L 11 BA 2804/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 BA 102/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 BA 2804/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Sind drei Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu
gleichen Teilen (33,33 %) an der Gesellschaft beteiligt,
stehen alle drei zu der GmbH in einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis, wenn die Beschlüsse in der
Gesellschaft mit einfacher Mehrheit gefasst werden und
jeder Geschäftsanteil dasselbe Stimmrecht gewährt.
In der Vergangenheit durchgeführte Betriebsprüfungen,
bei denen die Anstellungsverträge der Gesellschafter-
Geschäftsführer nicht konkret geprüft wurden,
vermitteln auch dann keinen Vertrauensschutz, wenn bei der
GmbH vornehmlich nur die Geselllschafter-Geschaftsführer
tätig waren und zusätzliche Kräfte nur in geringem Umfang
eingesetzt wurden.
(Die Revision wurde vom Senat zugelassen)
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.06.2018 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 159.664,37 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen eine Beitragsnachforderung des beklagten Rentenversicherungsträgers in Höhe von 159.664,37 EUR für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2015.

Die Klägerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Stuttgart (HRB ...) eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in ... P ... Gegenstand des Unternehmens ist der Handel mit sowie die Verarbeitung und das Verlegen von Fertigparkett und Bodenbelägen jeglicher Art. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.050,00 EUR. Die Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 25.06.1999 gegründet und am 02.08.1999 in das Handelsregister eingetragen. Die Gesellschafterversammlung beschloss am 01.06.2016 eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, die am 10.06.2016 in das Handelsregister eingetragen wurde. Der Gesellschaftsvertrag vom 25.06.1999 lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 5 Gesellschafterversammlung

1.

2. In der Gesellschafterversammlung gewähren je 50 Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme.

3. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen gefasst, sofern nicht das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag eine größere Mehrheit vorsieht.

§ 7 Verfügung über Geschäftsanteile

1. Jeder Gesellschafter kann seinen Anteil an der Gesellschaft und seine Gesellschafterrechte ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter an einen anderen Gesellschafter abtreten.

2. Jede Verfügung über Geschäftsanteile oder Teile von solchen, insbesondere die Übertragung auf Nichtgesellschafter, die sicherungsweise Abtretung oder die Belastung und Verpfändung, ist nur mit Zustimmung der Gesellschaft auf Grund eines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung zulässig.

Die zwingenden Vorschriften des § 17 GmbHG bleiben unberührt."

Wegen weiterer Einzelheiten des Gesellschaftsvertrages wird auf Seite 6 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 01.06.2016 wurde § 5 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages wie folgt neu gefasst: "Beschlüsse können in der Gesellschafterversammlung grundsätzlich nur einstimmig gefasst werden."

Der Beigeladene zu 3) ist der Vater der Beigeladenen zu 1) und 2). Seit der Errichtung der Gesellschaft sind die Beigeladenen zu 1 bis 3) Gesellschafter der Klägerin mit einem Anteil am Stammkapital von jeweils 8.350,00 EUR und außerdem stets einzelvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführer der Klägerin. Nach den jeweils gleichlautenden Geschäftsführer-Anstellungsverträgen erhielten sie ein festes monatliches Gehalt sowie eine Tantieme. Das monatliche Bruttogehalt belief sich beim Beigeladenen zu 1) auf 3.755,00 EUR, beim Beigeladenen zu 2) auf 4.690,00 EUR und beim Beigeladenen zu 3) auf 4.020,00 EUR. Außerdem hatten sie Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen. Jeder der Gesellschafter gewährte der Klägerin ein Darlehen in Höhe von 15.000,00 EUR.

Die Beklagte führte ab dem Jahr 2000 mehrere Betriebsprüfungen nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) durch. Lediglich für die Zeit zwischen Juli 2004 und Dezember 2007 erfolgte keine Betriebsprüfung, da von der Klägerin für diesen Zeitraum keine Arbeitnehmer gemeldet worden waren. Im Prüfzeitraum von Januar 2008 bis zum Dezember 2011 waren bei der Klägerin außer den Beigeladenen zu 1) bis 3) sieben weitere Personen in unterschiedlichem Umfang tätig. Das Ergebnis dieser Betriebsprüfung wurde der Klägerin mit Bescheid vom 02.08.2012 mitgeteilt. In diesem Bescheid wird zunächst festgestellt, dass sich die Nachforderung auf 478,80 EUR beläuft. In der Begründung des Beitragsbescheides werden auch Ausführungen zu der vom Finanzamt für den Prüfzeitraum durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung gemacht. Es wird ausgeführt, der Prüfbericht des Finanzamts vom 07.07.2011 sei vorgelegt und in beitragsrechtlicher Hinsicht überprüft worden. Es hätten sich keine Beitragsnachforderungen zur Sozialversicherung ergeben.

