L 9 KR 54/16 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 54/16 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 A 3/19 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.Weder das Versorgungsmanagement des § 11 Abs. 4 SGB V noch das Wirtschaft-lichkeitsgebot ermächtigen Krankenkassen dazu, zur Senkung ihrer Kosten mit priva-ten Beratungsunternehmen Verträge zu schließen, in denen für Gruppen von länger erkrankten oder stationär versorgten Versicherten Betreuungs- und Beratungsleis-tungen erbracht werden.
2. Aufsichtsbehörden dürfen die Krankenkassen dazu verpflichten, solche Verträge mit privaten Dritten zu kündigen, in denen sie Leistungen einkaufen, zu deren Erbringung sie gesetzlich nicht ermächtigt sind.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen eine Aufsichtsverfügung der beklagten Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesversicherungsamt (BVA), mit dem diese von ihr verlangt, einen Vertrag über Beratungs- und Betreuungsleistungen, u.a. für Versicherte, zu kündigen.

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse aus der Gruppe der Ersatzkassen. Sie schloss mit der Firma (L&B), einem Unternehmen, welches sowohl Leistungsträger als auch Leistungserbringer berät, auf der Grundlage eines Rahmenvertrags (30. Juni 2003/07. Juli 2003) zwei separate Verträge.

Der Rahmenvertrag bestimmt in § 1 ("Ziel des Vertrags") unter Absatz 1: "L&B wird die GEK bei der Bemühung die Kosten der Versorgung im Bereich Krankenhaus sowie auch in den anderen Bereichen zu senken oder zu stabilisieren unterstützen. Dabei soll gleichzeitig die Qualität der Versorgung beibehalten oder verbessert werden."

§ 1 Abs. 2 des Rahmenvertrags konkretisiert dies wie folgt: "Die einzelnen Aufgaben, die L&B für die GEK übernimmt, werden in Detailverträgen geregelt. Die Detailverträge enthalten Angaben über das Ziel der Tätigkeit, die Aufgabe von L&B, die Mitwirkungspflicht der GEK sowie die Vergütung. Für diese Detailverträge gelten jedoch die Bedingungen dieses Rahmenvertrags nebst den als Anlage 1 beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der L&B."

In dem "Detailvertrag zur Durchführung eines Versorgungsmanagements auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 SGB V" zu "GEK ProGesundheit" vom 18./22. September 2009 (im Folgenden: ProGesundheit) verpflichtete sich L&BVersicherte der Klägerin als "Leistung des Versorgungsmanagements" zu betreuen.

Zum "Hintergrund" führt der Detailvertrag einleitend aus:

"Entsprechend § 11 Abs. 4 S. 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgungsmanagement. Das bedeutet begrifflich, dass der gesamte Behandlungsbedarf in seinem Ablauf "verwaltet", organisiert und geleitet wird. Dieser Anspruch richtet sich primär gegenüber den Leistungserbringern; entsprechend § 11 Abs. 4 S. 3 SGB V haben die Krankenkassen die Leistungserbringer in dieser Aufgabe zu unterstützen. Mit diesem Detailvertrag soll für bestimmte Versichertengruppen die Grundlage für eine solche Unterstützungsleistung zusammen mit der Firma L&B geschaffen werden."

Das Versorgungsmanagement umfasst nach der Leistungsbeschreibung (Anlage 2 zum Vertrag) folgende Inhalte:

a. Selektion der potentiellen Teilnehmer b. Teilnehmergewinnung c. Assessment auf Basis von GEK-Daten sowie Gesprächen mit Teilnehmern und Leistungserbringern d. Betreuung der Versicherten und Versorgungssteuerung im intensitätsorientierten Interventionsmodell e. Berichtswesen/Dokumentation f. Evaluation

Zu den Aufgaben der Klägerin gehört, zunächst Versicherte zu identifizieren, die an bestimmten schweren oder chronischen Erkrankungen gemäß der insoweit nicht abschließenden Anlage 1 zum Vertrag leiden, insbesondere an Diabetes, Adipositas, Hypertonie, Herzinsuffizienz, Osteoporose KHK (Koronare Herzkrankheit), TIA (Transitorische ischämische Attacke)/Schlaganfall und Rückenschmerzen. Ausgeschlossen sollen dagegen Erkrankungen wie u.a. HIV und psychische Erkrankungen sein.

Zum "Vertragsgegenstand" führt § 1 aus: "1. Zur Ergänzung der medizinischen Versorgung von Versicherten mit bestimmten schwerwiegenden Erkrankungen, zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Versorgung und zur effizienteren Nutzung vorhandener Ressourcen bietet die GEK in Zusammenarbeit mit L&B den betroffenen Versicherten das Versorgungsmanagement "GEK ProGesundheit" an. Die GEK stellt den in Frage kommenden Versicherten diese Leistung nach § 11 Abs. 4 SGB V zur Verfügung.

2. Gegenstand des Vertrages ist die prädiktive Selektion sowie die Gewinnung der potentiellen Teilnehmer für das Versorgungsmanagement und die Betreuung der betroffenen Versicherten der GEK, die durch die Regelversorgung und im Übergang zwischen den einzelnen Leistungs- und Versorgungsbereichen nicht ausreichend betreut und unterstützt werden und einer ergänzenden Hilfestellung zur Organisation von wirtschaftlich und medizinisch-therapeutisch optimaler Versorgung bedürfen. Es sollen weiter Erkenntnisse über die Einflussmöglichkeiten auf Versorgungswege und Behandlungsmöglichkeiten größerer Gruppen von Versicherten in gemeinsamen Auswertungen gewonnen und bewertet werden.

3. Um die Kernziele des Versorgungsmanagements GEK ProGesundheit zu erfüllen, sollen unter anderem folgende Teilziele erreicht werden: a. b. c. Eindämmung der strukturellen Kostentreiber;

d. Überwindung der sektoralen Trennung durch Kommunikation mit dem Versicherten und den Leistungserbringern;

e. Unterstützung der Versicherten beim eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung durch individuelle Beratung und Schulung;

f. Vermittlung und Organisation von medizinischen und sozialtherapeutischen Behandlungs- und Beratungsleistungen unterschiedlicher Leistungs- und Kostenträger und die Begleitung im Übergang zwischen den einzelnen Leistungsbereichen;

g. Wirtschaftliche Mittelverwendung im Sinne des § 2 Abs. 4 SGB V i.V.m. § 12 SGB V;

h. Refinanzierung der Kosten für das Versorgungsmanagement durch Effizienz- und Effektivitätssteigerung bei der Versorgung der Teilnehmer.

4. Die für das Versorgungsmanagement ProGesundheit potentiell geeigneten Versicherten werden auf Basis von Wahrscheinlichkeitsaussagen prädiktiv in das Versorgungsmanagement eingesteuert, um einen progredienten Krankheitsverlauf und damit auch eine Kostensteigerung zu vermeiden. Zur Erreichung dieses Teilziels wird zusätzlich zum Screening der bereits vorhandenen Versichertendaten ein Vorhersagemodell auf Basis des ACG®-Systems genutzt. Grundvoraussetzung für die Tätigkeit von L&B ist eine ausdrückliche Teilnahmeerklärung." Anlage 2 beschreibt unter "Leistungsbeschreibung" den Inhalt des Versorgungsmanagements ergänzend wie folgt: insgesamt werden vier sog. "Interventionsgruppen" (Versicherter) gebildet, die alle 12 Monate betreut wurden, sich in der Anzahl der direkten Kontakte zu Versicherten/deren gesetzlicher Betreuer oder Angehörigen aber unterscheiden. In Gruppe 1 sind sechs Kontakte zu Versicherten, in Gruppe 2 dagegen 12 Kontakte pro Jahr, in Gruppe 3 sind 18 Kontakte pro Jahr, in Gruppe 4 schließlich 24 Kontakte pro Jahr bestimmt. Nur in Gruppe 1 sind Zielvereinbarungen mit Versicherten optional, bei den übrigen dagegen zwingend vorgesehen.

Zu den Aufgaben von L&B im Rahmen des Versorgungsmanagements gehört der Aufbau einer telefonischen Hotline für die teilnehmenden Versicherten. L&B erstellt einen individuellen Versorgungs- und Hilfeplan für die Versicherten, unterstützt diese bei der Organisation von Leistungen und Hilfen, beim eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung durch individuelle Beratung und Schulung, erstellt Leistungsangebote aus dem Portfolio der Klägerin und leistet "Kommunikation für die Versicherten" gegenüber der Klägerin "hinsichtlich notwendiger Maßnahmen".

Der Vertrag ist drei Monate zum Ende des Kalenderjahres ordentlich kündbar, außerordentlich aus wichtigem Grund. Der Klägerin steht im Falle einer der Durchführung des Vertrags entgegen stehenden, bindenden Weisung einer Aufsichtsbehörde, die nach dem Vertragsabschluss ihr gegenüber ausgesprochen wird, ein außerordentliches Kündigungsrecht zu.

Am 15. Oktober/02. November 2011 schlossen die Beteiligten eine Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung betreffend die in den Detailverträgen und dem Rahmenvertrag näher beschriebenen Leistungen, soweit mit der Auftragsdurchführung durch L&B die Verarbeitung von personenbezogenen Daten nach § 11 BDSG und/oder von Sozialdaten gemäß § 80 SGB X erforderlich wird.

Am 20. April bzw. 26. April 2012 unterzeichneten die Klägerin sowie L&B den zweiten Vertrag mit dem Produktnamen "Barmer GEK ProVita" (im Folgenden ProVita).

