S 17 R 224/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 17 R 224/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 138/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RE 7/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 12.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2013 wird insoweit aufgehoben, als eine Beitragspflicht des Klägers von Januar bis Mai 2008 festgestellt wird; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 1/10 zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der Rentenversicherung als Selbständiger und über die sich hieraus ergebende Beitragszahlungspflicht.

Der Kläger war und ist als Versicherungsvermittler für die D. AG in D-Stadt tätig. Dort fand durch die Beklagte ab dem 12. September 2011 eine Betriebsprüfung statt. Im Rahmen dieser Prüfung wurde der Beklagten eine Namens- und Adressenliste aller Versicherungsvermittler übermittelt. Die Beklagte wandte sich am 28. November 2011 an den Kläger und begann eine Prüfung der Versicherungspflicht als selbständig Tätiger. Die Beklagte erinnerte den Kläger an die Erledigung ihrer Anfrage. Der Kläger reagierte nicht. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 5. März 2012 den Eintritt der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) und die Verpflichtung zur Zahlung des Regelbeitrags fest. Sie forderte eine Zahlung in Höhe von rückständigen Beiträgen ab 28. Juni 2011 in Höhe von 4.645,05 Euro und laufend ab 1. April 2012 monatlich 514,50 Euro. Die Beklagte erließ am 17. April 2012 einen weiteren Beitragsbescheid und setzte für die rückständigen Beiträge vom 26. Juni 2011 bis 31. März 2012 Säumniszuschläge fest. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 9. Mai 2012 Widerspruch ein. Er verwies darauf, dass die Beklagte eine Adresse seiner Eltern nutze, unter welcher er seit 1987 nicht mehr lebe. Er habe nach seinem Studium im Jahr 1993 der Beklagten die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit als Versicherungsvermittler mitgeteilt. Er habe auch mitgeteilt, dass er sich privat absichere gegen Berufsunfähigkeit und für das Alter privat vorsorge. Er habe sich auch nach den Gesetzesänderungen im Jahr 1998 erneut gemeldet, jedoch nie etwas von der Beklagten gehört. Die Beklagte half dem Widerspruch ab und hob die Bescheide vom 17. April 2012 und vom 5. März 2012 auf.

Sie schrieb den Kläger erneut am 9. Juli 2012 wegen seiner selbständigen Tätigkeit und einer Versicherungspflicht an. Sie erinnerte am 9. August 2012 an die Beantwortung ihrer Anfrage. Der Kläger reagierte nicht. Die Beklagte stellte daraufhin durch Bescheid vom 12. September 2012 das Vorliegen von Versicherungspflicht ab dem 1. Januar 1999 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI fest. Sie führte aus, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2008 den Regelbeitrag zu zahlen habe. Sie forderte einen rückständigen Beitrag in Höhe von 28.785,30 Euro für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. September 2012 und einen laufenden Beitrag in Höhe von 514,50 Euro ab 1. Oktober 2012. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch am 10. Oktober 2012 ein und verwies darauf, dass er 1998 einen Antrag auf Befreiung gestellt habe, über den nie entschieden worden sei. Er habe aber gedacht, er sei damit wirksam befreit.

Der Kläger beantragte am 8. Januar 2013 eine Befreiung von der Versicherungspflicht. Er sei seit 1993 selbständig und erziele regelmäßig ein Einkommen über 400 Euro monatlich. Er habe eine private Vorsorge abgeschlossen. Er habe Grundvermögen im Wert von ca. 120.000 Euro, auf welchem noch Schulden in Höhe von ca. 40.000 Euro lasteten. Er habe ein Finanzvermögen in Höhe von ca. 40.000 Euro. Er legte Unterlagen über private Versicherungen vor. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 25. Januar 2013 ab und verwies darauf, dass die Versicherungspflicht bereits am 1. Januar 1999 eingetreten sei und der Antrag daher bis zum 31. März 1999 zu stellen gewesen wäre. Er sei daher verspätet gestellt worden. Der Kläger legte hiergegen am 23. Februar 2013 Widerspruch ein und verwies darauf, dass er den Antrag rechtzeitig, nämlich bei Inkrafttreten der gesetzlichen Änderung zur Einführung des Versicherungspflichttatbestands, gestellt habe.

Die Beklagte erließ am 23. Mai 2013 einen weiteren Beitragsbescheid und setzte Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2013 fest.

Die Beklagte wies die Widersprüche gegen die Bescheide vom 12. September 2012 und vom 25. Januar 2013 durch Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2013 zurück und verwies darauf, dass ein früherer Befreiungsantrag nicht vorliege. Daher sei die Befreiung zu Recht abgelehnt worden, so dass Versicherungspflicht vorliege.