Die streitgegenständliche Betriebsprüfung führte die Beklagte im Zeitraum vom 26.09.2016 bis zum 21.04.2017 durch. Mit Schreiben vom 21.04.2017 hörte sie die Klägerin zu einer beabsichtigten Nachforderung zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 159.664,37 EUR an. Sie wies darauf hin, dass sie zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) als abhängig Beschäftigte zu beurteilen seien. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20.06.2017 widersprach die Klägerin dieser Auffassung.

Die Beklagte setzte dann mit Bescheid vom 30.08.2017 die sich aus der Betriebsprüfung ergebende Nachforderung für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2015 auf insgesamt 159.664,37 EUR fest. In der Anlage zum Bescheid führte die Beklagte aus, für welche Zeiträume und aus welcher Entgeltsumme sie Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung und welchen Betrag sie als Insolvenzgeld-Umlage fordert. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurden nicht erhoben. Die Klägerin wurde aufgefordert, die in der Anlage im Einzelnen aufgeführten Beträge an die jeweils zuständigen Einzugsstellen zu zahlen. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, die Beigeladenen zu 1) bis 3) hielten als Gesellschafter-Geschäftsführer das Stammkapital zu je 33,33 %. Gemäß § 5 des Gesellschaftsvertrages würden die Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit des vertretenen stimmberechtigten Kapitals gefasst. Dementsprechend besäßen aller drei Gesellschafter-Geschäftsführer keine globale Sperrminorität und könnten somit keine Beschlüsse verhindern, welche die eigenen Dienstverhältnisse benachteiligten. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) seien daher bei der Klägerin abhängig beschäftigt. Aufgrund der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze bestehe Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung. Die mit Beschluss vom 01.06.2016 erfolgte Änderung des Gesellschaftsvertrages habe keine Auswirkungen auf den Prüfzeitraum.

Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2017 als unbegründet zurück.

Am 10.01.2018 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das BSG anerkenne auch im Urteil vom 14.03.2018 (B 12 KR 13/17), dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer auch dann nicht abhängig beschäftigt sei, wenn er exakt 50% der Anteile halte. Im vorliegenden Fall könne nichts anderes gelten, nur weil es sich nicht um zwei gleichberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer mit jeweils 50% Kapitalbeteiligung, sondern um drei gleichberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer mit jeweils 33,33% Kapitalbeteiligung handele. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.06.2018, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mittels Empfangsbekenntnis zugestellt am 28.06.2018, abgewiesen. Es hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen und unter Hinweis auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.12.2017 (L 10 R 1637/17) ergänzend ausgeführt, dass der Klägerin auch nicht wegen einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung Vertrauensschutz zukomme. Eine gefestigte und langjährige Rechtsprechung, die zu Gunsten der Klägerin Vertrauensschutz hätte begründen können, habe nie vorgelegen.

Am 27.07.2018 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergebe sich zunächst aus dem Vertragsverhältnis der Gesellschafter-Geschäftsführer, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden sei. Ausgangspunkt sei daher das Vertragsverhältnis der Klägerin zu den oben genannten drei Personen, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen schriftlichen Vereinbarungen ergebe oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lasse. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehe der nur formellen Vereinbarung vor. In diesem Sinne gelte, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von schriftlichen Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 27.07.2011, AZ B 12 KR 10/09 R und vom 29.08.2012, AZ: B 12 KR 25/10 R). Dies räume die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 12.12.2017 ein. Nach den schriftlichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den drei Gesellschafter-Geschäftsführer sprächen nachfolgende Regelungen eindeutig dafür, dass keine persönliche Abhängigkeit im Sinne eines Beschäftigungsverhältnisses bestehe:

• Es gebe keinen übergeordneten Gesellschafter-Geschäftsführer, der allein einen anderen Gesellschaftergeschäftsführer dominieren könne. • Jeder der Gesellschafter-Geschäftsführer habe aus eigenen Mitteln Darlehen an die Gesellschaft ausgereicht, was im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses nicht ohne Weiteres erfolgen würde. • Jeder der Gesellschafter-Geschäftsführer sei allein vertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit. • Keiner der Gesellschafter-Geschäftsführer sei in den Betrieb derart eingegliedert und einem Weisungsrecht untergeordnet, das ihm gegenüber ausgeübt werden könnte, insbesondere nicht in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der für die Gesellschaft zu erbringenden Tätigkeiten. • Jeder der drei Gesellschafter-Geschäftsführer verfüge über eine freie Einteilung seiner Arbeitszeit und die freie Gestaltung der Arbeitsleistung, auch über die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit hinaus. • Jeder der drei Gesellschaftergeschäftsführer sei gewinnbeteiligt und habe damit vom Erfolg der Gesellschaft abhängige Einkünfte. Hieraus begründe sich das unternehmerische Risiko, da der Erfolg des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft oder des eigenen Kapitals ungewiss sei (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.02.2015, AZ. L 11 R 5165/13). Die Tatsache, dass darüber hinaus ein festes Geschäftsführergehalt - für alle in selber Höhe - vereinbart sei, stehe dem nicht entgegen. • Jeder der drei Gesellschafter-Geschäftsführer entnehme sich auch im Falle der Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Monaten die vereinbarte Vergütung. Auch diese Regelung spreche für die Selbständigkeit, da der vereinbarte Zeitraum von sechs Monaten weit über die Dauer der gesetzlichen Entgeltfortzahlung von nur sechs Wochen hinausgehe und keinem Angestellten bewilligt würde. • Jeder der drei Gesellschaftergeschäftsführer sei berechtigt, Personal einzustellen und zu entlassen, übe damit Arbeitgebertätigkeit aus, was ebenfalls für die Selbständigkeit spreche.

Die Beklagte verkenne die rechtliche Relevanz dieser Kriterien und stelle hauptsächlich darauf ab, dass nach dem vorliegenden Gesellschaftsvertrag keiner der drei Gesellschafter-Geschäftsführer eine Sperrminorität besitze, sich gegen ihm nicht genehme Beschlüsse zu wehren. Die Beklagte berufe sich damit insbesondere auf das Beteiligungsverhältnis. Insoweit sei allerdings höchstrichterlich anerkannt, dass zum Beispiel zwei gleichberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer mit jeweils 50 % des Stammkapitals jeweils maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft haben. Vorliegend ergebe sich zwar die Besonderheit, dass drei nebeneinander gleichberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer gleichrangig das Unternehmen der Klägerin betrieben und führten, weshalb gerade auch im Hinblick auf die gewünschte Gleichrangigkeit kein Gesellschafter mehr Anteile als 33,33 % habe. Würde man der Rechtsauffassung der Beklagten folgen, könnten in einer Gesellschaft mit mehr als zwei gleichberechtigten Gesellschaftern keiner innerhalb der Gesellschaft selbständig tätig sein, wenn die Führung des Unternehmens jeweils gleichrangig erfolgen soll.

Zudem verkenne die Beklagte die tatsächlich praktizierte Rechtsbeziehung zwischen den drei Gesellschafter-Geschäftsführern im Hinblick auf Beschlussfassungen, welche den Regelungen des Gesellschaftsvertrags vom 25.06.1999 widerspreche. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) hätten bereits bei Gründung der Gesellschaft im Juni 1999 für sich verbindlich eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung nur einstimmig gefasst werden könnten, was so auch tatsächlich ohne Ausnahme praktiziert worden sei. Die unterbliebene Umsetzung im Gesellschaftsvertrag von 1999 sei damals nicht bedacht und wegen des Einvernehmens und der Wirksamkeit des gefassten Beschlusses als nicht relevant angesehen worden. Durch einen Nachtrag zum Geschäftsführervertrag hätten die Beigeladenen zu 1) bis 3) am 17.05.2013 schriftlich vereinbart, dass jeder der Gesellschafter-Geschäftsführer befugt sei, sämtliche Entscheidungen allein zu treffen und Beschlüsse anderer Geschäftsführer und Gesellschafter zu widerrufen bzw aufzuheben. Zudem sei durch notarielle Urkunde vom 03.06.2016 die Anpassung des Gesellschaftsvertrags an diesen Beschluss hinsichtlich der Einstimmigkeit in das Handelsregister (Urkundenrolle UR 395/2016) eingetragen worden. Damit sei notariell beurkundet worden, was im streitgegenständlichen Zeitraum gelebt worden sei.

Der zwischen den Beigeladenen zu 1) bis 3) zunächst mündlich und später schriftlich abgeschlossene Beschluss sei auch ohne die Eintragung ins Handelsregister wirksam, da nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich zulässig sei, dass Gesellschafter auch außerhalb des Gesellschaftsvertrages schuldrechtlich bindende und vom Gesellschaftsvertrag abweichende Vereinbarungen treffen. Es liege damit ein wirksamer Stimmbindungsvertrag vor, der an keine besondere Form (etwa notarielle Beurkundung) gebunden sei und daher auch mündlich abgeschlossen werden könne. Nachdem sich damit alle Gesellschafter-Geschäftsführer durch den Stimmbindungsvertrag verpflichtet hätten, Gesellschafterbeschlüsse nur übereinstimmend zu fassen, habe jeder auch die Rechtsmacht gehabt, einen ihm nicht genehmen Beschluss und Weisungen der Gesellschafterversammlung abzuwenden.

Abgesehen von diesem Umstand sei weiterhin von entscheidender rechtlicher Bedeutung, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nur die alleinigen Geschäftsführer, sondern auch die alleinigen Gesellschafter der Klägerin mit Kapitalbeteiligungen zu gleichen Anteilen gewesen seien. Ihnen hätten daher in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieselben Personen als Gesellschafter gegenübergestanden. Aufgrund dieser Identität von Gesellschaftern und Geschäftsführern sei ein für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis typischer Interessengegensatz nicht denkbar. Es sei keine Person ersichtlich, die hier die herausragende Unternehmerstellung hätte einnehmen können (vgl LSG Niedersachsen-Bremen 29.09.2009, L 6 U 79/05), weshalb sich auch keine Weisungsgebundenheit der Beigeladenen zu 1) bis 3) ableiten lasse. Mangels Weisungsunterworfenheit verlören die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid aufgeführten Umstände wie festes Monatsgehalt, Zahlung eines 13. Monatsgehalts sowie Anspruch auf bezahlte Urlaubstage, die für eine Arbeitnehmereigenschaft sprächen, an Bedeutung (vgl LSG Baden-Württemberg 19.07.2006, L 7 AL 1433/05).

Die Klägerin berufe sich zudem auf Vertrauensschutztatbestände: Die Beklagte nehme im angefochtenen Bescheid Bezug auf die neueste Rechtsprechung des BSG und führe insoweit das Urteil des BSG vom 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, auf. Mit diesem Urteil habe das BSG die zuvor entwickelte "Kopf- und Seele-Rechtsprechung" aufgegeben und lasse der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Rechtsmacht eines Gesellschafters-Geschäftsführers eine übergeordnete Rolle zukommen. In vorliegend zu beurteilendem Fall der Klägerin sei die mit oben genanntem Urteil aufgegebene "Kopf- und Seele-Rechtsprechung" des BSG von Bedeutung, da nach den - wenn auch außerhalb des Gesellschaftsvertrags - vereinbarten Regelungen jeder der drei Gesellschafter-Geschäftsführer ihm unangenehme Weisungen im Rahmen der Familiengesellschaft habe abwenden können und dadurch jeder einzelne faktisch wie ein Alleingesellschafter die Geschäfte nach eigenem Gutdünken habe führen können und geführt habe. Bis zu dem oben genannten Urteil des BSG vom 29.07.2015 habe sich die Klägerin auf die davor bestehende gefestigte und langjährige Rechtsprechung verlassen.

Auch die Beklagte habe aufgrund dieser davor geltenden Rechtsprechung in den der streitgegenständlichen Betriebsprüfung vorausgegangenen Überprüfungen bei der Klägerin keinerlei Beanstandungen festgestellt, insbesondere keine Hinweise dahingehend erteilt, dass sie von ihrer bis dahin ausgeübten rechtlichen Beurteilung der Selbstständigkeit aller drei Gesellschafter-Geschäftsführer in künftigen Zeitenräumen abweichen werde. Die Klägerin habe sich also darauf verlassen können, dass die vertraglichen und tatsächlichen Verhältnisse beibehalten werden könnten und der unveränderte Sachverhalt auch weiterhin rechtlich unverändert beurteilt werde. Nachdem die Klägerin Kenntnis von der geänderten Rechtsprechung des BSG erlangt gehabt habe, sei beim Amtsgericht S. am 03.06.2016 der Gesellschaftsvertrag unter § 5 dahingehend geändert, dass künftig eine einstimmige Beschlussfassung der Gesellschafter erforderlich ist; damit sei notariell beurkundet worden, was zuvor tatsächlich gelebt worden sei. Im streitgegenständlichen Zeitraum, jedenfalls ab 01.012012, habe die Klägerin keinerlei Veranlassung dazu gesehen, den Gesellschaftervertrag abzuändern, da die zuletzt durchgeführte Betriebsprüfung der Beklagten aus dem Jahre 2012/2013, keine Einwände ergeben habe und sich die Klägerin auf die rechtliche Beurteilung der Beklagten der insoweit einschlägigen Rechtsprechung habe verlassen können. Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.06.2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Der Senat hat den Bescheid vom 02.08.2012 über die von der Beklagten für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 31.12.2011 durchgeführte Betriebsprüfung beigezogen. Anschließend hat der Vorsitzende der Klägerin mitgeteilt, dass aus diesem Bescheid nicht erkennbar sei, dass Gegenstand der Betriebsprüfung auch die Geschäftsführerverträge gewesen seien. Dies hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.11.2018 ausdrücklich bestätigt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 19.02.2019 hat die Klägerin ausgeführt, dass bei ihr im Wesentlichen nur die drei Gesellschafter und zwei Ehefrauen beschäftigt gewesen seien. Es stelle sich daher die Frage, was denn überhaupt Gegenstand der Betriebsprüfung gewesen sei. Daraufhin ist die mündliche Verhandlung vertagt worden, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, konkret darzulegen, wie ihre Belegschaft im streitgegenständlichen Zeitraum zusammengesetzt war. Mit Schriftsatz vom 27.12.2019 (Bl 67/74) hat die Beklagte und mit Schriftsatz vom 11.04.2019 (Bl 79/100) hat die Klägerin hierzu Stellung genommen. Die Klägerin beruft sich zum Nachweis darauf, dass die Beklagte auch die Beschäftigungsverhältnisse der Beigeladenen zu 1) bis 3) geprüft habe, auf den Lohnsteuerprüfungsbericht/Haftungsbescheid des Finanzamts B. U. vom 07.07.2011. Die Feststellungen in diesem Haftungsbescheid hätten auch die Beigeladenen zu 1) bis 3) betroffen. Da die Beklagte im angefochtenen Bescheid ausgeführt habe, dass sie diesen Haftungsbescheid beitragsrechtlich überprüft habe, sei davon auszugehen, dass sie auch die Beschäftigungsverhältnisse der Geschäftsführer geprüft und nicht beanstandet habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig. Richtige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 1. Alt SGG). Der Erhebung auch einer damit verbundenen Feststellungsklage bedarf es bei einer Klage gegen einen Beitragsbescheid auf der Grundlage von § 28p SGB IV nicht. Eine (zusätzliche) Feststellungsklage wäre überdies unzulässig, da die Beschwer der Klägerin mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides vollständig beseitigt ist und es für eine auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Versicherungspflicht der bei ihr Beschäftigten gerichteten Feststellungsklage an einem Feststellungsinteresse fehlt. Der Klägerin ist es zumutbar, ggf eine solche Feststellung bei der Einzugsstelle (§ 28h Abs 2 SGB IV) oder der Deutschen Rentenversicherung Bund (§ 7a SGB IV) zu beantragen und deren Entscheidung abzuwarten.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 30.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht von der Klägerin Beiträge in Höhe von 159.664,39 EUR gefordert. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) übten ihre Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2012 bis 31.12.2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus und unterlagen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p SGB IV. Nach § 28p Abs 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für die Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt werden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß § 28h Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber ausnahmsweise nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung.

Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger haben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur eine Kontrollfunktion. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Die Entscheidung stellt sich vor diesem Hintergrund als kombinierte - positive oder negative - Feststellung von Versicherungspflicht und Beitragsnachentrichtung oder Beanstandung dar. Die Besonderheit eines Bescheids nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV liegt insoweit darin, dass über das Bestehen von Versicherungspflicht und die daraus resultierende Beitragsnachforderung gemeinsam zu entscheiden ist. Dies unterscheidet das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht vom Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV (BSG 14.09.2004, B 12 KR 1/04, SozR 4-2400 § 22 Nr 2). Die hier streitigen Beiträge werden als Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber gezahlt (§ 28g Satz 1 und 2, 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV).

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen grundsätzlich ua in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III). Eine Versicherungspflicht auch in der Kranken- und Pflegeversicherung steht ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens, da die Beklagte Beiträge für diese Versicherungszweige nicht erhoben hat. Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).

Ob ein Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht, ist ebenfalls nach den oben dargelegten Grundsätzen zu beurteilen (vgl zum Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH BSG 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 28). Das BSG hat insoweit mehrmals entschieden, dass eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft selbst im Rahmen einer Geschäftsführertätigkeit nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers als Gesellschafter ausgeschlossen ist. Sind GmbH-Geschäftsführer - wie hier die Beigeladenen zu 1) bis 3) - zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für sie ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Hinzu kommen die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung. Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ist dabei, ob die rechtliche Möglichkeit besteht, als beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (zum Ganzen BSG 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 28 mwN).