In der Vorbemerkung in diesem Vertrag heißt es: "Die BARMER GEK hat zur Versorgung von psychisch erkrankten Versicherten ein Fall- und Versorgungsmanagement initiiert. L&B wird die BARMER GEK im Zusammenhang mit diesem Fallmanagement nach Maßgabe der nachfolgenden Regelungen in geeigneter Weise in ausgewählten Regionen unterstützen". Nach der im Vertrag zugrunde gelegten Definition umfasst der Begriff "Fallmanagement" im Wesentlichen die Planung, Organisation und Begleitung ausgewählter Versicherungs- und Versorgungsfälle. Diese werden umschrieben mit krankheitsbedingt arbeitsunfähigen sowie stationär und nachstationär zu versorgenden psychisch erkrankten Versicherten. Die Leistungen sind unterteilt in zwei sogenannte Module (Modul 1.3 und Modul 3).

Modul 1.3 hat zwei Teile: es umfasst ein sog. Fallmanagement für Leistungserbringung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit inklusive einer Fallkonferenz bei ausgesuchten Leistungsfällen mittelschwerer und schwerer psychischer Erkrankung. Der zweite Teil erstreckt sich auf stationäre Aufenthalte (Ziff. 2.1.1.). Für stationäre Leistungsfälle in psychiatrisch/psychosomatischen Fachabteilungen mit großer Verweildauer setzt die L&B-Unterstützung ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der ersten Befristung der Kostenübernahme ein (Ziff. 3.1 des Vertrags).

In beiden Teilen sollen Konzepte entwickelt und umgesetzt werden u.a. zur Verbesserung der Prüfung von Leistungen und Leistungsorganisation durch Kontaktaufnahme zum Leistungserbringer (z.B. zur Beurteilung auffälliger Liegezeiten) sowie zur umfassenden und frühzeitigen Erkennung potentieller und vorhandener weiterer Versorgungsmöglichkeiten nach dem Sozialgesetzbuch und von Zuständigkeiten anderer Kostenträger (Sozialämter, Rentenversicherungsträger). Daneben sollen Beurteilungsparameter erarbeitet und angewendet werden zur verbesserten Nachvollziehbarkeit des Krankheitsgeschehens (Dauer der Arbeitsunfähigkeit und Krankenhausbehandlung) sowie zur Qualität und den Optimierungsmöglichkeiten insbesondere der stationären Therapie.

Modul 3 beinhaltet u.a. ein "individuelles Fall- und Versorgungsmanagement" für Versicherte mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen, die einer Teilnahme unter Einbeziehung der Leistungserbringer zuvor zugestimmt haben. Die Gewinnung und Erstansprache erfolgt durch die Klägerin, die Teilnahme ist freiwillig und von keiner Gegenleistung der Versicherten abhängig. Erforderlich ist eine vom Versicherten oder seinem gesetzlichen Vertreter einzuholende unterschriebene Datenschutzerklärung auch zur Weitergabe von Sozialdaten.

Modul 3 hat zum Ziel, durch Hinweise auf Anlaufstellen und Ansprechpartner im sozialversicherungsrechtlichen Rahmen,

( eine elektive und gezielte Leistungsinanspruchnahme zu fördern ) ( Anreize zum Aufbau eines koordinierten zielführenden Hilfenetzwerks zu geben, welches mittel- und langfristig zur Verbesserung von Krankheitsverständnis und Behandlungscompliance beitragen kann und so die Anzahl der Fälle in Akut- und Notfallbehandlung zu minimieren. Im Rahmen des Fallmanagements sollen Konzepte entwickelt und umgesetzt werden, u.a. zur umfassenden Beratung der Versicherten, insbesondere über weitere Möglichkeiten einer krankenversicherungsrechtlichen Versorgung sowie Versorgung durch andere Leistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch. Das Modul wird entsprechend dem individuellen Bedarf der Versicherten für einen Zeitraum von 1, 3, 6 oder 12 Monaten angeboten (Ziff. 2.1.2 Modul 3). )

Die von L&B zu erbringenden Unterstützung beinhaltet für Modul 1.3 und 3 u.a.

( Hinweise zur näheren Prüfung der Rechnung eines Krankenhauses bei Bestehen eines Verdachts auf nicht korrekte Leistungsabrechnung, )

( die Organisation und Durchführung von Fallkonferenzen, die Zurverfügungstellung von einer Zeitstunde je Regionalgeschäftsstelle und Kalenderwoche zur gemeinsamen Betrachtung von Leistungsfällen, )

( nach Auswahl und Erstansprache potentiell geeigneter Versicherter durch die Klägerin, die Sichtung der Leistungsdaten und Durchführung eines geeigneten Assessments zur Feststellung des individuellen Bedarfs an einer Teilnahme an Modul 3, )

( eine Beratung und Hilfestellung zur geeigneten Begleitung und Betreuung von Versicherten im Rahmen von Modul 3, etwa durch Erstellung eines individuellen Versorgungs- und Hilfeplans für Teilnehmer sowie Koordination kranken- und pflegeversicherungsrechtlicher sowie sonstiger Versorgungen nach dem Sozialgesetzbuch (Ziff. 3.2). )

Die Unterstützungsleistung soll nicht Aufgaben umfassen, die zum Kernbereich einer Krankenkasse gehören. Insbesondere Befugnisse zur Entscheidung von konkreten Leistungsfällen werden nicht übertragen. Medizinische Aufgaben, wie sie dem "Medizinischen Dienst der Krankenkassen" vorbehalten sind, sowie ärztliche oder psychotherapeutische Behandlungsleistungen sollen ebenfalls nicht erfasst sein (Ziff. 3.4). Der Vertrag ist auf den 30. September 2014 befristet mit der Möglichkeit, ihn durch Vereinbarung zu verlängern, daneben ist ein außerordentliches Kündigungsrecht für die Klägerin im Fall von Aufsichtsmaßnahmen wie im Vertrag ProGesundheit vorgesehen (Ziff. 3.4).

L&B erhält für das Programm ProVita im Modul 1.3 je Bearbeitung eines Leistungsfalles der von Klägerin über das Kriterium Arbeitsunfähigkeit und/oder Krankengeld oder stationäre Behandlung eingesteuert wurde, einen einmaligen Pauschalbetrag. Für wöchentlich maximal zwei Zeitstunden erhält L&B für die Beratung im Rahmen einer Fallkonferenz der Regionalgeschäftsstellen der Klägerin einen Pauschalbetrag je angefangener Zeitstunde. Für das Modul 3 erhält L&B je Versicherten eine einmalige Pauschale, die in der Höhe grundsätzlich von der Steuerungs-/Interventionsgruppe abhängt, in die Versicherte eingeordnet sind, diese wiederum unterscheiden sich je nach Betreuungszeit (ein Monat bis 12 Monate). Für das Programm ProGesundheit erhält L&B pro Teilnehmer für das Versorgungsmanagement eine Basispauschale und eine erfolgsabhängige Vergütung. Die Basispauschale beträgt 345 Euro pro teilnehmendem Versicherten (12 Monate), die erfolgsabhängige Vergütung ermittelt sich daraus, dass zur Interventionsgruppe eine sog. Kontrollgruppe (Versicherter) gebildet wird, die das Programm Versorgungsmanagement nicht angeboten bekommt und mittlere Leistungskosten pro Jahr zugeordnet erhält. Ausgehend von der mittleren Einsparung pro Versichertem bis 600,00 Euro ermittelt sich ein erfolgsabhängiger Vergütungsanteil zwischen 0 Euro und 30,00 Euro pro Versichertem. Bei einer Überschreitung von 600,00 Euro an Einsparung erhält L&B 10 % der Einsparsumme pro Versichertem.

Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 zeigte die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) dem Beklagten an, dass ihr im Rahmen einer Eingabe die beiden Programme der Klägerin bekannt geworden seien und die Klägerin sich für sie auf keine Rechtsgrundlage stützen könne. Die BfDI beanstandete gegenüber der Klägerin die im Zusammenhang mit der Durchführung der beiden Programme stehende Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung. Es liege u.a. ein Verstoß gegen § 284 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/ Fünftes Buch (SGB V) vor (weitere Schreiben vom 26. März 2015, 17. November 2015).

Erstmals mit Schreiben vom 10. Juli 2014 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass diese es versäumt habe, die beiden Verträge bei ihr anzuzeigen. Darüber hinaus benannte sie die Voraussetzungen eines zulässigen Outsourcings einer Dienstleistung der Kassen, u.a. die Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage und bat um Stellungnahme. In einem Termin zur Erörterung am 23. Januar 2015 sowie weiterem Schriftwechsel bekräftigte die Beklagte, dass die Verträge gegen Rechtschriften verstießen, sowie eine unzulässige Datenweitergabe ohne Einwilligung Versicherter vorliege. Im Rahmen eines aufsichtsrechtlichen Beratungsverfahrens nach § 89 Sozialgesetzbuch/ Viertes Buch (SGB IV) forderte sie die Klägerin auf, diese zu kündigen und ihr dies schriftlich zu bestätigen (03. März und 07. September 2015).

Mit Bescheid vom 30. Dezember 2015 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, die Verträge ProGesundheit und ProVita unverzüglich zu kündigen. Zur Begründung führte sie aus, die notwendige rechtzeitige und umfassende Unterrichtung durch die Klägerin sei zunächst unterblieben. Die beiden Verträge verstießen gegen § 30 Abs. 1 SGB IV, § 284 SGB V, § 67b SGB X, § 197b SGB V und § 43 Abs. 1 SGB V.

