L 11 EG 2575/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 EG 4434/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 2575/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird dem Antrag eines Elterngeldberechtigten stattgegeben
und diesem für die Dauer von zwei Lebensmonaten des Kindes (Mindestbezugszeit gemäß § 4 Abs 5 Satz 2 BEEG) Elterngeld bewilligt, kann der Bewilligungsbescheid nur mit
Wirkung für die Zukunft (also nur für den zweiten Elternzeitmonat) gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X aufgehoben werden, wenn sich der Berechtigte nach Erlass des Bewilligungsbescheides bei der Beantragung von Elternzeit gegenüber seinem Arbeitgeber irrt und deshalb im zweiten Elternzeitmonat tatsächlich mehr als 30 Wochenstunden arbeitet.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15.05.2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld für den dritten Lebensmonat des Kindes sowie über die daraus resultierende Erstattungsforderung.

Der Kläger ist Vater des 2015 geborenen Kindes T. Der Kläger und seine Ehefrau, die Mutter des Kindes, beantragten am 18.05.2018 mit einem Formular der Beklagten Elterngeld. Die Ehefrau gab als Bezugszeitraum die Lebensmonate 1 bis 12 des Kindes an, der Kläger die Lebensmonate 3 und 14. Die Auswahl erfolgte durch Ankreuzen, eine datumsmäßige Beschreibung der Monate war nicht vorgesehen und ist auch nicht erfolgt.

Die Beklagte bewilligte der Ehefrau des Klägers mit Bescheid vom 26.06.2015 Elterngeld für den ersten Lebensmonat des Kindes iHv 0 EUR, für den zweiten Lebensmonat iHv 131,34 EUR und für die Lebensmonate 3 bis 12 iHv 1.313,44 EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 07.08.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Elterngeld für den Lebensmonat 3 vom 04.07.2015 bis 03.08.2015 iHv 1.342,51 EUR und für den Lebensmonat 14 vom 04.06.2016 bis 03.07.2016 iHv 1.220,46 EUR. Der Bescheid enthielt den Vorbehalt des Widerrufs unter anderem für den Fall, dass der Kläger in dem im Antrag angegebenen Bezugszeitraum entgegen der dort erklärten Absicht Einkommen erziele.

Am 10.06.2016 teilte der Kläger per E-Mail den Erhalt des Betrages von 1.220,46 EUR am 07.06.2016 mit. Er führte aus, er sei hierüber etwas verwundert, da seine Elternzeit erst am 04.07.2016 beginne.

Mit Änderungsbescheid vom 20.06.2016 hob die Beklagte den Bescheid vom 07.08.2015 auf und machte die Erstattung von 2.562,97 EUR geltend. Sie begründete dies damit, im 14. Lebensmonat habe kein Anspruch auf Elterngeld bestanden, da die Erwerbstätigkeit 30 Wochenstunden überstiegen habe. Außerdem sehe das Gesetz die Zahlung von Elterngeld nur für mindestens zwei Monate vor. Der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzungen aber lediglich für einen Monat. Ihm könne daher kein Elterngeld gewährt werden.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 28.06.2016 Widerspruch gegen die Rückforderung des Elterngeldes für den dritten Lebensmonat. Er führte aus, ihm sei beim Beantragen des Elterngeldes und der Elternzeit leider der Fehler unterlaufen, dass er den zweiten Elternzeitmonat vom 04.07.2016 bis 03.08.2016 beantragt habe. Dabei sei er der festen Überzeugung gewesen, dass es sich hierbei um den 14. Lebensmonat seines Sohnes handele. Auch gegenüber dem Schulamt als Arbeitgeber habe er in seinem Antrag auf Elternzeit vom 21.03.2016 die Zeit vom 04.07.2016 bis 03.08.2016 als 14. Lebensmonat bezeichnet. Die Entscheidung für den Juli 2016 als Elternzeit sei mit Rücksicht auf die Kollegen getroffen worden (Fehlzeit lediglich drei Wochen wegen Beginns der Sommerferien am 28.07.2016, leichtere Vertretung, da viele organisatorische und unterrichtliche Dinge bereits gelaufen seien). Auch wäre es für die Familie schön gewesen, nach der Elternzeit direkt in die Sommerferien zu gehen und so eine längere Zeit gemeinsam zu verbringen. Er werde nun versuchen, auf den zweiten Elternzeitmonat zu verzichten und im Juli voll arbeiten zu gehen. Er bitte aber darum, von der Rückforderung des Elterngeldes für den dritten Lebensmonat, in dem er tatsächlich Elternzeit gehabt habe, abzusehen. Beigefügt waren ua ein Schreiben an das Staatliche Schulamt O. vom 21.03.2016, mit dem der Kläger Elternzeit für den 14. Lebensmonat des Kindes für die Zeit vom 04.07.2016 bis 03.08.2016 beantragt hat, sowie die hierauf erfolgte Bewilligung vom 13.04.2016.

