S 10 R 678/18

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 10 R 678/18
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Tätigkeit, die nicht mehr als anerkannter Ausbildungsberuf angeboten wird und am Arbeitsmarkt aufgrund von Veränderungen des Berufsbildes in dieser Form auch nicht mehr gängig ist, (sog. "Altberuf" - hier: Gerätezusammensetzer), kann nicht als Verweisungstätigkeit zur Abwendung einer Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI herangezogen werden.
In Abänderung des Bescheides vom 12. September 2017 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 13. März 2018 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger unter Annahme eines Leistungsfalles am 17. März 2017 beginnend ab 1. Juli 2017 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der 1957 geborene Kläger erlernte nach seiner zehnjährigen Schulausbildung vom 1. September 1974 bis zum 15. Juli 1976 den Beruf eines Installateurs mit der Spezialisierung Gas- und Wasser-Installation (Facharbeiterzeugnis vom 15. Juli 1976). Anschließend arbeitete er in diesem Beruf – lediglich unterbrochen durch einen ca. achtzehnmonatigen Grundwehrdienst und Zeiten erkrankungsbedingter Arbeitsunfähigkeit – bis 31. Dezember 2015 bei verschiedenen Arbeitgebern. Zuletzt war der Kläger bei der W. W.&W. in S. (1. Februar 2006 bis 31. Dezember 2015) versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Januar 2016 ist der Kläger arbeitslos.

Im Juli 2011 wurde bei dem Kläger ein Plattenepithelkarzinom im Bereich des anterioren Mundbodens diagnostiziert, welches operativ versorgt wurde (Unterkieferteilresektion rechtsseitig, Neck-Dissektion über 3 Level beidseits und primärplastische Rekonstruktion mittels mikrovaskulärem anastomosierten Radialis-Transplantat). Die onkologische Behandlung konnte bei andauernder Rezidivfreiheit abgeschlossen werden.

Aufgrund einer zunehmenden psychischen Beschwerdesymptomatik absolvierte der Kläger in der Zeit vom 24. Januar 2017 bis 7. März 2017 eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme im Fachklinikum B. Die Rehabilitation erfolgte unter den Diagnosen undifferenzierte Angststörung, Z. n. Plattenepidelkarzinom im Bereich des anterioren Mundbodens, Z. n. OP, anhaltendes Fatique, schmerzhafte Funktionseinschränkungen des linken Schultergelenkes bei Impingementsyndrom, Lumbalgie mit zeitweiser Aus-strahlung Beinrückseite links, nicht radikulär. Die Entlassung erfolgte arbeitsunfähig in die weitere ambulante hausärztliche und psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung mit der Einschätzung, für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Heizungs-/Sanitärinstallateur bestehe aufgrund der Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Schultergelenkes und der chronischen Lumbalgie ein aufgehobenes Leistungsvermögen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe ein Leistungsvermögen für sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, die überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen und überwiegend im Sitzen in allen Arbeitsorganisationen ausgeübt werden können. Aus orthopädischer Sicht seien gleichförmige Arbeitshaltungen, längere Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, häufiges Bücken, Arbeiten mit Absturzgefahr, Vibrationen und Erschütterungen zu vermeiden (Entlassungsbericht des Fachklinikums B. vom 17. März 2017).

Am 27. Juni 2017 beantragte der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung. Den Rentenantrag begründete er mit einer Einschränkung der Zungenbeweglichkeit und Taubheit im mittleren Mund- und Halsbereich als Folgen der Tumorerkrankung, deutli-chen Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule und des Bewegungsapparates, allgemeine Erschöpfung, psychische Belastung, Schlafstörungen, Grübeln, Angstzuständen, Verfolgungswahn, Depressionen, Erwartungsdruck, Minderwertigkeitsgefühlen sowie Kopf- und Bauchschmerzen.

Auf der Grundlage beigezogener Befundberichte und medizinischer Unterlagen sowie einer beim letzten Arbeitgeber angeforderten Auskunft (Arbeitgeberauskunft W. W.&W. vom 7. August 2017) lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 12. September 2017 ab.

Im Rahmen der Bearbeitung des dagegen eingelegten Widerspruchs holte die Beklagte bei Dr. K., Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie und Psychosomatik, ein psychiatrisches Fachgutachten ein (Gutachten vom 14. November 2017). Dr. K. diagnostizierte Angst und Depression gemischt, die bisher nicht leitliniengerecht behandelt worden sei. Eine akute psychosomatische Behandlung sei dringend indiziert. Er gelangte abschließend zu der Einschätzung, der Kläger sei sowohl als Wasser- und Gas-Installateur als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über sechs Stunden pro Tag leistungsfähig für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten, überwiegend im Gehen, Sehen und Sitzen, in Tag-, Früh- sowie Spätschicht.

Im Januar 2018 wurde bei dem Kläger eine gutartige Raumforderung im Bereich des Mundbodens ohne Nachweis eines Tumorrezidives operativ entfernt. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den ablehnenden Rentenbescheid als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen sei ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit Funktionseinschränkungen festgestellt worden. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig. Auszugehen sei von der zuletzt ausgeüb-ten Tätigkeit als Sanitär- und Heizungsmonteur, die er aufgrund des festgestellten Restleistungsvermögens nicht mehr verrichten könne. Zwar sei der Hauptberuf der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen, der Kläger sei jedoch gesundheitlich und sozial zumutbar auf die Tätigkeit eines Hausmeisters verweisbar.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 28. März 2018 erhobene Klage.

