Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 945/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1456/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung eines Mehrbedarfes aufgrund von kostenaufwändiger Ernährung im Bereich der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) streitig.
Die 2007 geborene Klägerin stand gemeinsam mit ihrer Mutter im Bezug von Leistungen nach dem SGB II seit deren gemeinsamen Umzug im September 2012 in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten.
Nachdem Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum von September 2012 bis Februar 2013 bewilligt worden waren, beantragte die Mutter der Klägerin für sich und die Klägerin die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II im Februar 2013. Mit Bewilligungsbescheid vom 12.02.2013 erfolgte eine Bewilligung für den Bewilligungszeitraum von März 2013 bis August 2013. Hierbei berücksichtigte die Beklagte als Einkommen der Klägerin Kindergeld von 184,00 EUR, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz von 133,00 EUR sowie 149,00 EUR Wohngeld. Unter Berücksichtigung eines Regelbedarfes von 224,00 EUR sowie des hälftigen Anteils von Unterkunftskosten von insgesamt 485,00 EUR ergab sich ein Bedarf von 460,50 EUR. Nach Berücksichtigung von anrechenbarem Einkommen von 466,00 EUR verblieb ein Anspruch in Höhe von zunächst 0,50 EUR monatlich. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhielt die Klägerin bis zum 30.04.2013. Ebenfalls ab Mai 2013 entfiel die Zahlung von Wohngeld an die Klägerin.
Mit Änderungsbescheid korrigierte die Beklagte die Leistungen für April 2013 aufgrund der Erhöhung des Regelbedarfs, da die Klägerin nunmehr das 6. Lebensjahr vollendet hatte. Der Klägerin wurden für April nunmehr 42,23 EUR bewilligt. Ein weiterer Änderungsbescheid erging für Mai 2013. Hierin wurden zunächst 180,50 EUR monatlich als Leistungen berücksichtigt. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 29.05.2013 erfolgte eine Erhöhung des Anspruchs für Mai 2013 auf 313,50 EUR monatlich. Entsprechende Leistungen wurden im weiteren Verlauf auch weiter ab Juni 2013 gewährt.
Am 16.05.2013 beantragte die Mutter der Klägerin einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung bei der Klägerin aufgrund einer Laktoseintoleranz zu berücksichtigen. Dem Antrag war eine ärztliche Stellungnahme beigefügt, wonach die Klägerin an einer Laktoseintoleranz leide sowie an einer Dystrophie, einer somatischen Entwicklungsverzögerung und an einer Infektanfälligkeit. Als Therapiemaßnahmen waren angegeben eine laktosefreie Ernährung, soweit kontrollierbar, sowie ein Bedarf für Laktaseenzymsubstitution im Umfang von 120 Tabletten Laktrase 5000 FCC sowie 100 Kapseln Laktrase 4000 FCC im Zeitraum von 2 Monaten. Weiterhin war angegeben, dass es sich um eine schwere Erkrankung der Klägerin mit Erbrechen und Durchfallanfälligkeit handele, verbunden mit einer Gewichtsreduktion von 16,4 kg am 03.05.2013 auf 16,2 kg am 15.07.2013.
Im Juli 2013 beantragte die Mutter für sich und die Klägerin die Weiterbewilligung von SGB II-Leistungen ab September 2013. In der Folgezeit erfolgte durch die Beklagte die Bewilligung von SGB II-Leistungen für den Bewilligungszeitraum von September 2013 bis Februar 2014 (Bescheid vom 29.08.2013) weiterhin ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die Klägerin. Die Klägerin erhielt SGB II-Leistungen in Höhe von weiterhin 313,50 EUR monatlich bewilligt. Im weiteren Verlauf ging eine Stellungnahme des Kreisgesundheitsamtes bei der Beklagten ein, wonach die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs bei der Klägerin nicht erfüllt seien, da ein Mehrbedarf für das Weglassen von laktosehaltigen Produkten nicht bestehen würde.
Mit Bescheid vom 04.12.2013 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Klägerin ab, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Es bestünden seit ihrer Geburt Probleme aufgrund der Laktoseintoleranz. Diese zeigten sich in Durchfällen und Bauchkrämpfen. Unmittelbar nach der Geburt habe sie in die Kinderklinik gemusst. Eine Diagnose der Laktoseintoleranz sei in der Folgezeit durch Ess- und Trinkprotokolle erstellt worden. Eine laktosefreie Ernährung sei kostenintensiver bzw. es sei erforderlich, hierzu Laktrasekapseln zu nehmen. Ohne Einhaltung einer speziellen Diät bzw. der Laktraseeinnahme würde es zu
Bauchschmerzen und Bauchkrämpfen, Erbrechen und Durchfällen kommen. Auch habe das Bundessozialgericht einen Mehrbedarf bei Laktoseintoleranz bestätigt.
Auf einen nachfolgenden Weiterbewilligungsantrag hin erfolgte die Bewilligung von SGB II-Leistungen für die Klägerin und ihre Mutter für März 2014 bis August 2014 durch Bescheid vom 26.02.2014. Für die Klägerin wurde hierbei weiterhin kein Mehrbedarf für eine kostenaufwändige Ernährung berücksichtigt.
Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme des Kreisgesundheitsamtes ein. Dieses teilte mit, dass zur ausreichenden Kalziumversorgung der Klägerin der Verzehr von schnittfestem Käse möglich sei. Fleisch, Fisch, Reis, Obst und Gemüse könnten ohne Einschränkung gegessen werden. Bei den Getränken könnte die Klägerin Wasser, Säfte und Tee zu sich nehmen. Auch Butter enthalte weniger als 1 Gramm Laktose je 100 Gramm. Entsprechend seien Spezialprodukte für die Ernährung nicht erforderlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2014 wies die Widerspruchsbehörde den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Dies begründete sie damit, dass kein Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bestünde. Das Bundessozialgericht habe bestätigt, dass es sich bei der Laktoseintoleranz um eine Krankheit im Sinn der Vorschriften über den Mehrbedarf handele. Erforderlich sei jedoch im Einzelfall eine medizinisch begründete besondere Ernährung mit Mehrkosten. Dies sei hier nicht der Fall, da es der Klägerin möglich sei, sich ohne Mehrkosten laktosefrei zu ernähren. Hierzu verwies die Widerspruchsbehörde auf die Stellungnahme des Kreisgesundheitsamtes.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.05.2014 Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich aus einem Entlassungsbericht der Klinik C aus September 2013 ergebe, dass sie auf eine streng laktosefreie Diät angewiesen sei. Sie sei deutlich untergewichtig bei unterdurchschnittlicher Körpergröße. Entgegen der Vorgaben des Bundessozialgerichts sei keine konkrete Einzelfallprüfung bei ihr erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 04.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Bewilligungsbescheide vom 25.02.2013, 29.05.2013 für März 2013 bis August 2013 und den Bescheid vom 29.08.2013 für September 2013 bis Februar 2014 abzuändern und ihr höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfes seien nicht nachgewiesen.
Auf gerichtliche Anordnung hin hat der Sachverständige Dr. I am 08.04.2016 ein medizinisches Sachverständigengutachten erstellt. In seinem Gutachten führt der Gutachter aus, dass bei der Klägerin eine Laktoseintoleranz vorliege, welche erworben sei und nicht primär angeboren. Vor Mahlzeiten würden Laktrasetabletten eingenommen. Wenn diese vergessen worden seien, wenn die Klägerin genascht hätte zu Kindergeburtstagen, würde 2 x täglich eine höhere Dosierung Laktrasetabletten eingenommen. Bei ausreichender Laktrasenahme komme es nicht zu Durchfällen. Ebenso seien bei laktosefreier Ernährung und der Einnahme der Laktrasetabletten die Bauchbeschwerden deutlich besser. Eine laktosefreie Ernährung sei bei der Klägerin nötig, diese liege vor, wenn maximal 1 Gramm Laktose am Tag zu sich genommen werde. Hartkäse sei für die Klägerin essbar, da dieser 0,1 Gramm Laktose je 100 Gramm enthalte. Bei Verzicht auf laktosehaltige Milchprodukte sei keine Fehlernährung der Klägerin zu befürchten. Eine bei der Klägerin bestehende Funktionsstörung der Atemwege sei nicht diätisch durch eine besondere Ernährungsform bekannt, behandelbar. Entsprechendes gelte ebenso für Funktionsstörungen am Bewegungsapparat der Klägerin. Auch eine bestehende Hautveränderung erfordere keine besondere Ernährungsform. Weiterhin würde auch keine verzehrende Erkrankung bei der Klägerin vorliegen. Grundsätzlich sei bei einer Laktoseintoleranz hinsichtlich der Ernährung eine ausgewogene Mischkost erforderlich. Hier seien Milch- und Milchprodukte zu vermeiden, die nicht gereift sind. Insbesondere in Fertigprodukten sei Milchzucker enthalten wie auch in Wurstwaren, Milchbrötchen, Puddings und Torten. Ein Ersatz von laktosehaltigen Nahrungsmitteln sei nicht erforderlich. Bei einer laktosefreien Ernährung müsse jedoch auf eine ausreichende tägliche Kalziumzufuhr geachtet werden. Hierbei würden auch grüne Gemüse und bestimmte Mineralwässer Kalzium enthalten, die auch in der Regel lediglich einen Beitrag zur Kalziumbilanz leisten könnten. Durch 100 Gramm Hartkäse täglich sei der Kalziumbedarf der Klägerin zu decken. Industriell gefertigte Ersatzprodukte zum Ausgleich von laktosehaltigen Nahrungsmitteln insbesondere der Milch seien nicht erforderlich. Hierzu führte der Gutachter weiterhin anhand eines exemplarischen Ernährungsplanes aus, wie unter Berücksichtigung der Essgewohnheiten der Klägerin ein laktosefreier Ernährungsplan gestaltet werden könnte. Hinsichtlich der Versorgung mit Vitamin D sei weiterhin darauf zu achten, dass in der Regel empfohlen werde, 2 x wöchentlich Fischprodukte zu sich zu nehmen. Soweit die Klägerin auf laktosehaltige Produkte verzichten müsste wie Joghurt, Pudding etc. sei dies kein Problem der Ernährung, sondern eine geschmackliche Verengung. Ob sich hieraus ein Mehrbedarf ergeben könne, würde in der Entscheidungshoheit des Gerichts liegen.
Die Klägerin hat zu dem Gutachten dahingehend Stellung genommen, dass sie von einer Fehlanamnese bezüglich der mangelhaften Aufnahme von Nahrungsbestandteilen und deren unzureichender Aufspaltung ausginge. Aufgrund der Reizzustände des Darmes und der Durchfallneigung der Klägerin sei keine normale Verwertung der Lebensmittel gegeben, was zum starken Untergewicht führen würde. Eine ausreichende Kalziumzufuhr allein über die Aufnahme von Hartkäse sei der Klägerin nicht möglich. Auch sei das Erkennen von laktosefreien Nahrungsmitteln nicht immer möglich.
