S 4 R 864/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 4 R 864/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Entscheidung der Beklagten über die Vormerkung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung sowie die fehlende Anerkennung von weiteren Kindererziehungszeiten in dem Versicherungskonto der Klägerin für ihre drei Kinder Q., K. und F ...

Die am 00.00.1950 geborene Klägerin ist Mutter von drei Kindern, namentlich von Q. (geboren am 00.00.1978), K. (geboren am 00.00.1981) und F. (geboren am 00.00.1987). Sie absolvierte in den Jahren 1970 bis 1975 eine Hochschulausbildung. Für diese Zeit sowie davor liegende Zeiten der Schulausbildung ab August 1967 und eine Übergangszeit zum Studium im Jahr 1970 sind in dem Versicherungskonto der Klägerin bei der Beklagten rentenversicherungsrechtlich relevante Zeiten vorgemerkt. Die Klägerin war nach Beendigung der Hochschulausbildung, vom 11.04.1975 bis 03.06.1977, Beamtin auf Widerruf während des Vorbereitungsdienstes für den höheren landwirtschaftlichen Dienst. Seit dem 01.07.1977 bis einschließlich August 2013 war die Klägerin als Beamtin des Landes Nordrhein-Westfalen, namentlich zunächst an der Landwirtschaftskammer in X. und zuletzt als Studienrätin tätig. Sie bezieht ein Ruhegehalt entsprechend der beamtenrechtlichen Versorgungsvorschriften.

Bei der Festsetzung des beamtenrechtlichen Ruhegehaltes sind (ausweislich der Festsetzung der ruhegehaltsfähigen Zeiten des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen mit Datum vom 29.04.2013) folgende Beamtendienstzeiten mit Zeiten der Kindererziehung (mit Erziehungszeiten bis zum 6. Monat, Erziehungsurlaub und Berücksichtigung von Teilzeittätigkeit) festgestellt: vom 01.09.1979 bis 18.09.1979 (Beamtendienstzeit mit Kindererziehung, Teilzeit), vom 19.09.1979 bis 08.04.1981 (Beamtendienstzeit mit Kindererziehung, Teilzeit), vom 09.04.1981 bis 08.10.1981 (Erziehungszeit bis zum 6. Monat), vom 09.10.1981 bis 08.04.1982 (Beamtendienstzeit mit Kindererziehung, Teilzeit), vom 09.04.1982 bis 30.09.1983 (Beamtendienstzeit mit Kindererziehung, Teilzeit), vom 01.10.1983 bis 04.08.1985 (Beamtendienstzeit mit Kindererziehung, Teilzeit), vom 01.08.1987 bis 20.08.1987 (Beamtendienstzeit mit Kindererziehung, Teilzeit), vom 21.08.1987 bis 16.10.1987 (Beamtendienstzeit mit Kindererziehung, Teilzeit), vom 21.08.1987 bis 20.02.1988 (Erziehungszeit bis zum 6. Monat), vom 17.10.1987 bis 20.02.1988 (Erziehungsurlaub ohne Dienstbezüge) und vom 21.02.1988 bis 20.06.1988 (Erziehungsurlaub ohne Dienstbezüge).

Mit Datum vom 09.01.2012 beantragte die Klägerin die Zulassung zur freiwilligen Versicherung bei der Deutschen Rentenversicherung, um einen Anspruch auf Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben. Die Beklagte ließ sie mit Bescheid vom 26.03.2012 zur freiwilligen Versicherung zu. Mit gleichem Datum leitete sie ihr eine Mitteilung zum Rentenbeginn am 01.01.2016 sowie zu den für die Jahre 2011 und 2012 freiwillig geleisteten Beiträgen in Höhe von insgesamt 1.896,00 Euro zu.

Mit Bescheid vom 22.03.2012 merkte die Beklagte in dem Versicherungsverlauf der Klägerin unter anderem Kindererziehungszeiten für die drei Kinder Q., K. und F. für die Zeiten vom 01.10.1978 bis 30.09.1979 (Q.), vom 01.05.1981 bis 30.04.1982 (K. ) und vom 01.09.1987 bis 31.08.1988 (F.), sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 19.09.1978 bis 18.09.1988 (Q.), vom 09.04.1981 bis 08.04.1991 (K.) und vom 21.08.1987 bis 20.08.1997 (F.) vor.