Es fehle bereits an einer Rechtsgrundlage für die Klägerin, die beiden Programme durchzuführen. Daher könne sie keine Mittel hierfür verwenden und die Aufgabe auch nicht auf einen Dritten übertragen. In § 11 Abs. 4 SGB V sei nur ein versicherten-individueller Anspruch auf eine Verzahnung der Leistungssektoren gegenüber der Krankenkasse geregelt, dieser sei durch Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern zu erfüllen. L&B sei aber kein zugelassener Leistungserbringer. Zudem gehe es in den Verträgen nicht um eine leistungserbringerunterstützende Funktion, sondern um einen den Versicherten aktiv betreuende Funktion. Auch die Generalklausel des § 1 Satz 3 SGB V könne nicht dazu genutzt werden den Leistungskatalog der Kassen zu erweitern. Als reine Einweisungsvorschrift habe sie keine unmittelbare Rechtswirkung und sei ungeeignet, die Erbringung von Leistungen zu rechtfertigen. Auch aus der "Natur der Aufgabenstellung" i.S. einer "Oberaufgabe" der "Versorgung der Versicherten" könnten keine im Gesetz nicht vorgesehenen Aufgaben wahrgenommen werden und hierfür Mittel verwendet werden. Dies gelte auch dann, wenn die Aufgabenwahrnehmung dem Sozialversicherungsträger nicht ausdrücklich untersagt sei. Es liege ein Verstoß gegen § 197b SGB V vor, denn die in den Verträgen beschriebene Leistung sei bereits keine Aufgabe der Krankenkassen. Um eine solche müsse es sich aber bereits nach dem Wortlaut des Satz 1 der Bestimmung handeln. Die Bestimmung differenziere dann in einem 2. Schritt zwischen "wesentlichen Aufgaben" (Kernaufgaben), die nicht als Auftrag vergeben werden dürften und sonstigen Aufgaben, die einem Outsourcing zugänglich seien. Es komme nicht darauf an, ob die Kasse die Aufgaben vorher selbst wahrgenommen habe. Daran vermöge die Vertragsklausel in Nr. 3.4 des Vertrages ProVita nichts zu ändern, in welcher nur deklaratorisch festgelegt sei, es würden nur unterstützende Hilfstätigkeiten ohne hoheitliches Handeln wahrgenommen und medizinische Behandlungsleistungen seien ausgeschlossen. Selbst wenn unterstellt würde, dass die Klägerin eine ihr obliegende Aufgabe wahrnehme, dürfe sie Beratungsleistungen (§ 14 Sozialgesetzbuch/ Erstes Buch - SGB I) als wesentliche Aufgaben zur Versorgung der Versicherten nicht ausgliedern. Es könnten allenfalls unterstützende Hilfstätigkeiten an private Dritte übertragen werden, nicht aber die Beratungstätigkeit selbst. Für den Bereich des Krankengeldfallmanagements enthalte das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz im neuen § 44 Abs. 4 SGB V zwar einen individuellen Anspruch des Versicherten, bei Arbeitsunfähigkeit durch die Kasse darüber beraten zu werden, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich seien. Wesentliche Teile des Versorgungs- und Fallmanagements, das die Klägerin mit den beiden Verträgen anbiete, erfüllten diesen Beratungsanspruch der Versicherten allerdings in rechtswidriger Weise. § 44 Abs. 4 Satz 4 SGB V gestatte nur eine Übertragung von Beratungstätigkeiten an die in § 35 SGB I genannten Stellen, nicht an private Dritte (BT-Drs. 18/4095 Seite 79). Zudem müsse sich ein Programm zur Erfüllung einer Beratungspflicht an alle Versicherten richten und nicht an eine vorselektierte Gruppe von "Hochkostenfällen". Schließlich liege auch ein Verstoß gegen § 284 SGB V vor, wonach abschließend festgelegt sei, zu welchen Zwecken und in welchem Umfang Krankenkassen Sozialdaten erheben, verarbeiten und nutzen dürften. Die rechtmäßig erhobenen und gespeicherten Daten dürften danach nur für die Zwecke der Aufgaben nach § 284 Abs. 1 SGB V in dem jeweils erforderlichen Umfang verarbeitet oder genutzt werden. Auch diese Vorschrift setze voraus, dass sich um eine Leistung handele, zu deren Erbringung die Kasse gesetzlich ermächtigt sei.

Die beiden Verträge enthielten zudem mehrfach sich widersprechende oder gänzliche unklare Regelungen zu wesentlichen Fragen, so im Hinblick

• darauf, ob der Dienstleister bereits vor der Einwilligung des Versicherten Daten zum Zwecke der Selektion potenzieller Teilnehmer erhalte und dass eine bei der Einschreibung datenschutzrechtlich unzureichende Einwilligungserklärung verwendet werde, • auf mögliche Eingriffe in das Arzt-Patienten-Verhältnis, wenn der Dienstleister z.B. Kontakte zu Leistungserbringern aufnehmen oder eine Betrachtung der Qualität erbrachter Leistungen vornehmen solle, • darauf, welche anderen Leistungen, die nicht auf den direkten Kontakt mit dem Versicherten gerichtet, Bestandteil der Verträge seien, so Aufgaben zur kasseninternen Schulung von Mitarbeitern oder der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Mittelverwendung. Bei diesen Aufgaben handele sich um Dienstleistungen die unter weiteren Voraussetzungen Gegenstand eines zulässigen Outsourcings sein könnten.

Demgegenüber müsse auch ohne Prüfung der Vertragspraxis erkennbar sein, welche Aufgaben durch einen Dienstleister genau wahrgenommen werden würden. Hauptinhalt beider Verträge sei die individuelle Betreuung (Fallmanagement) erkrankter Versicherter im Versorgungsgeschehen. Diese Aufgabe dürfe die Klägerin in der vertraglich vereinbarten Art und Weise nicht einmal selbst wahrnehmen und daher auch nicht durch Delegation auf einen privaten Dienstleister ausgliedern.

Der Erlass des Verpflichtungsbescheides sei notwendig und auch verhältnismäßig, um die Rechtsverletzung abzustellen und künftige Wiederholungen zu vermeiden. Das öffentliche Interesse an einer Verpflichtung der Klägerin bestehe darin, dass diese ihre Beitragsmittel ausschließlich im Rahmen der bestehenden Gesetze verwende und nicht durch ihr Handeln bzw. Unterlassen das Recht verletze. Die beiden Verträge führten dazu, dass die Klägerin die nicht im Leistungskatalog abgebildeten Dienstleistungen durch einen Dienstleister erbringen lasse und ohne eine zur Datenerhebung ermächtigende Rechtsgrundlage rechtswidrige Datenerhebungen vornehme sowie Daten an den privaten Dienstleister übermittle. Die Einhaltung des Sozialdatenschutzes stehe nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern diene auch der Wahrung der Versichertenrechte. Ferner bestehe ein öffentliches Interesse an einem fairen Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen. Mit diesen Verträgen verschaffe sich die Klägerin im Wettbewerb einen rechtswidrigen Vorteil, da sie Betreuungsleistungen offeriere, für die das SGB V keine Rechtsgrundlage biete. Es bestehe auch bei anderen im Wettbewerb stehenden Kassen eine Nachahmungsgefahr. Dem öffentlichen Interesse stehe das Interesse der Klägerin gegenüber, mit den streitgegenständlichen Verträgen Versicherten Zugang zu den Leistungen der beiden Programme zu verschaffen. Die Beklagte bewerte das öffentliche Interesse als überwiegend. Die Verpflichtung sei auch verhältnismäßig, ein milderes Mittel als das Verbot des beanstandeten Verhaltens sei nicht erkennbar. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens habe die Klägerin alle Hinweise auf rechtmäßige Gestaltungsmöglichkeiten außer Acht gelassen. Weder die aufsichtsrechtliche Beratung durch die Aufsichtsbehörde noch die wiederholten Hinweise des BfDI auf ihr rechtswidriges Verhalten hätten die Klägerin bewogen, ihre Rechtsauffassung zu überdenken.

Die Klägerin hat gegen den Bescheid am 03. Februar 2016 Klage erhoben. Nach dem Vertrag ProGesundheit würden die von ihr identifizierten Versicherten mit bestimmten schweren oder chronischen Erkrankungen angeschrieben und es werde angefragt, ob sie auf freiwilliger Basis an dem Versorgungsmanagement teilnehmen wollten. Im Falle einer Bereitschaft der Versicherten greife das Versorgungsmanagement und werde der Vertragspartner mit der Erbringung der Leistungen beauftragt. So werde es auch in der Praxis der Klägerin umgesetzt, der Vertragspartner trete erst nach deren schriftlicher Einwilligung an die jeweiligen Versicherten heran. Dabei gehe es insbesondere um die Gewährleistung einer stabilen ambulanten Versorgung, die Eindämmung struktureller Kostentreiber, die Unterstützung der Versicherten beim eigenverantwortlichen Umgang mit der Erkrankung, die Vermittlung und Organisation von medizinischen, sozialtherapeutischen Behandlungs- und Beratungsleistungen unterschiedlicher Leistungs- und Kostenträger sowie die wirtschaftliche Mittelverwendung. Das Programm setze ausdrücklich außerhalb der Behandlungen der einzelnen Leistungserbringer an, indem das "Krankheits- und Leistungsgeschehen" begleitet werde. Es gehe darum, dieses sinnvoll zu steuern.