Hierzu hat der gerichtliche Gutachter Dr. I ergänzend Stellung genommen. Dieser führt aus, dass die Durchfallneigung trotz laktosefreier Ernährung bestünde, daher sei diese nur eingeschränkt durch die Laktoseintoleranz erklärbar. Ein Erklärungsansatz sei ein Ernährungsfehler und am ehesten ein Reizdarm. Dieser sei jedoch nicht diätisch behandelbar. Es würden keine weiteren Anzeichen für eine Malabsorption oder Maldigestion von Nahrungsmitteln bestehen. Die Klägerin sei formal untergewichtig, aber nicht unterernährt. Ein Nährstoffmangel sei nicht zu befürchten. 100 Gramm Hartkäse würden drei Scheiben täglich für die Kalziumzufuhr entsprechen. Entsprechend sei eine laktosefreie Milch nicht erforderlich. Auch sei der Vitamin D-Gehalt in Vollmilch sehr gering, weshalb die Versorgung insbesondere über Fisch erfolgen könne. Im Sommer sei durch das UV-Licht eine ausreichende Eigenproduktion des Körpers gegeben. Insgesamt sei der Verzicht auf Milch und Milchprodukte eine geschmackliche Verengung. Die Erkennbarkeit der Laktose selbst sei nicht relevant, da auch in laktosefreien Produkten ein Laktosegehalt von unter 0,1 Gramm je 100 Gramm enthalten sei. Entsprechend seien geringe Mengen von Laktose in Nahrungsmitteln irrelevant für eine laktosefreie Kost im Sinn der Kriterien der DGE.
Die Beklagte ist der Ansicht, durch das Gutachten sei ihre Rechtsauffassung bestätigt worden. Entsprechend sei ihr Bescheid rechtmäßig.
Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass ihr Fehlwachstum und ihre Infektanfälligkeit am ehesten Folge der Laktoseintoleranz seien. In 2016 habe die Mutter der Klägerin eine größere Menge Laktrasetabletten günstig erwerben können. Die anschließende Einnahme habe zu einem Wachstumsschub geführt. Nach Ende der Einnahme sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten. Im Winter 2016/17 sei die Klägerin quasi durchgehend krank gewesen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten. Dieser lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert gem. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II bei der Klägerin einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung zu berücksichtigen.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist lediglich die Frage, ob die Klägerin für den Zeitraum von März 2013 bis einschließlich April 2014 einen Anspruch gegen die Beklagte darauf hat, dass diese bei der Gewährung der Leistungen nach dem SGB II einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu berücksichtigen hat und insoweit höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren sind. Grundsätzlich handelt es sich bei der Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nicht um eine abtrennbare Verfügung, die einen abgrenzbaren Streitgegenstand darstellt. Der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II stellt vielmehr ein Berechnungselement der Leistungen des Sicherung des Lebensunterhaltes im Rahmen des SGB II dar (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2011, B 14 AS 49/10 R; a.A. LSG NRW, Urteil vom 12.03.2009, L 7 AS 102/08 sowie Landessozialgericht NRW, Urteil vom 12.03.2008, L 12 AS 43/06). Nachdem die Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 12.02.2003 bereits Leistungen nach dem SGB II ausgehend von der Regelleistung sowie der anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung für die Klägerin für den Zeitraum März 2013 bis August 2013 bewilligt hat, ist der Bescheid vom 04.12.2013 als Ablehnung des Antrages vom 16.05.2013 auf Abänderung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides gem. § 44 SGB X unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für krankheitsbedingte kostenaufwändige Ernährung nach § 40 Abs. 1 SGB II, § 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu werten (so auch SG Detmold, Urteil vom 19.08.2009, S 18 (23) AS69/08 und Urteil vom 31.03.2009, S 11 AS 178/07). Da nach Stellung des Antrages im Mai 2013 und vor dessen Bescheidung im Dezember 2013 bereits mit Bewilligungsbescheid vom 29.08.2013 SGB II-Leistungen für September 2013 bis Februar 2014, weiterhin ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfes gewährt wurden, ist im angefochtenen Bescheid vom 04.12.2013 zugleich auch die Ablehnung der Änderung der Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum enthalten.
Die angefochtene Entscheidung der Beklagten, mit der sie die Gewährung höherer SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs zu Gunsten der Klägerin abgelehnt hat, erweist sich als rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs aufgrund einer krankheitsbedingten kostenaufwändigen Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II. Die Voraussetzungen für einen entsprechenden Mehrbedarf liegen in der Person der Klägerin nicht vor. Für die Gewährung eines Mehrbedarfs für eine kostenaufwändige Ernährung ist erforderlich, dass aus medizinischen Gründen eine besondere Ernährungsform erforderlich ist sowie, dass diese Ernährungsform kostenaufwändiger ist als eine normale Ernährung, die bereits in der Bemessung der Regelbedarfe berücksichtigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 48/12 R). Die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung erfordert keine besondere Ernährung, die zusätzliche Kosten erfordert.
Die Kosten für eine Ernährung mit normaler Vollkost sind bereits im Regelbedarf enthalten. Eine Vollkost ist eine Kost, die den Bedarf an notwendigen Nährstoffen deckt, in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf der Person berücksichtigt, die Erkenntnisse der Ernährungsmedizin berücksichtigt und in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst ist (Kluthe u.a., Das Rationalisierungsschema 2004, Aktuelle ErnährMed 2004, Seite 245 ff.). Diese normale Ernährung ist durch den Regelbedarf abgedeckt (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2011, B 4 AS 100/11 R). Es steht vorliegend für das Gericht nicht fest, dass die Klägerin krankheitsbedingt eine Kost benötigt, die von der Ernährung mit Vollkost abweicht und einen zusätzlichen Kostenaufwand hervorruft.
Die Frage eines ernährungsbedingte Mehrbedarf ist grundsätzlich im Rahmen einer einzelfallbezogenen Prüfung zu beantworten (BSG, Urteil vom 22.11.2011, B 4 AS 138/10 R). Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen, insbesondere dem Sachverständigengutachten, bedingt die Erkrankung der Klägerin, insbesondere die Laktoseintoleranz jedoch keinen Mehraufwand. Die Kammer stützt dieses Ergebnis insbesondere auf das eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. I. Dieser hat in seinen Gutachten nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass die Klägerin in der Lage ist, sich ausgewogen ohne Mangelerscheinungen unter Verzicht auf laktosehaltige Lebensmittel und ohne spezielle Produkte zu ernähren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es rechtlich gesehen für die Frage eines Anspruches auf einen finanziellen Mehrbedarf für eine krankheitsbedingte kostenaufwendige Ernährung nicht darauf ankommt, wie viel (laktosefreie) Milch und andere (laktosefreie) Milchprodukte die Klägerin täglich konsumieren möchte, sondern entscheidend ist, wie viel und welche Produkte sie zur Meidung einer Mangel- oder Unterernährung benötigt (so SG Detmold, Urteil vom 03.11.2015, S 2 SO 199/13). Ausweislich des Gutachtens von Dr. I kann die Klägerin eine ausgewogene, einer Vollkost entsprechende Ernährung mit den erforderlichen Nährstoffen, insbesondere Calcium und Vitamin D, ausreichend unter Verzicht auf Milch und laktosehaltige Milchprodukt sicherstellen. Der reine Verzicht auf laktosehaltige Produkte erzeugt zunächst rein denklogisch keinen finanziellen Mehraufwand. Ein solcher tritt erst dann ein, wenn aufgrund des Verzichtes auf bestimmte Lebensmittel andere Lebensmittel als Ersatz konsumiert werden müssten und diese dann signifikant teurer sind als die Lebensmittel, auf die verzichtet wird. Dies ist für die Kammer vorliegend aber nicht der Fall. Der Gutachter Dr. I hat in seinem Gutachten nachvollziehbar, insbesondere auch anhand eines exemplarischen Ernährungsplanes für die Klägerin, dargelegt, dass eine ausgewogene vollwertige Ernährung der Klägerin ohne besondere Produkte unter Vermeidung von laktosehaltigen Lebensmitteln möglich ist. Da es sich hierbei um Nahrungsmittel handelt, die sämtlich zu einer normalen Vollkost gehören, kann sich hieraus kein Mehrbedarf ableiten. Die DGE empfiehlt für 4- bis 7-jährige Kinder eine Kalziumzufuhr von etwa 750 mg pro Tag und bei 7- bis 10-jährigen Kindern eine Kalziumzufuhr von etwa 900 mg täglich (im Gegensatz zu 1000 mg pro Tag für Erwachsene) (http://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/calcium/). Ausweislich der Empfehlungen der DGE reicht für eine Kalziumzufuhr von 1000 mg bereits tägliche ein viertel Liter Milch sowie 2 Scheiben Emmentaler Käse (ca. 50 bis 60 g) (Presseinformation DGE, DGE aktuell 06/2013 vom 05.06.2013). Im Fall der Klägerin würde dies bedeuten, dass, auch wenn ihr ein kompletter Verzicht auf Milch nicht zugemutet werden könnte, nach dem Gutachten wäre ernährungsmedizinisch ein Verzicht auf Milch ohne Auswirkungen auf die Nährstoffversorgung möglich, dann würde hierdurch kein besonderer Mehrbedarf entstehen. Bei einem viertel Liter Milch täglich würde sich bei 30 Tagen im Monat ein Bedarf für 7,5 Liter laktosefreie Milch ergeben. Bei einem Mehrpreis gegenüber normaler Milch von ca. 0,30 EUR je Liter (hierzu: vgl. SG Detmold, a.a.O.; SG Freiburg, Urteil vom 17.04.2015, S 15 AS 3600/13 ZVW) würde sich ein finanzieller Mehraufwand von 2,25 EUR monatlich ergeben. Dies ist jedoch ein Betrag der im Rahmen des im Regelbedarf enthaltenen Anteils für Ernährung durch das Einkaufsverhalten der Klägerin bzw. ihrer Mutter aufgefangen werden kann, denn es entspricht weniger als einem Prozent des Regelbedarfes der Klägerin von 255,00 EUR. Die Kosten für Laktrasetabletten sind unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei überhaupt um Kosten für die Ernährung im Sinn von § 21 Abs. 5 SGB II handelt nicht relevant. Denn bei einer laktosefreien Ernährung im Sinn der Vorgaben der DGE und entsprechend des Ernährungsplanes des Gutachters Dr. I besteht kein Bedürfnis für deren Einnahme. Insofern ist es für die Klägerin bereits nicht krankheitsbedingt notwendig, die Laktrasetabletten einzunehmen.
Die vom Gutachter Dr. I angeführte geschmackliche Verengung im Hinblick auf die der Klägerin zur Verfügung stehenden Lebensmittel kann weiterhin auch keinen Mehrbedarf begründen. Denn eine reine geschmackliche Verengung des Speiseplans der Klägerin führt nicht zu einem Mehrbedarf für ihre Ernährung, da die Klägerin mit Ausnahme bestimmter Milchprodukte sämtliche für die Ernährung notwendigen Lebensmittel konsumieren kann. Bloße Einschränkungen im Rahmen der geschmacklichen Vielfalt, welche die Kammer nicht ausschließen will, stellen jedoch keine besondere Folge der Erkrankung der Klägerin dar, sondern treffen typischerweise eine Vielzahl von Empfänger der Leistungen nach dem SGB II. Denn der Regelbedarf deckt nur den notwendigen Lebensunterhalt ab.
Für eine besonders kostenintensive Ernährung der Klägerin aufgrund einer eingeschränkten Verwertung von Nährstoffen bzw. einer eingeschränkten Aufnahme dieser fehlt es an nachvollziehbaren Grundlagen. Das Gutachten von Dr. I hat hierfür keine Anhaltspunkte gefunden. Auch ist klägerseitig nicht dargelegt, welche kostenintensiven Nahrungsmittel gerade aufgrund einer Aufnahme- bzw. Verwertungseinschränkung konsumiert werden müssten. Hinsichtlich von Milch und laktosehaltigen Milchprodukten ergibt sich nach den zuvor gemachten Ausführungen gerade keine kostenintensive Ernährung im Sinn von § 21 Abs. 5 SGB II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Die Kammer hat die Berufung zugelassen, da zur Frage der Anforderungen an einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II bei Kindern und Jugendlichen bisher keine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung besteht.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung eines Mehrbedarfes aufgrund von kostenaufwändiger Ernährung im Bereich der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) streitig.