Der Kläger legte gegen den Bescheid vom 23. Mai 2013 am 3. Juni 2013 Widerspruch ein und verwies darauf, dass er 1998 einen Befreiungsantrag gestellt habe. Er habe eine private Rentenversicherung und eine private Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsschutz abgeschlossen. Er erziele zudem seit dem Jahr 2009 immer geringere Gewinne, da er seine schwer kranke Frau pflege. Letztlich bestehe noch ein Darlehen für die gemeinsam bewohnte Immobilie in Höhe von 85.000 Euro. Die Beklagte nahm durch Bescheid vom 5. Juni 2013 den Bescheid vom 23. Mai 2013 zurück. Sie setzte zudem das Forderungsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Klageverfahrens aus.

Der Kläger hat am 3. Juni 2013 Klage zum Sozialgericht Gießen gegen den Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2013 erhoben. Ebenso hat er ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Vollstreckung der Beitragsforderung geführt (S 19 R 223/13 ER).

Der Kläger behauptet, dass er schon 1998 einen Antrag auf Befreiung gestellt habe. Er habe auch mitgeteilt, dass er private Vorsorge betreibe. Er habe Versicherungen, die zu einer Beitragslast von ca. 500 Euro monatlich führen, was dem RV-Beitrag entspreche. Er behauptet, dass er bis Mai 2008 als Geschäftsführer einer GmbH tätig gewesen sei. Er verweist auf entsprechende Gesellschaftsverträge. Die Gesellschaft habe nicht nur für einen Auftraggeber gearbeitet. Zudem habe die Gesellschaft bis in das Jahr 2005 auch eine Halbtagskraft mit einem Verdienst von über 1.000 Euro beschäftigt. Er sei beherrschender Geschäftsführer der GmbH gewesen. Im Mai 2008 habe die GmbH wegen Zahlungsschwierigkeiten ihre geschäftlichen Aktivitäten eingestellt. Der Kläger sei dann bis Mai 2012 – dem Zeitpunkt der Löschung der GmbH – als Liquidator tätig gewesen. Er sei hiernach selbständig sowohl für die E. Versicherung als auch die D. AG tätig gewesen. Er verweist auf eine Courtagezusage der E. von 1997, eine Gehaltsabrechnung für Dezember 2002 für eine Mitarbeiterin und Einkommensnachweise der GmbH für 2005 bis 2008 vor. Er ist zudem der Ansicht, dass der Widerspruchsbescheid nichtig ist, weil er nicht eigenhändig unterschrieben ist.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 aufzuheben und den Bescheid vom 25. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass der Kläger von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung als selbstständiger Versicherungsmakler befreit ist.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist darauf, dass die selbständige Tätigkeit für einen Auftraggeber auch im Rahmen einer gesellschaftlichen Verbindung ausgeübt werden könne. Der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages sei daher nicht maßgeblich. Ebenso seien keine Nachweise dafür erbracht, dass der Kläger nicht nur für einen Auftraggeber tätig geworden sei. Abrechnungen aus dem Jahr 2001 bzw. von Mitarbeitern aus dem Jahr 2002 seien nicht relevant, da die Beiträge aus dem Jahr 2002 schon verjährt seien. Sie ist der Ansicht, dass eine Unterschrift der Ausschussmitglieder nicht erforderlich ist.

Es wird zum weiteren Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Klägers bei der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 war teilweise aufzuheben, da er insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Der Kläger ist nicht verpflichtet, im Zeitraum vom Januar bis Mai 2008 Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen. Der Bescheid vom 25. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 war nicht aufzuheben, da er rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger war ab dem 1. Januar 1999 in der Rentenversicherung versicherungspflichtig und war auch von dieser Versicherungspflicht nicht zu befreien.

