L 5 AS 875/18

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 18 AS 762/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 875/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die dem Kläger entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beklagte wendet sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts M ... In der Sache hat ihn dieses verurteilt, an den Kläger für die Monate November 2014 bis April 2015 unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide weitere Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Höhe von insgesamt 692,10 EUR zu gewähren.

Der 1965 geborene Kläger wohnte zusammen mit seiner Mutter in einem Haus. Nach ihrem Tod im Juli 2014 erbte er dieses zusammen mit seinem Bruder.

Mit dem unter dem 5. Dezember 2014 beim Beklagten gestellten Fortzahlungsantrag reichte der Kläger u.a. Heizölrechnungen vom 17. Oktober 2014 über 204,75 EUR und vom 21. November 2014 über 198,04 EUR ein. Der Beklagte hatte bereits die bis April 2014 entstandenen Heizkosten anteilig in Höhe von 575,36 EUR übernommen.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2014 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 16. und 19. Januar 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Monate Januar bis Juni 2015 unter Berücksichtigung der hälftigen nachgewiesenen Hauslasten.

Mit Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2014 gewährte er ihm für Oktober 2014 zusätzlich Heizkosten in Höhe von 204,75 EUR, mit Änderungsbescheid vom 19. Januar 2015 zusätzliche Heizkosten für Dezember 2014 in Höhe von 59,69 EUR.

Am 29. Dezember 2014 reichte der Kläger eine weitere Heizölrechnung mit einem Rechnungsbetrag in Höhe von 178,10 EUR ein. Mit Bescheid vom 16. Januar 2015 lehnte der Beklagte die Übernahme weiterer Heizkosten ab.

Mit Widersprüchen vom 22. Januar 2015 wandte sich der Kläger zum einen gegen die Ablehnung der Heizkosten (gemäß des Heizkostenspiegels stünden viel höhere Kosten zur Verfügung); zum anderen gegen den Bewilligungsbescheid vom 15. Dezember 2014 (nicht alle Hauskosten seien übernommen worden).

Diese Widersprüche wies der Beklagten mit Widerspruchsbescheiden vom 24. Februar 2015 als unbegründet zurück. Höhere Heizkosten seien nicht zu übernehmen, denn sie seien unangemessen hoch. Die Hauslasten seien nur zu 50% zu berücksichtigten gewesen, da der Bruder der Klägers Miteigentümer des Hauses sei.

Mit den am 20. März 2015 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klagen (S 18 AS 792/15 und S 18 AS 762/15) hat der Kläger sein Ziel, höhere KdUH zu erhalten, weiterverfolgt.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 26. Juli 2017 beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Im Rahmen einer schriftlichen Befragung hat der Bruder des Klägers mitgeteilt, " , dass im Zeitraum November 2014 bis Juni 2015 die Kosten allein von meinem Bruder getragen wurden. Auch Vereinbarungen wurden diesbezüglich keine getroffen."

Mit Urteil vom 22. November 2018 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, dem Kläger weitere Bedarfe für die Heizung in Höhe von 316,45 EUR für die Monate November und Dezember 2014 und weitere Leistungen in Höhe von 56,17 EUR für Januar 2015, in Höhe von 27,01 EUR/Monat für Februar und Mai 2015, in Höhe von 128,14 EUR/Monat für März und Juni 2015 sowie in Höhe von 9,18 EUR für April 2015 zu gewähren.

Im Wesentlichen hat es zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Übernahme weiterer Heizkosten im November und Dezember 2014 ergebe sich aus § 22 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 SGB II. Der Kläger habe nach Überzeugung des Sozialgerichts die Heizkosten alleine getragen. Dies habe sein Bruder ausdrücklich bestätigt. Das Haus werde auch vom Kläger allein bewohnt. Der Bruder könne, da er selbst in Rheinland-Pfalz wohne, das Haus auch nicht sinnvoll nutzen. Es könne dahinstehen, ob die Heizkosten im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessen seien. Jedenfalls seien sie gemäß § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II zu übernehmen. Ein Wohnungswechsel wäre im Hinblick auf die niedrige Zinsbelastung und die geringen Nebenkosten des Wohnhauses unwirtschaftlich gewesen.

Da der Kläger auch die Hauslasten alleine getragen habe, seien diese im Zeitraum von Januar bis März bzw. Mai und Juni 2015 in voller Höhe zu berücksichtigen gewesen. Zusätzlich habe der Kläger auch einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für die zentrale Warmwassererzeugung gemäß § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II.