Der Kläger trägt vor, aufgrund seiner erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen sei er nicht mehr in der Lage einer Erwerbstätigkeit im Umfang von mindestens drei Stunden nachzugehen. Zumindest aber habe er Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die vom Beklagten benannte Verweisungstätigkeit sei ihm weder sozial noch gesundheitlich zumutbar.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2018 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI in gesetzlicher Höhe ab 1. Juli 2017 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren getroffenen Entscheidung fest. Zur Begrün-dung hat sie zunächst auf ihre Ausführungen in dem angegriffenen Ausgangs- und Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Das Gericht hat diverse Befundberichte und medizinische Unterlagen bei den behandelnden Ärzten und Kliniken angefordert. Die beim Landratsamt S.-O.-K. geführte Schwerbehindertenakte wurde eingesehen. Danach wurde für den Kläger zunächst mit Bescheid vom 27. Oktober 2011 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt. Nach Ablauf der für die Tumorerkrankung vorgesehenen Heilbewährung wurde der GdB auf 30 abgesenkt (Bescheide vom 15. Februar 2018 und 26. Juni 2018).

Das Gericht hat Beweis darüber erhoben, welche Erkrankungen im Einzelnen bei dem Kläger vorliegen und wie sich diese auf seine Leistungsfähigkeit auswirken, durch Ein-holung eines neuropsychiatrischen Sachverständigengutachtens (Gutachten vom 2. Januar 2019) bei Dr. H., Facharzt für Nervenheilkunde, Psychotherapie, Psychiatrie und Suchtmedizin. Der Sachverständige diagnostizierte fachspezifisch Angst und Depression gemischt sowie Merkmale einer anankastischen (zwanghaften) Persönlichkeitsstö-rung. Ferner diagnostizierte er Z. n. Resektion eines Plattenepithelkarzinoms im Bereich des anterioren Mundbodens 07/2011, verruköse Hyperplasie im Bereich des Lappentransplantates mit Mykose, Impingementsyndrom des linken Schultergelenkes, Lumbago, Spondylarthrose, linkskonvexe Skoliose LWS, Bandscheibenschädigung, ISG-Affektion links, chronischer Schmerz sowie Psoriasis guttata. Er gelangt abschließend zu der Einschätzung, der Kläger könne aus nervenärztlicher Sicht an fünf Tagen in der Woche mindestens sechs Stunden arbeiten. Nach einer Einarbeitungszeit sei ein tägliches Pensum von acht Stunden im Bereich leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten durchaus erreichbar. Aufgrund der psychischen Beeinträchtigungen/Störungen sollte der Kläger keinen Tätigkeiten ausgesetzt werden, welche höhere Anforderungen an das Konzentrationsvermögen stellen, ein rasches Reaktionsvermögen erfordern, unter besonderem Zeitdruck erfolgen (Akkordarbeit), die Überwachung und flexible Steuerung mehrerer synchron ablaufender Arbeitsprozesse erfordern und/oder mit einer herausgehobenen Verantwortung einhergehen (wie bspw. bei der Qualitätskontrolle). Nachtarbeit sollte vermieden werden. Aufgrund der orthopädischen Leiden seien zu meiden: gleichförmige Arbeitshaltung, längere Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, häufiges Bücken, Arbeiten mit Absturzgefahr, Vibrationen und Erschütterungen. Die dargestellten Merkmale einer anankastischen Persönlichkeitsstruktur bedingten eine mäßige Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit. Der Kläger sollte ganz überwiegend Routinetätigkeiten ausführen. Arbeiten, die eine hohe Anpassungsbereitschaft an ständig wechselnde Gegebenheiten und/oder eine gute bis sehr gute Lernfähigkeit voraussetzten, seien zu vermeiden.

Datierend auf den 17. Februar 2019 legte der Kläger eine Stellungnahme seines behan-delnden Psychotherapeuten Dipl.-Psych. K. vor, in der dieser u. a. ausführt, der Sachverständige Dr. H. habe die Komplexität der Erkrankung des Klägers nicht erfasst. Er halte den Kläger im Zusammenwirken von Folgen mehrerer Traumatisierungen/Lebenskrisen, einer Persönlichkeitsstörung, körperlich/psychischen Einschränkungen/Symptomatiken und seines Alters nicht mehr für erwerbsfähig.

Mit Schriftsatz vom 4. April 2019 teilte die Beklagte mit, sie nehme von der benannten Verweisungstätigkeit eines Hausmeisters Abstand. Als zumutbare Verweisungstätigkeit werde nun die Tätigkeit eines Gerätezusammensetzers benannt. Als berufskundliche Quellen legte die Beklagte eine selbst gefertigte Tätigkeitsbeschreibung sowie ein im Auftrag des Sozialgerichts Gotha von K.-H. R. angefertigtes arbeitsmarkt- und berufskundliches Sachverständigengutachten vom 16. Mai 2016 vor.

