L 1 KR 26/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 56 KR 814/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 26/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum über den 18. März 2014 hinaus.

Die Klägerin war seit dem 28. Januar 2014 arbeitsunfähig erkrankt und zuletzt bis zum 18. März 2014 krankgeschrieben. Sie erhielt – nach Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses – zunächst bis zum 10. März 2014 Leistungen der Agentur für Arbeit, nach dem diese durch Bescheid vom 11. März 2014 die Bewilligungsentscheidung ab 11. März 2014 wegen des Endes der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben hatte. Im Zeitraum vom 11. März 2014 an bis zum 18. März 2014 erhielt sie Krankengeld von der Beklagten.

Am 19. März 2014 erfolgte die weitere ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis voraussichtlich zum 19. April 2014.

Mit Bescheid vom 20. März 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit ab dem 19. März 2014 verspätet erfolgt sei und daher ab diesem Zeitraum kein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld mehr bestünde.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 24. März 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie unter Beifügung einer Bestätigung ihres Arztes aus, dass sie den Termin am 18. März 2014 aus praxisinternen Gründen nicht habe wahrnehmen können und erst am 19. März 2014 einen Termin bekommen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass für den Erhalt der Mitgliedschaft bei der Beklagten rechtzeitig vor Ablauf der zuvor bescheinigten Arbeitsunfähigkeit eine weitere Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit erforderlich gewesen wäre. Die am 19. März 2014 festgestellte und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit habe keinen Anspruch auf Krankengeld mehr entstehen lassen können, da an diesem Tag bereits kein Versicherungsverhältnis mehr bestanden habe

Die Klägerin hat am 1. Juli 2014 Klage erhoben. Sie habe gegen den Aufhebungsbescheid der Agentur für Arbeit vom 11. März 2014 Widerspruch eingelegt. Über diesen Widerspruch sei noch nicht entschieden worden, sodass über das Bestehen oder Nichtbestehen des Versicherungsverhältnisses ebenfalls noch nicht entschieden worden sei.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2018, der Klägerin am 25. Januar 2018 zugestellt, als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte habe der Klägerin zu Recht und in nicht zu beanstandender Weise die Zahlung des Krankengeldes für den streitgegenständlichen Zeitraum versagt. Nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V hätten Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt würden. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe gemäß § 46 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an (Nr. 1), im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge (Nr. 2). Allgemeine Voraussetzung für einen Krankengeldanspruch sei dabei, dass eine Mitgliedschaft bei der Krankenkasse bestehe und der Anspruch auf Krankengeld nicht nach § 44 Abs. 2 SGB V ausgeschlossen sei. Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bleibe nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V u. a. dann erhalten, solange ein Anspruch auf Krankengeld besteht oder Krankengeld bezogen worden sei. Die Klägerin habe bis zum 18. März 2014 Krankengeld bezogen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei ihre Mitgliedschaft gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhalten geblieben. Für die weitere Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld hätte es jedoch der durchgehenden Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bedurft, wobei nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesssozialgerichts bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen sei. Für die Aufrechterhalten des Krankengeldanspruchs aus der Beschäftigtenversicherung sei es deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt werde. Diese Feststellung sei im vorliegenden Verfahren nicht erfolgt. Die weitere Arbeitsunfähigkeit sei erst am 19. März 2014 durch den behandelnden Arzt attestiert worden. Da der Anspruch auf Krankengeld nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V erst von dem Tag an bestehe, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge, habe am 19. März 2014 kein Anspruch auf Krankengeld mehr bestanden. Dass die Klägerin am 18. März 2014 aus praxisinternen Gründen keinen Termin bei ihrem behandelnden Arzt habe wahrnehmen können, ändere hieran nichts. Sie habe ggf. einen anderen Arzt aufsuchen müssen. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe daher keine durchgehende – nahtlose – Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bestanden. Die Auffassung des Bundessozialgerichts zur Nahtlosigkeit der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit sei in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung z. T. kritisch beurteilt worden. Es bestehe aber keine ausreichende Veranlassung, von der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abzuweichen. Auf den rechtlichen Hinweis des Sozialgerichts vom 26. Februar 2015 wurde insoweit ergänzend Bezug genommen. Es bestehe im vorliegenden Fall auch keine Möglichkeit, von der Voraussetzung einer durchgehenden Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abzusehen. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien Ausnahmen anerkannt worden in Fällen, in denen die fehlende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auf Fehlern beruhe, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen seien oder in denen die rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dem Versicherten wegen fehlender Handlungs- bzw. Geschäftsfähigkeit nicht möglich gewesen sei. Eine solche Konstellation liege hier jedoch nicht vor. Auch das Urteil des 3. Senats des BSG vom 11. Mai 2017 (B 3 KR 22/15 R) ändere nichts an der Beurteilung des vorliegenden Falles. Denn der vorliegende Sachverhalt sei mit dem vom BSG entschiedenen Fall nicht vergleichbar. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass auf Grundlage der aktuellen Gesetzesfassung des § 46 SGB V vom 16. Juli 2015 der Anspruch der Klägerin rechtlich anders zu beurteilen wäre, da es nunmehr ausreiche, wenn die ärztliche Feststellung am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolge (§ 46 Satz 2 SGB V). Diese Regelung sei jedoch erst zum 22. Juli 2015 in Kraft getreten, so dass sie den Anspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 18. März 2014 bis zum 19. April 2014 nicht zu begründen vermöge.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26. Februar 2018 Berufung eingelegt. Auf der Grundlage der neuen Gesetzeslage sei der Anspruch der Klägerin gegeben. Diese Gesetzeslage sei anzuwenden, zumindest weil die bisherige Rechtslage offensichtlich als unbefriedigend angesehen worden sei. Die entgegenstehende Rechtsprechung des BSG sei nicht überzeugend. Der Klägerin sei kein Vorwurf zu machen, allein der behandelnde Arzt habe einen Fehler gemacht.