Das Sozialgericht die Berufung nicht zugelassen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 30. November 2018 zugestellte Urteil am 27. Dezember 2018 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Nichtzulassungsbeschwerde richte sich gegen die Verurteilung zur Übernahme weiterer Kosten für Grundsteuer und Kreditzinsen. Die Entscheidung des Sozialgerichts weiche von Entscheidungen des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 2. Dezember 2008, L 5 B 273/08 AS ER und Urteil vom 20. August 2016, L 5 AS 65/14) ab. Der Bruder des Klägers habe mitgeteilt, die Kosten würden allein vom Kläger getragen. Es seien aber keine Vereinbarungen diesbezüglich getroffen worden. Mithin seien die verbrauchsunabhängigen Kosten entsprechend der Miteigentumsanteile zu tragen und könnten daher lediglich in Höhe von 50 % beim Kläger als Bedarf berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. November 2018 zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Eine Divergenz liege nicht vor, denn der vorliegende Fall sei mit dem, den das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt im Verfahren L 5 AS 65/14 entschieden habe nicht vergleichbar. Dort sei die Zahlung einer Nutzungsentschädigung streitgegenständlich gewesen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes (L 5 B 273/08 AS ER) hätten beide Eigentümer das Haus bewohnt. Im Übrigen sei der Kläger alleiniger Schuldner der Darlehenszinsen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die dem Senat vorliegende Verwaltungsakte sowie auf die Prozessakten dieses Verfahrens und des Verfahrens S 18 AS 762/15 verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Sie ist auch statthaft, da die Berufung nicht kraft Gesetzes zulässig und vom Sozialgericht auch nicht zugelassen worden ist.

Der Beklagte ist verurteilt worden, an den Kläger insgesamt weitere 692,10 EUR zu gewähren. Dieser Betrag liegt unter dem Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Wiederkehrende oder laufende Leistungen von mehr als einem Jahr stehen nicht im Streit.

2.

Die Beschwerde des Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Berufung gegen das Urteil vom 22. November 2018 zu Recht nicht zugelassen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Als Zulassungsgrund kommt vorliegend allein das Vorliegen einer Divergenz in Betracht. Weder war im Rechtsstreit eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu klären noch hat der Beklagte einen Verfahrensfehler geltend gemacht.

Es besteht jedoch keine Divergenz des erstinstanzlichen Urteils zu einer Entscheidung der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Spruchkörper. Divergenz liegt vor, wenn das erstinstanzliche Gericht einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG benannten Gerichte aufgestellt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 25. September 2002, B 7 AL 142/02 B (13)). Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nicht schon dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien der Rechtsprechung dieser Gerichte genügt. Vielmehr muss das erstinstanzliche Gericht diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe zugrunde gelegt haben (vgl. BSG, Beschluss vom 4. Dezember 2007, B 2 U 165/06 B (6)). Die Divergenz setzt voraus, dass das erstinstanzliche Gericht die obergerichtliche Rechtsprechung im angegriffenen Urteil durch einen abweichenden Rechtssatz in Frage stellt (vgl. BSG, Beschluss vom 25. September 2002, B 7 AL 142/02 B (14)). Dies erfordert, dass das Sozialgericht zweifelsfrei in den Gründen seiner Entscheidung wenigstens mittelbar und (im Ergebnis) eindeutig einen abweichenden Rechtssatz aufstellen wollte (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Januar 1999, B 4 RA 131/98 B (12)).

Unter Anwendung dieser Maßstäbe divergiert die Entscheidung des Sozialgerichts nicht mit den vom Beklagen genannten Entscheidungen des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt.

Der erkennende Senat hatte in seinem Urteil vom 24. August 2016 (L 5 AS 65/14) zwar entschieden, die verbrauchunabhängigen Lasten eines Hauses seien entsprechend der Miteigentumsanteile zu verteilen. Allerdings hatte es im damals entschiedenen Fall keine Kostentragungsvereinbarung zwischen den Miteigentümern gegeben.

Auch das Sozialgericht ist unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Entscheidungsgründe davon ausgegangen, dass grundsätzlich eine Kostenbeteiligung des Bruders des Klägers an den verbrauchsunabhängigen Lasten des Hauses in Betracht kommt. Es hat jedoch eine von diesem Grundsatz abweichende Vereinbarung zwischen den Miteigentümern angenommen. Es hat sich mit der Antwort des Bruders des Klägers auf die Frage auseinandergesetzt, wer die Kosten des Hauses trage. Der Bruder habe bestätigt, dass der Kläger die Kosten allein zu tragen gehabt hätte. Es ausgeführt: "Da die Kammer nach den obigen Ausführungen davon überzeugt ist, dass der Kläger die Hauslasten allein trägt, hat er auch Anspruch auf Berücksichtigung der Zinsen und Nebenkosten in voller Höhe und nicht nur zur Hälfte im Zeitraum von Januar bis März bzw. Mai und Juni 2015." Hierin liegt nicht die Aufstellung eines divergierenden Rechtssatzes, sondern vielmehr eine Beweiswürdigung. Das Sozialgericht ist davon überzeugt gewesen, der Kläger habe die Hauslasten allein tragen müssen. Es hat formuliert: "zu tragen hatte" und nicht "getragen hatte".

Auch eine Divergenz zum Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Dezember 2008 (L 5 B 273/08 AS ER) ist bereits aus den o.g. Gründen nicht gegeben. Zudem hatte der Senat in diesem Beschluss nur im Rahmen einer Folgenabwägung auf die Tragung der Kosten entsprechend der Miteigentumsanteile abgestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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