zuständige Stelle im Sinne des § 16 Sozialgesetzbuch I (SGB I) bzw. ein Sozialleistungsträger im Sinne des Sozialgesetzbuchs. Vielmehr handele es sich um eine private Stelle. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch könne hier aus einer fehlenden Beratung nicht hergeleitet werden. Bei fehlerhafter Beratung und Auskunft könne ein Versicherter beanspruchen, dass der Rentenversicherungsträger ihn so stelle, wie er bei fehlerfreier Beratung durch den Rentenversicherungsträger gestanden hätte. Anspruchsgrundlagen in der Praxis seien regelmäßig der sozialrechtliche Herstellungsanspruch und/oder die Haftung bei einer Amtspflichtverletzung gemäß § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit Art. 34 Grundgesetz (GG). Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch sei auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsenden Pflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Es komme auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X in Betracht, wenn der Betroffene ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die maßgebliche Frist einzuhalten. Hierfür habe der Kläger keine ausreichenden Gründe geltend gemacht. Er habe vorgetragen, dass seine Mutter bei der Beantragung der Witwenrente nicht oder nicht in ausreichendem Maße über mögliche Ansprüche auf Halbwaisenrente aufgeklärt worden sei. Grundsätzlich müsse sich die Deutsche Rentenversicherung Bund eine fehlerhafte Beratung durch die Stadt E-Stadt zurechnen lassen, sodass in einem solchen Fall durchaus ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehen könne. Der Kläger sei im Jahre 2010 jedoch volljährig gewesen. Er habe weder nachgewiesen noch behauptet, dass er für seine Mutter eine Vollmacht für die Einholung von Auskünften erteilt habe. Beratungspflichten der Mutter gegenüber hinsichtlich eines möglichen Waisenrentenanspruchs hätten daher zu keinem Zeitpunkt bestanden. Aus diesem Grunde liege auch kein der Beklagten zuzurechnendes Fehlverhalten der Stadt E-Stadt mit der Folge eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vor.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 24. November 2015 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Der Kläger verfolgte sein Begehren aus dem Widerspruchsverfahren weiter und wiederholte im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag.

Nach Anhörung der Beteiligten nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hob das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2017 den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2015 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Halbwaisenrente im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für die Zeit vom 1. November 2010 bis 28. Oktober 2012 zu zahlen. Im Übrigen wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Sozialgericht im Wesentlichen aus, der Kläger habe sich in der Zeit von Februar 2010 bis Oktober 2012 noch in Schulausbildung bzw. noch in einem Studium befunden. Er habe im Oktober 2012 sein 27. Lebensjahr erreicht. Damit seien die tatbestandlichen Voraussetzungen zur Gewährung einer Halbwaisenrente für die hier streitige Zeit bei dem Kläger erfüllt. Es mangele jedoch an einem entsprechenden Leistungsantrag. Dieser sei erst am 18. November 2014 gestellt worden. Es seien allerdings die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gegeben. Die erkennende Kammer gehe davon aus, dass anlässlich der Antragstellung der Mutter des Klägers die Voraussetzungen für eine Spontanberatung hinsichtlich einer Halbwaisenrente des Klägers gegeben gewesen seien. Wie sich aus dem Antrag auf Hinterbliebenenrente der Mutter des Klägers ergebe, sei dort der Kläger als Kind unter Angabe des Geburtsdatums benannt worden. Die Elternschaft sei von der Stadt E-Stadt bestätigt worden. Damit sei spätestens bei Antragstellung der Mutter im März 2010 klar gewesen, dass noch ein anspruchsberechtigter Hinterbliebener existierte. Spätestens hier habe sich für die Beklagte eine spontane Beratungspflicht hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Halbwaisenrente ergeben. Diese sei nicht erfolgt. Darin bestehe die von dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geforderte Pflichtverletzung, die der Beklagten auch zuzurechnen sei, da sie den Antrag bearbeitet habe. Der Kläger hätte bei rechtzeitiger Antragstellung Halbwaisenrente erhalten. Folglich sei durch die Pflichtverletzung ein Schaden eingetreten. Durch die nachträgliche Bewilligung der Halbwaisenrente könne der Zustand wiederhergestellt werden, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre. Beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch sei die rückwirkende Leistungserbringung auf vier Jahre begrenzt. Daher stehe dem Kläger die Halbwaisenrente ab November 2010 bis Oktober 2012 zu.