Maßgeblich ist damit bei einem GmbH-Geschäftsführer, in welchem Maße er der Kontrolle und den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt (Senatsurteil vom 22.07.2014, L 11 R 4543/13, juris). Eingriffe in seinen Tätigkeitskreis muss ein Geschäftsführer infolge seiner Abhängigkeit von der Gesellschafterversammlung hinnehmen, selbst wenn der Geschäftsführervertrag keine Bestimmungen hierüber enthielte (Senatsurteil vom 18.10.2016, L 11 R 1032/16). Dh es kommt darauf an, wer letztlich auf die Willensbestimmung der Gesellschafterversammlung den maßgeblichen Einfluss an. Dies hängt sowohl von den jeweiligen Anteilsverhältnissen der Gesellschafter ab, als auch von der Frage, ob und in welchem Umfang im Gesellschaftsvertrag Sperrminoritäten eingeräumt sind. Wer als Geschäftsführer Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft hält, ist dann selbstständig tätig, wenn damit eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist, etwa in Form einer Sperrminorität, und der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (BSG 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 27 Rn 28).

Ausgehend von diesen Grundsätzen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) in ihrer Tätigkeit und Funktion als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum abhängig beschäftigt waren. Dies hat das SG mit zutreffender Begründung entschieden. Die von der Klägerin gegen dieses Urteil vorgebrachten Einwendung greifen allesamt nicht durch.

Die Kritik der Klägerin, dass die Beklagte die rechtliche Relevanz der von ihr in der Klage dargelegten Kriterien verkenne und hauptsächlich darauf abstelle, dass nach dem vorliegenden Gesellschaftsvertrag keiner der drei Gesellschafter-Geschäftsführer eine Sperrminorität besitze, ist nicht berechtigt. Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer beurteilt sich die Frage, ob die von der Rechtsprechung genannten Kriterien erfüllt sind, nach dem Verhältnis des Gesellschafter-Geschäftsführers zur Gesellschafterversammlung. Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entscheidend. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können (BSG 14.03.2018, B 12 KR 13/17 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 35). Da die Beigeladenen zu 1) bis 3) jedenfalls bis zum 31.12.2015 weder über 50 % der Kapitalanteile noch über eine Sperrminorität verfügten, scheidet bereits aus diesem Grund die Annahme einer selbständigen Tätigkeit aus.

Das BSG stellt nicht darauf ab, ob die Gesellschafter-Geschäftsführer im Verhältnis zueinander gleichberechtigt sind. Maßgebend ist der Einfluss des einzelnen Gesellschafter-Geschäftsführers auf die Gesellschaftsversammlung. Bei einer Kapitalbeteiligung von 33,33 % hat keiner der Gesellschafter die Macht, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern, sofern - wie im streitgegenständlichen Zeitraum - die Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst werden, so dass alle drei Gesellschafter-Geschäftsführer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft stehen. Dies bedeutet nicht, wie die Klägerin vorträgt, dass damit in einer Gesellschaft mit mehr als zwei gleichberechtigten Gesellschaftern keiner innerhalb der Gesellschaft selbständig tätig sein kann, wenn die Führung des Unternehmens jeweils gleichrangig erfolgen soll. Eine gleichrangige Unternehmensführung bei einer Kapitalbeteiligung von weniger als 50 % setzt allerdings voraus, dass jeder der Gesellschafter-Geschäftsführer über eine im Gesellschaftsvertrag verankerte Sperrminorität verfügt.

Das BSG hat bereits im Jahr 2012 die Bedeutung der Rechtsmacht im Unternehmen für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung hervorgehoben (BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 11 und B 12 R 14/10 R USK 2012 - 182); es spreche einiges dafür, der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse maßgebende Bedeutung beizumessen, da entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer abhängigen Beschäftigung die Möglichkeit sei, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden (BSG aaO). Unerheblich ist in jedem Fall, dass eine bestehende Rechtsmacht mit daraus folgenden Weisungsrechten mangels tatsächlichen Anlasses in der Geschäftspraxis nicht ausgeübt wird, solange sie nur aufrechterhalten bleibt und von ihr bei gegebenem Anlass, etwa bei einem Zerwürfnis Gebrauch gemacht werden kann (vgl auch LSG Baden-Württemberg 17.04.2007, L 11 R 5748/06). Eine (bloße) "Schönwetter-Selbstständigkeit" (so BSG, aaO) ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar (LSG Baden-Württemberg 13.03.2018, L 11 R 590/17, juris).

