L 9 KR 534/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 2551/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 534/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 55/19 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Oktober 2015 wird dieses neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.926,58 Euro zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von 9.926,58 Euro aufgrund eines ohne Einvernehmen der Klägerin von der Beklagten abgeschlossenen Vergleiches. Die Beklagte ist die zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, den die M GmbH für diverse Arbeitnehmer zu entrichten hatte. Im Zuge von Zahlungsschwierigkeiten entrichtete die M GmbH in der Zeit von Januar 1997 bis Oktober 1997 fällige Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 309.241,16 DM an die Beklagte nicht. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2018 eröffnete das Amtsgericht Stendal das Gesamtvollstreckungsverfahren gegenüber der M GmbH. Im Jahr 2000 schlug die Beklagte den Großteil der Forderung wegen Erfolglosigkeit der Einziehung befristet nieder. Im Juli 2001 erhob die Beklagte gegen den Geschäftsführer der M GmbH, dem am 7. April 1962 geborenen Herrn M (nachfolgend Schuldner), Schadensersatzklage gemäß § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 266a Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) wegen nicht erfolgter Weiterleitung der Arbeitnehmeranteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die Zeit von Februar 1997 bis August 1997. Mit Versäumnisurteil vom 23. Januar 2002 verurteilte das Landgericht Stendal den Schuldner zur Zahlung von 88.561,18 DM zzgl. 4 % Zinsen seit dem 24. Februar 2000 an die Beklagte. Am 10. Dezember 2004 bat die Beklagte die damals zuständige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aufgrund der titulierten Forderung im Wege der Amtshilfe um Verrechnung der Ansprüche nach § 52 i.V.m. § 51 Sozialgesetzbuch/ Erstes Buch (SGB I) mit Leistungsansprüchen des Schuldners. Dies merkte die Klägerin für den Fall eines späteren Leistungsbezuges entsprechend vor. Nachdem durch Beschluss des Amtsgerichtes Celle vom 15. Dezember 2005 das Privatinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden war, meldete die Beklagte die Grundforderung gemäß dem Versäumnisurteil vom 23. Januar 2002 i.H.v. 45.280,62 Euro zuzüglich Zinsen i.H.v. 11.285,06 Euro sowie Verfahrenskosten gemäß Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. Februar 2002 i.H.v. 2.985,93 Euro, mithin eine Gesamtforderung von 59.551,61 Euro zur Insolvenztabelle mit dem Hinweis an, dass diese nach § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen sei, da sie auf einer unerlaubten Handlung beruhe. Hinsichtlich der rückständigen Beiträge entfielen 21.574,17 Euro und hinsichtlich der Zinsen 5.441,49 Euro auf die Träger der Rentenversicherung. Im Zuge eines hiergegen vom Schuldner angebrachten Widerrufs und eines daraufhin eingeleiteten Gerichtsverfahrens kam es nach Rücknahme des Verfahrens am 11. Dezember 2007 zu einem Kostenfestsetzungsbeschluss des OLG Naumburg, wonach der Schuldner an die Beklagte einen weiteren Betrag i.H.v. 5.460,84 Euro zu zahlen hatte. Nachdem 2008 das Gesamtvollstreckungsverfahren gegen die M GmbH mangels Masse eingestellt und dem Schuldner im Dezember 2011 im Zuge seines Privatinsolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung erteilt worden war, machte die Beklagte am 22. Februar 2012 gegenüber dem Schuldner eine Gesamtforderung i.H.v. 59.551,61 Euro geltend. Daraufhin unterbreitete der Bevollmächtigte des Schuldners der Beklagten mit Schreiben vom 20. April 2012 unter Vorlage der Gehaltsbescheinigung des Klägers für den Monat Januar 2012 den Vorschlag, dass der Schuldner zur Abgeltung der Gesamtforderung an die Beklagte 7000 Euro in Raten zahle. Mit Schreiben vom 2. Mai 2012 fragte die Beklagte bei der Klägerin und bei der Bundesagentur für Arbeit an, ob diese mit einem entsprechenden Vergleichsvorschlag einverstanden seien. Mit Schreiben vom 25. Mai 2012 unterbreitete der Bevollmächtigte des Schuldners der Beklagten einen konkretisierten Vergleichsvorschlag mit dem Inhalt, dass dieser die Gesamtforderung i.H.v. 59.551,61 Euro nebst Nebenkosten und weiteren 5.460,84 Euro aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Dezember 2007 nebst Zinsen anerkenne und die Beklagte als Gläubigerin sich bereit erkläre, Ansprüche aus den zu Grunde liegenden Schuldtiteln nicht herzuleiten, wenn der Schuldner insgesamt 7000 Euro in Raten i.H.v. 584 Euro monatlich zahle. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 483, 484 der Verwaltungsakte verwiesen. Am 4. Juni 2012 führte die zuständige Mitarbeiterin der Klägerin mit der zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten ein Telefonat, dessen Inhalt streitig ist. Im Anschluss hieran unterschrieb die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten das Vergleichsangebot und schickte es dem Bevollmächtigten des Schuldners zu. Mit Schreiben vom gleichen Tag lehnte die Klägerin eine Zustimmung zum Vergleichsabschluss mangels ausreichender Quote und aufgrund der in Aussicht gestellten Ratenzahlung ab. Mit Schreiben vom 4. Juli 2012 lehnte auch die Bundesagentur für Arbeit den unterbreiteten Vergleichsvorschlag ab. Mit Schreiben vom 17. August 2012 forderte die Klägerin auch für die anderen Sozialversicherungsträger von der Beklagten wegen der Verletzung des öffentlich-rechtlichen Treuhandverhältnisses die Ersetzung des entstandenen Vermögensschadens i.H.v. 58.012, 45 Euro. Nachdem die Beklagte dies mit Schreiben vom 25. März 2013 abgelehnt hatte, erhob die Klägerin am 4. Dezember 2013 gegen die Beklagte vor dem Sozialgericht Berlin Klage auf Ersatz des ihr aufgrund des Vergleichsabschlusses entstandenen Schadens in Höhe von 9.926,58 Euro, hilfsweise auf Feststellung, dass ein Vergleich über im Rahmen der Geschäftsführerhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB geschuldete Arbeitnehmeranteile, deren Höhe die Bezugsgröße übersteige, nur im Einvernehmen mit den beteiligten Fremdversicherungsträgern schließen dürfe. Der Schuldner hat die vereinbarte Vergleichssumme im Zeitraum vom 3. Juli 2012 bis zum 4. Juni 2014 vollständig abgezahlt. Auf die Rentenversicherung entfiel dabei ein Anteil von 3.335,83 Euro. Mit Urteil vom 7. Oktober 2015 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.126,58 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Schadensersatzanspruch i.H.v. 9.926,58 Euro bestehe. Dieser ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 675 BGB aufgrund einer sich aus einem treuhandähnlichen Rechtsverhältnis ergebenden Nebenpflicht in entsprechender Anwendung des § 76 Abs. 4 S. 2 Sozialgesetzbuch/ Viertes Buch (SGB IV). Der Anwendung des § 280 Abs. 1 BGB stehe die Regelung des § 28r SGB IV nicht entgegen, da sich dieser nur auf Pflichtverletzungen des Dritten Abschnitts des SGB IV beziehe, nicht jedoch auf eine Haftung wegen Verletzung der Herstellung des Einvernehmens nach § 76 Abs. 4 SGB IV. Es sei auch nicht ersichtlich, dass § 28r SGB IV eine abschließende Regelung für Schadensersatzansprüche zwischen Leistungsträgern darstelle. Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehe ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis im Sinne eines Treuhandverhältnisses, da die Einzugsstelle Inhaberin der Beitragsforderung gegenüber den Beitragsschuldnern sei, diese jedoch im Innenverhältnis zu den Leistungsträgern ein für die Einzugsstelle fremdes Recht bleibe. Das Treuhandverhältnis ähnele dem Auftragsrecht des § 675 BGB. Dieses Treuhandverhältnis aus dem Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags setzte sich fort, soweit an die Stelle des Beitragsanspruches der Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB trete. Soweit der Schaden im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruches durch die Verkürzung des Rentenversicherungsbeitrages begründet worden sei, handele es sich um eine Drittschadensliquidation, welche die Beklagte legitimiere, den bei der Klägerin eingetretenen Schaden geltend zu machen. Daher umfasse das öffentlich-rechtliche Treuhandverhältnis auch die Abwicklung des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruches. Im Rahmen dieses Treuhandverhältnisses habe der Beklagten die Pflicht oblegen, vor Abschluss eines Vergleiches das Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung herzustellen. Dies ergebe sich aus dem Rechtsgedanken des § 76 Abs. 4 S. 1 SGB IV sowie aus dem Treuhandverhältnis, welches weitreichende Treue- und Interessenwahrungspflichten begründe. Diese