Das vom zweiten Vertrag ProVita umfasste Modul 1 sei zu 1.1 bereits vor Erlass des streitgegenständlichen Verpflichtungsbescheides eingestellt worden, nur die Module 1.2 und 1.3 würden weiterbetrieben. Modul 1.2 sei Bestandteil des Fallmanagements (bei vollstationären psychiatrisch/psychosomatischen Krankenhausfällen) und nur eine hausinterne Controlling-Maßnahme der Klägerin. Modul 3 habe zum Ziel und Gegenstand, durch Hinweise u.a. auf Anlaufstellen eine selektive und gezielte Leistungsinanspruchnahme zu fördern sowie Anreize zum Aufbau eines koordinierten zielführenden Hilfenetzwerks zu geben, welches mittel- und langfristig zur Verbesserung von Krankheitsverständnis und Behandlungscompliance beitragen könne, um so die Anzahl der Fälle in Akut- und Notfallbehandlung zu minimieren. Es gehe um Beratungs- und Analyseleistungen, die von dem Vertragspartner unmittelbar gegenüber der Klägerin erbracht würden sowie um Betreuungsleistungen gegenüber den teilnehmenden Versicherten. Die Auswahl und Erstansprache erfolge insoweit allein durch die Klägerin.

Diese bewege sich mit den beiden Verträgen in dem ihr zugewiesenen Aufgabenfeld. Zu ihren gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben gehörten die von den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährenden Sozialleistungen, die in § 11 ff. SGB V festgeschrieben seien. Leistungsgegenstand sei insoweit auch das Versorgungsmanagement. Zu den gesetzlichen Aufgaben gehöre insbesondere auch die Beachtung und Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 2 Abs. 4, § 12 Abs. 1 SGB V). Mit den beiden beanstandeten Verträgen werde ein Versorgungs- und Fallmanagement bewerkstelligt, eine Verbesserung der Leistungsorganisation solle erreicht werden sowie auch Kosteneinsparungen im Sinne einer wirtschaftlichen Versorgung. Rechtliche Grundlage für die Verträge sei § 11 Abs. 4 SGB V. Es sei bereits nicht zutreffend, dass nach dieser Bestimmung nur ein Versorgungsmanagement der Leistungserbringer abgebildet werde. Das ergebe sich aus der Gesetzesbegründung. Danach sei die Durchführung eines entsprechenden Versorgungsmanagements auch ausdrücklich Aufgabe der gesetzlichen Krankenkassen. Das zeige auch die Verortung der Regelung als Eingangsvorschrift des Dritten Kapitels des SGB V. Welchen Inhalt das Versorgungsmanagement habe, sei nicht gesetzlich vorgegeben, es solle sich insbesondere auf die Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche richten, aber nicht allein darauf. Die sachgerechte Anschlussversorgung bilde insoweit nur einen Ausschnitt. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen habe in seinem Gutachten folgende Versorgungsgrundsätze herausgearbeitet:

• Beteiligung an den lokalen Strukturen des Sozialsystems (Kindergärten, Schulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen, Kirchen, berufliches Umfeld), • vorausschauende perspektivische Herangehensweise: Es würden nicht nur akut aufgetretene Erkrankungen und Komplikationen von chronischen Erkrankungen behandelt, sondern es werde versucht, deren Auftreten durch Prävention und durch das aktive Gestalten der Versorgung von chronisch Kranken zu verhindern, • hoher Stellenwert der Koordination der präventiven Behandlungsprozesse, • Stärkung des Selbstmanagements der Patienten, • Orientierung an evidenzbasierten Behandlungsleitlinien, • wohnortnahe Versorgung mit Gewährleistung der Versorgung in der Fläche, besonders in ländlichen Gebieten mit negativer Wanderungsbilanz.

Aufgrund der Weite des Begriffs "Versorgungsmanagements" habe der Gesetzgeber, anders als bei der "Anschlussversorgung" keine konkreten Handlungsverpflichtungen der Kassen vor Augen gehabt. Es sollte ihnen überlassen bleiben, welche konkrete Formen und welche Maßnahmen sie als Versorgungsmanagement ergreifen, damit unterliege dies dem pflichtgemäßem Ermessen. Es sei daher auf die allgemeinen gesetzlichen Vorgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), insbesondere das Wirtschaftlichkeitsgebot abzustellen sowie die allgemeine Aufgabe der Krankenkassen, wie sie die Einweisungsvorschrift des § 1 SGB V beschreibe. Diese und § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I seien zur Ausfüllung des Ermessens heranzuziehen.

In beiden streitgegenständlichen Programmen gehe es insbesondere darum, durch organisatorische und koordinatorische Maßnahmen die Versorgung zu steuern sowie außerhalb des ärztlichen Behandlungsgeschehens den Versicherten Hilfestellung zu geben, um mit ihrer Erkrankung im Alltag besser zurecht zu kommen. Außerdem seien beide Programme darauf ausgerichtet Kosten einzusparen. Die Klägerin sei aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes zum Abschluss der Verträge berechtigt. Es gehe gerade nicht darum, Versicherten zusätzliche Leistungen zu gewähren, sondern um eine verbesserte Steuerung des Versorgungs- und Leistungsgeschehens. Es solle die zielgerichtete Inanspruchnahme von Leistungen der GKV sowie die wirtschaftliche Versorgung der Versicherten und damit das Wirtschaftlichkeitsgebot gefördert werden; dieses habe überragende Bedeutung. Die Krankenkassen dürften sich aller rechtlich zugelassenen Mittel bedienen. Dazu gehöre auch der Abschluss privatrechtlicher Verträge des Beschaffungswesens.

Die Klägerin sei auch berechtigt, einen Dritten zu beauftragen. Dies verstoße nicht gegen § 197b SGB V. Der Begriff der "wesentlichen Aufgaben" enthalte als unbestimmter Rechtsbegriff einen weiten Spielraum zur Ausgliederung. Nach der Gesetzesbegründung dürften Kernaufgaben zur Erfüllung der Versorgungsansprüche Versicherter nicht übertragen werden. Vorliegend gehe es um Aufgaben, die der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes dienten, nicht darum, die Einhaltung auf Dritte zu übertragen, sondern die Klägerin bei der Einhaltung zu unterstützen. Bei den Aufgaben des § 11 Abs. 4 SGB V gehe es um eine Gewährleistungsverpflichtung, nicht um einen Leistungsanspruch Versicherter, damit nicht um eine Kernaufgabe. Kernaufgaben könnten nur solche sein, die alle Krankenkassen in gleicher Weise zu erfüllen hätten. Die Aufgabenübertragung sei wirtschaftlicher, liege im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen und greife nicht in deren Rechte ein. Die Aufgabenwahrnehmung durch den privaten Vertragspartner erfolge nur im Einverständnis der Versicherten.

Ein Verstoß gegen den Sozialdatenschutz beinhalteten die Verträge nicht. Wenn die Durchführung der verabredeten Programme zu den gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen gehöre, liege ein Verstoß gegen die Pflicht, versichertenbezogene Daten nur für die zu den gesetzlichen Aufgaben gehörenden Zwecke zu verwenden (§ 284 Abs. 1 SGB V), nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 30. Dezember 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das gesamte Handeln der Sozialversicherungsträger stehe unter dem Gesetzesvorbehalt. Der Versichertenanspruch des § 11 Abs. 4 SGB V sei allein durch den Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern bzw. durch Wahrnehmung von Unterstützungsaufgaben gegenüber den Leistungserbringern zu erfüllen, nicht durch unmittelbare Betreuung der Versicherten durch die Krankenkassen oder einen damit beauftragten Dritten. Versorgungsmanagement beziehe sich allein auf ein von den Leistungserbringern durchgeführtes Versorgungsmanagement. Aus der Norm lasse sich kein Anspruch Versicherter auf unmittelbare Betreuung durch die Krankenkassen herleiten. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/7439 S. 96). Die Kassen hätten eine Pflicht zur Unterstützung der Versorgungseinrichtungen, eine Pflicht, mit diesen zusammenzuarbeiten. Eine aktive Verpflichtung zur selbständigen Durchführung eines Versorgungsmanagements sei nicht statuiert und ergebe sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung. Die beanstandeten Verträge sähen aber eine die Versicherten aktiv betreuende Funktion durch die Krankenkassen vor. Dies entspreche auch der Rechtsauffassung des BfDI. Eine Zusammenarbeit nach § 11 Abs. 4 SGB V sei nur mit zugelassenen Leistungserbringern möglich. Eine Rechtsgrundlage ergebe sich weder aus § 1 SGB V noch aus § 2 Abs. 4 und § 12 SGB V, da es sich um eine reine Einweisungsvorschriften oder Regelungen mit Rahmencharakter oder Grundsatznormen handele. Aus ihnen könne keine Ermächtigung zur Erbringung von Leistungen abgeleitet werden. Das gelte speziell für das von der Klägerin in Anspruch genommene Wirtschaftlichkeitsgebot, welches die Krankenkasse nicht dazu ermächtige, eine zusätzliche Leistung anzubieten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

A. Die Klage ist zulässig. Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) funktionell und nach § 57 Abs. 1 Satz 1, erste Alternative SGG örtlich zuständig (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. Februar 2018 – L 4 SO 229/16 KL –, Rn. 6, juris). Die Klägerin ist ein Sozialversicherungsträger und hat ihren Sitz bei Klageerhebung in Berlin (vgl. § 2 ihrer Satzung in der Fassung des 8. Nachtrags vom 01. Januar 2019). Die Klage ist als Aufsichtsklage (§ 54 Abs. 3 SGG) statthaft, denn es handelt sich um eine Aufsichtsangelegenheit. Der Verpflichtungsbescheid der Beklagten, vertreten durch das BVA, ist die Anordnung einer Aufsichtsbehörde gegen die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Ein Vorverfahren war nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 17. August 2011 – B 6 KA 32/10 R –, BSGE 109, 34 - 42, Rn. 16, juris). Die Klagefrist ist eingehalten (Zugang des Bescheides am 17. Januar 2016, Klageerhebung am 03. Februar 2016).

B. Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden.

