L 11 KA 36/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 240/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 36/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.03.2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine Genehmigung zur Abrechnung der Gebührenordnungsposition (GOP) 34282 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM).

Sie ist Trägergesellschaft mehrerer Medizinischer Versorgungszentren (MVZ). Am 16.04.2014 genehmigte die Bezirksregierung Köln den Betrieb der Röntgeneinrichtung "Selenia Dimensions mit Tomosynthesezusatz" nach der Röntgenverordnung. Am 16.12.2014 erteilte das Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen für das MVZ der Klägerin in H die Genehmigung zur Anwendung dieses Geräts im Rahmen der Abklärungsdiagnostik nach § 17 der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie.

Unter dem 16.07.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erweiterung der Mammographie-Genehmigung vom 15.12.2014 um "Tomographien (Schichtaufnahmen) der Brust mittels Röntgen (Tomosynthese) gemäß Nr. 34282 EBM" für ihren in der Zweigpraxis H angestellten Facharzt für Radiologie Dr. P, der über eine Genehmigung zur Durchführung und Erbringung von Mammographien nach GOP 34260, 34270 ff. EBM verfügt (Bescheid vom 15.12.2014). Zur Begründung führte sie aus, diese Leistung entspreche der in dieser GOP festgelegten Leistungsbeschreibung "Schichtaufnahmen, je Strahlengang und Projektionsrichtung". Das digitale Vollfeld-Detektor-Mammographie-Gerät erlaube aufgrund seines Tomosynthese-Zusatzes die Bewegung der Röntgenröhre um einen definierten Winkel und biete deshalb die Möglichkeit, aus dem digitalen Datensatz der aus 15 verschiedenen Projektionen erstellten Aufnahmen einen Millimeter dünne Schichten zu rekonstruieren. Wie bei konventionellen Röntgengeräten mit Schichtzusatz könnten millimeterdünne Ebenen scharf und ohne Überlagerung durch Summationseffekt abgebildet werden. Bei Röntgenuntersuchungen der Brust gebe es genauso wie bei anderen Organen eine Indikation zur Anfertigung von Schichtaufnahmen, wenn z.B. bei einer Brustdichte ab ACR 3, bei Verdichtungen und Mikrokalk zur sicheren Abklärung der Fragestellung eine Aufhebung des Summationseffekts erforderlich sei. Schichtaufnahmen der Brust seien bisher nur deshalb nicht möglich gewesen, weil sich eine Brust nicht an einem konventionellen Röntgenarbeitsplatz mit Schichtzusatz untersuchen lasse und herkömmliche Mammographiegeräte über keinen Schichtzusatz verfügten. Irgendwelche Ausschlusstatbestände für den Ansatz der GOP 34282 EBM - insbesondere Beschränkungen des Anwendungsbereichs auf "Nicht-Brust-Organe" - seien nicht ersichtlich. Es gebe keinen nachvollziehbaren Grund, eine Leistung, die unter den Wortlaut einer EBM-Ziffer und unter die im Rahmen eines Krebs-Früherkennungsprogramms der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durchführbaren Untersuchungen falle, vom kurativen Leistungsangebot auszunehmen. Vielmehr müsse aus der Anerkennung der Röntgen-Tomographie der Brust als Bestandteil eines freiwilligen Reihenuntersuchungsprogramms im Sinne eines Erst-Recht-Schlusses zwingend die Einordnung dieser Leistung als vom Kreis des kurativen GKV-Leistungsangebots erfasst folgen. Zahlreiche Studien würden die Vorteile des Brust-Schichtverfahrens (Tomosynthese) belegen (wird ausgeführt).

Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 11.01.2016; Widerspruchsbescheid vom 16.03.2016): Gemäß Abs. 2.1.3 der unter I aufgeführten Allgemeinen Bestimmungen des EBM sei eine GOP nicht berechnungsfähig, wenn deren obligate und - sofern vorhanden - fakultative Leistungsinhalte vollständig Bestandteil einer anderen berechnungsfähigen GOP seien. Dies sei auch anzuwenden, wenn die Leistung in verschiedenen Abschnitten/Kapiteln des EBM aufgeführt sei. Eine Analogabrechnung gemäß GOP 34282 EBM sei nicht möglich. Nach Auffassung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) stelle die Tomosynthese im Rahmen der Mammographie keine eigenständige vertragsärztliche Leistung dar und sei nicht als Schichtaufnahme nach GOP 34282 EBM berechnungsfähig. Sofern bei der Untersuchung eine normale Mammographieaufnahme erfolge, könne diese mit der GOP 34270 EBM abgerechnet werden. Denn die Mammographie, die technisch zur Tomosynthese weiterentwickelt worden sei, werde im EBM als eigenständige Leistung abgebildet.

Am 08.04.2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Schichtaufnahmen der Brust nach GOP 34282 EBM seien erfüllt. Insbesondere liege ein Berechnungsausschluss-Tatbestand nach Abs. 2.1.3 der unter I aufgeführten Allgemeinen Bestimmungen des EBM ebenso wenig vor, wie dies im Verhältnis von Schichtaufnahmen und Übersichtsaufnahmen anderer Organe als der Brust gelte. Die Brust sei als Organ vom Anwendungsbereich der GOP 34282 EBM von deren Wortlaut her erfasst. Genauso wie eine Summationsaufnahme der Wirbelsäule (= GOP 34222) einer Summationsaufnahme der Brust (= Mammographie nach GOP 34270) entspreche, erfülle auch die Schichtuntersuchung der Brust dieselben Kriterien wie eine Schichtuntersuchung der Wirbelsäule (= unstreitig: GOP 34282) und sei deshalb von der GOP 34282 EBM umfasst.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres ablehnenden Bescheides vom 11.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 zu verpflichten, über die von ihr - der Klägerin - unter dem 16.07.2015 beantragte Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Schichtaufnahmen der Brust mittels Röntgen (Tomosynthese) nach GOP 34282 EBM unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu entscheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Entscheidung verteidigt. Ausschlaggebend sei, dass die Tomosynthese im Rahmen der Mammographie keine eigenständige Leistung darstelle, nicht im EBM abgebildet sei und daher nicht berechnet werden könne. Mangels entsprechender GOP könne eine Abrechnungsgenehmigung nicht erteilt werden. Sie hat die Stellungnahmen der KBV vom 25.07.2011 und 09.02.2015 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, dass es sich bei der Tomosynthese um eine dreidimensionale Darstellung im Rahmen der Mammographie handele, die keine vertragsärztliche Leistung darstelle und nicht nach der GOP 34282 EBM berechnungsfähig sei.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage durch Urteil vom 15.03.2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der in der GOP 34270 EBM verwendete Begriff "Mammographie" sei gebührenrechtlich zu verstehen und schließe möglicher Weise die Tomosynthese ein. Ob es sich um eine zur Befundung benötigte konventionelle zweidimensionale Aufnahme handele oder ob mit der Tomosynthese dreidimensionale Schichtaufnahmen gefertigt würden und ggf. aus dem digitalen Datensatz der Tomosynthese auf ein zweidimensionales Bild zurückgerechnet werde, lasse der Wortlaut offen. Die Klägerin habe jedenfalls keinen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Tomosynthesen nach GOP 34282 EBM, weil diese Leistung im Rahmen kurativer Mammographien nicht abrechenbar sei. Es bleibe dem Normgeber des EBM vorbehalten, dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen. Die Tomosynthese sei in die interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms (AWMF-Register-Nr. 032-045OL, Stand: Aktualisierung 2012) allerdings noch nicht eingeflossen.