Der Kläger hat eingewandt, der Sachverständige Dr. H. habe seine Leistungseinschränkungen, im Besonderen das Zusammenspiel verschiedener Faktoren, nicht ausreichend gewürdigt. Dies werde von seinem behandelnden Psychotherapeuten Dipl.-Psych. K. bestätigt. Der Ausübung der von der Beklagten nunmehr benannten Verweisungstätigkeit als Gerätezusammensetzer stünden im Besonderen die Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Schultergelenkes und der Wirbelsäule entgegen.

Die Beklagte sieht ihre Entscheidung durch die Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. bestätigt. Ergänzend trägt sie vor, aufgrund des festgestellten Restleistungsvermö-gens sei dem Kläger die Ausübung der Tätigkeit eines Gerätezusammensetzers gesundheitlich zumutbar. Die von Dr. H. konkret benannten qualitativen Einschränkungen stünden einer solchen Tätigkeit nicht entgegen. Der Kläger verfüge zudem über umfangreiche Kenntnisse aus seiner langjährigen Tätigkeit als Gas- und Wasserinstallateur, so dass eine Einarbeitung in diesen Beruf innerhalb von drei Monaten für unproblematisch erachtet werde. Der berufskundliche Sachverständige K.-H. R. habe in seinem Gutachten vom 16. Mai 2016 eine zumutbare Verweisungstätigkeit ausreichend beschrieben und dabei konkret die Kenntnisse eines Gas- und Wasserinstallateurs für die Beurteilung der Einarbeitungsmöglichkeiten zugrunde gelegt.

Das Gericht hat ergänzend die im "berufenet" der Bundesagentur für Arbeit abrufbaren (www.berufenet.de) Informationen zur Tätigkeit eines Gerätezusammensetzers bzw. einer Fachkraft für Metalltechnik der Fachrichtung Montagetechnik beigezogen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2019, den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2018 ist teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger insofern in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Zutreffend hat die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) verneint (nachfolgend unter 1.). Der Kläger hat jedoch Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI (nachfolgend unter 2.).

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung auf der Grundlage von § 43 SGB VI.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und die versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn die Versicherten voll erwerbsge-mindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Voll erwerbsgemindert sind sie, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2).

Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Eine quantitative, d.h. zeitlich und damit rentenberechtigende Leistungseinschränkung muss als anspruchsbegründende Tatsache erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsache als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchs-begründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90).

Die vorliegenden medizinischen Unterlagen belegen nicht, dass die bestehenden Gesundheitsstörungen den Kläger daran hindern eine Arbeitsleistung von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich unter Beachtung besonderer qualitativer Leistungseinschränkungen zu erbringen. Zwar wird sein Leistungsvermögen durch Gesundheitsstörungen vorrangig auf psychiatrischen Fachgebiet durch Angst und Depression sowie die Merkmale einer anankastischen (zwanghaften) Persönlichkeitsstörung und auf orthopädischem Fachgebiet durch Funktionseinschränkungen im Bereich der linken Schulter und der Wirbelsäule in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. Eine quantitative Leistungsminderung lässt sich jedoch nicht begründen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen des Klägers entnimmt die Kammer dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und der Beweisaufnahme, insbesondere dem von Dr. H. erstellten Sachverständigengutachten vom 2. Januar 2019. Der Sachverständige ist den Beschwerden des Klägers sorgfältig nachgegangen und hat die Befunde aufgrund körperlicher und neurologisch/psychiatrischer Untersuchung sowie aufgrund einer ausführlichen Exploration erhoben. Die Kammer hat keinen Anlass an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und der Richtigkeit der daraus abgeleiteten Leistungsbeurteilung zu zweifeln. Das Gutachten ist schlüssig und plausibel begründet und in sich widerspruchsfrei. Bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt stimmt die von Dr. H. getroffene Leistungseinschätzung mit der des Rehabilitationsentlassungsberichtes des Fachklinikums B. vom 17. März 2017 und der Einschätzung des Vorgutachters im Verwaltungsverfahren Dr. K. im Wesentlichen überein.

Sofern der Kläger unter Verweis auf die Stellungnahme seines behandelnden Psychotherapeuten Dipl.-Psych. K. vom 17. Februar 2019 eingewandt hat, der Sachverständige Dr. H. habe das Zusammenspiel verschiedener Faktoren und Erkrankungen, nicht aus-reichend gewürdigt, folgt die Kammer dem nicht. Dr. H. hat in dem vorliegenden Sach-verständigengutachten zunächst die vordergründig leistungslimitierende psychische Beschwerdesymptomatik analysiert und dabei das Erkrankungsbild einer Angst und De-pression gemischt sowie die Merkmale einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung - wie sie auch von Dipl.-Psych. K. beschrieben werden - einschließlich der hieraus für das Erwerbsleben abzuleitenden Einschränkungen herausgearbeitet. Darüber hinaus hat er in seine Bewertung die Befunde der durchlaufenen Tumorerkrankung und die Befunde der behandelnden Orthopädin Dr. F. einbezogen und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund der Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates qualitative Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen sind, wie sie sich auch aus dem Entlassungsbericht des Fachklinikums B. vom 17. März 2017 ergeben. Die insgesamt dargestellten und im Tatbestand wiedergegebenen qualitativen Einschränkungen lassen in ihrem Zusammenspiel weder auf eine quantitative Leistungsminderung schließen, noch ergeben sich Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsminderung. Die bei dem Kläger einzuhaltenden qualitativen Einschränkungen bewegen sich in dem Bereich, der üblicherweise mit körperlich leichten bis mittelschweren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vereinbar ist. "Ernste Zweifel" daran, dass der Kläger trotz der im Einzelnen benannten qualitativen Leistungseinschränkungen noch zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Ar-beitsmarkts arbeiten kann, bestehen nicht. Das festgestellte Restleistungsvermögen erlaubt ihm jedenfalls Verrichtungen oder Tätigkeiten, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen, die in ungelernten körperlich leichten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R).