I. Das BVA ist als Behörde der Beklagten nach § 90 Abs. 1 SGB IV die für die Klägerin als bundesunmittelbarem Versicherungsträger zuständige Aufsichtsbehörde.

II. Das BVA kann nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nach vorheriger, erfolglos verlaufender Beratung in pflichtgemäßer Ermessensausübung eine Verpflichtung aussprechen, eine festgestellte Rechtsverletzung zu beheben.

Die Aufsicht ist auf eine Rechtsaufsicht beschränkt und darf nicht fachaufsichtsrechtlich Umfang und Zweckmäßigkeit von Maßnahmen zum Gegenstand ihrer staatlichen Überwachungstätigkeit machen, § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 A 1/03 R –, Rn. 33, juris). Das BVA hat auf der einen Seite darüber zu wachen, dass die Klägerin die Gesetze und das sonstige für die Versicherungsträger maßgebende Recht beachtet. Andererseits muss deren Selbstverwaltungsrecht als Trägerin mittelbarer Staatsverwaltung Rechnung getragen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der eigenverantwortliche Vollzug einer detaillierten Sozialgesetzgebung zum wesentlichen Kompetenzbereich der Selbstverwaltung gehört. Unter diesem Blickwinkel ist es einer Aufsichtsbehörde verwehrt, ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen der beaufsichtigten Körperschaft zu setzen, sofern Rechtsfragen zum Anlass einer Beanstandung genommen werden, die (bislang) weder das Gesetz noch die Rechtsprechung in eindeutiger Weise beantwortet hat. Ein rechtmäßiges aufsichtsrechtliches Einschreiten erfordert daher, dass die Beklagte zu Recht davon ausgehen durfte, dass die klagende Krankenkasse mit ihrem Handeln Rechtsverstöße begangen hat. Der Grundsatz maßvoller Ausübung der Rechtsaufsicht gebietet, dem Beaufsichtigten einen gewissen Bewertungsspielraum zu belassen. Der Bewertungsspielraum endet allerdings, wenn gegen allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe verstoßen wurde, die diesen Spielraum einengen oder ausschließen. Eine entsprechende Grenzüberschreitung stellt eine Rechtsverletzung im Sinne des § 89 SGB IV dar (BSG, a.a.O. Rn. 33 mit umfangreichen Nachweisen).

III. Gemessen an diesen Anforderungen liegen die Voraussetzungen für die Verpflichtungsanordnung vor. Die Klägerin handelt mit dem Abschluss der Verträge, gemessen an deren Gegenstand, jeweils rechtswidrig. Sie erfüllt mit den "eingekauften" Leistungen überwiegend keine ihr obliegenden Aufgaben (1.). Selbst wenn sie zur Erbringung der Leistungen berechtigt wäre, dürfte sie die Aufgaben nicht an L&Bübertragen (2.). Die Klägerin verstößt mit den Verträgen gegen Datenschutzbestimmungen (3.).

1. Die Klägerin verstößt mit dem Abschluss beider Verträge gegen § 30 Abs. 1 SGB IV. Versicherungsträger dürfen nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden. Die beiden Verträge haben jeweils Leistungsinhalte zum Gegenstand, für deren Erbringung als eigene Aufgabe der Klägerin überwiegend die (Sach-) Kompetenz fehlt. Sie kann daher weder die Verträge schließen, noch Mittel dafür verwenden. Die Gegenstände der beiden Verträge unterliegen dem "Totalvorbehalt" einer gesetzlichen Ermächtigung.

a. Der Vertrag ProGesundheit installiert zur Überzeugung des Senats im Verhältnis zu Versicherten ein individuelles Betreuungs- und Beratungsprogramm i.S. eines Coachings für vorher anhand bestimmter Merkmale ausgesuchte Versicherte der Beklagten (chronisch kranke Versicherte). Diese erhalten – nach vorheriger Bereitschaftserklärung zur Teilnahme – individuelle (auch telefonische) Beratungsleistungen, um zunächst ihre Erkrankungs- und Versorgungssituation, dann ihren gesundheitsbezogenen Bedarf und mögliche Leistungen festzustellen. Es wird für sie ein individueller Versorgungs- und Hilfeplan, bezogen auf ihre Krankheitssituation, erstellt. Es erfolgen Schulungen zu den Erkrankungen, zu gesundheitsorientiertem und krankheitsadäquatem Verhalten. Versicherte werden zur regelmäßigen Inanspruchnahme der notwendigen Versorgung beraten, u.a. indem eine Krankheits- und Behandlungseinsicht erzeugt und durch Motivationstraining aufrechterhalten wird. Mit ihrem Einverständnis werden dazu auch Bezugspersonen, das soziale Umfeld, einbezogen. Die Beratung umfasst u.a. Ernährungsumstellung, Raucherentwöhnung, Reduktion von Alkoholkonsum sowie Aufklärung zu Inhalt und Wirkungsweise von Medikamenten. Darüber hinaus erhalten Versicherte Beratung über Leistungserbringer, Therapie- und Behandlungsformen und das Kostenantragsverfahren. Es wird mit ihnen u.U. eine Zielvereinbarung zu den Zielen der Beratung geschlossen. Sie erhalten durch den Vertragspartner "Kommunikationsleistungen", um die notwendigen Sach- und Dienstleistungen zu erhalten. Dies folgt zum einen aus Anlage 2 des Vertrags über das Programm, zum anderen aus dem Konzept von L&B mit dem Titel "Beratung für Menschen mit chronischen Erkrankungen und Multimorbidität" ("Kontakt des Versicherten zum Berater in Krisensituationen"), zum Dritten aus der Stellungnahme der Klägerin im Verwaltungsverfahren. Die vereinbarten Leistungen umfassen daneben Beratungs- und Analyseleistungen, wonach (bei der Versorgung der Versicherten) L&Bfür die Klägerin die von der Klägerin verantworteten Sachleistungen (genannt: "Produkte") im Hinblick auf bestehende Versorgungslücken überprüfen soll. Diese Leistung hat Elemente einer "Unternehmensberatungsleistung" (vgl. Anlage 2 zum Vertrag).

Der Vertrag ProVita erfasst im Unterschied zum Vertrag ProGesundheit psychisch erkrankte Versicherte, hat vergleichbare und noch weitere Elemente. Die beiden Leistungen, umschrieben mit dem Begriff des "Fallmanagements" und des "Versorgungsmanagements," beinhalten für arbeitsunfähige Versicherte sowie stationär behandelte Versicherte die Beratung und Betreuung, bezogen auf weitere Versorgungsmöglichkeiten durch andere Leistungsträger des Sozialgesetzbuchs. Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, welche vertraglich als ein "Leistungsfall" definiert wird, sollen zudem "Fallkonferenzen" (in Regionalgeschäftsstellen) stattfinden. Eine Beteiligung der betroffenen Versicherten ist dabei nicht vorgesehen. Begleitet wird die Beratung Versicherter mit einer Bewertung und Überprüfung der Leistungserbringer, die in die konkrete Versorgung einbezogen sind, insbesondere auch der Krankenhäuser bei der stationären Versorgung. Die Klägerin soll in die Lage versetzt werden, besser zu beurteilen, ob die vorgenommene Versorgung notwendig ist (z.B. das "Ob" von Krankenhausbehandlung oder ihre Dauer) und den MDK entsprechend zu befragen. Alle Elemente von Modul 1.3 dienen – zumindest mittelbar (Fragestellungen an MDK verbessern) – auch nach dem Selbstverständnis der Klägerin der Einsparung von Kosten. Dies wird bestätigt durch § 1 Abs. 1 des Rahmenvertrags, welcher an erster Stelle unter "Ziel des Vertrags" die Bemühung um Kostensenkung nennt.

Die Klägerin ermittelt – ausgehend von Modul 1.3 – anhand ihrer Daten auf der Basis abstrakt festgelegter Kriterien "geeignete Versicherte" für Modul 3. Diese Versicherten werden von der Klägerin angefragt, ob sie an dem Modul teilnehmen wollen. Danach teilt L&B die Versicherten in Gruppen ein (Steuerungsgruppen im Rahmen eines Assessments). Das für diese Versicherten vorgesehene spezielle Coaching mit einem "individuellen Fall- und Versorgungsmanagement" (Programm ProGesundheit) ist auf einen Zeitraum von 1, 3, 6 oder 12 Monaten angelegt (vgl. auch die Stellungnahme der Klägerin vom 15. Januar 2015). Zu den Leistungen gehört z.B., individuelle Versorgungs- und Hilfepläne für Versicherte unter Berücksichtigung ihrer möglichen Ansprüche gegen andere Leistungsträger zu erstellen.

Für beide Module von ProVita erbringt L&B auch Beratungs- und Analyseleistungen für die Klägerin zu Fallgruppen und Einzelfällen sowie den Abläufen auf Leistungserbringerseite und der Mitarbeiterschulung.

b. Die Klägerin hat für den gesamten Vertragsinhalt von ProGesundheitund Vertragsbestandteilen von ProVitaüberwiegend keine Sachkompetenz i.S. des § 30 Abs. 1 SGB IV. Für die Beratungsleistungen i.S. eines versicherten-individuellen Coachings bzw. eines persönlichen Gesundheitsmanagements für einzelne Versicherte (ProVita Modul 3 und ProGesundheit) und für die Durchführung von Fallkonferenzen im Modul 1.3 (ProVita) fehlt es an einer gesetzlichen Aufgabenzuweisung an die Klägerin. Allgemein bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V: Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden.

