L 1 KR 481/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 R 116/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 481/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. September 2017 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin bei dem Kläger abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung war.

Die 1979 geborene Klägerin ist Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Sie vereinbarte mit dem Kläger eine Tätigkeit in dessen HNO-Praxis. In der "Niederschrift einer mündlichen Absprache" der Kläger vom 25. Februar 2013 heißt es: "Die Tätigkeit von Frau A. als Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde wird ab Februar 2013 beginnen. Frau A. wird mit etwa 15 Stunden/Woche in der Praxis tätig sein und ein Stundenhonorar von 40 Euro erhalten. Die Tätigkeit erfolgt als selbständige Ärztin auf Honorarbasis. Die Wahl der Arbeitszeit und Tage steht Frau A. frei. Frau A. arbeitet weisungsungebunden und haftet für Fehlleistungen im Rahmen der eigenen Berufshaftpflicht. Die Tätigkeit ist folgender Maßen definiert: Akupunkturbehandlungen und Behandlungen von Patienten mit einer privaten Krankenversicherung."

Am 2. Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status in der Zeit vom Februar 2013 bis April 2014. Ihre Tätigkeit beschrieb sie mit "Behandlung von Privatpatienten, Akupunkturbehandlung, Urlaubsvertretung". Sie führe die Aufträge nach ihren Vorstellungen aus, es gebe weder Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise, noch würde ihre Auftragsausführung kontrolliert. Die Terminvergabe erfolge nach ihren Vorstellungen im Rahmen der Sprechstundenzeiten der Praxis. Sie führe ihre Tätigkeit in den Praxisräumen des Klägers aus. Sie nehme an Teamsitzungen teil, trete unternehmerisch nicht auf und trage kein Unternehmerrisiko.

Auf Nachfrage der Beklagten erklärte die Klägerin, dass sie in der Zeit vom 22. Februar 2013 bis 24. April 2014 sowie vom 10. September 2014 bis 13. Oktober 2014 für den Kläger tätig gewesen sei. Sie habe die Patienten nur aufgrund ihrer Fachkunde versorgt und keine Weisungen fachlicher Art erhalten. Sie sei nicht als Mitarbeiterin der Praxis des Klägers aufgetreten, habe weder an Teamsitzungen noch an Ruf- und Bereitschaftsdiensten teilgenommen. Sie habe keine festen Arbeitszeiten, Dienstpläne oder Urlaubsregelungen einhalten müssen und Dritte mit der Übernahme der Betreuung beauftragen können. Eine Urlaubsvertretung sei nur tageweise erfolgt und habe den Zeitraum von fünf Tagen nicht überschritten. Sie sei gegenüber den Arzthelferinnen weisungsbefugt gewesen. Die Abrechnung mit den Patienten sei durch die Praxis erfolgt. Aufgaben des Klägers als Praxisinhaber (Personalführung, Abrechnung) habe sie nicht übernommen. Sie habe keine eigenen Betriebsmittel eingesetzt, sei an den Betriebskosten nicht beteiligt gewesen und betreibe keine eigene Praxis. Die Haftung sei durch ihre Berufshaftpflicht geregelt. Der Kläger erklärte ergänzend, dass er keine festangestellten Ärzte beschäftige. Eine Vertretung von ihm als Praxisinhaber sei bei schwerer Krankheit erforderlich.

Nach den vorgelegten Rechnungen war die Klägerin für den Kläger wie folgt tätig: Februar 2013: 14 Stunden, März 2013: 35,5 Stunden, April 2013: 77 Stunden, Mai 2013: 27 Stunden, Juni 2013: 54,5 Stunden, Juli 2013: 57 Stunden, August 2013: 29,5 Stunden, September 2013: 61,5 Stunden, Oktober 2013: 55 Stunden, November 2013: 75,5 Stunden, Dezember 2013: 19 Stunden, Januar 2014: 43 Stunden, Februar 2014: 34 Stunden, März 2014: 48 Stunden, April 2014: 53,5 Stunden und im September sowie Oktober 2014: jeweils 6 Stunden. Der Kläger gab an, dass die Klägerin nicht als fest angestellte Ärztin für ihn arbeite, er ihr keine Weisungen fachlicher Art erteile und die Abrechnung mit den Privatpatienten durch seine Praxis erfolge.