Die 2007 geborene Klägerin stand gemeinsam mit ihrer Mutter im Bezug von Leistungen nach dem SGB II seit deren gemeinsamen Umzug im September 2012 in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten.
Nachdem Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum von September 2012 bis Februar 2013 bewilligt worden waren, beantragte die Mutter der Klägerin für sich und die Klägerin die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II im Februar 2013. Mit Bewilligungsbescheid vom 12.02.2013 erfolgte eine Bewilligung für den Bewilligungszeitraum von März 2013 bis August 2013. Hierbei berücksichtigte die Beklagte als Einkommen der Klägerin Kindergeld von 184,00 EUR, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz von 133,00 EUR sowie 149,00 EUR Wohngeld. Unter Berücksichtigung eines Regelbedarfes von 224,00 EUR sowie des hälftigen Anteils von Unterkunftskosten von insgesamt 485,00 EUR ergab sich ein Bedarf von 460,50 EUR. Nach Berücksichtigung von anrechenbarem Einkommen von 466,00 EUR verblieb ein Anspruch in Höhe von zunächst 0,50 EUR monatlich. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhielt die Klägerin bis zum 30.04.2013. Ebenfalls ab Mai 2013 entfiel die Zahlung von Wohngeld an die Klägerin.
Mit Änderungsbescheid korrigierte die Beklagte die Leistungen für April 2013 aufgrund der Erhöhung des Regelbedarfs, da die Klägerin nunmehr das 6. Lebensjahr vollendet hatte. Der Klägerin wurden für April nunmehr 42,23 EUR bewilligt. Ein weiterer Änderungsbescheid erging für Mai 2013. Hierin wurden zunächst 180,50 EUR monatlich als Leistungen berücksichtigt. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 29.05.2013 erfolgte eine Erhöhung des Anspruchs für Mai 2013 auf 313,50 EUR monatlich. Entsprechende Leistungen wurden im weiteren Verlauf auch weiter ab Juni 2013 gewährt.
Am 16.05.2013 beantragte die Mutter der Klägerin einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung bei der Klägerin aufgrund einer Laktoseintoleranz zu berücksichtigen. Dem Antrag war eine ärztliche Stellungnahme beigefügt, wonach die Klägerin an einer Laktoseintoleranz leide sowie an einer Dystrophie, einer somatischen Entwicklungsverzögerung und an einer Infektanfälligkeit. Als Therapiemaßnahmen waren angegeben eine laktosefreie Ernährung, soweit kontrollierbar, sowie ein Bedarf für Laktaseenzymsubstitution im Umfang von 120 Tabletten Laktrase 5000 FCC sowie 100 Kapseln Laktrase 4000 FCC im Zeitraum von 2 Monaten. Weiterhin war angegeben, dass es sich um eine schwere Erkrankung der Klägerin mit Erbrechen und Durchfallanfälligkeit handele, verbunden mit einer Gewichtsreduktion von 16,4 kg am 03.05.2013 auf 16,2 kg am 15.07.2013.
Im Juli 2013 beantragte die Mutter für sich und die Klägerin die Weiterbewilligung von SGB II-Leistungen ab September 2013. In der Folgezeit erfolgte durch die Beklagte die Bewilligung von SGB II-Leistungen für den Bewilligungszeitraum von September 2013 bis Februar 2014 (Bescheid vom 29.08.2013) weiterhin ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die Klägerin. Die Klägerin erhielt SGB II-Leistungen in Höhe von weiterhin 313,50 EUR monatlich bewilligt. Im weiteren Verlauf ging eine Stellungnahme des Kreisgesundheitsamtes bei der Beklagten ein, wonach die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs bei der Klägerin nicht erfüllt seien, da ein Mehrbedarf für das Weglassen von laktosehaltigen Produkten nicht bestehen würde.
Mit Bescheid vom 04.12.2013 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Klägerin ab, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Es bestünden seit ihrer Geburt Probleme aufgrund der Laktoseintoleranz. Diese zeigten sich in Durchfällen und Bauchkrämpfen. Unmittelbar nach der Geburt habe sie in die Kinderklinik gemusst. Eine Diagnose der Laktoseintoleranz sei in der Folgezeit durch Ess- und Trinkprotokolle erstellt worden. Eine laktosefreie Ernährung sei kostenintensiver bzw. es sei erforderlich, hierzu Laktrasekapseln zu nehmen. Ohne Einhaltung einer speziellen Diät bzw. der Laktraseeinnahme würde es zu
Bauchschmerzen und Bauchkrämpfen, Erbrechen und Durchfällen kommen. Auch habe das Bundessozialgericht einen Mehrbedarf bei Laktoseintoleranz bestätigt.
Auf einen nachfolgenden Weiterbewilligungsantrag hin erfolgte die Bewilligung von SGB II-Leistungen für die Klägerin und ihre Mutter für März 2014 bis August 2014 durch Bescheid vom 26.02.2014. Für die Klägerin wurde hierbei weiterhin kein Mehrbedarf für eine kostenaufwändige Ernährung berücksichtigt.
Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme des Kreisgesundheitsamtes ein. Dieses teilte mit, dass zur ausreichenden Kalziumversorgung der Klägerin der Verzehr von schnittfestem Käse möglich sei. Fleisch, Fisch, Reis, Obst und Gemüse könnten ohne Einschränkung gegessen werden. Bei den Getränken könnte die Klägerin Wasser, Säfte und Tee zu sich nehmen. Auch Butter enthalte weniger als 1 Gramm Laktose je 100 Gramm. Entsprechend seien Spezialprodukte für die Ernährung nicht erforderlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2014 wies die Widerspruchsbehörde den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Dies begründete sie damit, dass kein Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bestünde. Das Bundessozialgericht habe bestätigt, dass es sich bei der Laktoseintoleranz um eine Krankheit im Sinn der Vorschriften über den Mehrbedarf handele. Erforderlich sei jedoch im Einzelfall eine medizinisch begründete besondere Ernährung mit Mehrkosten. Dies sei hier nicht der Fall, da es der Klägerin möglich sei, sich ohne Mehrkosten laktosefrei zu ernähren. Hierzu verwies die Widerspruchsbehörde auf die Stellungnahme des Kreisgesundheitsamtes.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.05.2014 Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich aus einem Entlassungsbericht der Klinik C aus September 2013 ergebe, dass sie auf eine streng laktosefreie Diät angewiesen sei. Sie sei deutlich untergewichtig bei unterdurchschnittlicher Körpergröße. Entgegen der Vorgaben des Bundessozialgerichts sei keine konkrete Einzelfallprüfung bei ihr erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 04.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Bewilligungsbescheide vom 25.02.2013, 29.05.2013 für März 2013 bis August 2013 und den Bescheid vom 29.08.2013 für September 2013 bis Februar 2014 abzuändern und ihr höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfes seien nicht nachgewiesen.
Auf gerichtliche Anordnung hin hat der Sachverständige Dr. I am 08.04.2016 ein medizinisches Sachverständigengutachten erstellt. In seinem Gutachten führt der Gutachter aus, dass bei der Klägerin eine Laktoseintoleranz vorliege, welche erworben sei und nicht primär angeboren. Vor Mahlzeiten würden Laktrasetabletten eingenommen. Wenn diese vergessen worden seien, wenn die Klägerin genascht hätte zu Kindergeburtstagen, würde 2 x täglich eine höhere Dosierung Laktrasetabletten eingenommen. Bei ausreichender Laktrasenahme komme es nicht zu Durchfällen. Ebenso seien bei laktosefreier Ernährung und der Einnahme der Laktrasetabletten die Bauchbeschwerden deutlich besser. Eine laktosefreie Ernährung sei bei der Klägerin nötig, diese liege vor, wenn maximal 1 Gramm Laktose am Tag zu sich genommen werde. Hartkäse sei für die Klägerin essbar, da dieser 0,1 Gramm Laktose je 100 Gramm enthalte. Bei Verzicht auf laktosehaltige Milchprodukte sei keine Fehlernährung der Klägerin zu befürchten. Eine bei der Klägerin bestehende Funktionsstörung der Atemwege sei nicht diätisch durch eine besondere Ernährungsform bekannt, behandelbar. Entsprechendes gelte ebenso für Funktionsstörungen am Bewegungsapparat der Klägerin. Auch eine bestehende Hautveränderung erfordere keine besondere Ernährungsform. Weiterhin würde auch keine verzehrende Erkrankung bei der Klägerin vorliegen. Grundsätzlich sei bei einer Laktoseintoleranz hinsichtlich der Ernährung eine ausgewogene Mischkost erforderlich. Hier seien Milch- und Milchprodukte zu vermeiden, die nicht gereift sind. Insbesondere in Fertigprodukten sei Milchzucker enthalten wie auch in Wurstwaren, Milchbrötchen, Puddings und Torten. Ein Ersatz von laktosehaltigen Nahrungsmitteln sei nicht erforderlich. Bei einer laktosefreien Ernährung müsse jedoch auf eine ausreichende tägliche Kalziumzufuhr geachtet werden. Hierbei würden auch grüne Gemüse und bestimmte Mineralwässer Kalzium enthalten, die auch in der Regel lediglich einen Beitrag zur Kalziumbilanz leisten könnten. Durch 100 Gramm Hartkäse täglich sei der Kalziumbedarf der Klägerin zu decken. Industriell gefertigte Ersatzprodukte zum Ausgleich von laktosehaltigen Nahrungsmitteln insbesondere der Milch seien nicht erforderlich. Hierzu führte der Gutachter weiterhin anhand eines exemplarischen Ernährungsplanes aus, wie unter Berücksichtigung der Essgewohnheiten der Klägerin ein laktosefreier Ernährungsplan gestaltet werden könnte. Hinsichtlich der Versorgung mit Vitamin D sei weiterhin darauf zu achten, dass in der Regel empfohlen werde, 2 x wöchentlich Fischprodukte zu sich zu nehmen. Soweit die Klägerin auf laktosehaltige Produkte verzichten müsste wie Joghurt, Pudding etc. sei dies kein Problem der Ernährung, sondern eine geschmackliche Verengung. Ob sich hieraus ein Mehrbedarf ergeben könne, würde in der Entscheidungshoheit des Gerichts liegen.
Die Klägerin hat zu dem Gutachten dahingehend Stellung genommen, dass sie von einer Fehlanamnese bezüglich der mangelhaften Aufnahme von Nahrungsbestandteilen und deren unzureichender Aufspaltung ausginge. Aufgrund der Reizzustände des Darmes und der Durchfallneigung der Klägerin sei keine normale Verwertung der Lebensmittel gegeben, was zum starken Untergewicht führen würde. Eine ausreichende Kalziumzufuhr allein über die Aufnahme von Hartkäse sei der Klägerin nicht möglich. Auch sei das Erkennen von laktosefreien Nahrungsmitteln nicht immer möglich.