(1) Die an Versicherte zu erbringenden o.g. Leistungen der beiden Verträge sind nicht bloße fiskalische Hilfsgeschäfte der Klägerin, die durch die allgemeine Aufgabenbestimmung gedeckt ist und für die es keine besondere Ermächtigung bedarf. Dazu würden Geschäfte rechnen, mit denen der Versicherungsträger die Voraussetzungen dafür schafft, dass er seine Aufgaben erfüllen kann, konkret die organisatorischen Voraussetzungen. Dies umfasst sowohl die Anmietung von Räumen wie auch die Rekrutierung des notwendigen Personals und seine Aus-, Fort- und Weiterbildung (Ruland, NZS 2013, 721 f., beck-online). Die mit den Verträgen von L&Bzu erbringenden o.g. Leistungen sind dagegen solche, die als Sozialleistungen den Versicherten gegenüber erbracht werden.

(2) Für die damit verfolgte Aufgabenerledigung kann sich die Klägerin nicht auf § 11 Abs. 4 SGB V berufen. Der dort verwendete Begriff "Versorgungsmanagement" trägt als unbestimmter Rechtsbegriff nach seiner Entstehung sowie Sinn und Zweck kein von der Krankenkasse verantwortetes versichertenindividuelles Beratungs- und Coaching-Programm bei bestimmten potentiell oder tatsächlich kostenintensiven Erkrankungen. Versorgungsmanagement beinhaltet die Pflicht des Leistungserbringers, bei einer (notwendigen) Anschlussbehandlung von Patienten u.a. bei Fachärzten, aber auch in Gestalt einer Rehabilitation oder Pflege für einen zeitnahen Behandlungstermin, bzw. eine entsprechende Weiterversorgung zu sorgen (Wiegand in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB V, § 11 Rn. 30). Der Begriff ist inhaltlich enger als ihn die Klägerin mit den eingekauften Coaching- und Unterstützungsleistungen für einzelne Versicherte (jedenfalls von ProGesundheit und Modul 3 von ProVita) ausfüllt.

Die mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz zum 01. April 2007 neu in § 11 SGB V eingefügte Leistung (Gesetz vom 26. März 2007, BGBl. I, S. 378) richtete sich ursprünglich vor allem auf die Sicherung einer möglichst zeitnahen und nahtlosen Versorgung von Versicherten im Anschluss an einen stationären Aufenthalt. Dabei sollte ein Austausch von Informationen zwischen den beteiligten Leistungserbringern unterschiedlicher Sektoren stattfinden, die den Versicherten z.B. Hilfen vermitteln sollten. Die Krankenkassen sollten die Leistungserbringer bei der Sicherstellung einer nahtlosen Anschlussversorgung unterstützen (BT-Drs. 16/3100 S. 97).

Mit Änderung durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22. Dezember 2011 zum 01. Januar 2012 (BGBl. I, S. 2983) wurde das Entlassmanagement als "Versorgungsmanagement am Ende einer stationären Krankenhausbehandlung" ausgegliedert, speziell in § 39 Abs. 1a SGB V konkretisiert und auch äußerlich klar dem Pflichtenkreis des Krankenhauses als Teil der Krankenhausbehandlung zugeordnet. Entsprechend entstand ein Anspruch Versicherter gegen das Krankenhaus. Das Versorgungsmanagement umfasst vor allem Information und Beratung des Versicherten (Joussen in: Beck-Onlinekommentar, § 11 Rn. 14b). Dazu gehören der Hinweis auf Versorgungseinrichtungen und weiterbehandelnde Fachärzte sowie u.U. auch die Kontaktaufnahme zu diesen Einrichtungen bzw. Leistungserbringern. Insoweit konkretisiert das Versorgungsmanagement den allgemein in § 17 SGB I begründeten Auftrag zu einer effektiven und zeitnahen Leistungsverschaffung für die Leistungen Versicherter (Wagner in: Krauskopf, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 11 Rn. 12). Damit verbunden sein kann auch eine rechtliche Beratung über die Ansprüche auf Versorgung. Insoweit liegt dann eine spezialgesetzliche Konkretisierung der allgemein in der §§ 13-15 SGB I geregelten Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten vor, die die Leistungsträger verpflichten, dem Einzelnen aufzuzeigen, welche Rechte und Pflichten sich für ihn aus dem Sozialgesetzbuch ergeben, insbesondere welche Ansprüche auf Sozialleistungen er hat (Öndül in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 16 SGB I, Rn. 9).

Verpflichtet werden von § 11 Abs. 4 Satz 2 die "betroffenen Leistungserbringer", auch die Pflegeeinrichtungen (Satz 4). Sie haben das Versorgungsmanagement zu leisten. Zur Erfüllung des Anspruchs sollen die Krankenkassen sie unterstützen (Satz 3). Dazu sollen Verträge zwischen (sonstigen) Leistungserbringern und den Krankenkassen geschlossen werden (Satz 6). Den Kassen obliegt nach diesem System eine Gewährleistungsverantwortung.

Im Unterschied dazu zielen die Leistungen in Modul 3 (ProVita) sowie ProGesundheit bereits nicht primär auf die Sicherstellung einer nahtlosen, aber eigenverantwortlichen Versorgung Versicherter. Speziell die Leistungen des Motivationstrainings, der Ernährungsberatung, des gesundheitsbewussten Verhaltens der Versicherten sowie eine Beratung zur regelmäßigen Inanspruchnahme der notwendigen Versorgung über regelmäßige Kontakte von Betreuern/Beratern können vielmehr als individuelles Gesundheitsmanagement für Versicherte bezeichnet werden. Sie informieren nicht nur über Leistungen, auf die Versicherte Anspruch haben und erleichtern Versicherten, Leistungserbringer verschiedener Sektoren in Anspruch zu nehmen. Sie zielen vielmehr darauf ab, auch die Auswahl der Leistungserbringer und Inanspruchnahme der Leistungen durch die Versicherten im Wege der individuellen Verhaltenssteuerung zu beeinflussen. Dies ergibt sich u.a. für ProGesundheit daraus, dass telefonisch der Bedarf der Versicherten ermittelt werden soll. Es gilt in besonderem Maße bei Erstellung eines individuellen Versorgungs- und Hilfeplanes und dem Abschluss von Zielvereinbarungen mit Versicherten. Die Leistungen haben für Versicherte nicht nur eine im Vergleich zur Beratung über mögliche (nahtlose) Leistungen überschießende Tendenz, sondern eine andere (interventionistische) Qualität i.S. einer "Versichertenführung" im Interesse einer wirtschaftlichen Leistungserbringung. Damit schränkt die Klägerin die in § 2 Abs. 2 SGB V begründete freie Leistungserbringerwahl der Versicherten ohne rechtliche Grundlage allein über ein unzulässiges Verständnis von Versorgungsmanagement ein. Dies betrifft auch die in die Versorgung eingebundenen Leistungserbringer. In beide Richtungen wird die Intervention in den Verträgen mit L&B unter den Begriff der "Versorgung der Versicherten mit Leistungen durch die zuständige Krankenkasse" gestellt und damit auch verschleiert.

Die im Modul 1.3 von ProVita vorgesehenen Fallkonferenzen i.S. der Beratung und Analyse von Einzelfällen stellen bereits deshalb kein Versorgungsmanagement dar, weil sie nicht unter Beteiligung von Versicherten erfolgen, sondern vielmehr diese, ihre Krankheits- und Versorgungssituation, als "Objekt" zum Gegenstand haben.

Für die Unzulässigkeit eines die Leistungsauswahl der Versicherten steuernden Versorgungsmanagements auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 SGB V spricht zudem indirekt, dass das SGB V mit der Soziotherapie eine eigenständige Leistung für Versicherte kennt, die krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, die verordneten Leistungen zu koordinieren und Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme benötigen (vgl. § 37a SGB V). Diese Leistung wird von geeigneten Leistungserbringern erbracht, mit denen die Krankenkassen Verträge zu schließen haben (§ 132b SGB V). Eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung zur vergleichbaren Leistungserbringung einer individuellen "Patientenführung" für sonstige Versicherte existiert nicht.

Unabhängig von ihrem Inhalt können die beiden Programme auch deshalb kein Versorgungsmanagement i.S. des § 11 Abs. 4 SGB V sein, weil sie nur bestimmte, nach abstrakten Kriterien (Algorithmen) definierte Patientengruppen erfassen; § 11 Abs. 4 SGB V enthält insoweit aber keine Einschränkung. Sie zielen zudem nach ihrer Ausgestaltung und eigener Aussage der Klägerin vor allem auf eine kostenbewusste Versorgung. Dies wird für ProGesundheit auch an der an Ersparnis orientierten Vergütung für L&B deutlich. Auch diese Zielstellung entspricht nicht dem Auftrag von § 11 Abs. 4 SGB V.

(3) Mit den (Coaching- und Betreuungs-) Leistungen (und erst recht Fallkonferenzen) erbringt die Klägerin keine Patientenschulungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Zwar deckt sich der dort gesetzlich umschriebene Versichertenkreis der chronisch Kranken teilweise mit dem Kreis der Versicherten, für die nach den Auswahlkriterien der beiden Verträge Leistungen erbracht werden. Patientenschulungen haben mit ProGesundheit und Modul 3 von ProVitateilweise auch eine vergleichbare Zielstellung und einen Gegenstand, so dass auch insoweit Schnittmengen bestehen können. Patientenschulungen können auch als isolierte rehabilitative Maßnahme selbständig erbracht werden, setzen also keine anderweitige rehabilitative Hauptleistung, voraus, der sie nur dienen (Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 43 SGB V, Rn. 39).

Die individuellen Betreuungsleistungen ProGesundheit und Modul 3 von ProVita haben aber abweichende Inhalte und Ziele. Die Fallkonferenzen sind schon keine Schulungen von Patienten, sondern nur von Mitarbeitern der Klägerin.