Pflicht habe die Beklagte verletzt, indem sie einen Vergleich abgeschlossen habe ohne das Einvernehmen der Klägerin abzuwarten. Hierdurch sei der Klägerin ein Schaden in der Höhe des Betrages entstanden, den sie hätte beanspruchen können, wenn der Schuldner den Schadensersatzanspruch vollständig befriedigt hätte. Demgegenüber könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass ein Schaden nicht oder nicht in dieser Höhe entstanden sei, weil der Schuldner vermögenslos sei und ein Anspruch damit nicht durchsetzbar gewesen wäre, denn hiermit stelle sie lediglich ihre eigenen Erwägungen zur Sinnhaftigkeit des Vergleiches dar. Schutzzweck der Herstellung des Einvernehmens bei Vergleichsabschlüssen sei es jedoch, dass jeder Sozialversicherungsträger eigene Erwägungen zur Sinnhaftigkeit eines Vergleichsabschlusses anstellen könne. Damit müsse aber bei der Ermittlung des Schadens unberücksichtigt bleiben, ob sich die Prognose der Einzugsstelle im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit der Forderung als zutreffend erweise. Zu berücksichtigen sei insofern auch, dass nicht feststehe, ob der Schuldner leistungsfähig gewesen sei, denn die Beklagte habe sich lediglich auf die Feststellung der aktuellen Einkommensverhältnisse des Schuldners beschränkt und nicht hinreichend in den Blick genommen, dass die titulierten Forderungen erst in 30 Jahren verjähren und der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses erst 50-jährige Schuldner durchaus noch hätte Einkommens- und Vermögenszuwächse erzielen können. Die Klägerin habe zudem die Höhe des ihr zustehenden Schadensersatzanspruches zutreffend ermittelt. Eine Prüfung der hilfsweise gestellten Feststellungsklage habe mangels Eintretens der innerprozessualen Bedingung nicht zu erfolgen. Gegen das ihr am 12. November 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. Dezember 2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht bestehe. Ein solcher könne nicht aus § 280 BGB hergeleitet werden, da § 28r SGB IV als spezialgesetzliche Norm den Rückgriff auf § 280 BGB verdränge. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm und dem Vergleich zu den Vorgängerregelungen der §§ 1399 ff. Reichsversicherungsordnung (RVO), die eine entsprechende Anwendung der Schadenersatzregelungen des BGB bestimmte. Für einen Schadenersatzanspruch aus § 28r SGB IV lägen die Anspruchsvoraussetzungen nicht vor, da sich der behauptete Pflichtverstoß aus § 76 Abs. 4 SGB IV ergebe und damit keine Pflicht nach dem Dritten Abschnitt des SGB IV verletzt sei. Für eine Einbeziehung dieses Pflichtenverstoßes in § 28r SGB IV im Wege der Analogie sei kein Raum, da es an der insofern erforderlichen Regelungslücke fehle. Überdies bestehe ein Treuhandverhältnis zwischen den Beteiligten nur im Rahmen des Einzuges des Gesamtsozialversicherungsbeitrages, nicht jedoch bei der Geltendmachung von Schadensersatzforderungen aus unerlaubter Handlung. Die Geltendmachung von zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen sei nicht - auch nicht im Wege der erweiternden Gesetzesauslegung - Gegenstand des Beitragseinzuges. § 28r SGB IV sei nach seinem eindeutigen Wortlaut nur auf Beitragsansprüche anzuwenden, einer anderweitigen Auslegung stehe die Wortlautgrenze entgegen. Es liege auch kein Verstoß gegen § 76 Abs. 4 SGB IV vor, da die Beklagte keinen Vergleich über Beitragsansprüche, sondern einen solchen über Schadenersatzansprüche geschlossen habe. Auf einen solchen könne die Regelung des § 76 Abs. 4 SGB IV nicht angewendet werden, denn es liege keine Gleichartigkeit der Beitragsansprüche mit den Ansprüchen aus unerlaubter Handlung vor, da bereits die jeweiligen Schuldner unterschiedlich seien. Zudem bestehe keine wirtschaftliche Identität der Ansprüche; diese bestünden vielmehr nebeneinander. Nur wenn tatsächlich eine Zahlung auf die Forderung aus unerlaubter Handlung erfolge, reduziere sich auch die Forderung aus dem Gesamtsozialversicherungs-beitrag. Ein Vergleich bezüglich der Forderung aus unerlaubter Handlung berühre daher den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrages nur insoweit, als Zahlungen auf den Gesamtversicherungsbeitrag erfolgen. Ein solcher Vergleich reduziere auch nicht die Beitragsforderung gegen den Arbeitgeber. Daher würden durch einen