Hierzu hat der gerichtliche Gutachter Dr. I ergänzend Stellung genommen. Dieser führt aus, dass die Durchfallneigung trotz laktosefreier Ernährung bestünde, daher sei diese nur eingeschränkt durch die Laktoseintoleranz erklärbar. Ein Erklärungsansatz sei ein Ernährungsfehler und am ehesten ein Reizdarm. Dieser sei jedoch nicht diätisch behandelbar. Es würden keine weiteren Anzeichen für eine Malabsorption oder Maldigestion von Nahrungsmitteln bestehen. Die Klägerin sei formal untergewichtig, aber nicht unterernährt. Ein Nährstoffmangel sei nicht zu befürchten. 100 Gramm Hartkäse würden drei Scheiben täglich für die Kalziumzufuhr entsprechen. Entsprechend sei eine laktosefreie Milch nicht erforderlich. Auch sei der Vitamin D-Gehalt in Vollmilch sehr gering, weshalb die Versorgung insbesondere über Fisch erfolgen könne. Im Sommer sei durch das UV-Licht eine ausreichende Eigenproduktion des Körpers gegeben. Insgesamt sei der Verzicht auf Milch und Milchprodukte eine geschmackliche Verengung. Die Erkennbarkeit der Laktose selbst sei nicht relevant, da auch in laktosefreien Produkten ein Laktosegehalt von unter 0,1 Gramm je 100 Gramm enthalten sei. Entsprechend seien geringe Mengen von Laktose in Nahrungsmitteln irrelevant für eine laktosefreie Kost im Sinn der Kriterien der DGE.
Die Beklagte ist der Ansicht, durch das Gutachten sei ihre Rechtsauffassung bestätigt worden. Entsprechend sei ihr Bescheid rechtmäßig.
Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass ihr Fehlwachstum und ihre Infektanfälligkeit am ehesten Folge der Laktoseintoleranz seien. In 2016 habe die Mutter der Klägerin eine größere Menge Laktrasetabletten günstig erwerben können. Die anschließende Einnahme habe zu einem Wachstumsschub geführt. Nach Ende der Einnahme sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten. Im Winter 2016/17 sei die Klägerin quasi durchgehend krank gewesen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten. Dieser lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert gem. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II bei der Klägerin einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung zu berücksichtigen.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist lediglich die Frage, ob die Klägerin für den Zeitraum von März 2013 bis einschließlich April 2014 einen Anspruch gegen die Beklagte darauf hat, dass diese bei der Gewährung der Leistungen nach dem SGB II einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu berücksichtigen hat und insoweit höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren sind. Grundsätzlich handelt es sich bei der Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nicht um eine abtrennbare Verfügung, die einen abgrenzbaren Streitgegenstand darstellt. Der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II stellt vielmehr ein Berechnungselement der Leistungen des Sicherung des Lebensunterhaltes im Rahmen des SGB II dar (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2011, B 14 AS 49/10 R; a.A. LSG NRW, Urteil vom 12.03.2009, L 7 AS 102/08 sowie Landessozialgericht NRW, Urteil vom 12.03.2008, L 12 AS 43/06). Nachdem die Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 12.02.2003 bereits Leistungen nach dem SGB II ausgehend von der Regelleistung sowie der anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung für die Klägerin für den Zeitraum März 2013 bis August 2013 bewilligt hat, ist der Bescheid vom 04.12.2013 als Ablehnung des Antrages vom 16.05.2013 auf Abänderung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides gem. § 44 SGB X unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für krankheitsbedingte kostenaufwändige Ernährung nach § 40 Abs. 1 SGB II, § 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu werten (so auch SG Detmold, Urteil vom 19.08.2009, S 18 (23) AS69/08 und Urteil vom 31.03.2009, S 11 AS 178/07). Da nach Stellung des Antrages im Mai 2013 und vor dessen Bescheidung im Dezember 2013 bereits mit Bewilligungsbescheid vom 29.08.2013 SGB II-Leistungen für September 2013 bis Februar 2014, weiterhin ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfes gewährt wurden, ist im angefochtenen Bescheid vom 04.12.2013 zugleich auch die Ablehnung der Änderung der Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum enthalten.
Die angefochtene Entscheidung der Beklagten, mit der sie die Gewährung höherer SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs zu Gunsten der Klägerin abgelehnt hat, erweist sich als rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs aufgrund einer krankheitsbedingten kostenaufwändigen Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II. Die Voraussetzungen für einen entsprechenden Mehrbedarf liegen in der Person der Klägerin nicht vor. Für die Gewährung eines Mehrbedarfs für eine kostenaufwändige Ernährung ist erforderlich, dass aus medizinischen Gründen eine besondere Ernährungsform erforderlich ist sowie, dass diese Ernährungsform kostenaufwändiger ist als eine normale Ernährung, die bereits in der Bemessung der Regelbedarfe berücksichtigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 48/12 R). Die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung erfordert keine besondere Ernährung, die zusätzliche Kosten erfordert.
Die Kosten für eine Ernährung mit normaler Vollkost sind bereits im Regelbedarf enthalten. Eine Vollkost ist eine Kost, die den Bedarf an notwendigen Nährstoffen deckt, in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf der Person berücksichtigt, die Erkenntnisse der Ernährungsmedizin berücksichtigt und in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst ist (Kluthe u.a., Das Rationalisierungsschema 2004, Aktuelle ErnährMed 2004, Seite 245 ff.). Diese normale Ernährung ist durch den Regelbedarf abgedeckt (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2011, B 4 AS 100/11 R). Es steht vorliegend für das Gericht nicht fest, dass die Klägerin krankheitsbedingt eine Kost benötigt, die von der Ernährung mit Vollkost abweicht und einen zusätzlichen Kostenaufwand hervorruft.
