S 27 KA 141/14

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
27
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 141/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Grundpauschale nach den Gebührenpositionen 21213 bis 21215 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM).

Der Kläger ist seit dem 2.8.2012 als Facharzt für Neurologie und als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zur vertragsärztlichen Versorgung mit vollem Versorgungsauftrag im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung zu gelassen. Zuvor hatte der Kläger in der Zeit von April 1998 bis November 2004 seine Weiterbildung als Facharzt für Neurologie und von Oktober 2003 bis November 2009 seine Weiterbildung als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie absolviert. Ferner absolvierte er von 2004 bis 2012 noch eine Zusatzausbildung für Psychotherapie.

Mit der Honorarabrechnung für das 1. Quartal 2013 (Bescheid vom 2.8.2013) korrigierte die Beklagte die vom Kläger abgerechneten Gebührenpositionen 21213 bis 21215 des EBM in die Gebührenpositionen 21210 bis 21212. Hiergegen legte der Kläger am 19.9.2013 Widerspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, er habe zu seinem Erstaunen festgestellt, dass bei ihm ca. 6 EUR weniger pro Patient und Behandlung abgerechnet worden sei, als bei einem Nervenarzt, der sich nach insgesamt sechs Jahren Weiterbildung niedergelassen habe. Er erhalte deshalb ca. 6.000 EUR weniger im ersten Quartal als ein Nervenarzt für die gleichen Patienten bekomme. Auch bei ihm seien die nach der Präambel zu Kapitel 21.1.2. des EBM die Gebührenpositionen 21213 bis 21215 anzuwenden, denn er gehöre zu dieser Facharztgruppe. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.8.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Abrechnung für das 1. Quartal 2013 sei nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen erfolgt. In der Präambel zu dem Kapitel 21 des EBM seien die Arztgruppen aufgeführt, die die Gebührenpositionen 21213 bis 21215 abrechnen könnten. Der Kläger gehöre nicht dazu.

Mit seiner am 19.9.2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er vor, es sich nicht ersichtlich, warum Fachärzte für Nervenheilkunde bzw. für Neurologie und Psychiatrie eine höhere Grundpauschale für die Versorgung ihrer Patienten erhielten als er. So sei die Differenz zwischen den Pauschalen 21210 und 21213 205 Punkte, die zwischen den Pauschalen 21211 und 21214 bzw. 21213 und 21215 jeweils 195 Punkte. Eine solche Differenzierung sei nicht sachgerecht, da sich bei ihm als Facharzt für Neurologie und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Patienten einfänden, deren Morbidität und der entsprechende Leistungsbedarf dem der Fachärzte für Nervenheilkunde und der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie identisch sei. Schließlich gebe es das Fachgebiet der Nervenheilkunde bzw. der Neurologie und Psychiatrie als einheitliches Fachgebiet nicht mehr. Seit der Reform der Weiterbildungsordnung sei das Fachgebiet der Neurologie vom Fachgebiet der Psychiatrie abgetrennt und das neue Gebiet der Psychiatrie und Psychotherapie geschaffen worden. Er, der Kläger, habe sich vergeblich darum bemüht, noch eine Anerkennung nach altem Weiterbildungsrecht für das Fachgebiet der Nervenheilkunde bzw. Neurologie und Psychiatrie zu erhalten. Insofern sei es problematisch, wenn der EBM bei der Versichertenpauschale eine Privilegierung allein für solche Ärzte schaffe, die ihre Weiterbildung noch nach dem früheren Weiterbildungsrecht abgeschlossen haben. Die Privilegierung einer vom "Aussterben bedrohten" Fachgruppe habe der Bewertungsausschuss nicht gewollt. Auch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten hätte man ihm Möglichkeit zumindest einräumen müssen, nach der besser bewerteten Versichertenpauschale nach den Gebührenordnungspositionen 16210 bis 16212 abzurechnen.

Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 21.08.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2014 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, in dem Quartal 1/2013 statt der Gebührenpositionen EBM 21210 bis 21212 die Gebührenpositionen 21213 bis 21215 abzurechnen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakte der Kammer und der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Zu Recht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Honorarbescheid die Abrechnung des Klägers für das erste Quartal 2013 berichtigt. Der Beklagten obliegt die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes, d.h. die Prüfung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen und satzungsrechtlichen Vorschriften erbracht und abgerechnet worden sind. Die Beklagte hatte auch die Befugnis zur Richtigstellung der Abrechnung, denn der Kläger hat zu Unrecht die Gebührenpositionen 21213 bis 21215 (psychiatrische Grundpauschale) abgerechnet.