Vergleich über eine Schadensersatzforderung wegen Beitragsvorenthaltung die wirtschaftlichen Interessen der Fremdversicherungsträger grundsätzlich nicht beeinträchtigt. Die Befugnis zum Abschluss eines Vergleiches für Schadenersatzforderungen ergebe sich für die Beklagte uneingeschränkt aus § 76 Abs. 1 SGB IV. Selbst wenn man eine gewisse Ähnlichkeit von Beitragsansprüchen und Schadenersatzansprüchen nach § 823 Abs. 2 iVm § 266a StGB sowie diesbezüglich gleichfalls ein Treueverhältnis annehmen würde, so beschränke sich dieses darauf, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin auskunfts- und rechenschaftspflichtig sei. Es müsse jedoch kein Einvernehmen hergestellt werden. Vielmehr habe die Beklagte ihre Treuepflicht bereits dadurch erfüllt, dass sie gegenüber dem Schuldner den Anspruch auf zivilrechtlichem Wege geltend gemacht habe. Schließlich könne der zuständigen Mitarbeiterin kein Verschuldensvorwurf gemacht werden, da diese hinsichtlich der Frage, ob überhaupt ein Einvernehmen mit der Klägerin habe hergestellt werden müssen, einem Rechtsirrtum unterlegen habe. Darüber hinaus bestünden Zweifel an der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, denn die Klägerin habe nicht ausreichend dargelegt, dass ohne den Vergleichsabschluss die Forderung einbringlich gewesen wäre. Nach dem Vergleichsabschluss vorliegende Erkenntnisse müssten bei der Frage der haftungsausfüllenden Kausalität unbeachtlich bleiben. § 28r SGB IV stelle lediglich einen Schadenersatzanspruch, nicht jedoch eine Sanktionsnorm dar.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Ihrer Ansicht nach habe das Sozialgericht zu Recht das Vorliegen eines Schadenersatzanspruches aus dem besonderen Treueverhältnis zwischen der Einzugsstelle und dem Rentenversicherungsträger aufgrund der in den §§ 28 ff. SGB IV gesetzlich geregelten Verfahrensweise zum Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrages angenommen. Dieses spezielle öffentlich-rechtliche Treueverhältnis bestehe auch in Bezug auf die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen aus unerlaubter Handlung. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten würde bei konsequenter Betrachtung dazu führen, dass diese zu einem Vergleichsabschluss über die Schadenersatzforderung auch mit Wirkung für die Klägerin gar nicht berechtigt gewesen sei. Zu berücksichtigen sei vielmehr, dass auch Schadenersatzansprüche zu den Einnahmen nach § 76 Abs. 1 SGB IV gehören würden. Überdies resultiere der Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 266a StGB aus der Uneinbringlichkeit der originären Beitragsforderung. Der Anspruch aus unerlaubter Handlung sei das Surrogat des Beitragsanspruches, so dass diesbezüglich die gleichen Normen anzuwenden seien.

Überdies habe das BSG in seiner Rechtsprechung auch nach dem seit dem 1. Januar 1989 geltenden Recht (Urteile vom 13. März 1997, 12 RK 11/96 und vom 22. September 1993, 12 RK 16/91) deutlich gemacht, dass aufgrund der Stellung der Einzugsstelle im Verhältnis zu den Fremdversicherungsträgern zwischen diesen ein Treueverhältnis bestehe, welches die Einzugsstelle über den reinen Beitragseinzug hinaus verpflichte, die Interessen der Fremdversicherungsträger wahrzunehmen. Eine Ermächtigung zum Abschluss von Vergleichen gegenüber Fremdversicherungs-trägern lasse sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht aus § 76 Abs. 1 SGB IV ableiten; eine solche bestehe vielmehr nur nach § 76 Abs. 4 SGB IV. Diese Norm sei auf alle Bereiche des Fremdforderungseinzuges anzuwenden. Überdies habe die Beklagte die Klägerin zunächst nach ihrem Einvernehmen befragt, sich dann jedoch hierüber hinweggesetzt. Ein Irrtum über die Verpflichtung habe daher nicht vorgelegen. Hinsichtlich der Realisierbarkeit des Schadenersatzanspruches sei zu beachten, dass der Schuldner seit dem Jahr 2012 Jahresentgelte in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze erwirtschafte. Bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses sei es aus der Erfahrung der Klägerin nicht fernliegend gewesen, dass ein 50-jähriger Schuldner noch Einkommens- und Vermögenszuwächse generieren könne, so dass der Abschluss des Vergleiches nicht wirtschaftlich gewesen sei. Überdies habe bei Renteneintritt des Schuldners die vorgemerkte Verrechnung vorgenommen werden können. Schließlich habe die Beklagte dem Vergleich zugestimmt, obwohl sie zu den Einkommensverhältnissen des Schuldners keine ausreichende Tatsachengrundlage gehabt habe. Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beteiligten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) der Beklagten gegen das Urteil des SG Berlin vom 7. Oktober 2015 ist zulässig. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 2 SGG, denn die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 9.926,58 Euro, so dass ihre Klage auf eine Geldleistung gerichtet ist, die 750 Euro übersteigt. Es handelt sich nicht um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG, bei der eine Berufung nur zulässig ist, wenn der Wert der Beschwer 10.000 Euro übersteigt. Zwar sind die Beteiligten des Verfahrens jeweils Personen des öffentlichen Rechts, jedoch begehrt die Klägerin von der Beklagten nicht die Erstattung von Kosten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24. Mai 2006, B 3 KR 15/05 R, juris) ist der Begriff der Erstattungsstreitigkeit als Ausnahme eng auszulegen und umfasst daher nicht jeglichen Geldaustausch zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden, sondern nur Forderungen, die auf Erstattung von Kosten gerichtet sind. Darum geht es vorliegend nicht. Die Klägerin begehrt von der Beklagten nicht die Erstattung von Kosten, sondern Ersatz eines behaupteten Schadens. Die Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das SG Berlin die Beklagte zur Zahlung von Schadenersatz an die Klägerin verurteilt. Soweit das SG Berlin in seinem Tenor lediglich eine Zahlung von 9.126,58 Euro ausgesprochen hat, war dies durch den Senat gemäß § 138 SGG von Amts wegen zu berichtigen (vgl. zur Tenorberichtigung durch das Rechtsmittelgericht BSG, Urteil 6. März 2012, B 1 KR 43/11 B, Rn. 4, juris). Es handelt sich hierbei um eine offensichtliche Unrichtigkeit, da das SG Berlin in seinen Entscheidungsgründen dargelegt hat, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Schadenersatzanspruch in der von ihr begehrten Höhe von 9.926,58 Euro hat. Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Schadenersatzanspruch in Höhe von 9.926,58 Euro wegen Abschluss des Vergleiches mit dem Schuldner ohne ihr Einvernehmen zu. Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemachten Schadenersatzanspruch ist – entgegen der Ansicht des SG Berlin und der Beklagten – allein § 28r SGB IV, denn dieser regelt abschließend die Haftung der Einzugsstelle für ihre Pflichten, welche sich aus dem besonderen Verhältnis zwischen der Einzugsstelle und den Fremdversicherungsträgern ergeben und in den §§ 28a ff. SGB IV niedergelegt sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteile vom 20. März 1981, 8/8a RK 19/79 und vom 25. April 1984, 8 RK 30/83; sowie Urteil vom 12. Juni 2008, B 3 P 1/07 R, jeweils juris) sind die Beziehungen der Krankenkassen in ihrer Eigenschaft als Einzugsstellen zu den Rentenversicherungsträgern als Beitragsgläubiger als besonderes öffentlich-rechtliches Treuhandverhältnis ausgestaltet, woraus eine besondere treuhänderische Bindung der Einzugsstelle gegenüber den Rentenversicherungsträgern folgt. Dies beruht darauf, dass der Einzugsstelle die Rechte der Rentenversicherungsträger als Beitragsgläubiger übertragen wurden. Denn die Einzugsstelle zieht nicht nur die Beitragsforderung ein, sondern entscheidet auch über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und -höhe und erlässt den erforderlichen Verwaltungsakt. Sie hat darüber hinaus sogar Entscheidungen über Stundung, Niederschlagung und Erlass von Beitragsforderungen zu treffen. Die Einzugsstelle erscheint daher nach außen als Gläubigerin. Diese gesetzlich angeordnete Übertragung von Gläubigerrechten auf die Einzugsstelle ähnelt einer zivilrechtlichen Abtretung zum Zwecke der Einziehung (sogenannte fiduziarische Inkassozession), wobei der Zessionar die Forderung für Rechnung des Zedenten einzieht und das, was er erhält an den Zedenten abzuliefern hat. Er kann dementsprechend über die Forderung verfügen, d.h. er erhält die volle Gläubigerstellung. Neben dem Rechtsverhältnis der Einzugsstelle zum Beitragsschuldner steht jedoch das Rechtsverhältnis zwischen Einzugsstelle und Rentenversicherungsträger. Es ist ein öffentlich-rechtliches