Mit Schreiben vom 17.08.2016 hörte die Beklagte den Kläger in Vorbereitung des Widerspruchsbescheids zur (bereits erfolgten) Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 07.08.2015 an. Sie führte aus, die Entscheidung auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu stützen, denn die Bewilligung sei wegen Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen von Anfang an objektiv rechtswidrig gewesen. Der Kläger genieße keinen Vertrauensschutz, denn er hätte die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids kennen müssen. Soweit er die Unrichtigkeit nicht gekannt habe, sei ihm diesbezüglich grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

Der Kläger, nunmehr vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, teilte daraufhin mit, er habe im Antragsformular den dritten und 14. Lebensmonat in der Annahme angekreuzt, der 14. Lebensmonat dauere vom 04.07.2016 bis zum 03.08.2016. Immer noch in diesem Glauben habe er am 21.03.2016 seine Elternzeit ab dem 04.07.2016 beantragt. Aufgrund des Bescheides der Beklagten vom 20.06.2016 habe er dies rückgängig gemacht. Er habe also keine Elternzeit vom 04.07.2016 bis 03.08.2016 in Anspruch genommen, da er sich dies als Alleinverdiener der Familie ohne Elterngeld nicht hätte leisten können. Die Koppelung des Elterngeldes für den dritten Lebensmonat an den 14. Lebensmonat ergebe im vorliegenden Fall keinen Sinn und schädige eine junge Familie finanziell. Der Bewilligungsbescheid vom 07.08.2015 sei auch nicht von Anfang an objektiv rechtswidrig gewesen. Ebenso wenig habe der Kläger grob fahrlässig falsche Angaben bei der Antragstellung gemacht oder die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung grob fahrlässig verkannt. Seine Berechnung des 14. Monats sei zwar falsch gewesen. Dies sei aber lediglich leicht fahrlässig gewesen. Es seien verschiedene persönliche Faktoren zu berücksichtigen, die den Vorwurf milderten. So sei er während des Bewilligungsbescheids mit seiner Familie in Urlaub gewesen und habe dann Mitte September 2015 eine neue Stelle angetreten. Auch habe die Familie im Februar 2016 einen Umzug von F. nach E. bewerkstelligen müssen. Mit dem Bewilligungsbescheid vom 07.08.2015 seit lediglich aus damaliger Sicht zu Recht das Elterngeld für den dritten Lebensmonat ausgezahlt worden. Als dem Kläger das Elterngeld für den 14. Lebensmonat überwiesen worden sei, sei ihm die Unstimmigkeit sofort aufgefallen und er habe die Beklagte mit E-Mail vom 10.06.2016 darauf aufmerksam gemacht.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2016 als unbegründet zurück. Der Bescheid vom 07.08.2015 sei von Anfang an objektiv rechtswidrig gewesen. Die Angaben des Klägers bei Antragstellung seien objektiv falsch gewesen. Er habe zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass er einen anderen als den von ihm im Antrag genannten Zeitraum beantragen wolle. Auch sei eine Beantragung von Elterngeld nur bis zum 14. Lebensmonat möglich. Es könne dahinstehen, ob bezüglich dieser falschen Angaben grobe Fahrlässigkeit vorliege, da er auf jeden Fall die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 07.08.2015 hätte kennen müssen und ihm insoweit grobe Fahrlässigkeit zur Last falle. Der Kläger hätte ohne weitere Anstrengung dem Bewilligungsbescheid entnehmen können, dass der bewilligte 14. Lebensmonat (dort datumsmäßig bezeichnet als 04.06.2016 bis 03.07.2016) und sein tatsächlich gewollter Zeitraum (04.07.2016 bis 03.08.2016) voneinander abweichen. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger daher nicht berufen. Auch der Verbrauch der ausgezahlten Beträge rechtfertige keine andere Beurteilung, denn ein besonderer Härtefall sei nicht anzunehmen. Schließlich gebiete das öffentliche Interesse an der Gleichbehandlung der Antragsteller und das Interesse des Fiskus in der sparsamen Verwaltung öffentlicher Mittel die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung. Der Erstattungsanspruch beruhe auf § 50 Abs 1 SGB X.