Mit Datum vom 04.01.2013 erhielt die Klägerin von Beklagten eine Information, dass ihre bislang erreichte Rentenanwartschaft einem Gegenwert von 92,52 Euro entspreche.

Nach Aufforderung durch die Beklagte Ende des Jahres 2014 beantragte die Klägerin am 08.01.2015 (Eingang bei der Beklagten am 12.01.2015) die Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in ihrem Versicherungskonto. Dem Antrag lag eine Auskunft über die Feststellung ihrer ruhegehaltsfähigen Zeiten mit Datum vom 29.04.2013 des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen an.

Die Beklagte nahm Ermittlungen auf und fragte beim Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen an, ob die Auskunft über die Feststellung der ruhegehaltsfähigen Zeiten vom 29.04.2013 weiterhin Bestand habe. Mit Bescheid vom 17.02.2015 stellte die Beklagte (ohne vorherige Anhörung) gemäß § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Zeiten bis zum 31.12.2008 verbindlich fest. Zudem hob sie die mit Bescheid vom 22.03.2012 festgestellten Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI mit Wirkung ab dem 01.07.2014 auf. Begründend führte sie an, die Zeiten seien aufgrund einer Rechtsänderung nicht mehr zu berücksichtigen, weil die Klägerin zu diesen Zeiten Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen erworben habe und diese Anwartschaften nach den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung als systembezogen annähernd gleichwertig gelten. Aus dem gleichen Grund sei auch die Anerkennung weiterer Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nicht möglich.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid der Beklagten Widerspruch ein und führte begründend aus, auf der Grundlage des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23.06.2014 (RV-Leistungsverbesserungsgesetz, BGBl. I S. 787) entstünden ihr gravierende Nachteile, da ihr die durch die Beklagte mit Datum vom 04.01.2013 zugesagte Rente in Höhe von 92,52 Euro gestrichen werde. Es solle zudem das Vorliegen der angefragten Stellungnahmen des Innenministeriums für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen abgewartet werden.

Am 04.09.2015 beantragte die Klägerin dann die Gewährung einer Altersrente nach der gesetzlichen Rentenversicherung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie auf Artikel 1 RV-Leistungsverbesserungsgesetz, mit dem der Ausschluss von Anrechnungen von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI mit Wirkung ab dem 01.07.2014 neu gefasst sei. Von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung seien Personen ausgeschlossen, die wie die Klägerin während dieser Zeit Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften erworben haben. Die Aufhebung des Vormerkungsbescheides vom 22.03.2012 entspreche daher der Rechtslage.

Die Beklagte erstattete der Klägerin die von Letzterer gezahlten freiwilligen Beiträge in Höhe von insgesamt 1.896,00 Euro.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 02.12.2015 Klage erhoben. Sie wiederholt das Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend – unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Bundesversicherungsamtes vom 30.10.2015 – aus, dass die beamtenrechtlichen Vorschriften keine annähernd gleichwertigen Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten vorsehen.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 17.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Kindererziehungszeiten für die Kinder Q., K. und F. in den Zeiträumen vom 01.10.1978 bis 30.09.1980 (Q.), vom 01.05.1981 bis 30.04.1983 (K.) und vom 01.09.1987 bis 31.08.1989 (F.), sowie ferner Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die drei Kinder in ihrem Versicherungskonto vorzumerken.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält ihre Verwaltungsentscheidung weiterhin für rechtmäßig.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Ferner hat es einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten am 06.07.2016 anberaumt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und das Protokoll des Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 06.07.2016 Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Statthafte Klageart zur Erreichung des von der Klägerin angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Bescheid der Beklagten vom 17.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2015 ist rechtmäßig. Die zunächst durch die Beklagte erfolgte Vormerkung war nach § 149 Abs. 5 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) aufzuheben. Es ist eine Änderung der dem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden Vorschriften in Form der möglichen Anspruchsgrundlage eingetreten. Nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI ist der Feststellungsbescheid, bei einer Änderung der dem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden Vorschriften, durch einen neuen Feststellungsbescheid oder im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben; die §§ 24 und 48 Zehntes Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sind nicht anzuwenden.