Der Widerspruchsbescheid ist zunächst formell rechtmäßig. Das Fehlen eigenhändiger Unterschriften der Mitglieder des Widerspruchsausschusses auf dem Widerspruchsbescheid, welcher dem Kläger mittels Einschreiben bekanntgegeben worden ist, begründet keinen Formfehler. Ein Widerspruchsbescheid ist ein Verwaltungsakt gemäß § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Ein Verwaltungsakt wird gemäß § 39 Abs. 1 SGB X gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Er wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Die bei Erlass eines Verwaltungsakts einzuhaltende Form definiert § 33 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X). § 85 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ordnet als Sonderregelung hierzu an, dass ein Widerspruchsbescheid schriftlich zu erlassen, zu begründen und den Beteiligten bekanntzugeben ist. Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten (§ 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Abweichend von § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X regelt dessen Absatz 5, dass bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen können. Der Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2013 genügt diesen Anforderungen. Es kann dabei offen bleiben, ob es sich bei dem Widerspruchsbescheid um einen Verwaltungsakt handelt, welcher mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen worden ist, denn der Widerspruchsbescheid entspricht bereits den Anforderungen des § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG, so dass es eines Eingreifens der die formellen Anforderungen für mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassener Verwaltungsakte lockernden Norm des § 33 Abs. 5 SGB X nicht bedarf. Der Widerspruchsbescheid ist schriftlich erlassen worden, lässt als Absender ohne Weiteres die erlassende Behörde erkennen und gibt auf Seite 3 auch die Namen der Mitglieder des Widerspruchsausschusses, welche die Entscheidung über den Widerspruch des Klägers getroffen haben, und damit auch den Namen des Mitarbeiters, welcher als Vertreter des Direktoriums der Beklagten an der Entscheidung beteiligt gewesen ist, wieder. Ausweislich des Wortlauts des § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X stehen Unterschrift und Namenswiedergabe in einem Alternativverhältnis ("oder") und sollen gewährleisten, dass für den Empfänger nachvollziehbar ist, wer verantwortlicher Urheber der getroffenen Entscheidung ist. Die Namenswiedergabe muss denjenigen bezeichnen, der für das Ergebnis des behördeninternen Entscheidungsprozesses und damit für den Erlass des schriftlichen Verwaltungsakts die Verantwortung trägt (Engelmann, in: von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 8. Auflage 2014, § 33 Rn. 32). Dies ist hier der Fall. Eine Beglaubigung der Namenwidergabe ist nicht erforderlich (Pattar in: jurisPK-SGB X, § 33 Rn. 84; siehe auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Januar 2013, L 9 R 3176/11, juris). Selbst wenn dies jedoch einen Verstoß gegen § 33 Abs. 3 SGB X begründen würde, so wäre der Bescheid nach § 42 SGB X nicht aufzuheben. Hiernach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zu Stande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Wie aus der Akte der Beklagten zu entnehmen ist, haben die Mitglieder des Widerspruchsausschusses der Beklagten den Widerspruch bereits in ihrer Sitzung vom 18. April 2013 als unbegründet zurückgewiesen. Es ist daher offensichtlich, dass die endgültige Form des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 auf die Entscheidung des Widerspruchsausschusses, welche bereits zuvor getroffen worden ist, keinen Einfluss gehabt hat. Eine Nichtigkeit des Widerspruchsbescheides liegt ebenfalls nicht vor. § 40 SGB X regelt, unter welchen Voraussetzungen die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes anzunehmen ist. Gemäß Absatz 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Ohne Rücksicht auf diese Voraussetzungen ist ein Verwaltungsakt nichtig, der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt (Absatz 2 Nr. 1). In § 40 Abs. 3 SGB X werden die Verfahrens- und Formfehler aufgezählt, welche zwar zur Rechtswidrigkeit, für sich genommen aber nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen. Hierzu gehört unter anderem (Nr. 3), dass ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war. Weder die in § 40 Abs. 3 SGB X noch die § 40 Abs. 2 SGB X benannten Nichtigkeitsgründe liegen vor. Zudem würde es sich, wenn man das Vorliegen eines Formfehlers bejahen würde, um keinen besonders schwerwiegenden Fehler. Eine Nichtigkeit ergibt sich auch nicht, wie der Kläger vorträgt, aus der Anwendung des § 125 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), denn es handelt sich bei dem Widerspruchsbescheid nicht um ein Rechtsgeschäft im Sinne des BGB.