Nach Anhörung der Kläger stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 10. Juni 2015 diesen gegenüber fest, dass die Tätigkeit der Klägerin bei dem Kläger in der Zeit vom 22. Februar 2013 bis 24. April 2014 sowie vom 10. September 2014 bis 13. Oktober 2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt worden sei. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 22. Februar 2013. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass die Tätigkeit in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt worden sei, eine Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern des Auftraggebers stattgefunden habe, ein Weisungsrecht gegenüber den anderen Mitarbeitern bestanden habe, die Vergütung als pauschales Stundenhonorar erfolgt und die Abrechnung ausschließlich über den Kläger erfolgt seien, der Tätigkeit kein eigener Kapitaleinsatz der Klägerin zu Grunde gelegen habe, alle Arbeits- und Betriebsmittel vom Kläger zur Verfügung gestellt worden seien, die Klägerin kein unternehmerisches Risiko getragen habe und das Forderungsmanagement gegenüber den Patienten allein durch den Kläger erfolgt sei. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche lediglich, dass die Klägerin eigene Kleidung habe tragen können. Es stehe außer Zweifel, dass Ärzte in ihren eigentlichen ärztlichen Tätigkeiten keinen Weisungen unterlägen. Die Weisungsgebundenheit könne insbesondere bei Diensten höherer Art jedoch zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess des Arbeitgebers verfeinert sein. Die Klägerin sei für die Sicherstellung eines Teils des Praxisbetriebes zuständig gewesen. Sie habe die organisatorischen Vorgaben des Klägers einhalten müssen. Mit Annahme des Auftrages sei somit eine Eingliederung der Klägerin in die Arbeitsorganisation des Klägers erfolgt.

Hiergegen erhoben die Kläger jeweils Widerspruch. Der Kläger führte auf, dass die Klägerin nicht in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation eingebunden gewesen sei. Sie habe ihre Arbeitszeiten selbst gestalten können und keinerlei vereinbarte regelmäßige Arbeitszeiten oder auch Anwesenheitspflichten gehabt. Sie habe insbesondere die Anzahl und Reihenfolge der Patienten selbst koordinieren können. Er habe ihr keinerlei Vorgaben bezüglich der Art und Weise der Auftragsausführung gemacht und keinerlei Kontrollen durchgeführt. Auch hinsichtlich des Tätigkeitsortes seien keine Vorgaben gemacht worden. Dass die Behandlungen gleichwohl in seinen Räumen stattgefunden hätten, liege in der Natur der Sache. Dies gelte gleichermaßen für die Zusammenarbeit der Klägerin mit seinen Sprechstundenhilfen. Die Bezahlung der Klägerin sei auch nicht an die reine Anwesenheit geknüpft worden. Vielmehr sei sie nur dann berechtigt gewesen eine Rechnung zu stellen, wenn sie tatsächlich auch eine Behandlung durchgeführt habe. Da die Klägerin als Praxisvertretung beschäftigt gewesen sei, liegt es ebenfalls in der Natur der Sache, dass sie keinen eigenen Kapitaleinsatz und auch keine eigene Praxiseinrichtung vorgehalten habe. Nach der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung könne ein selbstständiger Arzt niemals eine Praxisvertretung auf selbstständiger Basis beschäftigen. § 32 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte sehe jedoch die Notwendigkeit der Vertretung vor. Demgemäß könnte der Vertragsarzt nicht in Urlaub gehen, ohne dem Risiko ausgesetzt zu sein, dass der Vertreter als abhängig Beschäftigter angesehen werde.