Als Anspruchsgrundlage kommt nur § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI in Verbindung mit den §§ 56 Abs. 1 Satz 2, 57 SGB VI in Betracht, deren Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Zeiten vom 01.10.1978 bis 30.09.1980 (für den Sohn Q.), vom 01.05.1981 bis 30.04.1983 (für die Tochter K.) und vom 01.09.1987 bis 31.08.1989 (für die Tochter F.) als Kindererziehungszeiten. Auch hat sie keinen Anspruch auf Feststellung der Zeiten ab Geburt der Kinder bis zu deren jeweils vollendetem zehnten Lebensjahr vom 01.10.1978 bis 30.09.1988 (für den Sohn Q.), vom 01.05.1981 bis 30.04.1991 (für die Tochter K.) und vom 01.09.1987 bis 31.08.1997 (für die Tochter F.) als Berücksichtigungszeit wegen der Erziehung der drei Kinder.

Nach § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest, wenn das Versicherungskonto geklärt ist oder der Versicherte dem Inhalt des Versicherungsverlaufs innerhalb von sechs Monaten nach dessen Versendung nicht widersprochen hat. Zu den vorzumerkenden, rentenrechtlichen Zeiten zählen auch die hier streitgegenständlichen Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß §§ 54 Abs. 1, 56, 57 SGB VI.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) wird eine Kindererziehungszeit gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI angerechnet, wenn (1.) die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, (2.) die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und (3.) der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Gemäß § 56 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 249 Abs. 1 SGB VI beträgt die Dauer der als Beitragszeit zu berücksichtigenden Kindererziehungszeit für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

Ausgeschlossen von der Anrechnung sind Elternteile unter anderem nach § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt werden (vergleichbar mit den Kindererziehungszeiten nach dem SGB VI). Als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen (vgl. § 56 Abs. 4 Nr. 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Gemäß § 57 Satz 1 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen.

Im vorliegenden Fall greift der Ausschluss des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI zu Lasten der Klägerin, denn sie hat während der Erziehungszeit für die drei Kinder Q., K. und F. Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben. Diese sind auch nach den für sie geltenden beamtenrechtlichen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt (und vergleichbar mit den Zeiten der Kindererziehung nach dem SGB VI), da die gesetzliche Fiktion von § 56 Abs. 4 Nr. 3 letzter Halbsatz SGB VI eingreift.

Die Kinder der Klägerin sind am 00.00.1978 (Q.), am 00.00.1981 (K.) und am 00.00.1987 (F.) und damit vor dem 01.01.1992 geboren. Gemäß den Angaben des Landesamtes für Besoldung aus der Feststellung der ruhegehaltsfähigen Zeiten mit Datum vom 29.04.2013 werden in der beamtenrechtlichen Versorgung der Klägerin für die drei Kinder Kindererziehungszeiten berücksichtigt. Zwar sind diese nicht in einem Umfang berücksichtigt worden, wie es die Regelung in § 249 Abs. 1 SGB VI vorsieht. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich dennoch bei der Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten bei der Festsetzung des Ruhegehaltes um eine gleichwertige Versorgung. Ein quantitativer Vergleich zwischen der Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten nach beamtenrechtlichen Vorschriften einerseits und der Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits ist nicht erforderlich. Die mit Wirkung zum 01.07.2014 eingeführte gesetzliche Fiktion des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI stellt dies klar. Der Gesetzgeber hat deutlich gemacht, dass Beamte generell von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen werden sollen, weil die Beamtenversorgung systembezogen Leistungen für Kindererziehung erbringt (vgl. zur Gesetzesbegründung in dem Entwurf der Bundesregierung und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in BT-Drs. 18/909, S. 21; vgl. zu der vorliegenden Thematik in der aktuellen Rechtsprechung beispielsweise SG Duisburg, Urteil vom 20.05.2016, Az.: S 29 R 91/15, Rn. 17, juris; SG Reutlingen, Urteil vom 14.07.2016, Az.: S 3 R 43/16, Rn. 26, juris)

Durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.06.2014 wurde § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI mit Wirkung vom 01.07.2014 neu gefasst. Nunmehr sind Elternteile von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgeschlossen, wenn sie – wie die hiesige Klägerin – während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt werden wie die Kindererziehung nach dem SGB VI; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