2.

Der Kläger hat indessen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf eine solche Rente, die bei Erfüllung der - hier vorliegenden und nicht streitigen - sonstigen Voraussetzungen, vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind nach Abs. 2 der Vorschrift Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist nach ständiger Rechtspre-chung des Bundessozialgerichts (BSG) der bisherige Beruf, den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel handelt es sich dabei um die der Versicherungspflicht zugrundeliegende Berufstätigkeit, die der Versicherte zuletzt auf Dauer, das heißt mit dem Ziel verrichtet hat, sie bis zur Erreichung der Altersgrenze oder bis zum Eintritt eines Versicherungsfalles auszuüben. Eine kurzfristige Ausübung dieser Berufstätigkeit genügt, wenn sie die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist. Der Versi-cherungsfall ist eingetreten, wenn das versicherte Gut, das heißt die Berufsfähigkeit des Versicherten, durch die in der Rentenversicherung abgedeckten Risiken der Krankheit oder der Behinderung in erheblichem Umfang und dauerhaft derart beeinträchtigt ist, dass er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann; hierfür trägt der Versicherte die Darlegungs- und objektive Beweislast (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 1996 - Az.: 4 RA 104/94). Kann der Versicherte seinen bisherigen Beruf noch ausüben, fehlt es folg-lich an einer Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Gemessen an diesen Maßstäben ist der bisherige Beruf des Klägers der des Gas- und Wasser-Installateurs. Diesen Beruf hat der Kläger erlernt und sein gesamtes bisheriges Erwerbsleben, zuletzt versicherungspflichtig vom 1. Februar 2006 bis 31. Dezember 2015 bei der W. W.&W. in S. ausgeübt. Nach den Feststellungen im Verfahren - dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit - ist der Kläger gesundheitlich, aufgrund der psychischen Beschwerdesymptomatik und den Einschränkungen seitens des Stütz- und Bewegungsapparates, nicht mehr in der Lage, weiterhin als Gas- und Wasser-Installateur zu arbeiten.

Allerdings ist nicht in jedem Fall derjenige berufsunfähig, der seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. Der Versicherte darf vielmehr nicht mehr in der Lage sein, eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig auszuüben. Dabei hat er auch einen begrenzten beruflichen Abstieg hinzunehmen; er kann sogar auf sozial niedriger bewertete Berufe verwiesen werden. Zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung der zumutbaren Verweisungstätigkeiten lassen sich die Arbeiterberufe hierarchisch nach der Leistungsqualität in geordnete Gruppen aufgliedern. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung die Berufe der Arbeiter in vier Gruppen unterteilt, die der Bedeutung des Berufes sowie die Dauer und dem Umfang der Ausbildung entsprechen (sogenanntes Mehrstufenschema). Die Untergliederung ist charakterisiert durch die Leitberufe des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion oder des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters mit einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren (regelmäßig drei Jahren), des angelernten Arbeiters mit einem Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit bis zu zwei Jahren und des ungelernten Arbeiters (vgl. beispielhaft BSG, Urteil vom 9. September 1986 - 5b RJ 82/85; grundlegend BSG, Urteil vom 30. März 1977 - 5 RJ 98/76). Die Einordnung eines bestehenden Berufes in dieses Schema erfolgt dabei nicht ausschließlich nach der Dauer der Berufsausbildung, sondern auch nach den Qualitätsanforderungen der verrichteten Arbeit insgesamt, das heißt nach dem aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnden Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 1996 - 5 RJ 106/95). Wichtigstes Merkmal für die Qualität eines Berufes ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG grundsätzlich die tarifliche Einstufung der Tarifvertragsparteien. Als zumutbaren beruflichen Abstieg hat die Rechtsprechung des BSG den Abstieg in die jeweils niedrigere Stufe angenommen. Um eine Nachprüfung zu ermöglichen, wird verlangt, dass die Tätigkeit, auf die verwiesen wird, in ihren typischen Merkmalen (Anforderungsprofil) beschrieben wird.

Der Kläger hat erfolgreich eine Facharbeiterausbildung zum Installateur mit der Spezialisierung Gas- und Wasser-Installation abgeschlossenen und diesen Beruf langjährig ausgeübt. An der Zuordnung zur Gruppe der Facharbeiter bestehen - auch unter Berücksichtigung der Angaben der W. W.&W. in der Arbeitgeberauskunft vom 7. August 2017 - keine Zweifel.