Die Klägerin verwies zudem auf den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2013, wonach sie hinsichtlich der Tätigkeit bei dem Kläger gemäß § 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB VI) von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit worden sei. Ferner gab sie an, dass sie sich mit dem Kläger darüber einig gewesen sei, dass sie für den Kläger selbstständig tätig werde. Es könne nicht maßgeblich sein, dass sie ihre Dienste in der Praxis des Klägers geleistet habe. Auch ein Handwerker werde fast immer direkt beim Kunden tätig und müsse sich nach dessen Vorgaben richten.

Mit Bescheiden vom 1. Oktober 2015 nahm die Beklagte gegenüber den Klägern die Bescheid vom 10. Juni 2015 hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zurück und stellte fest, dass in der Rentenversicherung keine Versicherungspflicht der Klägerin bestehe, weil diese wegen einer Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung von der Rentenversicherungspflicht befreit sei.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 12. Februar 2016 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Allein der Wille der vertragsschließenden Parteien bestimme nicht, ob eine Tätigkeit als Beschäftigung oder Selbstständigkeit definiert werde. Für die Abgrenzung seien in erster Linie die tatsächlichen Umstände der Leistungserbringung von Bedeutung. Ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei das mit dem Einsatz eigenen Kapitals verbundene erhebliche Unternehmerrisiko. Die Klägerin habe jedoch ausschließlich die eigene Arbeitskraft eingesetzt und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig gewesen. Eigene Arbeitsmittel habe sie nicht eingesetzt. Sie habe ihre Arbeitskraft auch nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt, da die Vergütung (bei einem festen Stundensatz von 40 EUR) nach Leistung der Arbeit erfolgt sei und sich nach der aufgewandten Arbeitszeit gerichtet habe. Eine eigene Preisgestaltung sei der Klägerin nicht möglich gewesen. Sie habe auch nicht nach der Gebührenordnung für Ärzte gegenüber den Patienten liquidiert, sondern ihre Vergütung von dem Kläger erhalten. Ärzte unterlägen in ihren eigentlichen ärztlichen Tätigkeiten keinen Weisungen. Daher komme es entscheidend darauf an, inwieweit der Arzt in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert sei.

Am 2. März 2016 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben (S 10 R 116/16). Am 13. April 2016 hat der Kläger, dem der Widerspruchsbescheid erst am 21. März 2016 zugestellt worden ist, ebenfalls Klage erhoben (S 10 R 191/16). Die Kläger haben im Wesentlichen ihren Vortrag wiederholt und ergänzend darauf verwiesen, dass die Klägerin als Praxisvertretung gegenüber der Krankenkasse kein eigenes Liquidationsrecht habe. Zudem habe sich die Klägerin auf den Befreiungsbescheid der Beklagten vom 16. August 2013 verlassen, wonach sie von der Rentenversicherungspflicht befreit sei. Das berufsständige Versorgungswerk habe ihr mit Schreiben vom 7. Juli 2015 bestätigt, dass die Beiträge aufgrund freiberuflicher Tätigkeit entrichtet worden seien. Mittlerweile sei die Klägerin zudem für drei Auftraggeber tätig. In der hier streitigen Zeit sei sie allerdings lediglich für den Kläger tätig gewesen.

