L 9 KR 294/18 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 27 KR 35/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 294/18 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 03. August 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss, mit dem das Sozialgericht seine Klage an das Landgericht Hamburg verwiesen hat, ist nach § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zulässig.

Sie ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht für seinen Antrag vom 27. Februar 2018, gestellt zu Ziff. 5. mit dem Inhalt,

Aufgrund der Nichterfüllung der Leistungspflicht der Beklagten und der Versagung von Leistungsansprüchen des Klägers ab dem 17. Oktober 2011, hilfsweise ab dem – vom Gericht festgelegten Datum – wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den entstandenen Schaden sowie Schadensersatz für den Schaden und das Schmerzensgeld, der zukünftig entstehen wird, vor allem der Beiträge bis zum Wiederaufleben des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen,

den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Hamburg verwiesen.

Es handelt sich um einen Klageantrag, für den der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet ist. Diese entscheiden über die enummerativ in § 51 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten. Im Fall des Klägers kommt im Hinblick auf den Zusammenhang (Nichtgewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung) und die Beklagte (eine gesetzliche Krankenkasse) insoweit allein eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung i.S. des Abs. 1 Nr. 1 SGG in Betracht. Der Feststellungsantrag des Klägers betrifft aber keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine solche setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch oder im Fall der Feststellung auch ein Rechtsverhältnis im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung wurzelt. Schadensersatzansprüche außerhalb von öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen beruhen auf zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Die vom Kläger begehrte Feststellung eines Schadensersatzanspruchs und Schmerzensgeldanspruchs betrifft einen zivilrechtlichen Anspruch in Gestalt eines Amtshaftungsanspruchs. Andere, insbesondere sozialrechtliche Anspruchsgrundlagen kommen dagegen nicht in Betracht, sie können keinen Schadensersatz begründen (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, 12. Aufl. 2017, SGG § 51 Rn. 10a; Bayerisches LSG, Beschluss vom 24. November 2014 – L 7 SF 250/14 KL –, Rn. 10, juris). Als Amtshaftungsanspruch hat auch Landgericht Hamburg das Begehren des Klägers folgerichtig verstanden, da es ihn am 28. August 2018 bereits aufgefordert hat, zu Grund und Höhe, insbesondere den amtspflichtwidrig vorenthaltenen Leistungen und dem Schaden vorzutragen. Für den Amtshaftungsanspruch nach § 839 Bürgerliches Besetzbuch (BGB) ist nach Art. 34 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) ausschließlich der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben.

Unerheblich ist, dass der Kläger den Schadensersatzanspruch selbst auf eine rechtswidrige Nichterbringung von Sozial-Leistungen, konkret Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, seitens der Beklagten stützt. Die behauptete rechtswidrige Handlung in Gestalt der Anordnung des Ruhens von Leistungen nach § 16 Abs. 3a Sozialgesetzbuch/ Fünftes Buch (SGB V) im Oktober 2011 erfolgte nicht in einem öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnis. Die Mitgliedschaft des Klägers als freiwilliges oder als Pflicht-Mitglied der Beklagten beruht jeweils auf Gesetz, nicht Vertrag (§ 5 SGB V, § 9 SGB V). Die Verletzung von Leistungsansprüchen, damit einer öffentlich-rechtlichen Amtspflicht, ist im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs notwendige Tatbestandsvoraussetzung. Die Tatsache, dass der Kläger lediglich eine Feststellung und keine Verurteilung der Beklagten zum Schadensersatz begehrt, ist für den Rechtsweg nicht maßgebend, denn dieser wird durch das Rechtsverhältnis und damit das einschlägige materielle Recht bestimmt.

§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ermächtigt das angerufene Sozialgericht schließlich nicht dazu, auch über zivilrechtliche Fragen zu befinden. Zwar hat es den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Der Kläger hat den Klageantrag zu 5. mittels Klageerweiterung zum Gegenstand einer bereits beim Sozialgericht anhängigen Untätigkeits- und Bescheidungsklage gemacht. Für Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung ordnet § 17 Abs. 2 Satz GVG aber die spezielle Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (als Rückausnahme) an. Im Hinblick darauf kann der Kläger auch nicht geltend machen, eine nach dem SGG statthafte (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erhoben zu haben. Eine solche kann allein auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes (hier die Anordnung des Ruhens von Leistungen) gerichtet sein (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG). Es kommt daher auch nicht darauf an, ob ein berechtigtes Feststellungsinteresse bestünde. Zweifelhaft könnte dies allerdings bereits deshalb sein, weil die Beklagte selbst in ihrem Schreiben vom 30. September 2013 das Ruhen der Leistungen ab Oktober 2011 mit der Begründung "storniert" hat, dass ein Formfehler im Verwaltungsverfahren vorgelegen habe (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 17.1.2019 – L 4 AS 190/18, BeckRS 2019, 1092, beck-online).

Die Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg beruht auf § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG i.V.m. § 32 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach die Kostenentscheidung bei einer Verweisung dem Gericht obliegt, an welches die Verweisung erfolgte ("angegangenes Gericht"), findet im Beschwerdeverfahren keine Anwendung. Das Beschwerdegericht ist insoweit nicht das "angegangene Gericht" (Schoch/Schneider/Bier/Ehlers, VwGO, § 17b GVG Rn. 8).

Der Beschluss ist nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG i.V.m. § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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