Nach den vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen muss sich der Kläger sozial zumutbar auf all diejenigen Tätigkeiten verweisen lassen, die zu den Facharbeiterberufen und den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehören oder die eine echte, d. h. über eine bloße Einweisung und Einarbeitung hinausgehende, betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten Dauer erfordern oder wegen ihrer Qualität tariflich wie sonstige Ausbildungsberufe bewertet werden, wenn er dazu gesundheitlich imstande und beruflich fähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. BSG, Urteil vom 17. No-vember 1987 - 5b RJ 10/87; BSG, Urteil vom 27. April 1989 - 5 RJ 29/88).

Zutreffend hat die Beklagte von der zunächst benannten Verweisungstätigkeit eines Hausmeisters Abstand genommen, denn der Kläger kann die gesundheitlichen Anforde-rungen einer solchen Tätigkeit aufgrund des im Verfahren festgestellten Restleistungsvermögens nicht erfüllten.

Auf die von der Beklagten im Verfahren benannte Tätigkeit eines Gerätezusammensetzers ist der Kläger nach Überzeugung der Kammer ebenfalls nicht verweisbar.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Kläger bei genauer Betrachtung des Tätigkeitsprofils eines Gerätezusammensetzers bereits gesundheitlich nicht in der Lage diesen Beruf auszuüben.

Die Tätigkeit des Gerätezusammensetzers beinhaltet das zusammensetzen vorgefertigter Einzelteile zu funktionierenden Produkten, bspw. Telefone, Handys, Mixer oder Kaffeemaschinen. In dem für das Sozialgericht Gotha erstellten Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen K.-H. R. vom 16. Mai 2016 - hierauf beruht auch die von der Beklagten selbst erstellte Tätigkeitsbeschreibung - werden die Tätigkeit im Einzelnen sowie Ausbildung, notwendige Kenntnisse und Zugang zum Beruf des Gerätezusammensetzers im Wesentlichen wie folgt beschrieben:

"Das Zusammensetzen geschieht durch verschrauben, verstiften, vernieten, gelegentlich auch durch verlöten. Wenn nötig muss gefeilt und gebohrt werden. Nach der Montage stellen die Gerätezusammensetzer sicher, dass die zusammengesetzten Geräte und Kleinmaschinen wie vorgesehen funktionieren. Es wird üblicherweise nach Anweisung gearbeitet. Bei der Tätigkeitsverrichtung ist Sorgfalt gefragt. Gearbeitet wird mit elektrischen Schraubendrehern, Entgratern, Zangen und Pinzetten, gelegentlich auch mit Lötkolben. Die Sollwerte werden mit Messuhren, Messschiebern und auch Spannungsprüfern geprüft. Eine falsche Bohrung könnte das gefertigte Teil unbrauchbar machen. Gerätezusammensetzer arbeiten häufig an einem Einzelarbeitsplatz, überwiegend im Sitzen, mit der Gelegenheit bei Bedarf aufzustehen und sich durchzubewegen. Ständige Zwangshaltungen entfallen. Üblich ist die Benutzung von Sitzhockern. Gelegentliches Gehen wird notwendig beim Heranholen von Materialien und Werkzeugen. In der Regel wird in temperierten Fertigungs- und Montagehallten gearbeitet und das an hüfthohen Arbeitstischen. Gefragt ist eine normale Fingerfertigkeit und durchschnittliches Konzentrationsvermögen. Eine sehr geringe Belästigung durch Lärm beim Bohren, durch Metallstaub und durch Dämpfe beim Löten ist nicht auszuschließen. Die sehr geringe Lärmbelästigung ist sicher kein gesundheitsschädigender Stressfaktor. Bei der Herstellung von Telefonen, Haushaltgeräten, Büromaschinen, Kameras, Waagen und Thermometern wird körperlich nur leicht gearbeitet. Viele Produktionsbetriebe, die vorstehend genannte Produkte fertigen, arbeiten ohne Nachtschicht und Akkordarbeit. Knien und Bücken entfällt.

Gerätezusammensetzer ist ein anerkannter Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG). Diese Bundesweit geregelte 1,5-jährige Ausbildung wird in Industrie und Handwerk angeboten. Der Zugang zur Tätigkeit ist nicht geregelt. Eine abgeschlossene Berufsausbildung als Gerätezusammensetzer ist hilfreich. Gerätezusammensetzer in der Metallindustrie werden nach der Lohngruppe 5 des einschlägigen Tarifvertrages entlohnt. In die Lohngruppe 5 sind Mitarbeiter nach zweijähriger Anlernausbildung eingestuft und auch ausgebildete Gerätezusammensetzer mit mindestens 6 Monaten Berufspraxis in einem Metallberuf."

Die so von dem Sachverständigen K.-H. R. beschriebene Tätigkeit eines Gerätezusam-mensetzers scheint mit dem festgestellten Restleistungsvermögen des Klägers übereinzustimmen. Das berufskundliche Sachverständigengutachten vom 16. Mai 2016 vermag aus Sicht der Kammer allerdings im Detail nicht zu überzeugen. Es erweist sich in mehreren Punkten als unzulänglich.