Der Kläger hat am 10.11.2016 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren.

In der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2018 hat der Kläger erklärt, er habe bei Beantragung des Elterngelds lediglich die Vorstellung gehabt, einen möglichst frühen und einen möglichst späten Monat Elternzeit zu nehmen, da er dies bei seinem ersten Kind sinnvoll bzw schön empfunden habe. Daher habe er Elterngeld für den dritten und 14. Lebensmonat beantragt. Es sei ihm nicht in erster Linie um ein bestimmtes Datum gegangen. Er habe den Zeitraum für sich nur so ungefähr überschlagen, ob es dann im Juni oder Juli sein würde, darüber habe er sich keine Gedanken gemacht. Erst anlässlich der Beantragung der zweiten Elternzeit bei seinem Arbeitgeber im März 2016 habe er mit dem Kalender ausgerechnet, wann der 14. Lebensmonat sei. Seine Berechnung sei jedoch falsch gewesen, er habe leider auch nicht noch einmal im Elterngeldbescheid nachgeschaut.

Mit Urteil vom 15.05.2018 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 20.06.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 insoweit aufgehoben, als darin die Elterngeldbewilligung für den dritten Lebensmonat aufgehoben und die Erstattung der für diesen Monat geleisteten 1.342,51 EUR verfügt worden ist. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 07.08.2015 könne nicht auf § 45 SGB X gestützt werden. Die Bewilligung des Elterngeldes mit Bescheid vom 07.08.2015 habe dem geltenden Recht entsprochen. Die vom Kläger im Zusammenhang mit seinem Antrag gemachten Angaben und vorgelegten Nachweisen hätten objektiv den Tatsachen entsprochen. Seine formularmäßig vorgegebene Erklärung, er beantrage Elterngeld für die Lebensmonate drei und 14 habe seiner Absicht entsprochen, auch in diesen Monaten Elternzeit zu nehmen. Selbst wenn der Kläger damals über den kalendarischen Zeitraum des 14. Lebensmonat geirrt hätte, würde es sich dabei um einen unbeachtlichen Motivirrtum handeln. Eine anfängliche Rechtswidrigkeit iSv § 45 Abs 1 SGB X läge im Zusammenhang mit derartigen zukunftsbezogenen Leistungsvoraussetzungen nur vor, wenn bereits im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung zu erkennen sei, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt werden können. Führten dagegen nach Erlass des Bewilligungsbescheids eintretende Tatsachen dazu, dass die zukunftsbezogenen Leistungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt werden können, liege eine Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X vor. Diese Vorschrift ermächtige die Beklagte im vorliegenden Fall allerdings lediglich zur Aufhebung der Leistungsbewilligung für den 14. Lebensmonat. Außerdem hat das SG ausgeführt, dass es sich bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt um einen so genannten atypischen Fall handele, der selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X eine Ermessensentscheidung gebiete. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung für den dritten Lebensmonat könne nicht auf den im Bewilligungsbescheid vom 07.08.2015 enthaltenen Widerrufsvorbehalts gestützt werden. Die Voraussetzung des Widerrufs, dh die Erzielung von Einkommen entgegen der bei Antragstellung erklärten Absicht, sei im dritten Lebensmonat nicht erfüllt.