Der Bescheid vom 12. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger seit dem 1. Januar 1999 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung ist. Der Kläger war in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis Mai 2008 rentenversicherungspflichtig als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Der Kläger gründete 1996 gemeinsam mit zwei weiteren Gesellschaftern die F. Finanzberatungs GmbH F-Stadt mit dem Geschäftszweck der Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen. Ausweislich des Gesellschaftsvertrags verfügte der Kläger gesellschaftsrechtlich über keine beherrschende Position. Er konnte gesellschaftsrechtlich die Geschicke der GmbH nicht alleine bestimmen. Er verfügte nicht über eine Sperrminorität. Dies änderte sich auch nicht mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters im Jahr 2001. Er war daher als Geschäftsführer abhängig beschäftigt. Nur, wer auf Grund einer Sperrminorität oder weil er Mehrheitsgesellschafter ist, kraft seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung als Geschäftsführer-Gesellschafter in der Lage ist, ihm nicht genehme Entscheidungen der Gesellschaft zu verhindern, ist nicht abhängig beschäftigt (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. April 1991, Az.: 7 RAr 32/90, SozR 3-4100 § 168 Nr. 5; vom 8. Dezember 1994, Az.: 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18; vom 30. Juni 1999, Az.: B 2 U 35/98 R, SozR 3-2200 § 723 Nr. 4 und vom 17. Mai 2001, Az.: B 12 KR 34/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17). Er war daher auch bei Ausübung seiner im Geschäftsführervertrag geregelten Tätigkeit als Geschäftsführer wegen des Erfordernisses der einheitlichen Willensbildung in der Gesellschaft einer Weisungsabhängigkeit unterworfen. Er musste sich in der Ausübung dieser Tätigkeit den Beschlüssen der Gesellschafter fügen. Er hatte auch keine besondere Sachkunde, über welche die anderen Gesellschafter nicht verfügten, so dass sich auch nicht aus der Art der ausgeübten Tätigkeit eine Stellung für den Kläger ergeben könnte, die ihn vollständig weisungsfrei gemacht hätte.

Mit Einstellung der Tätigkeit der GmbH im Mai 2008 gründet sich die Versicherungspflicht als Versicherungsmakler nicht mehr auf eine abhängige Beschäftigung. Rechtsgrundlage für die Versicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit ist sodann § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI. Dieser begründete zunächst idF durch Art. 3 Nr. 4 des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl I 3843) Versicherungspflicht ab dem 1. Januar 1999 für selbstständig tätige Personen, die im Zusammenhang ihrer selbstständigen Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen sowie regelmäßig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (sog arbeitnehmerähnliche Selbstständige). Durch Art. 2 Nr. 1 Buchst a des Gesetzes zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl 2000 I 2) wurde § 2 (nunmehr Satz 1) Nr. 9 SGB VI in der Weise rückwirkend zum 1. Januar 1999 geändert, dass selbstständig tätige Personen versicherungspflichtig sind, die a) im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 630 Deutsche Mark im Monat übersteigt, und b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Der Kläger übt seit 2008 als natürliche Person eine Tätigkeit als Versicherungsmakler aus, ohne ein weiteres Arbeitsverhältnis bzgl. dieser Tätigkeit eingegangen zu sein. Dass er ggf. zunächst noch weiterhin als Liquidator für die GmbH tätig war, ist irrelevant. Er war auch ausschließlich für einen Auftraggeber tätig, nämlich die D. AG. Er hat keinerlei Unterlagen vorgelegt, aus denen sich anderes ergibt. Da der Kläger in seiner selbstständigen Tätigkeit zudem auch keine Arbeitnehmer beschäftigt hat und beschäftigt seit 2008, sind alle Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erfüllt. Einer zusätzlichen Prüfung seiner "Arbeitnehmerähnlichkeit" bzw seiner konkreten "Schutzbedürftigkeit" bedarf es nicht. Beide Aspekte haben in den tatbestandlichen Voraussetzungen von § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI abschließend ihren konkretisierenden Ausdruck gefunden (siehe insgesamt hierzu BSG, Urteil vom 24. November 2005, Az.: B 12 RA 1/04 R, SozR 4-2600 § 2 Nr. 7; Urteil vom 29. August 2012, Az.: B 12 R 7/10 R, SozR 4-2600 § 2 Nr. 169). Der Kläger übt die Tätigkeit auch weiterhin aus. Sie wurde auch stets mehr als nur geringfügig ausgeübt.