Dies betrifft zunächst die wiedergegebene Tätigkeitsbeschreibung als solche im Vergleich zu den im "berufenet" der Bundesagentur für Arbeit abrufbaren Informationen zum Beruf des Gerätezusammensetzers (www.berufenet.de - Datenstand 1. Juli 2013). Große Teile der Beschreibung der Bundesagentur für Arbeit stimmen mit den Feststellungen des Sachverständigen K.-H. R. überein, in - gerade für das vorliegende Verfahren wesentlichen Punkten - finden sich indessen von dem berufskundlichen Sachver-ständigen K.-H. R. nicht erklärte bzw. fachkundig nachgewiesene Abweichungen. So arbeiten Gerätezusammensetzer nach den Informationen der Bundesagentur für Arbeit auch mit computergesteuerten Maschinen, erledigen einfache Einstellarbeiten an Werkzeugmaschinen, führen einfache Dreharbeiten aus, greifen ganz kleine Schrauben mit Pinzetten, prüfen die zusammengesetzten Erzeugnisse nicht nur auf ihre Funktionstüchtigkeit, sondern stellen auch Funktionen ein. Nach den Informationen der Bundesagen-tur für Arbeit ist "Sorgfalt auch im Akkord" angezeigt ("Auch wenn Gerätezusammensetzer im Akkord oder in Nachtschicht arbeiten oder größere Stückzahlen des gleichen Produktes prüfen, arbeiten sie konzentriert."), was gerade nicht darauf schließen lässt, dass viele Betriebe der Fertigungsbranche auf Akkord- und Nachtarbeit verzichten. Das Zusammensetzen wird als Präzisions- und Feinarbeit beschrieben, denn Bauteile müssen auf bis zu einem tausendstel Millimeter genau in die vorgesehene Position gebracht werden. Häufig werden größere Stückzahlen des gleichen Produktes gefertigt, so dass Gerätezusammensetzer bei den sich laufend wiederholenden Arbeitsschritten immer in der gleichen Körperhaltung arbeiten und viel Ausdauer benötigen, so dass die Arbeit durchaus auch körperlich anstrengend sein kann. Schließlich werden außerdem die weiteren Arbeitsbedingungen hinsichtlich Lärm-/Staub-/Schadstoffbelastung in den Informationen der Bundesagentur für Arbeit konkreter - im Besondern bezogen auf das Hauptein-satzgebiet der Gerätezusammensetzer in der Haushaltgeräte- und Elektroindustrie sowie im Maschinen und Anlagenbau – dargestellt, als es bei Bohr- und Lötarbeiten laut werden kann, oft feiner Metallstaub und der Geruch von Lösungsmitteln in der Luft liegt, Gerätezusammensetzer mit Schmierstoffen in Kontakt kommen und daher zum Schutz in manchen Bereichen der Produktion Schutzkleidung, ggf. auch Gehör- und Atemschutz tragen. Dies lässt – anders als von dem Sachverständigen K.-H. R. dargestellt - nicht für den Regelfall auf eine sehr geringe Exposition von Lärm, Staub und Gasen schließen. Zusammenfassend werden als Arbeitsbedingungen im Einzelnen von der Bundesagentur für Arbeit noch einmal ausdrücklich benannt: Arbeit unter Lärm, Schichtarbeit, Arbeit mit technischen Geräten, Maschinen und Anlagen (z. B. computer-gesteuerte Maschinen, elektrische Schraubendreher), Präzisions- und Feinarbeit. Die differenten Darstellungen im Detail im berufskundlichen Gutachten vom 16. Mai 2016 und den Informationen der Bundesagentur für Arbeit sind nicht nachvollziehbar, zumal das von dem Sachverständigen K.-H. R. erstellte Gutachten keine Quellenangaben oder Erkenntnisnachweise aufführt.

Legt man - wie hier die Kammer - der Bewertung die durch die Informationen der Bundesagentur für Arbeit ergänzte Tätigkeitsbeschreibung des Gerätezusammensetzers zugrunde, ist diese nicht mit dem im Verfahren sachverständig medizinisch festgestellten Restleistungsvermögen des Klägers in Übereinstimmung zu bringen. Aufgrund der psychischen Beeinträchtigungen/Störungen kann der Kläger keine Tätigkeiten verrichten, die – wie Präzisions- und Feinarbeit - höhere Anforderungen an das Konzentrationsvermögen stellen oder, die – wie doch häufiger in den Branchen anzutreffende Akkordar-beit - unter besonderem Zeitdruck erfolgen. Da dem Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. auch die Überwachung und flexible Steuerung mehrerer synchron ablaufender Arbeitsprozesse und/oder mit einer herausgehobenen Verantwortung einhergehende Arbeiten (wie bspw. bei der Qualitätskontrolle) nicht abverlangt werden können, bestehen begründete Zweifel daran, dass der Kläger den Anforderungen an Prüfung und Funktionseinstellung der zusammengesetzten Erzeugnisse gerecht werden kann. Die als häufig beschriebenen sich wiederholenden Arbeitsschritte bei der Fertigung größerer Stückzahlen in immer gleicher Körperhaltung sind aufgrund der orthopädischen Leiden (keine gleichförmige Arbeitshaltung, keine längeren Zwangshaltungen) dem Kläger ebenso wenig zumutbar, wie Arbeiten an laufenden Maschinen oder mit elektrischen Werkzeugen, wie Schraubendrehern (keine Vibrationen und Erschütterungen, keine erhöhte Stressbelastung durch Lärm).