Nach der Präambel zu Kapitel 21 des EBM (Psychiatrische und Psychotherapeutische Gebührenordnungspositionen) können die im Kapitel 21 aufgeführten Gebührenordnungspositionen ausschließlich von • Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie • Fachärzten für Nervenheilkunde • Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie berechnet werden (21.1.1. der Präambel). Der Kläger gehört als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zu diesem Personenkreis, so dass die psychiatrischen und nervenheilkundlichen Grundpauschalen der Gebührenpositionen 21210 bis 21212 für ihn bei Erbringung der entsprechenden Leistungen abgerechnet werden können. Nicht Streitgegenstand ist, ob der Kläger statt der Grundpauschalen 21210 bis 21212 die Grundpauschalen nach Kapitel 16.1. abrechnen kann. Der Kläger ist auch als Arzt für Neurologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, die entsprechenden Grundpauschalen könnten aber nur dann abgerechnet werden, wenn er Leistungen nach dem Kapitel 16 des EBM erbringt.

Der Kläger kann jedoch nicht die Gebührenordnungspositionen 21213 bis 21215 zur Abrechnung bringen, denn er ist kein Facharzt für Nervenheilkunde und kein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Nur diese Fachärzte sind nach 21.1.2. der Präambel berechtigt, die Gebührenordnungspositionen 21213 bis 21215 abzurechnen. Auch wenn der Kläger von seiner Weiterbildung her über einen mindestens vergleichbaren Wissensstand verfügt wie die Fachärzte für Nervenheilkunde und die Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie, können nicht entgegen dem Wortlaut der Regelungen der Nr. 21.1.1. und 21.1.2. der Präambel zum Kapitel 21 des EBM diese Gebührenpositionen bei ihm zur Abrechnung kommen.

Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (vgl zuletzt Beschluss vom 17.2.2016 – B 6 KA 63/15 B –, Rn. 8, - juris – mit weiteren Nachweisen) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Weder eine ausdehnende Auslegung noch eine analoge Anwendung von Gebührenordnungspositionen des EBM ist zulässig (vgl BSG, Beschluss vom 17.2.2016, a.a.O, mit weiteren Nachweisen). Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM, also des Bewertungsausschusses (BewA) gemäß § 87 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf; eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG, Beschluss vom 17.2.2016, a.a.O, mit weiteren Nachweisen).

Der Wortlaut der Regelungen in 21.1.1. und 21.1.2. der Präambel des Kapitels 21 EBM ist eindeutig. Selbst wenn man zugunsten des Klägers einräumte, dass kein auf den ersten Blick offensichtlicher Grund für die Privilegierung einer "vom Aussterben bedrohten Fachgruppe" vorliegt, so würde dies nicht zu dem vom Kläger gewünschten Ergebnis führen. Der Kläger übersieht nämlich, dass die Fachärzte für Nervenheilkunde und die Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie andererseits nicht, auch bei Erbringung der entsprechenden Leistungen, die Grundpauschalen des Kapitels 16 EBM abrechnen dürfen, denn Fachärzte für Nervenheilkunde sowie Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie berechnen abweichend von Nr. 6 der Allgemeinen Bestimmungen immer die Grundpauschalen 21213 bis 21215 (vgl. Nr. 16.1.2. der Präambel zu Kapitel 16 des EBM). Schon dies zeigt, dass ohne eine Einbeziehung des gesamten Gefüges des EBM nicht über den Wortlaut bei der Auslegung einzelner Gebührenpositionen hinausgegangen werden darf, um nicht das Gesamtkonzept des EBM als eine abschließende Regelung in Frage zu stellen. Hinzukommt auch, dass keine Dokumente für die Kammer ersichtlich sind, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben.

Nach alle dem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung. Der Streitwert war mangels anderer Anhaltspunkte in Höhe von 5.000 EUR festzusetzen (§ 52 Abs.1, 2 Gerichtskostengesetz).
Rechtskraft
Aus
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