Mit ihrer am 31. Januar 2017 eingelegten Berufung richtet sich die Beklagte gegen den ihr am 3. Januar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid. Der Kläger hat sich am 1. Februar 2017 der Berufung angeschlossen.

Nach Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen für eine sogenannte Spontanberatung nicht vor. Von Amts wegen müsse auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hingewiesen werden, durch deren Wahrnehmung ein Vorteil erlangt oder Nachteile vermieden werden könnten. Eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit setze voraus, dass sie klar zu Tage trete und als offensichtlich so zweckmäßig erscheine, dass sie ein verständiger Antragsteller mutmaßlich nutzen würde. Sie müsse anlässlich des jeweiligen Bearbeitungsvorgangs ohne komplizierte Überlegungen, ohne Ermittlungen und Berechnungen einem Sachbearbeiter mit durchschnittlichen Kenntnissen auffallen. Ein aufklärender Hinweis sei nur dann zu geben, wenn dies in einem engen Zusammenhang mit dem jeweiligen Bearbeitungsvorgang stehe. Ergebe sich im Einzelfall auch außerhalb eines solchen engen Sachzusammenhanges ohne aufwendiges Aktenstudium eine bisher nicht wahrgenommene Gestaltungsmöglichkeit, dann sei dies ebenfalls ein konkreter Anlass zum Tätigwerden des Rentenversicherungsträgers. Ein derartiger Fall habe nicht vorgelegen. Zwar sei aus dem Antrag der Mutter des Klägers auf Hinterbliebenenrente die Existenz des Klägers, dessen Geburtsdatum und die Elterneigenschaft der Mutter ersichtlich gewesen. Aus dem Antrag ergebe sich aber keinerlei Hinweis darauf, dass sich die bereits über 18-jährige Waise noch in einer Ausbildung befunden habe. Auch die Elterneigenschaft des verstorbenen Versicherten sei aus dem genannten Antrag nicht ersichtlich gewesen.

Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Januar 2017 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung den Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2017 zu ändern sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Halbwaisenrente aus der Versicherung des verstorbenen C. A. bereits ab 5. Februar 2010 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Der Kläger hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Darüber hinaus sei ihm ab Februar 2010 die beantragte Rente zu gewähren. Das Sozialgericht habe die Frist des § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch X (SGB X) genau auf den Tag der Antragstellung und dem daraus folgenden Monatsbeginn zurückgerechnet. Richtig sei aber, die vier Jahre ab Jahresbeginn des Jahres der Antragstellung zurückzurechnen. Der Kläger hat eine Abstammungsurkunde des Standesamtes G-Stadt vom 8. November 1985 vorgelegt.

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Anschlussberufung ist zwar ebenfalls zulässig, aber nicht begründet.

Entgegen der Entscheidung des Sozialgerichts hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung von Halbwaisenrente aus der Versicherung des verstorbenen C. A. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2015 ist nicht rechtswidrig.

Nach der den Waisenrentenanspruch regelnden Vorschrift des § 48 SGB VI hat der Kläger keinen Leistungsanspruch. Kinder haben nach § 48 Abs. 1 SGB VI nach dem Tod eines Elternteils Anspruch aus Halbwaisenrente, wenn sie noch einen unterhaltspflichtigen Elternteil haben und der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Nach § 48 Abs. 4 SGB VI besteht auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres unter anderem dann längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres ein Anspruch auf Waisenrente, wenn die Waise sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet. Auf dieser Basis hätte der Kläger wegen seines von Oktober 2009 bis März 2013 dauernden Hochschulstudiums über das 18. Lebensjahr hinaus unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB VI Anspruch auf Waisenrente gehabt; jedoch wurde ein entsprechender Waisenrentenantrag nicht gestellt. Auf Grund der Antragstellung im November 2014 kommt nach § 99 Abs. 2 SGB VI eine Rentenleistung erst ab 1. November 2014 in Betracht. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen für einen Halbwaisenrentenanspruch nicht mehr vor.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X scheitert schon daran, dass die Jahresfrist des § 27 Abs. 3 SGB X im November 2014 abgelaufen war.