Dass der Kläger, der nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. ganz über-wiegend Routinetätigkeiten ausführen sollte, eventuell einen Teilbereich der Tätigkeit eines Gerätezusammensetzers ausfüllen könnte, bspw. Zusammensetzen und Prüfen einfacher Geräte und Bauteile, ohne Akkord- oder Schichtarbeit ohne den Einsatz vibrierender oder erschütternder Geräte und Maschinen, genügt nicht, denn die konkrete Verweisungstätigkeit muss im Rahmen der Bewertung der Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI eine gewisse Qualität (hier die Stufe des Angelernten des oberen Bereiches) erreichen und sich damit von einfachen ungelernten Tätigkeiten eines Produktionshelfers abgrenzen.

Unabhängig von der nach Einschätzung der Kammer gesundheitlichen Unzumutbarkeit ist die Benennung der Tätigkeit eines Gerätezusammensetzers als Verweisungstätigkeit hier untauglich, weil sie in dieser Form am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aktuell nicht mehr besteht. Nach den von der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellten Informationen wurde die einstmals 1,5-jähre anerkannte Ausbildung zum Gerätezusammensetzer bereits am 1. August 2013 von der Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik in der Fachrichtung Montagetechnik abgelöst. Die Recherche nach offenen Stellen in der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit (Stand 13. Mai 2019) unter der Berufsbe-zeichnung Gerätezusammensetzer zeigt ausschließlich Ergebnisse unter abweichender Berufsbezeichnung, wie Fachkraft für Metalltechnik, Abkanter, Metallfacharbeiter, Spengler, Maschinenbediener, Teilezurichter, Montagemitarbeiter Metalltechnik, etc. Keine der aufgezeigten Arbeitsangebote wurde unter der Bezeichnung Gerätezusammensetzer offeriert. Auch insofern erweist sich das berufskundliche Gutachten des Sachverständigen K.-H. R., welches am 16. Mai 2016 - fast drei Jahre nach der Neuaus-richtung mehrerer ("Alt-") Metallberufe - fertig gestellt wurde, als in einem wesentlichen Punkt unzulänglich. Im Gutachten finden sich keinerlei Ausführungen und/oder Hinweise auf den seit mindestens 1. August 2013 eingetretenen Wandel des Berufsbildes und der zugehörigen Ausbildung. Eine Tätigkeit, die nicht mehr als anerkannter Ausbildungsberuf angeboten wird und am Arbeitsmarkt aufgrund von Veränderungen des Berufsbildes in dieser Form auch nicht mehr gängig ist (sog. "Altberuf"), kann nicht als Verweisungstätigkeit zur Abwendung einer Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI herangezogen werden. Denn maßgeblich für einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist, ob es dem Versicherten im entscheidungsrelevanten Zeitpunkt tatsächlich möglich ist, eine mit der zuletzt ausgeübten Tätigkeit sozialadäquat vergleichbare Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt auszuüben.

Sofern die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, es komme nicht hauptsächlich darauf an, wie die Verweisungstätigkeit benannt wird, sondern darauf, ob eine sozial und gesundheitlich zumutbare Tätigkeit ausreichend beschrieben wird, ist dem im Ausgangspunkt zuzustimmen. Die eingeschränkte Verweisbarkeit erfordert, dass mindestens eine in Betracht kommende Verweisungstätigkeit konkret bezeichnet, d. h. ein typischer Arbeitsplatz benannt wird. Dabei muss die typisierende Beschreibung des Arbeitsinhalts erkennen lassen, welche Anforderungen an das Leistungsvermögen sowie an die Kenntnisse und Fähigkeiten des Versicherten gestellt werden (vgl. Nazarek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 240 SGB VI Rn. 91). Fortschreitendende Technisierung und Digitalisierung führen naturgemäß zu Veränderungen in den Berufsbildern, den Arbeitsinhalten einzelner Berufe und den namentlichen Berufsbezeichnungen. Dabei muss eine Änderung der offiziellen Berufsbezeichnung oder des Ausbildungsberufes nicht zwingend mit einer wesentlichen Änderung des typischen Arbeitsinhaltes einhergehen. So liegt der Fall hier aber nicht. Der Beruf des Gerätezu-sammensetzers wurde in einer 1,5-jährigen Ausbildungszeit erlernt. Die seit 1. August 2013 angebotene Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik in der Fachrichtung Montagetechnik dauert hingegen zwei Jahre. Bereits die Verlängerung der Ausbildungszeit lässt auf weitergehende Ausbildungs- und Tätigkeitsinhalte und eine weitere Spezialisierung der den Metallberufen angegliederten Tätigkeit schließen. Die im berufskundlichen Gutachten vom 16. Mai 2016 dargestellte Tätigkeitsbeschreibung für den Beruf des Gerätezusammensetzers kann daher nicht ohne Weiteres auf den aktuell am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt eingeführten Beruf einer Fachkraft für Metalltechnik in der Fachrichtung Montagetechnik übertragen werden.

Der Kläger ist nach Überzeugung der Kammer aber selbst dann berufsunfähig, wenn man die Tätigkeit als Fachkraft für Metalltechnik in der Fachrichtung Montagetechnik als Verweisungstätigkeit in die Prüfung einbezieht.