Gegen das am 08.05.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31.05.2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Voraussetzungen nach der Qualitätssicherungsvereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie vom 10.02.1993 seien erfüllt. Das SG verkenne, dass sie keine Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung einer Leistung nach Kap. 34.2.7 "Mammographie" sondern nach Kap. 34.2.8 "Durchleuchtungen/Schichtaufnahmen" nach GOP 34282 geltend mache. Die Tomosynthese sei nicht als Mammographie-Leistung einzuordnen. Der Bewertungsausschuss habe dem Begriff "Mammographie" denselben allgemeinen Bedeutungsgehalt beigemessen wie dem Begriff "Röntgenaufnahme" in den vorangehenden Unterkapiteln des Kap. 34.2 EBM. Das seien Summationsaufnahmen und damit keine Schichtaufnahmen, die für alle Organe in dem (auch dem Kap. 34.2.7) nachfolgenden Kap. 34.2.8 behandelt würden. Außer für die GOP 34211 EBM (Panoramaschichtaufnahme des Ober- und/oder Unterkiefers) bestehe für den Ansatz der GOP 34282 EBM neben einer anderen röntgenologischen Leistung kein Berechnungsausschluss. Die Beklagte müsse sich an der am Wortlaut orientierten Anwendung der GOP 34282 EBM unabhängig davon festhalten lassen, ob und inwieweit der Normgeber die Erfüllbarkeit der Leistungslegende in Bezug auf alle Organe vor Augen gehabt habe. Die Behauptung der Beklagten, eine Schichtaufnahme der Brust sei "im Rahmen kurativer Mammographien nicht abrechenbar", sei daher nicht nachvollziehbar.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.03.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 zu verpflichten, ihr die beantragte Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Schichtaufnahmen der Brust mittels Röntgen (Tomosynthese) nach GOP 34282 EBM zu erteilen,

hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.03.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2016 zu verpflichten, den Antrag vom 16.07.2015 auf Erteilung der Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Schichtaufnahmen der Brust mittels Röntgen (Tomosynthese) nach GOP 34282 EBM unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Das SG habe zutreffend erkannt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung habe, da die Leistung im Rahmen kurativer Mammographien nicht abrechenbar sei. Die neu entwickelte und daher nicht vom EBM-Katalog erfasste medizinische Leistung dürfe nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet werden. Es sei dem Normgeber des EBM vorbehalten, die streitbefangene Untersuchung in den Leistungskatalog aufzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen; der angefochtene Bescheid vom 11.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Sie hat keinen Anspruch auf Genehmigung zur Abrechnung der GOP 34282 EBM.

Nach der Präambel zum Kapitel 34 des EBM setzt die Berechnung der Gebührenordnungspositionen dieses Kapitels jeweils eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung entweder (soweit hier von Belang) nach der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie oder zur Mammographie-Vereinbarung gemäß § 135 Abs. 2 SGB V voraus.

1. Es ist bereits zweifelhaft, ob die gewünschte Genehmigung, wie von der Klägerin angenommen, vom Anwendungsbereich der Qualitätssicherungsvereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie umfasst ist. Nach deren § 1 kann eine Genehmigung nach dieser Vereinbarung nur erfolgen, wenn es sich bei der Tomosynthese nicht um eine Leistung der Mammographie (kurativ oder Früherkennung) handelt. Das dürfte jedoch der Fall sein. Für die Auslegung vertrags(zahn)ärztlicher Vergütungsbestimmungen ist in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich (BSG, Urteile vom 30.11.2016 - B 6 KA 17/15 R - und vom 25.08.1999 - B 6 KA 32/98 R - jeweils m.w.N.). Denn das vertragliche Regelwerk dient dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen und es ist vorrangig Aufgabe des Bewertungsauschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V, Unklarheiten zu beseitigen. Die primäre Bindung an den Wortlaut folgt auch aus dem Gesamtkonzept des EBM als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (BSG, Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 17/15 R -). Es ist ausgeschlossen, unter Hinweis auf eine tatsächlich bestehende oder nur behauptete übereinstimmende medizinisch-wissenschaftliche Auffassung erweiterte Abrechnungsmöglichkeiten damit zu begründen, die Terminologie der Gebührenordnungen werde der medizinischen Realität nicht gerecht (BSG, Urteil vom 25.08.1999 - B 6 KA 32/98 R -).