Treuhandverhältnis zwischen gleichgestellten Trägern; sein Inhalt ergibt sich nicht aus dem Beitragsschuldverhältnis, sondern aus einem gesetzlich geregelten besonderen Rechtsverhältnis. Es ist ähnlich einem (entgeltlichen) Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB ausgestaltet. Die Einzugsstelle ist somit nach außen gegenüber dem Schuldner Inhaberin der Beitragsforderung, im Innenverhältnis zum Rentenversicherungsträger bleibt die Beitragsforderung aber ein fremdes Recht, über das die Einzugsstelle nicht frei verfügen kann. Vielmehr hat sie dies nach Treu und Glauben im Interesse des Versicherungsträgers zu tun. An dieser zur alten Rechtslage vor dem 1. Januar 1989 entwickelten Rechtsprechung des BSG hat sich aufgrund der Neuregelung der Beziehungen der Einzugsstelle zu den übrigen Trägern der Sozialversicherung in den §§ 28a ff. SGB IV nichts geändert (vgl. BSG Urteile vom 13. März 1997, 12 RK 11/96 und vom 12. Juni 2008, B 3 P 1/07 R, jeweils juris). Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Sozialgerichts Berlin umfassen die Regelungen nicht nur die originären Beitragsansprüche (§ 28e Abs. 4 SGB IV) sondern auch Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB. Dies hat das Bundesozialgericht bereits in seiner grundlegenden Entscheidung vom 20. März 1981 (8/8a RK 19/79) dargelegt. Nach der hieran anknüpfenden ständigen Rechtsprechung des BSG sind mit Beiträgen auch Schadenersatzforderungen gemeint, die gegenüber denjenigen Personen entstehen, die die Einziehung der Beiträge vereitelt haben. Demnach ist in der gesetzlich geregelten Einzugsermächtigung für den Gesamtsozialversicherungs-beitrag durch die Einzugsstellen zugleich die Ermächtigung enthalten, ebenfalls den Schaden für die Fremdversicherungsträger zu liquidieren. Dies folgt für das BSG daraus, dass die Einzugsstelle im Außenverhältnis als Inhaberin der Forderung aufzutreten hat und daher auch Inhaberin der Schadensersatzforderung ist, die aus der Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen herrührt, obwohl im Innenverhältnis der Schaden auch bei den Fremdversicherungsträgern eintritt. Zur Begründung führt das Bundesozialgericht weiter aus, dass auch in der Praxis der Einzugsstellen die im Wege des Schadensersatzes erlangten Einnahmen buchungsmäßig nur als Beiträge an die Versicherungsträger weitergeleitet werden und die Fremdversicherungsträger diese auch als Beiträge vereinnahmen und verbuchen. Überdies verlangt § 30 Abs. 2 SGB IV für die Aufgabenwahrnehmung anderer Versicherungsträger die Übertragung durch Gesetz, was nicht gegeben sei, wenn man in der generellen Einzugsermächtigung nicht zugleich auch die Ermächtigung für den Einzug der Schadenersatzforderungen sehen würde. Dementsprechend legt das BSG – wie auch die Klägerin in diesem Verfahren – dar, dass bei einer anderen Betrachtung eine Ermächtigung der Einzugsstellen zur Geltendmachung von Schadensersatzforderungen nicht zu begründen wäre, diese mithin in solchen Schadenersatzprozessen nicht aktivlegitimiert wäre. Auch hieran hat sich durch die Einfügung der §§ 28a ff. SGB IV nichts geändert. In Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts hat der Gesetzgeber weder die Regelungen ausdrücklich auch auf Schadensersatzforderungen ausgeweitet, noch eine gesetzliche Ermächtigung zur Aufgabenübertragung auf die Einzugsstellen geschaffen. Gleichwohl es ist weiterhin gängige Praxis, dass die Einzugsstellen als Gläubiger der Forderung im Außenverhältnis auch die Schadenersatzforderungen aus unerlaubter Handlung geltend machen. Daher ist mit dem BSG weiterhin davon auszugehen, dass die Regelungen der §§ 28a ff. SGB IV auch Schadenersatzforderungen aus unerlaubter Handlung umfassen. Dies ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch sachgerecht, da eine Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB nicht neben die ursprüngliche Forderung aus dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag tritt, sondern an deren Stelle. Dies ergibt sich bereits daraus, dass ein Schaden, der im Rahmen der unerlaubten Handlung zu ersetzen ist, erst dann entsteht, wenn der ursprüngliche Anspruch erloschen oder anderweitig untergegangen ist. D.h. so lange wie der ursprüngliche Anspruch auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag noch besteht, kann