Gegen das ihr am 26.06.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.07.2018 Berufung eingelegt. Sie hält daran fest, dass die Bewilligung des Elterngeldes für den dritten und 14. Lebensmonat des Kindes von Anfang an rechtswidrig gewesen und die Aufhebung der Bewilligung auf § 45 SGB X zu stützen sei. Der Kläger sei spätestens mit Bescheid vom 07.08.2015 über die jeweils datumsmäßige Bezugsdauer des Elterngeldes im dritten und 14. Lebensmonat informiert worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger die entsprechenden Elternzeiten bei seinem Arbeitgeber auch verbindlich beantragen müssen. Im Übrigen wäre aber eine auch eine auf § 48 SGB X gestützte Rückforderung des bereits geleisteten Elterngeldes rechtmäßig gewesen. Dem Kläger habe im 14. Lebensmonat des Kindes kein Anspruch auf Elterngeld zugestanden, damit sei auch der Anspruch auf Elterngeld im dritten Lebensmonat entfallen. Ob und in welchem Umfang eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eintrete, richte sich maßgeblich nach dem Verfügungssatz des letzten Bescheides, der bei Kenntnis der Änderung anders hätte ergehen müssen. Der Kläger sei seiner Mitteilungspflicht grob fahrlässig im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 bis 4 SGB X nicht nachgekommen. Dass im Falle des Klägers mindestens grobe Fahrlässigkeit vorliege, habe die Rechtsprechung bereits für vergleichbare Fälle entschieden. Aufgrund der zumindest grob fahrlässigen Pflichtverletzung wirke die Aufhebung zwingend für die Zukunft. Es lägen aber auch die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X für eine Aufhebung für die Vergangenheit vor. Dem Kläger sei im 14. Lebensmonat seines Kindes ein Vollzeit-Einkommen zugeflossen, das zu einem Wegfall seines Elterngeldanspruchs in diesem und damit auch im dritten Lebensmonat geführt habe. Die Rechtsfolge bestehe in der prinzipiell zwingenden rückwirkenden Aufhebung und zwar gemäß § 48 Abs 1 Satz 3 SGB X zum Beginn des Anrechnungszeitraums, hier somit zum Beginn des dritten Lebensmonats. Ein atypischer Fall unter Berücksichtigung des Zwecks des Elterngeldes sei nach der eigenmächtigen Verschiebung des Bezugszeitraums auf den 15. Lebensmonats nicht gegeben. Die Beklagte müsste für den eigenmächtig verschobenen Bemessungszeitraum einen Änderungsbescheid erstellen, der rechtswidrig wäre.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15.05.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Ergänzend weist er darauf hin, dass bei der Beantragung von Elternzeit nicht zwingend alle dem Arbeitnehmer zur Verfügung stehenden Elternzeiträume bereits verbindlich beantragt werden müssten. Dem Arbeitnehmer stehe es offen, beispielsweise nach einer einjährigen Elternzeit, die direkt an die Geburt des Kindes anschließe, eine weitere Elternzeit von einem Jahr zu beantragen, sofern der zweite Zeitraum rechtzeitig, dh sieben Wochen vor dessen Beginn beantragt werde. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, würde es an dem korrekten Ergebnis, zu dem das SG gekommen sei, nichts ändern. Die Regelung diene dem Schutz des Arbeitgebers in Form von Planungssicherheit. Außerdem müssten die Voraussetzungen einer Rücknahme für beide Zeiträume geprüft werden und für beide Zeiträume auch vorliegen. § 48 Abs 1 SGB X sehe dementsprechend vor, dass der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben sei, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen die bei Erlass vorgelegen haben eine wesentliche Änderung eintrete. Dies ermögliche eine Teilaufhebung.