Im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist der Kläger ebenfalls nicht so zu stellen, als habe er rechtzeitig Halbwaisenrente beantragt. Die Beklagte hat ihre Hinweispflicht nicht verletzt. Nach § 115 Abs. 6 SGB VI trifft die Rentenversicherungsträger eine Hinweispflicht zur Vermeidung der nachteiligen Folgen einer verspäteten Antragstellung. Wird gegen diese Pflicht verstoßen, kann sich hieraus ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergeben. Nach § 115 Abs. 6 SGB VI sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Als geeignete Fälle im Sinne dieser Vorschrift gelten nur solche typischen Sachverhalte, in denen ohne weitere Ermittlungen anhand des Versicherungskontos vorgegangen werden kann (BSG, Urteil vom 7. Juli 1998 – B 5 RJ 18/98). Einen solchen Fall hat das BSG in der benannten Entscheidung verneint, dem der Sachverhalt zugrunde lag, dass eine Witwe versäumt hatte, rechtzeitig eine große Witwenrente zu beantragen, auf die sie bei Erziehung eines noch nicht 18 Jahre alten Kindes Anspruch gehabt hätte, weil die maßgeblichen Daten dem Rentenversicherungsträger regelmäßig nicht bekannt seien.

Auch vorliegend bestand für die Beklagte oder auch die Stadt E-Stadt bei Beantragung der Witwenrente – unabhängig von einer Bevollmächtigung der Mutter - keine Veranlassung, die Mutter des Klägers oder den Kläger selbst auf die Notwendigkeit eines Waisenrentenantrages hinzuweisen. Denn der Rentenversicherungsträger verletzt seine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI nicht, wenn er nur auf Grund der Stellung eines Witwenrentenantrages eine volljährige Waise nicht auf die Erforderlichkeit der Antragstellung zum Erhalt der Waisenrente hinweist, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für eine Rentenberechtigung der Waisen bestehen (siehe auch Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. September 2011 – L 6 340/10). Der Beklagten war es hier ohne einzelfallbezogene Sachaufklärung allein aus der Angabe im Rentenantrag der Witwe "A., A., 1985" nicht möglich zu erkennen, dass neben der Witwe auch ein bereits 24jähriges Kind Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben könnte. Es wären jedenfalls weitere Ermittlungen notwendig gewesen, um festzustellen, ob ausnahmsweise ein Waisenrentenanspruch auch über das 18. Lebensjahr hinaus bestand. Nicht offenkundig erkennbar war der Beklagten insbesondere die Hochschulausbildung des Klägers im Jahre 2010 und lange nach Vollendung seines 18. Lebensjahres. Zudem konnte die Beklagte nach Stellung des Witwenrentenantrages nicht davon ausgehen, dass der volljährige Kläger und Sohn der Witwe nur aus Unkenntnis einen Waisenrentenantrag bei der Beklagten nicht stellen würde. Nach den Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund gemäß § 115 Abs. 6 S. 2 SGB VI a.F. sollte auf die Erforderlichkeit der Antragstellung für den Erhalt von Waisenrente nur dann hingewiesen werden, wenn nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod des Versicherten Witwenrente beantragt wurde (Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand April 2010, § 115 SGB VI, Rdnr. 27). Dieser Fall war nicht gegeben.

Dementsprechend konnte sich der Senat nicht der gegenteiligen Begründung des Sozialgerichts anschließen. Die erstinstanzliche Entscheidung war aufzuheben und die Anschlussberufung zurückzuweisen. Ein Anspruch des Klägers auf Hinterbliebenenrente bereits ab 5. Februar 2010 entfällt damit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG fehlt.
Rechtskraft
Aus
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