es nicht zu einer Haftung des Geschäftsführers aus unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266a StGB kommen. Daher ist der Klägerin dahingehend zuzustimmen, dass der Anspruch aus unerlaubter Handlung an die Stelle des ursprünglichen Anspruchs aus dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag tritt und die Regelungen der §§ 28a ff. SGB IV vollständig auch auf die Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung anzuwenden sind. Dementsprechend setzt sich auch das besondere öffentlich-rechtliche Treueverhältnis zwischen der Einzugsstelle und den Fremdversicherungsträgern auf die Schadenersatzforderungen aus unerlaubter Handlung wegen Vorenthaltens der Arbeitnehmerbeiträge zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag fort. Eines Rückgriffs auf die allgemeinen Haftungsnormen des BGB und den Rechtsgedanken des Auftragsrechts bedarf es daher nicht. Nach § 28r SGB IV haftet die Einzugsstelle den Fremdversicherungsträgern für einen diesen zugefügten Schaden, wenn ein Organ oder ein Bediensteter der Einzugsstelle schuldhaft eine diesen nach diesem Abschnitt auferlegte Pflicht verletzt. Zu diesen im Dritten Abschnitt des SGB IV der Einzugsstelle auferlegten Pflichten gehört nach § 28h Abs. 1 S. 3 SGB IV die Pflicht Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, geltend zu machen. Wie dargelegt, gilt dies auch für die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen, die an die Stelle des ursprünglichen Beitragsanspruches getreten sind. Zwar hat die Beklagte vorliegend den Schadensersatzanspruch gegenüber dem Schuldner erfolgreich geltend gemacht, indem sie diesem gegenüber ein Versäumnisurteil erwirkte und die Forderungen zutreffend mit Hinweis auf § 302 InsO zur Insolvenzmasse angemeldet hat, so dass sie der ihr auferlegten Pflicht zunächst nachgekommen ist. Jedoch umfasst die Pflicht des §§ 28h Abs. 1 S. 3 SGB IV nicht nur den Einzug der Forderung selbst, sondern auch alle sonstigen forderungsrelevanten Entscheidungen, wie z.B. über deren Stundung, Niederschlagung und Erlass (vgl. Wagner, in Beck OK Sozialrecht, § 28h SGB IV, Rn. 4a; Scheer, in jurisPK-SGB IV 3. Auflage, § 28h Rn. 106). Da ein Vergleich über eine Beitrags- bzw. der dieser gleichgestellten Schadenersatzforderung letztlich auch eine Teilbeitreibung und ein Teilerlass der Forderung darstellt, ist auch diese Entscheidung bereits von § 28h Abs. 1 Satz 3 SGB IV erfasst. Auch insofern ist im Außenverhältnis allein die Einzugsstelle zur Entscheidung ermächtigt, hat jedoch im Innenverhältnis die betroffenen Interessen der Fremdversicherungsträger zu beachten. Die im Vierten Abschnitt, Dritter Titel (Haushalts- und Rechnungswesen) verortete allgemeine Vorschrift des § 76 SGB IV zur Erhebung von Einnahmen durch die Sozialversicherungsträger ist die lex generalis zu der in § 28h SGB IV gesondert geregelten Ermächtigung der Einzugsstelle zur Einziehung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Daher konkretisiert § 76 Abs. 4 Satz 2 SGB IV für die Einzugsstelle lediglich die bereits aus § 28h Abs. 1 Satz 3 SGB IV in Verbindung mit dem besonderen öffentlich-rechtlichen Treueverhältnis folgende Pflicht der Einzugsstelle gegenüber den Fremdversicherungsträgern, so dass eine Verletzung dieser Pflicht aus § 76 Abs. 4 S. 2 SGB IV zugleich eine Pflichtverletzung nach § 28h Abs. 1 S. 3 SGB IV darstellt und daher entgegen der Auffassung der Beklagten auch einen Schadensersatzanspruch nach § 28r SGB IV auslösen kann (so auch SG Berlin, Urteil vom 3. Mai 2018, S 56 KR 2258/14; Wagner, in BeckOK Sozialrecht, § 28r SGB IV, Rn. 4; Baier, in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 28r SGB IV, Rn. 4). Dies scheint auch die Ansicht des Bundesozialgerichts zu sein, denn in seinem Urteil vom 13. März 1997 (12 RK 11/96) führt das Gericht unter Rn. 14 aus: "Darüber hinaus trifft die Einzugsstelle "fremdnützige" Entscheidungen im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Beitragsansprüche. Dazu gehört die Entgegennahme der Beiträge ebenso wie die Zahlungsaufforderung an den Arbeitgeber bei nicht rechtzeitiger Beitragszahlung (vgl. § 28h SGB IV), die Erhebung von Säumniszuschlägen (§ 24 SGB IV), Einleitung und Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen sowie in begrenztem Umfang die Stundung