Die Berichterstatterin hat das Sach- und Streitverhältnis am 11.04.2019 ausführlich mit den Beteiligten erörtert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll Bezug genommen. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Aufhebungsbescheid vom 20.06.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 zu Recht aufgehoben, soweit darin die Elterngeldbewilligung für den dritten Lebensmonat aufgehoben und die Erstattung der für diesen Monat geleisteten 1.342,51 EUR verlangt worden ist.

Insbesondere konnte der Kläger den Streitgegenstand seiner Anfechtungsklage (§ 54 SGG) zulässig auf die Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld und Rückforderung für den dritten Lebensmonat des Kindes begrenzen. Die Teilanfechtung eines Verwaltungsakts setzt eine Teilbarkeit bzw Abtrennbarkeit einzelner Regelungen voraus. Abtrennbar - und damit teilweise anfechtbar - sind in der Regel zahlenmäßig, zeitlich, örtlich, gegenständlich oder personell abgrenzbare Teile einer Entscheidung. Inhaltlich wird eine Teilbarkeit des Verwaltungsakts dann angenommen, wenn die abzutrennenden Teile nicht in einem untrennbaren rechtlichen Zusammenhang mit den übrigen Teilen stehen. Die abgetrennten Teile müssen als selbstständige Regelung weiter existieren können, ohne ihren ursprünglichen Bedeutungsgehalt zu verändern bzw die Rechtswidrigkeit des einen Teils darf sich nicht auf den Rest des Verwaltungsakts auswirken. (BSG 15.07.2015, B 6 KA 29/14 R, juris Rn 23). Vorliegend sind verschiedene Zeitabschnitte betroffen. Auch wirkt sich eine Rechtswidrigkeit der Bewilligung für einen Zeitabschnitt nicht auch immer und zwangsläufig auf die Rechtmäßigkeit der übrigen Abschnitte aus. Im Hinblick auf die grundsätzliche Mindestbezugsdauer des Elterngelds ergibt sich ebenfalls keine Unteilbarkeit, da Fallgestaltungen denkbar sind, in denen der Elterngeldanspruch auch bei Unterschreiten der Mindestbezugszeit bestehen bleiben kann (vgl BSG 08.03.2018, B 10 EG 7/16 R, juris).

Der Bescheid vom 20.06.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 ist im vorgenannten Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht keine Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld für den dritten Lebensmonat des Kindes. Die Aufhebung kann weder auf § 45 SGB X oder § 48 SGB X, noch auf § 47 SGB X gestützt werden. Das gezahlte Elterngeld kann daher auch nicht gemäß § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X zurückgefordert werden.

§ 45 SGB X scheidet als Ermächtigungsgrundlage aus, weil der Verwaltungsakt vom 07.08.2015 für den dritten Lebensmonat zum Zeitpunkt des Erlasses nicht rechtswidrig war.

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 45 Abs 1 SGB X unter den Einschränkungen von § 45 Abs 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 SGB X findet Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll. Eine Abgrenzung zu § 48 SGB X erfolgt nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll (BSG, 21.06.2011, B 4 AS 22/10 R, juris Rn 16).

Der Bescheid vom 07.08.2015 wurde rechtmäßig erlassen, da der Kläger zum damaligen Zeitpunkt Anspruch auf Elterngeld für den dritten und 14. Lebensmonat des Kindes hatte.

Der Anspruch des Klägers auf Elterngeld richtet sich allein nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (( BEEG ); Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2748) in der ab 01.01.2015 gültigen Fassung.

Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Nach § 4 Abs 5 Satz 2 BEEG kann nur Elterngeld bezogen werden, wenn es mindestens für zwei Monate in Anspruch genommen wird.

Im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 07.08.2015 konnte der Kläger die Voraussetzungen für die Bewilligung noch erfüllen und hat dies zur Überzeugung des Senats auch beabsichtigt. Insbesondere geht der Senat davon aus, dass der Kläger für zwei Monate, nämlich den dritten und 14. Lebensmonat des Kindes Elternzeit und Elterngeld in Anspruch nehmen wollte, was zu einer Erfüllung der Voraussetzungen geführt hätte.