Im allgemeinen (medizinischen) Sprachgebrauch ist die Tomosynthese eine Form der Mammographie. Dafür sprechen vor allem die Formulierungen der S3-Leitlinie Mammakarzinom (Version 4.1 - September 2018; AWMF-Registernummer: 032-045OL). Diese verwendet als Synonym für die Tomosynthese den Begriff "3D-Mammographie". Ferner führt die Bekanntmachung einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission - Cone Beam-Computertomografie (CBCT) und Mammatomosynthese - vom 17.11.2015 (BAnz AT 06.05.2016 B3) aus, dass es sich bei der Mammatomosynthese um eine zusätzliche Funktion moderner digitaler Mammografiegeräte handele. Die Mammatomosynthese stelle eine Erweiterung bestehender digitaler Vollfeldmammografiesysteme dar. In der "Kommentierung der PKV zur Gebührendordnung für Ärzte (GOÄ)" (Kommentierung praxisrelevanter Analogabrechnungen Stand: 13.12.2018, S. 36) wird die Tomosynthese als digitale Mammographie bezeichnet. Es handele sich um eine besondere Ausführung der Mammographie (GOÄ-Nr. 5266). Diesem Sprachgebrauch steht die Leistungsbeschreibung der GOP 34270 EBM nicht entgegen. Danach setzt die Mammographie Aufnahmen der Mamma in mindestens zwei Ebenen voraus, so dass vom Wortlaut auch eine dreidimensionale Aufnahme erfasst ist. Hieraus folgt, dass die streitbefangene Untersuchungsmethode nicht vom Anwendungsbereich der Qualitätssicherungsvereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie erfasst ist.

2. Letztlich steht der Klägerin weder ein Genehmigungsanspruch nach der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie noch nach der Mammographievereinbarung zu. Denn die Tomosynthese ist als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode mangels Empfehlung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht von der Leistungspflicht der GKV umfasst (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Versicherte haben aufgrund des Qualitätsgebots (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) keinen Anspruch auf ungeeignete Leistungen, insbesondere auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 SGB V). Leistungserbringer sind dementsprechend innerhalb ihres Versorgungsauftrags - als der Grenze der Behandlungspflicht außerhalb von Notfällen - weder befugt, ungeeignet zu behandeln noch berechtigt, eine Vergütung hierfür zu fordern. Das Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) gilt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für alle Leistungsbereiche des SGB V und wird in § 70 Abs. 1 SGB V auch als "allgemeiner Grundsatz" des Leistungserbringungsrechts im Ersten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V ausdrücklich hervorgehoben (BSG, Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R -). Wenn die Klägerin die Leistung nicht gegenüber der Beklagten abrechnen darf, hat sie auch keinen Anspruch darauf, dass ihr die Abrechnung genehmigt wird.

a) Der Begriff der "Untersuchungs- und Behandlungsmethode" beschreibt eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG, Urteil vom 08.07.2015 - B 3 KR 5/14 R -). "Neu" ist eine solche Methode dann, wenn sie bislang nicht zur Vertragsärztlichen Versorgung gehört hat (BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 32/95 -). Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM enthalten ist. Aber auch die bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen oder bereits zugelassene Behandlungsmethoden sind von § 135 Abs. 1 SGB V erfasst, wenn sie eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (BSG, Urteile vom 08.07.2015 - B 3 KR 5/14 R - und 16.09.1997 - 1 RK 28/95 -). Um zu beurteilen, welche Änderungen oder Erweiterungen wesentlich sind, bedarf es einer Orientierung am Schutzzweck des § 135 Abs. 1 SGB V. Die Notwendigkeit einer Empfehlung des GBA dient der Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt und im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot darf die Leistungspflicht der GKV nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (BSG, Urteil vom 08.07.2015 - B 3 KR 5/14 R -).

Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren bereits im EBM enthaltene ärztliche Leistungen oder zu Lasten der GKV abrechnungsfähige Methoden insbesondere dann, wenn sich der diagnostische bzw. therapeutische Nutzen aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise der Methode ergeben soll oder wenn mit der Methode gesundheitliche Risiken verbunden sein könnten, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Eine neue Wirkungsweise und bisher nicht erforschte Risiken können sich auch aus der Komplexität der Methode oder ihres technischen Ablaufs ergeben (BSG, Urteile vom 08.07.2015 - B 3 KR 5/14 R - und 03.04.2001 - B 1 KR 22/00 R -)

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Tomosynthese eine solche neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode.

Sie hat bisher nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehört. Selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass sie sich unter den Wortlaut der GOP 34282 EBM subsumieren lässt, liegt jedenfalls eine wesentliche Änderung oder Erweiterung der Indikationen einer "Schichtaufnahme" vor. Denn es soll ein bisher nicht mit einer solchen Röntgenuntersuchung "untersuchbarer" Körperteil untersucht werden, um eine bisher nicht auf diese Weise diagnostizierbare Krankheit zu diagnostizieren. Schichtaufnahmen sind bisher nicht systematisch in der Untersuchung und Behandlung von Mammakarzinomen zur Anwendung gekommen. Ihr diagnostischer bzw. therapeutischer Nutzen und etwaige gesundheitliche Risiken sind daher vom GBA zu prüfen.

Es handelt sich auch nicht um eine Methode, deren Bewährung in der vertragsärztlichen Versorgung - beispielsweise wegen der Verwandtschaft mit anerkannten Methoden wie der Schichtaufnahme anderer Organe - so außer Zweifel stünde, dass sie vom Sinn und Zweck des § 135 Abs. 1 SGB V nicht erfasst würde. Insbesondere aus der S3-Leitlinie Mammakarzinom (Version 4.1 - September 2018) ergibt sich, dass auch aktuell noch keine Studienlage vorliegt, die für eine Empfehlung der kurativen Anwendung der Tomosynthese ausreicht. Vielmehr handelt es sich danach um ein vielversprechendes Verfahren, das weiter erprobt werden soll. In der Leitlinie wird ausgeführt, dass derzeit noch keine Aussagen zu Überdiagnosen möglich seien. Weiterhin offene Fragen bestünden hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Gerätetypen, der Qualitätssicherung von Befundung und Technologie und der logistischen Fragen (Kompatibilität; Auswirkungen eines Lerneffekts; Ermüdung bei systematischen Lesen) und erforderten weitere Studien. Die Übertragbarkeit der Studien zur Screeningsituation auf die kurative Situation sei (noch) nicht geklärt. Zum primären Einsatz der Tomosynthese in der symptomatischen Situation existierten keine ausreichenden Daten. Die Leitlinie empfiehlt derzeit nicht die Anwendung sondern nur eine Erprobung der Tomosynthese in einem qualitätsgesicherten Programm. Sowohl der diagnostische bzw. therapeutische Nutzen als auch die gesundheitlichen Risiken (z.B. durch die gegenüber der herkömmlichen Mammographie erhöhte Strahlenbelastung) sind folglich (noch) nicht belegt.

Das Ergebnis wird bestätigt durch die bereits zitierte Bekanntmachung einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission vom 17.11.2015 (BAnz AT 06.05.2016 B3). Danach ist die Tomosynthese ein neues Verfahren, das erstmals die Möglichkeit bietet, alle mit Mammakarzinomen einhergehenden radiologischen Veränderungen (Verdichtungsherde, Mikroverkalkungen und Architekturstörung) in einem bildgebenden Verfahren weitgehend überlagerungsfrei und dreidimensional abzubilden. Dies bekräftigt ebenso wie die von der Klägerin vorgelegte Gerätebeschreibung, dass sich bereits der technische Ablauf der Untersuchung mittels Tomosynthese wesentlich von demjenigen der bisher im EBM erfassten Leistungen unterscheidet und daher auf Nutzen und Risiken zu überprüfen ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG)
Rechtskraft
Aus
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