Niederschlagung oder Erlass von Beiträgen (§ 76 Abs. 3 SGB IV) sowie der Abschluss von Vergleichen über rückständige Beitragsansprüche (§ 76 Abs. 4 SGB IV). Verletzt die Einzugsstelle schuldhaft eine der Verpflichtungen, die ihr hinsichtlich des Einzuges der Beiträge obliegen, so ist sie dem Rentenversicherungsträger wie bisher schadenersatzpflichtig und hat bei schuldhaft verzögerter Abführung der Beiträge dem Rentenversicherungsträger Verzugszinsen zu zahlen (früher § 158 Abs. 2 AVG, § 1436 RVO; jetzt § 28r Abs. 1 und 2 SGB IV)." Diese Pflicht aus § 28h Abs. 1 S. 3 SGB IV i.V.m. § 76 Abs. 4 Satz 2 SGB IV hat die zuständige Mitarbeiterin des Beklagten verletzt. Denn nach § 76 Abs. 4 Satz 2 SGB IV darf die Einzugsstelle einen Vergleich über rückständige Beitragsansprüche, deren Höhe die Bezugsgröße insgesamt übersteigt, nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit schließen. Wie bereits oben dargelegt, sind auch im Rahmen des § 76 Abs. 4 S. 2 SGB IV vom Begriff der "Beitragsansprüche" auch Schadensersatzforderungen aus unerlaubter Handlung erfasst. Einer entsprechenden oder analogen Anwendung der Vorschrift bedarf es daher nicht. Vorliegend überstieg die Forderungshöhe gegenüber dem Schuldner die Bezugsgröße, da ein titulierter Anspruch in Höhe von insgesamt 65.012,45 Euro zuzüglich Zinsen bestand und die maßgebliche Bezugsgröße im Jahr 2012 bei 31.500 Euro lag (§ 18 SGB IV i.V.m. der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2012, BGBl I, 2421). Daher hätte der am 4. Juni 2012 von der Beklagten mit dem Schuldner geschlossene Vergleich nur im Einvernehmen mit der Klägerin und der Bundesagentur für Arbeit abgeschlossen werden dürfen. Der Vergleich wurde jedoch ohne Vorliegen dieses Einvernehmens abgeschlossen. Die Beklagte hat im Rahmen des §§ 28r SGB IV entsprechend der Regelung des § 276 BGB Vorsatz und jede Fahrlässigkeit zu vertreten (vgl. BSG Urteil vom 7. November 1996, 12 RK 9/96). Vorliegend handelte die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten zumindest grob fahrlässig, als sie den Vergleich nach einem Telefonat mit der Klägerin abschloss, da zu diesem Zeitpunkt ein gesichertes Einvernehmen der Klägerin nicht vorlag. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass ihre Mitarbeiterin einem Rechtsirrtum hinsichtlich der Frage unterlag, ob sie überhaupt in Bezug auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Verpflichtung nach § 76 Abs. 4 S. 2 SGB unterliege, da sie selbst erkennbar davon ausgegangen ist, hierzu verpflichtet zu sein. Dies ergibt sich aus den Schreiben an die Klägerin und die Bundesagentur für Arbeit vom 2. Mai 2012. Aufgrund der Pflichtverletzung der Beklagten ist der Klägerin auch ein Schaden in Höhe von 9.926,58 Euro entstanden, denn in dieser Höhe ist durch das Handeln der Beklagten ihr Anteil an der titulierten Forderung gegenüber dem Schuldner untergegangen. Die mit dem Versäumnisurteil titulierte Forderung des Arbeitnehmeranteils des Gesamtsozialversicherungsbeitrages belief sich auf 45.082,62 Euro. Hierauf entfielen zu Gunsten der Rentenversicherungsträger 21.574,17 Euro. Hinzu kamen noch die Verzugszinsen und die Verfahrenskosten. Rechnet man die zu Gunsten der Rentenversicherungsträger aufgrund des Vergleiches eingenommenen 3.335,83 Euro vollständig auf die ursprüngliche Beitragsforderung von 21.574,17 Euro an, ergeben sich verloren gegangene 18.238,34 Euro Arbeitnehmeranteil zum Rentenversicherungsbeitrag. Verteilt man diesen Betrag auf die verschiedenen Rentenversicherungsträger nach dem Maßstab der Klägerin (54,43%), verbleibt bei ihr eine offene Forderung von 9.926,58 Euro, welche sie auch klageweise geltend machte. Wie das SG Berlin zutreffend ausgeführt hat, kommt es bei der Bestimmung des Schadens entgegen der Ansicht der Beklagten bereits aus dem Schutzzweck der Norm nicht auf weitere Erwägungen zur Durchsetzbarkeit der Forderung gegenüber dem Schuldner an. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des SG Berlin verwiesen. Diese sind richtig. Schließlich hat das Sozialgericht zu Recht aufgrund des Ergebnisses des Hauptantrages hinsichtlich des hilfsweise gestellten Feststellungsantrages keine Entscheidung getroffen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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