Nach den Informationen der Bundesagentur für Arbeit (www.berufenet.de - Daten-stand 13. Mai 2019) montieren Fachkräfte für Metalltechnik der Fachrichtung Montagetechnik Bauteile und Baugruppen oder Baugruppen zu Maschinen bzw. Gesamtproduk-ten. Es handelt sich um einen 2-jährigen anerkannten Ausbildungsberuf in der Industrie. In der Regel benötigt man für den Zugang zur Tätigkeit eine abgeschlossene Berufsausbildung in diesem Beruf oder einem der Vorläuferberufe (Gerätezusammensetzer, Maschinenzusammensetzer, Teilezurichter). Als charakterliche körperliche Anforderungen werden benannt: Körperkraft (z. B. schwere Bauteile heben und tragen), Funktionstüchtigkeit der Arme und Hände (z. B. Werkstücke mit Fräsen, Feilen, Sägen oder Bohrern nacharbeiten), Feinmotorik der Hände und Finger (z. B. elektrische Anschlüsse und elektronische Bauteile montieren), Nahsehvermögen - auch korrigiert ( z. B. Montage- und Schaltpläne ablesen), gesunde, widerstandsfähige Haut an den Händen und Armen (z. B. mit Schmierstoffen und Reinigungsmitteln umgehen), gesunde Atemwege und Lunge (z. B. Kontakt mit feinem Metallstaub, Lötrauch und Klebstoffdämpfen).

Die Arbeitsbedingungen einer Fachkraft für Metalltechnik der Fachrichtung Montagetechnik im Einzelnen werden in den Informationen der Bundesagentur für Arbeit (www.berufenet.de - Datenstand 13. Mai 2019) wie folgt beschrieben: Arbeit mit tech-nischen Geräten, Maschinen und Anlagen (z.B. Hebezeuge, Messuhren oder Span-nungsprüfer); Handarbeit (z.B. Nachbearbeiten von Werkstücken mit handgeführten Maschinen und Werkzeugen wie Fräsen, Feilen, Sägen oder Bohrern); Tragen von Schutzkleidung, -ausrüstung (je nach Tätigkeit Schutzkleidung, z.B. Arbeitshandschuhe, Schutzbrille, Atemschutz und Sicherheitsschuhe); Arbeit in Werkstätten, Werk-/Produktionshallen; Arbeit bei Rauch, Staub, Gasen, Dämpfen (z.B. Metallstaub), Arbeit unter Lärm (z.B. Maschinenlärm in der Werkhalle); Arbeit mit Schmierstoffen (Öl, Fett); Unfallgefahr (z.B. Verletzungsrisiko beim Umgang mit Hebezeugen); Präzisions-, Fein-arbeit (z.B. elektrische Anschlüsse oder elektronische Bauteile montieren), schweres Heben und Tragen (z.B. schwere Bauteile heben) und Gruppen-, Teamarbeit (z.B. bei der Montage größerer Anlagen).

Den damit umschriebenen gesundheitlichen Anforderungen an eine Fachkraft für Metalltechnik der Fachrichtung Montagetechnik, im Besonderen den Anforderungen an die Arbeitsschwere, Arbeiten mit technischen Geräten, Maschinen und Anlagen, Präzisions- und Feinarbeit, kann der Kläger aufgrund der bereits dargestellten psychischen Beein-trächtigungen/Störungen sowie der orthopädischen Leiden im Bereich der linken Schulter und der Wirbelsäule ebenfalls nicht gerecht werden. Aus diesem Grund kann dahin-stehen, ob ihm mit den Vorkenntnissen eines Gas- und Wasser-Installateurs tatsächlich eine Einarbeitung in diesen Beruf innerhalb von drei Monaten unproblematisch möglich ist. Für das aktuell relevante Berufsbild einer Fachkraft für Metalltechnik der Fachrichtung Montagetechnik bestehen seitens der Kammer aufgrund der deutlich gewordenen Spezifik der Tätigkeit in der Produktfertigung der Metall-, Elektro- und Hausgeräteindustrie sowie im Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau zumindest Zweifel, ob das aus seiner Tätigkeit als Gas- und Wasser-Installateurs bekannte Heften, Bohren und Sägen sowie die Kenntnis von präzisen Arbeiten - allein hierauf stellt der berufskundliche Sachverständige K.-H. R. in seinem Gutachten vom 16. Mai 2016 für die Verweisbarkeit auf die Tätigkeit des Gerätezusammensetzers ab - tatsächlich ausreichen.

Andere Verweisungstätigkeiten, die dem Kläger sozial und gesundheitlich zumutbar sein könnten, sind weder benannt, noch ersichtlich. Der Kläger hat daher Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Hinsichtlich des Eintritts der Berufsunfähigkeit (Leistungsfall) stellt die Kammer auf den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik B. vom 17. März 2017 ab. Bereits hier wird nachvollziehbar dargestellt, dass der Kläger vordergründig aufgrund der orthopädischen Leiden die Tätigkeit als Gas- und Wasser-Installateur nicht mehr verrichten kann. In Anwendung von § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI war die Rente dem Kläger - ent-sprechend der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung - ab 1. Juli 2017 zuzu-sprechen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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