Die auf § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB V beruhenden "Gemeinsamen Empfehlungen zur Förderung und Durchführung von Patientenschulungen auf der Grundlage von § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V vom 2. Dezember 2013 in der Fassung vom 08. Februar 2017" des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (Gemeinsame Empfehlungen) formulieren zu den Inhalten und Zielen:

"Unter "Patientenschulung" im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V werden interdisziplinäre, informations-, verhaltens- und handlungsorientierte Maßnahmen für chronisch Kranke und ggf. ihre Angehörigen bzw. ständigen Betreuungspersonen verstanden, die grundsätzlich in Gruppen durchgeführt werden. Patientenschulungen sind indikationsbezogen und dienen der Optimierung des Krankheitsselbstmanagements von Patienten. "Schulung" steht dabei für ein strukturiertes und zielorientiertes Vorgehen. Mit strukturierten Lehr- und Lern-Materialien und Übungen soll krankheits- und behandlungsbezogene Kompetenz vermittelt werden. Deshalb setzen Patientenschulungsmaßnahmen neben indikationsbezogenem Fachwissen auch einschlägige Kenntnisse der Lern- und Verhaltenspsychologie – abgestimmt auf die jeweilige Zielgruppe - voraus."

Bei der Ausgestaltung von Patientenschulungen wird den Krankenkassen ein gewisser Gestaltungsspielraum eröffnet (Ricken in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB V, § 43 Rn. 7). Zwar könnten gemessen an diesen Vorgaben einzelne Leistungsinhalte von ProGesundheit sowie Modul 3 wie Unterstützung der Versicherten beim eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung durch individuelle Beratung und Schulung auch Gegenstand von Patientenschulungen sein (z.B. Ernährungsberatung). Überwiegend gehen die verabredeten Leistungen aber auch über die gesetzliche Zielstellung und Mittelauswahl (eher Gruppenkurse) hinaus.Patientenschulungen sind auf die Vermittlung von Fertigkeiten und Kenntnissen Versicherter im Umgang mit ihrer eigenen Erkrankung oder solcher naher Angehöriger ausgerichtet. Damit endet aber ihre Zielstellung. Sie gestatten (wie das Versorgungsmanagement) gerade kein weitergehendes intervenierendes Gesundheits-Coaching für erkrankte Versicherte, u.a. mit Zielvereinbarungen und Absprachen mit einzelnen Betreuern. Selbiges gilt für Beratungsleistungen zu verschiedenen Versorgungen, z.B. durch andere Kostenträger, denn diese haben einen rechtsberatenden und damit abweichenden qualitativen Inhalt.

Darüber hinaus handelt es sich bei den Leistungen von L&B nicht um wirksame und effiziente Schulungsmaßnahmen. Dazu formulieren die Gemeinsamen Empfehlungen:

"Voraussetzung für die Leistungserbringung ist, dass die Wirksamkeit und Effizienz des Patientenschulungsprogramms nachgewiesen wurde." (Ziff. 2). Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 müssen Patientenschulungen wirksam und effizient sein. Sie müssen hinsichtlich ihrer Ausführung, Art und Dauer den anerkannten Erfahrungsgrundsätzen der beteiligten Wissenschaftsdisziplinen (z. B. Psychologie, Physiotherapie, Pädagogik, Ernährungswissenschaft etc.) und dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Wirksamkeit und Effizienz von Patientenschulungsmaßnahmen ist gegenüber der Krankenkasse an Hand von Studien nachzuweisen. Liegen keine gesicherten Erkenntnisse über die jeweiligen indikationsspezifischen Schulungsmaßnahmen vor und ist die Wirksamkeit nicht mit ausreichender Evidenz nachgewiesen, ist der Krankenkasse aufzuzeigen, welche Begleitevaluation eingeleitet wird."

Einen Nachweis für die Wirksamkeit in Gestalt von Studien liegen für die versichertenbezogenen Leistungen von L&B nicht vor. Für das Programm ProVita ist im Vertrag keine Evaluation vorgesehen. Nur für das in ProGesundheit vorgesehene Programm soll eine Evaluation in Zusammenarbeit mit der Klägerin stattfinden (Anlage 2 – Leistungsbeschreibung und Anlage 5 des Vertrags).

(4) Die Klägerin kann sich für die Vertragsinhalte rechtlich nicht auf § 20 oder § 20a SGB V stützen. Die mit L&B vereinbarten Leistungen sind keine Präventionsleistungen oder solche der Gesundheitsförderung i.S. von § 20 SGB V und § 20a SGB V (in "Lebenswelten" i.S. des § 20 Abs. 4 Nr. 2 SGB V). Zwar können zu diesen Leistungen auch Maßnahmen zu gesundheitsorientiertem Handeln Versicherter gehören. Allerdings ist gerade nicht erkennbar, dass die Programme von L&B in der Satzung der Klägerin aufgenommen sind (vgl. zu diesem Erfordernis: § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Darüber hinaus ist die Zielrichtung der Präventionsleistungen nach dem gesetzlichen Auftrag die Erhaltung von Gesundheit bei noch Gesunden, nicht die Betreuung Kranker (vgl. dazu Ziff. 4.2., 4.3, 5.2. und 5.3. sowie 6.2. und 6.3 des Leitfadens des GKV-Spitzenverband "Prävention – Handlungsfelder und Kriterien nach § 20 Abs. 2 SGB V zur Umsetzung der §§ 20, 20a und 20b SGB V vom 21. Juni 2000 in der Fassung vom 01. Oktober 2018").

(5) Eine Sachkompetenz zur Aufgabenwahrnehmung ergibt sich für ProGesundheit, Modul 3 und die Fallkonferenzen von Modul 1.3 schließlich nicht aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V (§§ 2 Abs. 1, 12 SGB V). Danach sollen Leistungen ausreichend und zweckmäßig sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen (Engelhard/Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 12 SGB V, Rn. 17). Das Gebot bestimmt die Art und Weise der Erbringung von Leistungen, die den Krankenkassen an anderer Stelle zur Erfüllung zugewiesen werden (konkret z.B. in § 27 SGB V), erweitert jedoch nicht den Aufgabenkreis für die Krankenkassen um Aufgaben, die sie gesetzlich nicht zu erfüllen haben. Gleiches gilt für § 1 Satz 3 SGB V mit der Hervorhebung der aktiven Mitwirkungsobliegenheit Versicherter an Förderung, Herstellung oder Wiederherstellung der Gesundheit und an der Krankenbehandlung. Es handelt sich dabei um eine Einweisungsvorschrift. Obliegenheiten Versicherter werden dagegen spezialgesetzlich bestimmt, z.B. mit §§ 60 ff. SGB I (Schlegel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 1 SGB V, Rn. 83 f.).

2. Für die in allen Modulen von ProVita sowie ProGesundheit enthaltenen reinen Beratungsleistungen für Versicherte für ihre Versicherungsansprüche nach dem SGB oder anderen Leistungsgesetzen kann sich die Klägerin zwar auf eine Sachkompetenz berufen. Sie ergibt sich aus den Vorschriften zur Beratung, konkret §§ 13 – 15 SGB I, § 17 SGB I, für das SGB V aus § 11 Abs. 4 und im Krankengeldrecht aus § 44 Abs. 4 SGB V in der ab dem 23. Juli 2015 geltenden Fassung. Allerdings ist die Klägerin insoweit nicht zur Übertragung oder Auslagerung der Aufgabenerfüllung an L&B berechtigt.

L&B ist kein Dritter, der Aufgaben, die der Klägerin obliegen, übernehmen kann. § 197b Satz 1 i.V.m. Satz 2 SGB V bestimmt zu den Aufgaben, die auf Dritte übertragbar sind:

"Krankenkassen können die ihnen obliegenden Aufgaben durch Arbeitsgemeinschaften oder durch Dritte mit deren Zustimmung wahrnehmen lassen, wenn die Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeitsgemeinschaften oder den Dritten wirtschaftlicher ist, es im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen liegt und Rechte der Versicherten nicht beeinträchtigt werden. Wesentliche Aufgaben zur Versorgung der Versicherten dürfen nicht in Auftrag gegeben werden."

Die Auskunftserteilung und Beratung Versicherter über ihre Leistungsansprüche gegen die Klägerin und andere Sozialversicherungsträger oder Stellen der Verwaltung ist ureigene und damit Kernaufgabe der Sozialversicherungsträger und damit nicht auslagerungsfähig (Bloch in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, § 197b Rn. 5; Kass/Komm/Peters, § 197b Rn. 4). Rechte der Versicherten könnten bei ihrer Ausführung beeinträchtigt werden. Denn die Pflicht zu (Spontan-)Beratung und Aufklärung dient dazu, soziale Rechte möglichst umfassend zu verwirklichen und damit unmittelbar der Versorgung der Versicherten (dazu auch § 17 Abs. 1 SGB I). Ihre Bedeutung zeigt sich u.a. daran, dass die Verletzung der Pflichten sozialrechtliche Herstellungsansprüche begründen können. Zu den wesentlichen und damit nicht übertragbaren Aufgaben der Versorgung Versicherter gehört daneben das Leistungsmanagement, verstanden als Management der Krankenkassen, das sich mit der Steuerung der Leistungserbringung i.S. der Verschaffung von (Sach-) Leistungsansprüchen befasst (Bloch in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, § 197b Rn. 5). Erfordert die Verwirklichung des Leistungsanspruchs neben der Beratung Versicherter zu ihren Leistungsansprüchen auch einen Leistungsantrag bei einem Leistungsträger, so gehört auch die Organisation der Antragstellung (u.a. im Hinblick auf § 16 SGB I) zu den Kernaufgaben. Damit verstößt die Einrichtung einer "Kommunikation mit der Klägerin bezüglich der Maßnahmen" als Aufgabe von L&B(z.B. in Anlage 2 "Leistungsbeschreibung" GEK ProGesundheit gegen das Verbot, Kernaufgaben auf Dritte auszulagern.