Es kann als wahr unterstellt werden, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) bereits bei Gründung der Gesellschaft im Juni 1999 für sich verbindlich eine Vereinbarung dahingehend getroffen haben, dass Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung nur einstimmig gefasst werden können, und dass dies auch tatsächlich ohne Ausnahme praktiziert worden ist. Darauf kommt es nicht an. Derartige Stimmbindungsverträge stellen rein schuldrechtliche Vereinbarungen dar (BGH 25.09.1986, II ZR 272/15, NJW 1987, 890). Nach der Rechtsprechung des BGH führen solche außerhalb des Gesellschaftsvertrages auf Dauer eingegangenen schuldrechtlichen Abstimmungsverpflichtungen unter wechselseitiger Beteiligung aller Gesellschafter an der Stimmbindungsvereinbarung regelmäßig zu einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff BGB), weil mit der koordinierten Ausübung der Stimmrechte ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird (vgl BGHZ 126, 226, 234 = NJW 1994, 2536; BGHZ 179, 13, 19 = NJW 2009, 669). Auch wenn sie auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, sind sie jederzeit ordentlich kündbar (§ 723 Abs 1 Satz 1 BGB). Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw Gesellschaftsvertragsrechtslage prägen die Abwägungsentscheidung zum sozialversicherungsrechtlichen Status nicht iS einer strikten Parallelwertung zwingend vor; ihnen kommt keine - im Rahmen der sozialversicherungsrechtlich gebotenen Gesamtabwägung von vornherein den Ausschlag gebende, dh entscheidende – Indizfunktion für das Vorliegen selbstständiger Tätigkeit zu (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R Rn 23 ff, juris).

Eine unterschiedliche Bewertung von Stimmrechtsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht einerseits und im Sozialversicherungsrecht andererseits ist durch die verschiedenen Sachstrukturen der jeweiligen Rechtsbereiche gerechtfertigt (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, BSGE 120, 59 unter Hinweis auf Bernsdorff, DB 2014, 1551 (1555)). Eine Stimmabgabe ist in der Regel auch dann gültig, wenn sie entgegen einem wirksamen Stimmbindungsvertrag erfolgt; ein Mangel des Gesellschafterbeschlusses wird durch eine Stimmabgabe entgegen der Stimmbindungsvereinbarung grundsätzlich nicht bewirkt (vgl LSG Baden-Württemberg 24.06.2014, L 11 KR 5338/12; OLG Köln 25.07.2002, 18 U 60/02, juris). Lediglich im Innenverhältnis zwischen einzelnen Gesellschaftern wirkende Stimmrechtsvereinbarungen können daher an dem Beschäftigtenstatus der Beigeladenen zu 1) bis 3) nichts ändern (vgl LSG Baden-Württemberg 24.06.2014, L 11 KR 5338/12; LSG Hamburg 04.09.2013, L 2 R 111/12, juris). Die außerhalb des Gesellschaftsvertrages von den Gesellschaftern getroffene Stimmbindungsvereinbarung ist daher nach der Rspr des BSG, der sich der Senat anschließt, nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden "Rechtsmachtverhältnisse" mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu "verschieben", weil der Stimmbindungsvertrag von jedem Gesellschafter aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte. Dass Kündigungsrechte in der vorliegend zu beurteilenden Zeit tatsächlich nicht ausgeübt wurden, ist im sozialversicherungsrechtlichen Kontext ohne Bedeutung (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, BSGE 120, 59 Rn 25 f mwN).

Der Hinweis der Klägerin, dass aufgrund der Identität von Gesellschaftern und Geschäftsführern ein für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis typischer Interessengegensatz nicht denkbar sei, geht fehl. Weder die Beklagte noch das SG haben ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Geschäftsführern und den (personengleichen) Gesellschaftern angenommen. Das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1) bis 3) besteht gegenüber der Klägerin und zwischen der Klägerin als juristischer Person des Privatrechts und den Beigeladenen zu 1) und 3 besteht keine Identität.

Der den Prüfzeitraum 01.01.2008 bis 31.12.2011 betreffende Bescheid vom 02.08.2012 entfaltet keine Bindungswirkung, die eine Aufhebung nach §§ 44 ff SGB X erfordert hätte. Das BSG hat wiederholt ausgeführt, dass sich eine materielle Bindungswirkung lediglich insoweit ergeben könnte, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden. Dies war hier nicht der Fall. Die Klägerin hat ausdrücklich bestätigt, dass die Verträge der Gesellschafter-Geschäftsführer bei keiner der von der Beklagten durchgeführten Betriebsprüfung konkret geprüft wurden. Eine "beanstandungsfrei" verlaufene Betriebsprüfung vermittelt keinen Bestandsschutz gegenüber einer späteren Beitragsforderung, selbst wenn sie auf Stichproben beschränkt war (BSG 04.09.2018, B 12 R 4/17 R; vgl auch BSG 18.11.2015, B 12 R 7/14 R; BSG 30.10.2013, B 12 AL 2/11 R, BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5).