Mit Beschluss vom 11. Juli 2016 hat das Sozialgericht die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Mit Urteil vom 20. September 2017 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Entgegen der "Niederschrift einer mündlichen Absprache" vom 25. Februar 2013 würden die tatsächlichen Gegebenheiten gegen eine selbstständige und damit versicherungsfreie Tätigkeit sprechen. Die Klägerin habe nicht nur Akupunkturbehandlungen und Behandlungen von privat versicherten Patienten, sondern jedenfalls in der Urlaubszeit des Klägers auch Behandlungen von Kassenpatienten durchgeführt. Beginn, Ende und Dauer des Arbeitseinsatzes der Klägerin seien durch weitere mündliche Absprachen festgelegt worden. Erst diese Vereinbarungen hätten den Abschluss des Dienstvertrages dargestellt, an welchen sich beide Vertragsparteien zu halten gehabt hätten. Die Arbeitszeit der Klägerin habe teils deutlich über der vereinbarten Arbeitszeit von 15 Stunden wöchentlich gelegen. Sie sei in dem Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen. Der Kläger sei alleiniger Inhaber des Betriebes gewesen. Die Klägerin habe keine Anteile besessen und sei auch nicht berechtigt gewesen, gegenüber den Krankenkassen die Kosten der ärztlichen Leistungen direkt abzurechnen. Die Abrechnung sei vielmehr ausschließlich durch die Praxis des Klägers erfolgt. Die Klägerin habe die Räumlichkeiten, Gerätschaften und Hilfsmittel der Praxis des Klägers genutzt und sich auch dessen Personal bedient, ohne dass sie dafür auch nur einen kleinen Anteil der dadurch entstandenen Kosten zu tragen gehabt hätte. Sie sei auch nicht nach den Maßstäben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBMÄ) bzw. der Gebührenordnung für ärztliche Leistungen (GOÄ) bezahlt worden, sondern habe einen pauschalierten Stundenlohn in Höhe von 40 EUR erhalten. Es komme nicht entscheidend darauf an, dass die Klägerin hinsichtlich ihrer ärztlichen Tätigkeit nicht dem konkreten Weisungsrecht des Klägers unterlegen habe, da bei Diensten höherer Art, zu denen unzweifelhaft auch die ärztliche Tätigkeit gehöre, das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein könne, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert sei. Schließlich habe die Klägerin kein Unternehmerrisiko getragen. Sie sei auch nicht unternehmerisch aufgetreten. Zudem habe sie bis auf die Erhöhung ihrer Stundenzahl keinerlei Einfluss auf die durch ihre Tätigkeit erzielbaren Einkünfte ausüben können. Die fehlende Vereinbarung einer Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bzw. während eines Urlaubs spreche zwar gegen eine abhängige Beschäftigung. Dies sei jedoch nur die Folge der von den Klägern gewünschten, aber tatsächlich nicht vorliegenden selbstständigen Tätigkeit. Gegen eine abhängige Tätigkeit spreche auch nicht, dass der Kläger auf die zeitlichen Präferenzen der Klägerin Rücksicht genommen habe.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 28. November 2017 zugestellte Urteil am 19. Dezember 2017 und der Kläger hat gegen das ihm am 28. November 2017 zugestellte Urteil am 22. Dezember 2017 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie haben ihre Argumente aus dem verwaltungsrechtlichen und erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Der Kläger hat ergänzend ausgeführt, dass eine Anstellung in einem zulassungsbeschränkten Gebiet auch voraussetze, dass eine entsprechende Aufteilung der vertragsärztlichen Zulassung (und des damit verbundenen Liquidationsrechts) erfolge. Dies sei gerade bei Tätigkeiten in geringem und unstetigem Umfang in keiner Weise praktikabel und umsetzbar. Im Ergebnis führe dies dazu, dass in diesen Gebieten keine Anstellung als Arzt/Ärztin erfolge, Ärztinnen wie die Klägerin somit nicht die notwendigen Fortbildungsnachweise erbringen könnten und damit deren Weiterbildung zur HNO-Fachärztin in äußerst ungewisser Zukunft stehe. Im Übrigen komme dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, indizielle Bedeutung zu.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. September 2017 sowie die Bescheide der Beklagten vom 10. Juni 2015, abgeändert durch Bescheide vom 1. Oktober 2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. Februar 2016 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin in der Praxis des Klägers in der Zeit vom 22. Februar 2013 bis 24. April 2014 sowie vom 10. September 2014 bis 13. Oktober 2014 nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung war.

Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen sind unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht mit Urteil vom 20. September die Klagen der Kläger abgewiesen. Zutreffend hat die Beklagte mit Bescheiden vom 10. Juni 2015, abgeändert durch Bescheide vom 1. Oktober 2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. Februar 2016, die Tätigkeit der Klägerin für den Kläger in der streitigen Zeit als abhängige Beschäftigung eingestuft und die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung festgestellt.

Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist § 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Nach dieser Vorschrift können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hätte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet.

Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat die Klägerin am 2. Dezember 2014 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)). Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012, B 12 R 25/10 R, juris, m.w.N.).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, gegebenenfalls den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 18. November 2015, B 12 KR 16/13 R, juris).

Auch für die Frage, ob ein Arzt im Krankenhaus oder einer Arztpraxis aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses beschäftigt ist, kommt es maßgebend darauf an, ob der Arzt nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit in einem persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Krankenhausträger bzw. dem Praxisinhaber steht. Eine Weisungsfreiheit in Ausübung der ärztlichen Tätigkeit berührt eine persönliche Abhängigkeit nicht (BSG, Urteil vom 23. Oktober 1970, 2 RU 1/69, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2017, L 11 R 2433/16, juris).

Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass die Klägerin in der streitigen Zeit für den Kläger im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung tätig geworden ist und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Die Klägerin war in den Betrieb des Klägers eingliedert. Sie hat in den Praxisräumen des Klägers und ausschließlich mit dessen Betriebsmitteln gearbeitet. Ohne diese Betriebsmittel hätte sie ihre Tätigkeit als HNO-Ärztin nicht durchführen können. Ferner hat sie mit dem Praxispersonal, demgegenüber sie weisungsbefugt war, zusammengearbeitet. Die Kläger können sich insoweit nicht erfolgreich darauf berufen, dass dies "in der Natur" der Dienstleistung liegen würde. Denn eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn tritt nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurück, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (BSG, Urteil vom 11. März 2009, B 12 KR 21/07 R, juris).

Die Klägerin unterlag auch in einem gewissen Umfang dem Weisungsrecht des Klägers.

Die Kläger können sich zunächst nicht erfolgreich darauf berufen, dass der Vertreter ines niedergelassenen Arztes grundsätzlich nicht dem für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wesentlichen Direktionsrecht des Praxisinhabers unterliegt (so BSG, Urteil vom 27. Mai 1959, 3 RK 18/55, juris). Denn die Klägerin ist nur in einem sehr geringen Umfang als Vertreterin des Klägers tätig gewesen. Nach ihren eigenen Angaben hat sie den Kläger nur tageweise vertreten und seine Aufgaben als Praxisinhaber nicht übernommen. Insbesondere ist sie nicht in den Bereichen Personalführung und Abrechnungen tätig gewesen. Ferner hat der Kläger erklärt, dass eine Vertretung von ihm als Praxisinhaber nur bei schwerer Krankheit erforderlich sei.

Das Ausmaß sowie die genauere Ausprägung des Weisungsrechts hängen im Übrigen von der geschuldeten Tätigkeit ab. So ist insbesondere die inhaltliche oder fachliche Weisungsbefugnis bei hoch qualifizierten Tätigkeiten eingeschränkt oder mangels eigener Fachkompetenz theoretisch weisungsberechtigter Personen überhaupt nicht vorhanden. Hier tritt die Eingebundenheit in den - fremden - Betrieb und die so genannte funktionsgerecht dienende Teilhabe in den Vordergrund, so dass auch bei einem völligen Fehlen inhaltlicher oder fachlicher Weisungsbefugnisse ein Beschäftigungsverhältnis vorliegen kann (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 2013, B 12 KR 19/11 R, juris).

Die Klägerin war hinsichtlich von Ort und Art der Tätigkeit nicht vollkommen frei. Lediglich hinsichtlich der Zeit konnte sie ihre Tätigkeit weitgehend - im Rahmen der Praxiszeiten - frei gestalten. So konnte sie entscheiden, an welchen Tagen und in welchem Umfang sie in der Praxis des Klägers arbeitete. Dies allein ist jedoch lediglich ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Denn ebenso sind im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen denkbar, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt. In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Wird allerdings die Anfrage angenommen, so wird die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt und stellt die Tätigkeit nicht allein wegen der vorhandenen Ablehnungsmöglichkeiten eine selbstständige Tätigkeit dar (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. August 2015, L 4 R 1001/15, juris; Hessisches LSG, Urteil vom 10. August 2017, L 1 KR 394/15, juris).