Selbst wenn man aber davon ausginge, dass die genannten Aufgaben auslagerungsfähig wären, wäre der Vertragspartner L&B kein Dritter, auf den ausgelagert werden dürfte. Er ist kein Leistungserbringer des SGB V. Nur diese dürfen auf der Grundlage von Verträgen in das Leistungsgeschehen gegenüber Versicherten eingebunden werden. Das ergibt sich aus dem klaren Wortlaut von § 69 Abs. 1 SGB V, der Grundsätze der Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern definiert. Gesundheits-Beratungsunternehmen wie L&B gehören nicht zu den dort genannten Leistungserbringern. Speziell für die Beratung von Krankengeldbeziehern ist L&B nach der im Verhältnis zu § 197b SGB V speziellen Ermächtigung des § 44 Abs. 4 SGB V auch keine Stelle i.S. des § 35 SGB I, auf die die Beratung übertragen werden dürfte.

3. Bereits nach den bisherigen Darlegungen verstoßen verschiedene Bestandteile der beiden Verträge ProGesundheit und ProVita auch gegen die zwingende gesetzliche Bestimmung des § 284 SGB V. Dieser bestimmt, dass die Erhebung sowie Verarbeitung und Nutzung von Daten durch die Krankenkassen nur zum Zweck der in Abs. 1 SGB V näher benannten Aufgaben gestattet ist (in der ab dem 01. Juli 2008 geltenden Fassung, LSG Hamburg, Urteil vom 29. November 2012 – L 1 KR 48/11 KL –, Rn. 45, juris). Mit den Verträgen erhebt und nutzt L&B sowohl für Modul 1.3 und als auch Modul 3 bereits im Rahmen der "Beratung und Analyse in Bezug auf Einzelfälle", der "Organisation von Fallkonferenzen", der "Erstellung eines Abschlussberichts" Versichertendaten (Ziff. 3.2 des Vertrags ProVita).

Im Modul des Vertrags ProGesundheit verarbeitet und nutzt die Klägerin mit der "Selektion" i.S. einer Auswahl von Versichertendaten zur Ermittlung der potentiellen Teilnehmer für das Versorgungsmanagement "GEK Pro Gesundheit" selbst Sozialdaten (vgl. auch das "Prozessmodell"). Mit dem "Screening" von vorhandenen Leistungsdaten durch L&B findet ebenfalls die Nutzung von Sozialdaten statt, um am Versorgungsmanagement teilnehmende Versicherte zu ermitteln und diese Interventionsgruppen zuzuordnen; Es werden mit der "Dokumentation von Kontakten" und der sog. "Verlaufskontrolle" sowie mit dem Erstellen von Abschlussberichten am Ende der "Intervention" Daten erhoben.

Ein Versorgungsmanagement i.S. von § 11 Abs. 4 SGB V, welches nach § 284 Abs. 1 Nr. 13 SGB V die Erhebung von Versichertendaten im Vertrag ProGesundheit oder den Modulen 1.3 und Modul 3 (ProVita) gestattet, liegt nicht vor (s.o.). Auf die Erbringung von zulässigen (gesetzlich den Krankenkassen aufgegebenen) Beratungsleistungen gegenüber Versicherten kann sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen (Leistungsbeschreibung ProGesundheit, Anlage 2). Soweit die Beklagte auf die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung abhebt, greift die Ermächtigung des § 284 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 SGB V nicht. Die datenmäßige Auswahl von Versicherten, wie auch Beratungs- und Coaching-Leistungen betreffen nicht die Abrechnung und Leistungserbringung, konkret das Verhältnis zu den Leistungserbringern. Für die Abrechnungskontrolle wie für Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu Voraussetzungen, Art und Umfang der erbrachten Leistungen sind zudem spezielle Rechtsgrundlagen im SGB V selbst vorgesehen oder die maßgeblichen Verbände zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen ermächtigt (vgl. z.B. § 275 SGB V, § 125 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 SGB V – Rahmenempfehlungen über die Versorgung mit Heilmitteln).

IV. Die Beklagte, vertreten durch das BVA, ist zur Behebung der Rechtsverletzung entsprechend dem gesetzlichen Verfahrensrecht vorgegangen. Der Erlass des Aufsichtsbescheides ist in dem erforderlichen abgestuften Verfahren erfolgt (1.) und hat sich auf eine Rechtsaufsicht beschränkt (2.). Der Beklagte war nicht verpflichtet, den Verpflichtungsbescheid zur Kündigung auf einzelne Vertragselemente zu beschränken (3.).

1. Dem Erlass des Bescheides ging das vorgeschriebene gestufte Verfahren voraus. Die Beklagte hat die Klägerin zunächst entsprechend beraten. Sie hat, beginnend im Juli 2014, die Klägerin auf die fehlenden Rechtsgrundlagen für die Vertragsgegenstände, betreffend die Leistungen an Versicherte und die datenschutzrechtlichen Bedenken hingewiesen. In dem bis zum Schreiben vom 07. September 2015 unter Beteiligung des BfDI erfolgten Schriftwechsel ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, welche Vertragsbestandteile für rechtswidrig gehalten werden und hatte Gelegenheit, ihre Sichtweise darzulegen. Mit Schreiben vom 07. September 2015 hat die Beklagte die beanstandeten Dienstleistungen, vor allem in Gestalt der individuellen Betreuung Versicherter durch den privaten Dienstleister, benannt und um Kündigung der Verträge innerhalb von drei Wochen gebeten, damit eine Frist zur Behebung der Rechtsverletzung gesetzt (Engelhard in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 89 SGB IV, Rn. 11). Das Schreiben ist der Klägerin am 14. September 2015 zugestellt worden. Die relativ kurze Frist war in Anbetracht des vorausgegangenen Schriftwechsels und einer bereits vorausgegangenen Fristsetzung im Schreiben vom 03. März 2015 noch angemessen. Die Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin Änderungsvorschläge zu unterbreiten, da die Klägerin selbst nicht zu erkennen gegeben hat, dass sie auf einzelne Vertragsbestandteile verzichten wolle.

2. Die dem Bescheid zugrunde liegende Beurteilung ist eine Rechtsaufsicht, betrifft nicht Fragen der Zweckmäßigkeit von Verwaltungshandeln der Klägerin. Es liegt auch kein Fall vor, in dem wegen eines noch nicht abschließend inhaltlich geklärten unbestimmten Rechtsbegriffs oder Bestehens eines Beurteilungsspielraumes der Krankenkasse keine aufsichtsbehördliche Verfügung ergehen dürfte. Der Begriff des Versorgungsmanagements in § 11 Abs. 4 SGB V ist hinreichend bestimmt und voll überprüfbar.

3. Die Beklagte hat die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens eingehalten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die Kündigung ist für beide Verträge nach wie vor gerechtfertigt, auch wenn die Klägerin im Gerichtsverfahren ausgeführt hat, Teile wie das Modul 1.1 bereits eingestellt zu haben. Sinn und Zweck der Rechtsaufsicht ist, die Verwaltung zu einem (aktuell) gesetzmäßigen Verhalten zu veranlassen (BSG, Urteil vom 12.11.2003 - B 8 KN 1/02 U R). Eine förmliche Kündigung des Vertrags ProVita hat die Klägerin für Modul 1.1 nicht vorgelegt. Nach dem Vertrag ist L&B zur Leistungserbringung nach wie vor berechtigt. Auf die Vollziehung vertraglicher Pflichten kommt es nicht an.

Die Beklagte musste die Verpflichtung zur Kündigung nicht auf einzelne Vertragsbestandteile beschränken. Sie hat hinsichtlich der Aufsichtsmittel ein Auswahlermessen, sie darf nur insoweit in das Recht des Sozialversicherungsträgers eingreifen, soweit dies erforderlich ist, um die Rechtsverletzung zu beenden und damit verhältnismäßig ist. Eine Beschränkung der aufsichtsbehördlichen Verfügung auf einzelne Vertragsbestandteile der beiden streitgegenständlichen Verträge ist nicht möglich, da die rechtswidrigen Bestandteile den Verträgen jeweils ihr Gepräge geben und nicht isoliert aus dem jeweiligen Vertrag herausgelöst werden können, ohne in die Vertragsfreiheit einzugreifen. Im Vertrag ProGesundheit ist die Installierung eines Versorgungsmanagements Hauptvertragsgegenstand. Soweit im Vertrag ProVita Bestandteile wie die Durchführung von Maßnahmen zur Erweiterung der fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter oder Implementierung einer Qualitätssicherung (Ziff.3.2) enthalten sind, die möglicherweise der Organisationshoheit der Klägerin zugeordnet werden könnten, sind diese internen Maßnahmen nicht von den übrigen rechtswidrigen Leistungsinhalten zu trennen, ohne dass der Vertrag sein Wesen änderte: So soll die Mitarbeiterschulung für die mit dem Fallmanagement befassten Mitarbeiter-/innen erfolgen und die Qualitätssicherung im Zuge der Durchführung von Modul 1.3 und Modul 3.

Die Pflicht zur Kündigung trifft die Klägerin nicht unzumutbar. Nach Ziff. 9.1.1 des Vertrags ProVita und § 8 Abs. 3 des Vertrags ProGesundheit hat sie jeweils ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall, dass die Durchführung des Vertrags im Widerspruch zu einer behördlichen Weisung u.a. der Beklagten steht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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