Die Klägerin hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, die dahingehend ausgelegt wird, dass die Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts und der streitigen Bescheide der Beklagten sowie die Fortzahlung von Krankengeld über den 18. März 2014 hinaus begehrt wird, ist statthaft, form- und fristgerecht gem. §§ 143, 151 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und daher zulässig. Sie ist aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten sind aus den aus dem Gerichtsbescheid ersichtlichen Gründen, auf die nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird, rechtmäßig.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist darauf hinzuweisen, dass auch unter Berücksichtigung der neueren Entscheidung des BSG vom 11. Mai 2017 (B 3 KR 22/15 R) sich nichts an der Beurteilung des vorliegenden Falls ändert, da auch in dieser Entscheidung gefordert wird, dass der Versicherte persönlich den die Arbeitsunfähigkeit bescheinigenden Arzt aufsucht (vgl. Rn 34 der Entscheidung), was hier nicht geschehen ist. Was die Neuregelung des § 46 SGB V angeht, so hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass diese auf den zu entscheidenden Fall nicht anwendbar ist.

Soweit die Klägerin schließlich darauf abstellt, dass sie gegen den Änderungsbescheid der Agentur für Arbeit Rechtsmittel eingelegt habe und damit nicht feststehe, ob ihr nicht über den 11. März 2014 Arbeitslosengeld I zustehe, vermag auch dieser Gesichtspunkt nichts an der Entscheidung des Sozialgerichts zu ändern. Zunächst scheint das gegen den Bescheid der Agentur für Arbeit geführte Verfahren (L 2 AL 32/18) durch die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG beendet worden zu sein. Unabhängig davon war die Agentur für Arbeit nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtlich verpflichtet die Bewilligung von Arbeitslosengeld zumindest mit Wirkung für die Zukunft mit dem Bescheid vom 11. März 2014 wegen des Endes der 6wöchigen Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall aufzuheben. Daraus folgt, dass zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Unterbrechung der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit mit der Folge des Entfallens des Krankenversicherungsschutzes keine Möglichkeit des Bezuges von Arbeitslosengeld bestand. Das Verfahren betreffend dem Bescheid der Agentur für Arbeit kann/konnte daher keine Auswirkungen auf den Ausgang dieses Verfahrens haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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