Darüber hinaus sprechen noch weitere Merkmale für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin. Dies gilt insbesondere für die vereinbarte Vergütung nach Arbeitsstunden und festen Stundensätzen. Zudem spricht die für eine Fachärztin eher geringe Höhe des Stundensatzes für eine abhängige Beschäftigung.

Ferner konnte die Klägerin ihre Leistungen nicht selbst abrechnen und zwar auch nicht gegenüber den privatversicherten Patienten bzw. hinsichtlich der Leistungen, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören. Alle von der Klägerin erbrachten Leistungen wurden vielmehr durch den Kläger und in dessen Namen abgerechnet. Die Klägerin ist auch nicht gegenüber den Patienten im eigenen Namen aufgetreten.

Schließlich hat sie auch kein Unternehmerrisiko getragen. Für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist maßgeblich, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, B 12 KR 17/11 R, juris).

Die Arbeitskraft der Klägerin wurde nicht mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Sie hat von dem Kläger eine Vergütung nach fest vereinbarten Stundensätzen erhalten. Die Arbeitszeiträume wurden zwischen den Klägern vereinbart, so dass eine Ungewissheit des Erfolgs des Arbeitseinsatzes der Klägerin nicht ersichtlich ist. Die Klägerin erhielt keine erfolgsabhängige Vergütung. Die Arbeitsmittel und die Arbeitsräume wurden von dem Kläger zur Verfügung gestellt. Es ist zudem bei abhängig Beschäftigte nicht unüblich, dass sie die Kosten für ihre Berufskleidung (wie etwa angestellte Anwälte) selbst zu tragen haben. Damit ist auch unerheblich, dass die Klägerin die Arbeitskleidung nicht vom Kläger gestellt bekommen hat.

Ebenso begründet der Umstand, dass die Klägerin möglicherweise eine Haftung für von ihr verursachte Schäden hätte treffen können, noch kein Unternehmerrisiko (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Oktober 2012, L 4 R 761/11, juris; Hessisches LSG, Urteil vom 10. August 2017, L 1 KR 394/15, juris; Seewald in: Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV, Rdnr. 61 m.w.N.).

Dass keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bzw. kein Urlaubsanspruch vereinbart wurde, ist ebenfalls kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Dies ist vielmehr typisch, wenn die Vertragsseiten eine selbstständige freie Mitarbeit vereinbaren wollen. Letztlich ist dies aber nicht entscheidend, sondern nur Ausdruck der unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Beschäftigungsverhältnisses.

Die wenigen für eine selbstständige Tätigkeit der Klägerin sprechenden Umstände sind demgegenüber nachrangig.

Aufgrund des Umfangs der Tätigkeit der Klägerin für den Kläger ist auch nicht von einer geringfügigen, versicherungsfreien Beschäftigung gemäß § 8 Abs. 1 SGB IV auszugehen. Im Jahr 2013 erzielte die Klägerin ein durchschnittliches Monatsarbeitsentgelt von 1.685 EUR. Aber auch im Jahr 2014 betrug ihr durchschnittliches Monatsarbeitsentgelt noch 635 EUR (7.620 EUR Jahresentgelt) und damit mehr als 450 EUR. Damit hat in der streitigen Zeit keine Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken-, Pflege und Arbeitslosenversicherung gemäß § 7 Abs. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 SGB XI, § 27 Abs. 2 SGB III bestanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es liegt ein Fall subjektiver Klagehäufung bei einem einheitlichen Streitgegenstand vor. Daher ist die Anwendung des Gerichtskostengesetzes (GKG) und der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bereits ausgeschlossen, wenn nur einer der Kläger - wie vorliegend die Klägerin - zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015, B 12 KR 23/13 R).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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