S 21 AS 684/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 21 AS 684/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Sanktionsbescheid.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist diplomierter Wirtschaftsingenieur. Er ist alleinstehend und bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten.

Am 19.12.2017 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Eingliederungsbescheid. Dieser bezog sich auf den Zeitraum vom 19.12.2017 bis 18.06.2018, soweit nichts anderes vereinbart wird, längstens jedoch bis zum Ende des Leistungsanspruchs. Der Beklagte führte aus, der Eingliederungsbescheid entspreche im Wesentlichen dem Inhalt einer mit dem Kläger zu schließenden Eingliederungsvereinbarung. Hauptziel sei die Aufnahme einer Beschäftigung des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Der Beklagte bot dem Kläger die Unterstützung bei Bewerbungsbemühungen an und sicherte ihm zu, ihn pro schriftlicher Bewerbung mit einem Betrag von 5,00 EUR (maximal 300,00 EUR im Jahr) und mit Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen zu unterstützten, das Bewerberprofil des Klägers mit Stellenangeboten abzugleichen und ihn für geeignete Stellten vorzuschlagen sowie bei entsprechenden Voraussetzungen die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit einem Einstiegsgeld zu unterstützten. Unter "Aufgaben des Kunden" ist in dem Eingliederungsbescheid festgelegt, dass der Kläger bis zum 05.01.2018 eine vollständig aktualisierte Bewerbungsmappe einschließlich Lebenslauf und Zeugnissen vorlegt und sich regelmäßig unter Auswertung von Stellenan-zeigen online, in Zeitungen und anderen Medien um eine Arbeitsstelle bemüht. Er bewirbt sich monatlich fünfmal um eine Arbeitsstelle (schriftlich, telefonisch, online und durch persönliche Vorsprache) und hält diese Eigenbemühungen in einem Aktionsplan fest, den er dem Beklagten unaufgefordert jeweils zum 3. des Folgemonats vorlegt. Der Kläger wurde in dem Eingliederungsbescheid darauf hingewiesen, dass die bewilligten Grundsicherungsleistungen bei einem Verstoß gegen die dem Kläger auferlegten Pflichten für die Dauer von drei Monaten um 100 Prozent gemindert werden. Den gegen den Eingliederungsbescheid eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 10.01.2018 zurück. Die gegen ein klageabweisendes Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 26.02.2018 (S 23 AS 112/18) eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 06.09.2018 (L 7 AS 562/18) zurück.

Der Kläger kam den ihm auferlegten Obliegenheiten durchgehend nicht nach, sodass der Beklagte wiederholt die Leistungen des Klägers minderte. Mit Bescheid vom 01.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.05.2018 stellte der Beklagte einen vollständigen Wegfall des Leistungsanspruchs für die Zeit vom 01.03.2018 bis 31.05.2018 fest. Die gegen einen klageabweisenden Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 10.07.2018 (S 4 AS 440/18) eingelegte Berufung wies das Landesso-zialgericht Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 06.09.2018 (L 7 AS 1189/18) zurück.

Mit Bescheid vom 16.05.2018 stellte der Beklagte eine Minderung der Leistungen des Klägers für den Zeitraum vom 01.06.2018 bis 31.08.2018 um 100 Prozent fest. Er hob insoweit die vorangegangenen Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide auf. Der Kläger habe jeweils zum 03.02.2018, 03.03.2018 und 03.04.2018 keine Aktionspläne vorgelegt. Die im Anhörungsverfahren vorgebrachten Gründe führten zu keiner anderen Entscheidung. Sofern der Kläger sich nachträglich dazu bereit erkläre, seinen Pflichten nachzukommen, könne die Minderung der Leistungen auf 60 Prozent des Regelbedarfs begrenzt werden. Bei deiner Minderung um mehr als 30 Prozent sei es möglich, ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen. Der Krankenversicherungsschutz erlösche aufgrund der Sanktion, könne durch die Gewährung von Sachleistungen aber wieder ausgelöst werden.

Zur Begründung des am 28.05.2018 eingelegen Widerspruchs wandte der Kläger ein, der Sanktionsbescheid vom 16.05.2018 basiere auf einem nichtigen und rechtswidrigen Eingliederungsbescheid vom 19.12.2017. Die verhängte Sanktion verstoße gegen sein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminiums. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2018 wies der Beklagte den Rechtsbehelf zurück. Da der Kläger den ihm mit dem Eingliederungsbescheid vom 19.12.2017 auferlegten Pflichten nicht nachgekommen sei, lägen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II vor. Zweifel an einer Vereinbarkeit der Sanktionsvorschriften mit dem Grundgesetz ergäben sich nicht.

Am 23.07.2018 hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Den zugleich erhoben Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 28.08.2018 (S 21 AS 683/18 ER) abgelehnt. Zur Begründung der Klage wiederholt der Kläger seine im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Einwände und verweist auf seinen Vortrag in anhängigen Beschwerde- und Berufungsverfahren.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Sanktionsbescheid vom 16.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Beteiligten unter dem 13.09.2018 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher gehört worden. Soweit der Kläger eine mündliche Verhandlung einfordert, steht dies einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht entgegen. Das Sozialgericht Aachen hat aufgrund einer gleichlautenden Aufforderung des Klägers in einem vorangegangen Rechtsstreit bereits entschieden: "Soweit der Kläger unter Berufung auf seinen Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung einfordert, ist dem entgegenzuhalten, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör dies nicht umfasst. Die Garantie rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG wird für das sozialgerichtliche Verfahren in § 62 SGG umgesetzt. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs besagt, dass der Beteiligte zum jeweiligen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit haben muss, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu werden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 12. Auflage, § 62 Rn. 2)." Diese Möglichkeiten wurden dem Kläger durch seinen schriftsätzlichen Vortrag und die Anhörung vor Erlass dieses Gerichtsbescheids gewährt.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Sanktionsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Ermächtigungsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 48 SGB X iVm § 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II. Die Tatbestandsvoraussetzen liegen vor. Der Kläger hat die ihm obliegende Verpflichtung zur Vorlage der Aktionspläne zum 03.02.2018, 03.03.2018 und 03.04.2018 unstreitig nicht erfüllt. Entgegen seiner Auffassung ist der Eingliederungsbescheid vom 19.12.2017 weder nichtig noch rechtswidrig. Das Gericht nimmt insoweit auf die Entscheidungen des Sozialgerichts Aachen vom 26.02.2018 (S 23 AS 112/18) und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 06.09.2018 Bezug.

Eine ausreichende schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen liegt vor. Der Kläger wird im Eingliederungsbescheid vom 19.12.2017 ausdrücklich und in hinreichendem Maße darauf hingewiesen, dass sein Leistungsanspruch bei einer nochmaligen Pflicht-verletzung ohne wichtigen Grund vollständig entfällt. Einen solchen wichtigen dafür, keine Bewerbungsbemühungen vorzulegen, hat der Kläger nicht dargelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts existiert kein Grundrecht, sich aus Gewissengründen der Steuerzahlung verweigern zu können und deshalb keine bezahl-te Tätigkeit anzunehmen (so bereits Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Be-schluss vom 27.06.2018 – L 7 AS 601/18 ER mwN).

Zu Recht hat der Beklagte auch eine weitere wiederholte Pflichtverletzung gemäß § 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II angenommen und einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosen-geldes II festgestellt, weil es innerhalb der Jahresfrist des § 31a Abs. 1 Satz 5 SGB II bereits mehr als zwei Pflichtverletzungen des Klägers gab. Der Beklagte hat auch den Sanktionszeitraum nach § 31b Abs. 1 SGB II zutreffend festgestellt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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