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides hat der Kläger zur Überzeugung des Senats beabsichtigt, im dritten und 14. Lebensmonat des Kindes Elternzeit zu nehmen und hätte dementsprechend für diese Zeit auch tatsächlich Elterngeld beanspruchen können. In seinem Widerspruchsschreiben hat der Kläger dargelegt, sich bei der Beantragung der Elternzeit im März 2016 für den 14. Lebensmonat hinsichtlich seiner datumsmäßigen Festlegung geirrt zu haben und davon ausgegangen zu sein, der 14. Lebensmonat sei die Zeit vom 04.07.2016 bis 03.08.2016. Dies deckt sich mit seinen Angaben im beigefügten Antrag an die Schulbehörde. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 15.05.2018 hat der Kläger ausweislich der Niederschrift dargelegt, dass es ihm wichtig gewesen sei, zu Beginn als auch zum Ende des möglichen Zeitraums je einen Monat Elternzeit zu nehmen, er sich aber über die konkreten Daten keine Gedanken gemacht habe. Dies entspricht der jedenfalls nicht unüblichen Vorgehensweise, dass nicht bereits bei der Beantragung von Elterngeld die konkreten zu beanspruchenden Zeiträume feststehen, sondern dies an die Gegebenheiten im Einzelfall (bspw Eingewöhnungsphasen in der Kita oder Arbeitsaufnahme des Partners) unter Ausnutzung der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit in § 7 Abs 2 BEEG noch angepasst werden. Eine Änderung der Bezugszeiten ist hiernach noch bis zum Ende des Bezugszeitraums möglich.

Dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers mitgeteilt hat, der Kläger habe sich bei der Beantragung von Elterngeld über die datumsmäßige Bestimmung des 14. Lebensmonats geirrt, ist insoweit unbeachtlich. Der Senat geht im Hinblick auf die vorgenannten Äußerungen des Klägers davon aus, dass es sich hierbei um eine ungenaue Wiedergabe der tatsächlichen Angaben des Klägers handelt. Aber selbst wenn sich der Kläger wie von seinem Bevollmächtigten vorgetragen bei Abgabe des Antrags auf Elterngeld geirrt hätte und für die Zeit vom 04.07.2016 bis 03.08.2016, also den 15. Lebensmonat des Kindes Elterngeld hätte beantragen wollen, führt dies nicht zu einer Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 07.08.2015. Dies würde lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum darstellen. Der Kläger hat Elterngeld für den dritten und 14. Lebensmonat beantragt. Die Beklagte hat dem Antrag entsprochen. Der Kläger hätte nach § 7 Abs 2 Satz 1 BEEG die Möglichkeit gehabt, seine Angaben zu ändern. Der Bescheid wäre lediglich dann rechtswidrig, wenn von vornherein ausgeschlossen gewesen wäre, dass der Kläger im 14. Lebensmonat Elternzeit nehmen und elterngeldberechtigt sein könnte. Dies nahm auch die Beklagte nicht an. Bei der Prüfung des Vorliegens einer Ordnungswidrigkeit (Bl 106 der Verwaltungsakte) ging die Beklagte selbst davon aus, dass sich nach Antragstellung Änderungen in den Verhältnissen ergeben haben.

Der Bescheid ist vielmehr erst nach seinem Erlass rechtswidrig geworden. Im 14. Lebensmonat des Kindes hat der Kläger eine Erwerbstätigkeit von mehr als 30 Stunden ausgeübt, so dass für diesen Monat kein Elterngeldanspruch mehr bestanden hat. Dies hatte wiederum zur Folge, dass die Mindestbezugsdauer von zwei Monaten nicht erfüllt werden konnte und damit auch die Voraussetzungen für den Bezug von Elterngeld für den dritten Lebensmonat des Kindes nicht mehr erfüllt waren. Gleichwohl kommt eine Aufhebung für den hier streitgegenständlichen dritten Lebensmonat des Kindes nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X für eine Aufhebung für die Vergangenheit sind nicht erfüllt.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Für eine Aufhebung für die Vergangenheit sieht § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X weitere Voraussetzungen vor: Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Eine Änderung zugunsten des Klägers iSv § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X ist nicht eingetreten.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X liegen ebenfalls nicht vor. Den Kläger traf nach § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) die Pflicht zur Mitteilung der Aufnahme der Erwerbstätigkeit im 14. Lebensmonat des Kindes entgegen der im Antrag erklärten Absicht. Er hat diese Änderung im Juni 2016 mitgeteilt. Ob dies verspätet war, weil der Kläger bereits im März 2016 Elternzeit für den 15. und nicht den 14. Lebensmonat des Kindes beantragt hat und somit in der maßgeblichen Zeit vom 04.06.2016 bis 03.07.2016 einer vollen Erwerbstätigkeit nachgehen wollte, kann offenbleiben. Selbst eine Mitteilung im März 2016 hätte die Gewährung von Elterngeld im dritten Lebensmonat des Kindes nicht mehr verhindert, da dieser Zeitraum längst abgelaufen war.

Die Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld für den dritten Lebensmonat des Kindes war auch nicht nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X möglich, da der Kläger in diesem Monat kein Einkommen erzielt hat. Der Kläger hat lediglich aufgrund der Erwerbstätigkeit im 14. Lebensmonat des Kindes Einkommen erzielt. Diese Einkommenserzielung lässt jedoch den Anspruch auf Elterngeld nicht entfallen. Sie wirkt sich lediglich auf die Höhe des Elterngeldes aus. Selbst ein im Vergleich zum Zeitraum vor der Geburt des Kindes in der Höhe nahezu unverändertes Einkommen würde nach § 2 Abs 4 Satz 1 BEEG zu einem Anspruch auf Elterngeld iHv 300 EUR für den betreffenden Monat führen, sofern die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Der Anspruch scheitert vorliegend nicht am Einkommen, sondern an der Ausübung der Erwerbstätigkeit von mehr als 30 Wochenstunden. An der grundsätzlichen Elterngeldberechtigung für den 14. Lebensmonat des Kindes ändert das Einkommen in diesen Monat nichts. Insbesondere liegt trotz des Einkommens des Klägers weiterhin die in § 4 Abs 5 Satz 2 BEEG normierte Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Partnermonaten vor. Da das Einkommen der Ehefrau des Klägers aus Erwerbstätigkeit für (mehr als) zwei Monate gemindert ist, könnten insoweit die Partnermonate weiterhin beansprucht werden. Es kommt nicht darauf an, welcher der beiden Elternteile diese Bedingung erfüllt (vgl Senger in Tillmanns/Mutschler, MuSchG/BEEG, 2. Aufl 2018, § 4 BEEG Rn 28). Damit lässt ein im 14. Lebensmonat des Kindes erzieltes Einkommen des Klägers die Mindestbezugsdauer unberührt und kann daher auch nicht mittelbar einen Wegfall des Anspruchs auf Elterngeld für den dritten Lebensmonat des Kindes bewirken.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X sind ebenfalls nicht erfüllt. Die erforderliche Bösgläubigkeit bestand im dritten Lebensmonat des Kindes noch nicht, sondern ist erst danach eingetreten. Die Rückwirkung setzt jedoch nicht vor Beginn der Bösgläubigkeit ein (vgl Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 102. EL Dezember 2018, § 48 SGB X, Rn 53).

Die Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld für den dritten Lebensmonat des Kindes kann auch nicht auf § 47 SGB X gestützt werden. Zwar die Bewilligung mit einem Widerrufsvorbehalt versehen. § 47 Abs 1 SGB X sieht jedoch auch im Falle des Widerrufsvorbehalts lediglich eine Aufhebung für Zukunft vor. Die Voraussetzungen für die Aufhebung für die Vergangenheit nach § 47 Abs 2 SGB X sind ebenfalls nicht erfüllt. Eine nicht zweckentsprechende Verwendung der Leistung liegt ebensowenig wie die fehlende Erfüllung einer Auflage vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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