Die Frage eines ernährungsbedingte Mehrbedarf ist grundsätzlich im Rahmen einer einzelfallbezogenen Prüfung zu beantworten (BSG, Urteil vom 22.11.2011, B 4 AS 138/10 R). Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen, insbesondere dem Sachverständigengutachten, bedingt die Erkrankung der Klägerin, insbesondere die Laktoseintoleranz jedoch keinen Mehraufwand. Die Kammer stützt dieses Ergebnis insbesondere auf das eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. I. Dieser hat in seinen Gutachten nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass die Klägerin in der Lage ist, sich ausgewogen ohne Mangelerscheinungen unter Verzicht auf laktosehaltige Lebensmittel und ohne spezielle Produkte zu ernähren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es rechtlich gesehen für die Frage eines Anspruches auf einen finanziellen Mehrbedarf für eine krankheitsbedingte kostenaufwendige Ernährung nicht darauf ankommt, wie viel (laktosefreie) Milch und andere (laktosefreie) Milchprodukte die Klägerin täglich konsumieren möchte, sondern entscheidend ist, wie viel und welche Produkte sie zur Meidung einer Mangel- oder Unterernährung benötigt (so SG Detmold, Urteil vom 03.11.2015, S 2 SO 199/13). Ausweislich des Gutachtens von Dr. I kann die Klägerin eine ausgewogene, einer Vollkost entsprechende Ernährung mit den erforderlichen Nährstoffen, insbesondere Calcium und Vitamin D, ausreichend unter Verzicht auf Milch und laktosehaltige Milchprodukt sicherstellen. Der reine Verzicht auf laktosehaltige Produkte erzeugt zunächst rein denklogisch keinen finanziellen Mehraufwand. Ein solcher tritt erst dann ein, wenn aufgrund des Verzichtes auf bestimmte Lebensmittel andere Lebensmittel als Ersatz konsumiert werden müssten und diese dann signifikant teurer sind als die Lebensmittel, auf die verzichtet wird. Dies ist für die Kammer vorliegend aber nicht der Fall. Der Gutachter Dr. I hat in seinem Gutachten nachvollziehbar, insbesondere auch anhand eines exemplarischen Ernährungsplanes für die Klägerin, dargelegt, dass eine ausgewogene vollwertige Ernährung der Klägerin ohne besondere Produkte unter Vermeidung von laktosehaltigen Lebensmitteln möglich ist. Da es sich hierbei um Nahrungsmittel handelt, die sämtlich zu einer normalen Vollkost gehören, kann sich hieraus kein Mehrbedarf ableiten. Die DGE empfiehlt für 4- bis 7-jährige Kinder eine Kalziumzufuhr von etwa 750 mg pro Tag und bei 7- bis 10-jährigen Kindern eine Kalziumzufuhr von etwa 900 mg täglich (im Gegensatz zu 1000 mg pro Tag für Erwachsene) (http://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/calcium/). Ausweislich der Empfehlungen der DGE reicht für eine Kalziumzufuhr von 1000 mg bereits tägliche ein viertel Liter Milch sowie 2 Scheiben Emmentaler Käse (ca. 50 bis 60 g) (Presseinformation DGE, DGE aktuell 06/2013 vom 05.06.2013). Im Fall der Klägerin würde dies bedeuten, dass, auch wenn ihr ein kompletter Verzicht auf Milch nicht zugemutet werden könnte, nach dem Gutachten wäre ernährungsmedizinisch ein Verzicht auf Milch ohne Auswirkungen auf die Nährstoffversorgung möglich, dann würde hierdurch kein besonderer Mehrbedarf entstehen. Bei einem viertel Liter Milch täglich würde sich bei 30 Tagen im Monat ein Bedarf für 7,5 Liter laktosefreie Milch ergeben. Bei einem Mehrpreis gegenüber normaler Milch von ca. 0,30 EUR je Liter (hierzu: vgl. SG Detmold, a.a.O.; SG Freiburg, Urteil vom 17.04.2015, S 15 AS 3600/13 ZVW) würde sich ein finanzieller Mehraufwand von 2,25 EUR monatlich ergeben. Dies ist jedoch ein Betrag der im Rahmen des im Regelbedarf enthaltenen Anteils für Ernährung durch das Einkaufsverhalten der Klägerin bzw. ihrer Mutter aufgefangen werden kann, denn es entspricht weniger als einem Prozent des Regelbedarfes der Klägerin von 255,00 EUR. Die Kosten für Laktrasetabletten sind unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei überhaupt um Kosten für die Ernährung im Sinn von § 21 Abs. 5 SGB II handelt nicht relevant. Denn bei einer laktosefreien Ernährung im Sinn der Vorgaben der DGE und entsprechend des Ernährungsplanes des Gutachters Dr. I besteht kein Bedürfnis für deren Einnahme. Insofern ist es für die Klägerin bereits nicht krankheitsbedingt notwendig, die Laktrasetabletten einzunehmen.
Die vom Gutachter Dr. I angeführte geschmackliche Verengung im Hinblick auf die der Klägerin zur Verfügung stehenden Lebensmittel kann weiterhin auch keinen Mehrbedarf begründen. Denn eine reine geschmackliche Verengung des Speiseplans der Klägerin führt nicht zu einem Mehrbedarf für ihre Ernährung, da die Klägerin mit Ausnahme bestimmter Milchprodukte sämtliche für die Ernährung notwendigen Lebensmittel konsumieren kann. Bloße Einschränkungen im Rahmen der geschmacklichen Vielfalt, welche die Kammer nicht ausschließen will, stellen jedoch keine besondere Folge der Erkrankung der Klägerin dar, sondern treffen typischerweise eine Vielzahl von Empfänger der Leistungen nach dem SGB II. Denn der Regelbedarf deckt nur den notwendigen Lebensunterhalt ab.
Für eine besonders kostenintensive Ernährung der Klägerin aufgrund einer eingeschränkten Verwertung von Nährstoffen bzw. einer eingeschränkten Aufnahme dieser fehlt es an nachvollziehbaren Grundlagen. Das Gutachten von Dr. I hat hierfür keine Anhaltspunkte gefunden. Auch ist klägerseitig nicht dargelegt, welche kostenintensiven Nahrungsmittel gerade aufgrund einer Aufnahme- bzw. Verwertungseinschränkung konsumiert werden müssten. Hinsichtlich von Milch und laktosehaltigen Milchprodukten ergibt sich nach den zuvor gemachten Ausführungen gerade keine kostenintensive Ernährung im Sinn von § 21 Abs. 5 SGB II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Die Kammer hat die Berufung zugelassen, da zur Frage der Anforderungen an einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II bei Kindern und Jugendlichen bisher keine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung besteht.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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