Der Kläger war auch nicht von der Rentenversicherungspflicht als Selbständiger zu befreien. Nach § 231 Abs. 5 SGB VI werden Personen, die am 31. Dezember 1998 eine selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, in der sie nicht versicherungspflichtig waren, und danach gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig werden, auf Antrag von dieser Versicherungspflicht befreit, wenn sie
1. vor dem 2. Januar 1949 geboren sind oder
2. vor dem 10. Dezember 1998 mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen einen Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen haben, der so ausgestaltet ist oder bis zum 30. Juni 2000 oder binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht so ausgestaltet wird, dass
a) Leistungen für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall Leistungen an Hinterbliebene erbracht werden und
b) für die Versicherung mindestens ebensoviel Beiträge aufzuwenden sind, wie Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen wären, oder
3. vor dem 10. Dezember 1998 eine vergleichbare Form der Vorsorge betrieben haben oder nach diesem Zeitpunkt bis zum 30. Juni 2000 oder binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht entsprechend ausgestalten; eine vergleichbare Vorsorge liegt vor, wenn
a) vorhandenes Vermögen oder
b) Vermögen, das aufgrund einer auf Dauer angelegten vertraglichen Verpflichtung angespart wird,
insgesamt gewährleisten, dass eine Sicherung für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene vorhanden ist, deren wirtschaftlicher Wert nicht hinter dem einer Lebens- oder Rentenversicherung nach Nummer 2 zurückbleibt. Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für eine Zusage auf eine betriebliche Altersversorgung, durch die die leistungsbezogenen und aufwandsbezogenen Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 erfüllt werden. Die Befreiung ist binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht zu beantragen; die Frist läuft nicht vor dem 30. Juni 2000 ab. Die Befreiung wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Grundvoraussetzung der Befreiung ist zunächst, dass der Kläger am 31. Dezember 1998 eine selbständige Tätigkeit ausgeübt haben muss, in der er nicht versicherungspflichtig war. Wurde nämlich die Beschäftigung am 31. Dezember 1998 nicht ausgeübt, ist § 231 Abs. 5 SGB VI nicht anwendbar (siehe auch BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014, Az.: B 5 RE 11/14 R – Terminsbericht). Der Kläger übte die Tätigkeit, die zur Versicherungspflicht als Selbständiger führt, am 31. Dezember 1998 nicht aus, denn er war zu diesem Zeitpunkt als abhängig beschäftigter Geschäftsführer einer GmbH tätig. Er begann erst im Jahr 2008 die Tätigkeit als Selbständiger. Eine Befreiung kommt daher schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Darüber hinaus mussten Versicherte, die von der Regelung des § 231 Abs. 5 SGB VI Gebrauch machen wollten, einen Befreiungsantrag bis zum 30. Juni 2000 stellen. Nur in dem Fall, dass zwar die Beschäftigung am 31. Dezember 1998 ausgeübt wurde, jedoch die Versicherungspflicht erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt, zum Beispiel weil zuvor ein Arbeitnehmer beschäftigt wurde, kann der entsprechende Antrag binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht gestellt werden. Die Frist des § 231 Abs. 5 SGB VI ist eine Ausschlussfrist. Wird der Antrag später gestellt, ist er verfristet. Der Kläger stellte ausweislich der Verwaltungsakte einen Befreiungsantrag erstmals am 8. Januar 2013. Er behauptet zwar, dass er schon zuvor einen Antrag gestellt habe, jedoch konnte er keinerlei Nachweise diesbezüglich vorlegen. Er konnte keine Kopie des Antrags, keine Kopie einer Nachfrage zur Bearbeitung des Antrags bei der Beklagten, Sendenachweise etc. vorlegen. Es bestehen mithin keinerlei objektivierbaren Anhaltspunkte für die Behauptung, dass ein Antrag zuvor gestellt worden war. Es erfolgte zudem im Jahr 2006 seitens der Beklagten auch ein Kontenklärungsverfahren mit dem Kläger und auch in diesem Zusammenhang hat der Kläger keine Nachfragen zu seinem Status und einer Befreiung angebracht. Das Gericht konnte sich daher nicht davon überzeugen, dass der Kläger schon zu einem früheren Zeitpunkt einen Antrag gestellt hat. Da der Kläger eine Befreiung erreichen möchte, trägt er für die behauptete frühere Antragstellung die Beweislast. Der Kläger ist auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er den Antrag rechtszeitig gestellt, denn es ist weder ein Beratungsfehler Beklagten ersichtlich, noch könnte ein solcher ursächlich geworden sein, denn der Kläger trägt selbst vor, dass er Kenntnis vom Versicherungspflichttatbestand hatte.

Ebenso scheidet eine Befreiung nach § 6 Abs. 1a SGB VI wegen Fristversäumnis aus. Hiernach werden Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig sind, von der Versicherungspflicht befreit
1. für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erfüllt,
2. nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden. Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erfüllt. Der Befreiungsantrag aus 2013 wurde nicht innerhalb der ersten drei Jahre nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gestellt.

Der Bescheid vom 12. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 war aber insoweit aufzuheben, als der Kläger zur Beitragszahlung im Zeitraum von Januar bis Mai 2008 verpflichtet wurde. Die Pflicht zur Zahlung und Tragung der Beiträge als Selbständiger ergibt sich aus §§ 169 Nr. 1 und 173 SGB VI. Als Arbeitnehmer jedoch war der Kläger nicht verpflichtet, die Beiträge zur Rentenversicherung selbst abzuführen. Diese werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitgeber gezahlt (§§ 28d, 28e Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV). Sie können beim Arbeitnehmer nur durch Lohnabzug geltend gemacht werden, § 28g Satz 2 und 3 SGB IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und die Rechtsmittelbelehrung folgt aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved