S 25 KR 413/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 25 KR 413/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 142/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung und Kostenübernahme für eine ambulante Psychotherapie bei dem nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten Diplom-Psychologe C.

Die 1963 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie war vom 20. März 2014 bis 30. Juni 2015 wegen mittelgradige depressive Episode [ICD-10-GM F32.1], Neurasthenie [ICD-10-GM F48.0], schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome [ICD-10-GM F32.2] und rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome [ICD-10-GM F33.2] arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 27. Februar 2014 eine tiefenfenpschologisch fundierte Psychotherapie in Form einer Kurzzeittherapie bis zu 25 Sitzungen bei der Diplom – Psychologin D. in D-Stadt, die in der Zeit vom 16. Januar 2014 bis 16. September 2014 in einem Umfang von 16 Sitzungen durchgeführt wurde. Vom 21. Mai 2014 bis 15. Juli 2014 befand sich die Klägerin wegen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome [ICD-10-GM F33.2], Essstörung [ICD-10-GM F50.9] und Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung [ICD-10-GM Z73] in stationärer Behandlung in der Schönklinik Roseneck. Die Klägerin bezog vom 1. Mai 2014 bis 30. Juni 2015 Krankengeld und anschließend vom 20. Juli 2015 bis 18. Oktober 2015 Arbeitslosengeld. Seit dem 19. Oktober 2015 ist sie wieder als Sozialpädagogin versicherungspflichtig beschäftigt.

Die Klägerin ist seit dem 9. März 2015 in psychotherapeutischer Behandlung bei dem Psychologischen Psychotherapeuten Diplom-Psychologe C., der keine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen besitzt. Die Behandlungskosten werden privat liquidiert.

Am 6. Mai 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine außervertragliche Psychotherapie bei Herrn C. Sie gab hierzu an, sechzehn namentlich benannte Psychotherapeuten hätten keinen freien Therapieplatz. In einem beigefügten Kostenerstattungsantrag des Herrn C. vom 30. April 2015 heißt es, bei der Klägerin sei wegen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode mit somatischem Syndrom eine ambulante Verhaltenstherapie als Langzeittherapie in Einzelbehandlung indiziert. Es sollen 45 (+5 probatorische) Sitzungen zu je 50 Minuten Dauer durchgeführt werden. Das Honorar richte sich nach dem jeweils geltenden Vertragssatz des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM Nr. 35221). Ebenfalls beigefügt war ein Konsiliarbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. E. vom 18. März 2015.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. Mai 2015 den Antrag mit der Begründung ab, die psychotherapeutische Behandlung werde durch Vertragsärzte und zugelassene beziehungsweise ermächtigte psychologische Psychotherapeuten sichergestellt. Eine Wartezeit von bis zu 12 Wochen sei durchaus angemessen. Dem Bescheid beigefügt war eine mehrseitige Liste mit zugelassenen Vertragsbehandlern.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 1. Juni 2015 Widerspruch ein. Sie machte geltend, sie benötige sofort und dringend die Therapie. Seit Juli 2014 habe sie vergeblich versucht, einen Therapieplatz zu bekommen. Die Psychotherapeuten der zugesandten Liste hätten keinen Therapieplatz, die meisten voraussichtlich erst wieder Mitte 2016. Bei Herrn C. habe sie bereits fünf therapeutische "Kennenlernsitzungen" absolviert, das Vertrauensverhältnis sei sehr gut, und Herr C. habe ihr schon sehr gut weiterhelfen können.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. E. berichtet in seiner fachärztlichen Bescheinigung vom 22. Juni 2015, die Klägerin leide seit Sommer 2014 an einer ausgeprägten depressiven Episode. Bei seiner Erstbehandlung im Dezember 2014 habe sich eine schwere depressive Episode mit dringender Indikation einer ambulanten Psychotherapie dargestellt. Diese sei weiterhin und ohne Zeitverzug notwendig, um einer drohenden Chronifizierung der Erkrankung Herr zu werden.

In einem telefonischen Gespräch am 26. Juni 2015 benannte die Beklagte der Klägerin zwei Vertragstherapeuten mit Kapazitäten im Vormittagsbereich (Diplom-Psychologin F. in F-Stadt und Diplom-Psychologe G. in G-Stadt).

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2015 als unbegründet zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie aus, Herr Diplom-Psychologe C. habe keine Zulassung zur Ausführung und Abrechnung von psychotherapeutischen Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung und dürfe daher keine Psychotherapie zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen. Nicht zugelassene, approbierte Leistungserbringer dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden, in denen die Behandlung nicht ohne Gefahr für Leib und Leben des Patienten verzögert werden können (Fälle der sogenannten "Ersten Hilfe"), und ein zur vertraglichen Versorgung zugelassener Behandler nicht rechtzeitig zur Verfügung stehe. Im Fall der Klägerin liege ein solcher Notfall nicht vor. Eine auf Dauer angelegte Psychotherapie stelle keinen Notfall dar, der sofortiges ärztliches Handeln erfordere. Vielmehr könnten hier die Möglichkeiten ärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe im Rahmen einer Krisenintervention genutzt werden. Auch sei eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung durch zugelassene Therapeuten sichergestellt. Eine Wartezeit von mehreren Monaten sei zumutbar. Die Beklagte habe der Klägerin zwei Vertragstherapeuten benannt, die freie Therapieplätze anbieten würden. Die Klägerin könne sich nicht auf ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Therapeuten berufen, da dieses durch die unzulässige Inanspruchnahme des Therapeuten begründet worden sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 14. August 2015 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens im Vorverfahren vor, sie sei sehr dringend auf eine psychotherapeutische Behandlung angewiesen gewesen und ein Vertragsbehandler habe nicht zur Verfügung gestanden. In einem vorgelegten Arztbericht vom 15. April 2016 hält der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. eine psychotherapeutische Behandlung aufgrund einer protrahierten Trauerreaktion sowie einer depressiven Episode verbunden mit Ängsten und Panikstörungen für zwingend indiziert.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 28. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die bisher entstandenen Kosten der Psychotherapie bei Herrn Diplom-Psychologen C. zu erstatten und ihr künftig eine psychotherapeutische Behandlung bei Herrn Diplom-Psychologen C. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung aus den Gründen des Widerspruchsbescheides für zutreffend.

Das Gericht hat im Rahmen seiner Ermittlungen einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. E. vom 19. Oktober 2015 und der Schön Klinik Roseneck vom 22. Oktober 2015 über die stationäre Behandlung vom 21. Mai 2014 bis 15. Juli 2014 eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Verhaltenstherapie bei dem nicht zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung zugelassenen Diplom-Psychologen C. Dies ist von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt worden. Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen an und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab.

Das Klagevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung.

Als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruch kommt allein § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) in Betracht. Danach dürfen Versicherte Kostenerstattung nur in Anspruch nehmen, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alternative 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alternative 2) und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war. Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr., vgl. z. B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8. September 2015 – B 1 KR 14/14 R – Juris m. w. N.).

Von diesen Voraussetzungen ist hier keine erfüllt. Die Klägerin besitzt keinen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V.

Auf eine unaufschiebbare Leistung (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V) kann die Klägerin ihr Kostenerstattungsbegehren nicht stützen, da eine unaufschiebbare Leistung im Sinne dieser Norm nicht vorlag. Unaufschiebbar ist eine Leistung nur dann, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 B 1 KR 7/05 RSozR 42500 § 31 Nr. 4 = BSGE 96, 170-182; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 B 1 KR 8/06 RSozR 4-2500 § 13 Nr. 12 = BSGE 98, 26-33). Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder zum Beispiel wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht (mehr) darauf an, ob es dem Versicherten aus medizinischen oder anderen Gründen nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten; die gegenteilige Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 8. September 2015 (B 1 KR 14/14 R – Juris Rdnr. 15 f.) aufgegeben. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V erfasst daher auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 8. September 2015 B 1 KR 14/14 R - Juris). Auch bei Vorliegen einer unaufschiebbaren Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V ist aber notwendig, dass die selbst beschaffte Leistung zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung zu gewährenden Leistungen (zu ihrem Leistungskatalog) gehört (BSG, Urteil vom 8. September 2015 - B 1 KR 14/14 R - Juris).

Nach diesen Grundsätzen hat bereits ein Fall einer dringenden Eilbehandlung gebietender Behandlungsbedürftigkeit nicht bestanden. Die Voraussetzungen der ersten Fallgruppe sind nicht erfüllt, denn die am 9. März 2015 begonnene streitige psychotherapeutische Behandlung der Klägerin bei dem Diplom-Psychologen C. war nicht unaufschiebbar. Auch wenn eine Psychotherapie indiziert war, war die Klägerin am 9. März 2015 keiner absoluten medizinischen Notlage oder einer anderen dringlichen Bedarfslage im Sinne des § 13 Abs. 3 Alternative 1 SGB V, die bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung fortbestanden hätte, ausgesetzt, welche die sofortige Behandlung bei einem nicht zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten zwingend erfordert hätte. Die Klägerin befand sich vom 21. Mai 2014 bis 15. Juli 2014 wegen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome [ICD-10-GM F33.2], Essstörung [ICD-10-GM F50.9] und Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung [ICD-10-GM Z73] in stationärer Behandlung in der Schönklinik Roseneck. Bereits in der Zeit vom 16. Januar 2014 bis 16. September 2014 hatte sie in einem Umfang von 16 abgerechneten Sitzungen eine von der Beklagten bewilligte psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen. Seit dem 17. Dezember 2014 bis 7. Juli 2015 war sie bei dem Neurologen und Psychiater Dr. E. in ambulanter ärztlicher Behandlung. Dem Befundbericht des Dr. E. vom 19. Oktober 2015 kann eine eilbedürftige Notwendigkeit für eine erneute ambulante Psychotherapie nicht entnommen werden. Dr. E. diagnostizierte eine mittelgradige depressive Episode [ICD-10-GM F32.1] und führte aus, die Klägerin habe Schlafstörungen, Angstzustände, vorzeitige Erschöpfung und Konzentrationsmängel geäußert. Seit April 2015 hätten sich die Beschwerden gebessert. Im Zeitraum von März 2015 bis Mai 2015 hätte keine derart dringende Behandlungsbedürftigkeit bestanden, bei der ohne eine sofortige psychotherapeutische Akutbehandlung Gefahren für Leib und Leben bestanden hätten. Dieser Beurteilung des Dr. E. folgend geht auch die Kammer davon aus, dass es sich bei den von der Klägerin geäußerten Beschwerden nicht um derart gravierende handelt, die eine sofortige Behandlungsnotwendigkeit begründen. Im Vordergrund der klägerischen Beschwerden stand weiterhin der Tod ihres Ehemannes im August 2013, ein bereits zweieinhalb Jahre zurückliegendes Ereignis, und somit keine akute psychische Ausnahmesituation. Dass bei der Klägerin am 9. März 2015 keine besondere Eilbedürftigkeit der Behandlung bestanden hat, wird durch den Kostenerstattungsantrag des Herrn C. vom 30. April 2015 bestätigt. Darin wird wegen einer gegenwärtig nur leichten depressiven Episode mit somatischem Syndrom die Indikation für eine ambulante Verhaltenstherapie gestellt.

Auch die weitere Voraussetzung des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V für einen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ist nicht gegeben. Diese Regelung verlangt weiter, dass die Krankenkasse die medizinisch unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Unvermögen in diesem Sinne liegt nur vor bei einer Störung oder einem Versagen des Naturalleistungssystems, also nur dann, wenn die Dienst- oder Sachleistungspflicht mit den im SGB V vorgesehenen persönlichen und sächlichen Mitteln in der gesetzlich vorgeschriebenen Qualität und Art und Weise nicht erfüllt werden kann und der Versicherte deswegen gezwungen ist, seinen Bedarf selbst zu decken. Davon kann regelmäßig nur ausgegangen werden, wenn die Krankenkasse mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Ihr muss also grundsätzlich die Prüfung ermöglicht werden, ob die Leistung im Rahmen des Sachleistungssystems bereitgestellt werden kann und wie gegebenenfalls Abhilfe zu schaffen ist. Auch im Anwendungsbereich von Alternative 1 bleibt es bei dem allgemein für außervertragliche Behandlungen geltenden Grundsatz, dass der Krankenkasse eine Möglichkeit zur Überprüfung des Leistungsbegehrens einzuräumen ist, bevor dem Versicherten erlaubt wird, sich die benötigte Leistung außerhalb des Sachleistungssystems selbst zu beschaffen (Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 13 SGB V, Rdnr. 43).

Die Kammer konnte keine Anhaltspunkte dafür feststellen, dass es der Klägerin aus medizinischen Gründen nicht mehr möglich oder zumutbar gewesen ist, vor Beginn der ambulanten Behandlung am 9. März 2015 bei dem Diplom-Psychologen C. bei der Beklagten die Kostenübernahme zu beantragen und diese hierüber entscheiden zu lassen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb nicht zuvor eine Entscheidung der Beklagten hätte beantragt und abgewartet, dieser jedenfalls nicht ein ausreichender, kurzer Zeitraum zur Entscheidung hätte eingeräumt werden können. Es bestand kein lebensbedrohlicher Zustand oder eine Krankheit, bei welcher die Verschiebung der Behandlung bis zu einer Entscheidung der Beklagten zu einer nicht wieder gut zumachenden Verschlimmerung der Beschwerden der Klägerin geführt hätte. Entsprechendes ist von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Es war der Klägerin demnach grundsätzlich zumutbar, vor Beginn der streitgegenständlichen Behandlung die Kostenübernahme der Beklagten zu beantragen und deren Entscheidung abzuwarten.

Die Fallgestaltung der zweiten Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V scheidet bereits deshalb aus, weil die Beklagte vor Beginn der Behandlung keine Möglichkeit hatte, über eine Leistungserbringung zu entscheiden. Die Klägerin hat nämlich erst am 6. Mai 2015 nach Beginn der streitigen Behandlung deren Kostenübernahme bei der Beklagten beantragt. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2015 war daher nicht dafür kausal, dass der Klägerin für die selbst beschaffte Psychotherapie bei dem nicht zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung zugelassenen Diplom-Psychologen C. Kosten entstanden sind.

Ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 Alternative 2 SGB V kommt nach der Rechtsprechung des BSG (z. B. Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 8/06 RSozR 4-2500 § 13 Nr. 12; Urteil vom 10. Februar 1993 - 1 RK 31/92 - SozR 3 - 2200 § 182 Nr. 15; Urteil vom 18. Januar 1996 - 1 RK 8/95; Beschluss vom 15. April 1997 1 BK 31/96 - NZS 1997, 569) nur dann in Betracht, wenn der Versicherte vor Beginn der Behandlung bei seiner Krankenkasse einen Kostenübernahmeantrag gestellt und deren Verwaltungsentscheidung abgewartet hat. Der Versicherte ist grundsätzlich verpflichtet, vor Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des Versicherungssystems sich zunächst an seine Krankenkasse zu wenden und dort die Gewährung der vorgesehenen Behandlung zu beantragen sowie die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Der Krankenkasse muss somit die Prüfung ermöglicht werden, ob die Behandlung vom Leistungsanspruch des Versicherten umfasst ist, das heißt, den Erfordernissen der §§ 2, 12 und 27 SGB V genügt, also ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig ist. Der Versicherte darf der Entscheidung der Krankenkasse nicht dadurch vorgreifen, dass er die Behandlung zunächst durchführen lässt und die Prüfung durch die Kasse so in das Kostenerstattungsverfahren verlagert wird. Nach der Rechtsprechung des BSG muss zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ein Ursachenzusammenhang bestehen, an dem es fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre. Eine vorherige Entscheidung der Krankenkasse ist selbst dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens - etwa aufgrund von Erfahrungen aus anderen Fällen - von vornherein feststeht (stRspr, vgl. z. B. BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 15 m.w.N.; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 22; BSG - Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 5/05 R - BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 8; BSG, Beschluss vom 21. Februar 2008 B 1 KR 123/07 B); dies gilt auch, soweit es um Leistungen geht, die kraft Gesetzes ausgeschlossen sind (so BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 RSozR 4-2500 § 13 Nr. 12).

Die Klägerin kann schließlich nicht die Übernahme der Kosten einer künftigen Behandlung bei dem Diplom-Psychologen C. im Wege der Sachleistung beanspruchen. Denn Herr C. ist nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zugelassen. Krankenkassen schulden ihren Mitgliedern ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung als Sachleistung (§ 27 Satz 2 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 1 SGB V). Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst die ärztliche Behandlung grundsätzlich nur die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Die ärztliche Behandlung im Sinne des SGB V wird nur durch approbierte Ärzte geleistet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit wird nach § 28 Abs. 3 Satz 1 SGB V durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 SGB V durchgeführt. Zur Erbringung psychotherapeutischer Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung sind demnach neben hierzu besonders qualifizierten Ärzten ausschließlich psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Sinne des § 1 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz - PsychThG) berechtigt, also Personen, die nach der Approbation oder infolge befristeter Erlaubnis den Beruf ausüben dürfen und besonders zur psychotherapeutischen Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 95 Abs. 10 SGB V von der Kassenärztlichen Vereinigung hierzu zugelassen sind.

Da die Klägerin aus den vorstehend dargelegten Gründen keinen Anspruch auf Kostenerstattung und Kostenübernahme für die Psychotherapie bei dem Diplom-Psychologen C. hat, musste die Klage erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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