Hintergrund der expliziten Neuregelung des Ausschlusses war, dass die mit Wirkung vom 22.07.2009 gültige Vorfassung zu Rechtsunsicherheiten darüber geführt hatte, was in der Beamtenversorgung (und auch den weiteren betroffenen Versorgungssystemen) als "systembezogen gleichwertig" anzusehen war (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/909, S. 21; Schuler-Harms in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Auflage 2013, Stand: 24.02.2015, § 56 SGB VI, Rn. 6.1 m.w.N., juris). Die Regelung des § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI erhielt in den Beratungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales, der Klärungsbedarf für weitere Personengruppen sah – etwa für von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI befreite Lehrkräfte – seine endgültige Fassung (Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drs.18/1489, S. 5, 26). Bezüglich der mit Wirkung vom 22.07.2009 gültigen Vorfassung hatten verschiedene Gerichte die "systembezogene Gleichwertigkeit" im Falle der Anrechnung von sechs Monaten Kindererziehungszeit in der Beamtenversorgung für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder verneint (vgl. beispielsweise SG Dortmund, Urteil vom 22.03.2013, Az.: S 34 R 1594/10, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 07.01.2013, Az.: 23 K 5322/12, juris). Rechtsfolge der Verneinung war, dass Kindererziehungszeiten sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in der beamtenrechtlichen Versorgung angerechnet wurden. Der Gesetzgeber nahm diese Rechtsprechung zum Anlass, § 56 Abs. 4 SGB VI diesbezüglich zu konkretisieren. Mit der Neufassung durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz ist nunmehr geregelt, dass alle Systeme, die Kindererziehungszeiten "systembezogen annähernd gleichwertig" berücksichtigen, einen Ausschluss der Anrechnung zur Folge haben. In dem neu in § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI eingeführten letzten Halbsatz wird außerdem klargestellt, dass in der beamten- und kirchenrechtlichen Versorgung die systembezogene annähernde Gleichwertigkeit als gewährleistet gilt (vgl. Schuler-Harms in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Auflage 2013, Stand: 24.02.2015, § 56 SGB VI, Rn. 68.1, juris). Das Merkmal der systembezogen annähernd gleichwertigen Berücksichtigung wird somit legal definiert als (zumindest) jede Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

Aufgrund des mit Wirkung vom 01.07.2014 geänderten Gesetzeswortlautes von § 56 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI ist die Anrechnung nunmehr ausgeschlossen, wenn während und aufgrund der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter unter anderem nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen erworben werden. Eine Anrechnung ist demgegenüber jedoch nicht ausgeschlossen, wenn das Alterssicherungssystem, dem die Erziehungsperson angehört, keine Leistung kennt, die der Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung annähernd gleichwertig ist. Erst eine Doppelversorgung rechtfertigt einen Ausschluss (vgl. Schuler-Harms in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Auflage 2013, Stand: 24.02.2015, § 56 SGB VI, Rn. 69 m.w.N., juris).

Nach Auffassung der Kammer liegt – entgegen der Auffassung der Klägerin, sie sei durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz schlechter gestellt – auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Bereits durch die grundrechtlich normierte Sonderstellung von Beamten besteht keine Vergleichbarkeit zwischen Müttern im Beamtenverhältnis und Müttern im Angestelltenverhältnis. Beide Personengruppen sind dementsprechend auch nicht gleich zu behandeln. Eine Schlechterstellung der Klägerin kann die Kammer auch nicht darin erkennen, dass ihr aufgrund ihrer in Teilzeit ausgeübten Tätigkeit nicht der Höchstsatz der beamtenrechtlichen Versorgung zusteht. Vielmehr gibt es in der beamtenrechtlichen Versorgung die sogenannte Mindestversorgung, nach der ein Ruhegehalt einen fest definierten Mindestwert nicht unterschreiten darf. Eine solche fehlt im gesetzlichen Rentenversicherungsrecht gänzlich, so dass sich bereits hieraus ergibt, dass verbeamtete Mütter grundsätzlich besser gestellt sind, als andere Mütter, die nicht verbeamtet sind (vgl. SG Duisburg, Urteil vom 20.05.2016, Az.: S 29 R 91/15, Rn. 19, juris)

Mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten in dem Versicherungskonto der Klägerin besteht kein Anspruch auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die drei Kinder Q., K. und F. nach § 57 Satz 1 SGB VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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