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass bei der Klägerin vornehmlich nur die Gesellschafter selbst mitgearbeitet haben und zusätzliche Kräfte nur in geringem Umfang und bei Bedarf herangezogen wurden. So waren in der Zeit vom 01.01.2008 bis 31.12.2011 neben den drei Gesellschafter-Geschäftsführern insgesamt sieben weitere Personen in unterschiedlichem Umfang für die Klägerin tätig, darunter auch die Ehefrauen der Beigeladenen zu 1) bis 3). Von diesen sieben Personen war ein Mitarbeiter als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer gemeldet, die anderen Personen als geringfügig bzw kurzzeitig Beschäftigte. Was Gegenstand einer Betriebsprüfung war, ergibt sich aus dem Bescheid, der über diese Prüfung erteilt wird. Die Prüfdienste sind bei Arbeitgeberprüfungen nicht verpflichtet, eine vollständige Prüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse vorzunehmen. Wird als Ergebnis der Betriebsprüfung die Selbständigkeit bzw das Nichtbestehen von Versicherungspflicht für bestimmte Personen festgestellt, genügt es, wenn dem Bescheid eine Namensliste derjenigen Personen beigefügt wird, für die Selbständigkeit bejaht wird (vgl Senatsurteil vom 19.02.2019, L 11 BA 3452/18). Ein solcher Verwaltungsakt entfaltet sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber dem Arbeitnehmer/Auftragnehmer rechtsgestaltende Wirkung (BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2400 § 28p Nr 4). Bloße Ausführungen zur Begründung eines Prüfbescheides, aus denen sich ergibt, dass der Bescheid des Finanzamts über eine durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung beitragsrechtlich überprüft worden sei, enthalten dagegen keine Feststellungen über einzelne Beschäftigungsverhältnisse.

Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe auf die sog "Kopf und Seele"- Rechtsprechung vertraut und vertrauen dürfen, verweist der Senat ebenfalls auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 22.12.2017 (L 10 R 1637/17). Die für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung von den dafür zuständigen Senaten entwickelte sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs 1 SGB IV nicht heranzuziehen. Soweit das BSG in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat (BSG 23.6.1994, 12 RK 72/92, USK 9448), betraf dies außerdem stets Einzelpersonen, denen ein besonderer tatsächlicher Einfluss auf die Gesellschaft zuerkannt wurde. Nach dieser (älteren) Rechtsprechung sollte für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch für einen Angestellten unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht kommen, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (Nachweise bei BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, Rn 31). Bei drei - wie auch die Klägerin vorträgt - gleichberechtigten Geschäftsführern ist es von vornherein ausgeschlossen, dass einer von ihnen "Kopf und Seele" der Gesellschaft war oder ist und die Gesellschaft als Alleininhaber führen konnte.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) trugen im streitgegenständlichen Zeitraum auch kein Unternehmerrisiko, das bei der Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit für die Klägerin entscheidend zu berücksichtigen gewesen wäre. Die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 15.000,00 EUR, das jeder der Beigeladenen zu 1) bis 3) der Klägerin gegeben hat, begründet kein solches mit ihrer Tätigkeit für die Klägerin verbundenes Risiko. Die Beigeladenen übernahmen damit nur ein Haftungs- oder Ausfallrisiko, wie es mit jeder Darlehensgewährung verbunden ist. Im Übrigen ist es im Geschäftsleben auch nicht völlig unüblich, dass Arbeitnehmer (insbesondere in einer Familiengesellschaft) dem Unternehmen persönliche Darlehen gewähren oder zu dessen Gunsten sonstige finanzielle Verbindlichkeiten eingehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Kreditinstitute bei Familienunternehmen typischerweise auch auf einer finanziellen Beteiligung bzw Mithaftung von Ehepartnern bzw anderen beteiligten Familienangehörigen bestehen (BSG 19.08.2015, B 12 KR 9/14 R, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen tragen gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 162 Abs 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit der unterliegenden Klägerin aufzuerlegen, weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Aufl 2017, § 197a Rn 29 mwN).

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 1 Abs 2 Nr 3, 47, 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz und entspricht der streitigen Nachforderung.

Die Revision wird zugelassen, weil die Frage, ob ein Bestandsschutz aus einer früheren "beanstandungsfrei" verlaufenen Betriebsprüfung auch dann zu verneinen ist, wenn für eine GmbH hauptsächlich nur die Gesellschafter-Geschäftsführer tätig waren und zusätzliche Mitarbeiter nur in geringem Umfang eingesetzt wurden, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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