L 16 RJ 533/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 144/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 533/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 12. August 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Altersrente für den Kläger aus der deutschen Versicherung nach § 35 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), insbesondere unter Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten vom 27.12.1943 bis 01.05.1945.

Der 1920 geborene Kläger ist Staatsangehöriger des ehemaligen Jugoslawien mit Wohnsitz in Serbien und Montenegro.

Er beantragte erstmals im Mai 1993 beim jugoslawischen Versicherungsträger Altersrente. Dieser Antrag ging am 14.09.1993 bei der Beklagten ein. Beigefügt waren ein jugoslawischer Versicherungsverlauf über Beitragszeiten von 1935 bis 1980 für insgesamt 40 Jahre 5 Monate 23 Tage, wobei eine weitere Bescheinigung eine Kriegsgefangenschaft in den Jahren 1943 bis 1945 bestätigt. Vorgelegt wurden auch Bestätigungen des Internationalen Suchdienstes des Roten Kreuzes, wonach der Kläger vom 07.06.1943 bis 04.03.1945 als Zivilarbeiter bei der AOK gemeldet war. Der damalige Name des Klägers lautete V ...

Für den Kläger wurde unter diesem bisherigen Namen bei einer Firma S. & Co. in Stuttgart eine Mitgliedschaft vom 27.12.1943 bis 01.05.1945 ermittelt.

Mit Bescheid vom 03.01.1994 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab mit der Begründung, dass die geltend gemachte Zeit zwar als Beitragszeit nachgewiesen sei, diese Zeit aber in die jugoslawische Versicherungslast übergegangen sei entsprechend dem deutsch-jugoslawischen Abkommen vom 10.03.1956. Danach sind alle Anwartschaften und Ansprüche aus der deutschen Sozialversicherung von jugoslawischen Staatsangehörigen, die am 01.01.1956 ihren ständigen Wohnsitz in Jugoslawien hatten, in die jugoslawische Versicherungslast übergegangen, soweit diese Anwartschaften und Ansprüche aufgrund der bis 01.01.1956 in der deutschen Sozialversicherung im Gebiet der Bundesrepublik oder im Land Berlin zurückgelegten Versicherungszeiten erwachsen sind. Die Beklagte fügte hinzu, dass das Abkommen weiterhin auch für Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Slowenien gelte.

Dem jugoslawischen Versicherungsträger wurden die geltend gemachten Beitragszeiten gemeldet und dieser gebeten, die Zeiten in die jugoslawische Versicherung zu übernehmen.

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.1994 zurückgewiesen erneut mit der Begründung, die Versicherungszeiten seien in die jugoslawische Versicherungslast übergegangen.

Klage (S 11 Ar 540/94) und Berufung (L 16 Ar 609/94) hatten keinen Erfolg (Urteil des SG Landshut vom 28.11.1994 und Urteil des erkennenden Senats vom 24.07.1996). Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde mit Beschluss vom 03.03.1997 vom Bundessozialgericht (BSG) als unzulässig verworfen und die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Am 27.06.2001 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Klägers vom 08.06.2001 ein, worin er seinen Antrag auf Altersrente erneut stellte und bat, das Verfahren wieder aufzunehmen, seine Angelegenheit erneut zu prüfen und einen gesetzlich korrekten Bescheid zu erlassen. Er betonte erneut, dass er als Zivilarbeiter und nicht als Kriegsgefangener oder Zwangsarbeiter in der Bundesrepublik gearbeitet habe, wie ein deutscher Arbeiter, und deshalb die später geschlossene Konvention auf ihn keine Anwendung finden dürfe.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 24.07.2001 wies die Beklagte den Antrag zurück und stellte fest, dass es bei der im Bescheid vom 03.01.1994 getroffenen Entscheidung zu verbleiben habe. Die Beitragszeit vom 27.12.1943 bis 01.05.1945 könne nach dem deutsch-jugoslawischen Abkommen vom 10.03.1956 nur als jugoslawische Zeit in der Rentenversicherung der Nachfolgestaaten entschädigt werden. Ob der jugoslawische Träger diese Zeiten inzwischen übernommen habe, entziehe sich der Kenntnis des deutschen Versicherungsträgers.

Seinen Widerspruch vom 08.08.2001 begründete der Kläger erneut damit, dass er als Zivilarbeiter nicht zu dem genannten Personenkreis gehöre.

Er legte eine Mitteilung der Bundesrepublik Jugoslawien, Ministerium für Innere Angelegenheiten, vom 15.05.1997 vor, worin ihm mitgeteilt wurde, dass nach dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien vom 10.03.1956 Verpflichtungen und bereits erworbene Ansprüche aus der Sozialversicherung von den Trägern der jugoslawischen Sozialversicherung übernommen worden seien. Auf dieser Grundlage habe ein Anspruch gegenüber den deutschen Behörden nicht verwirklicht werden können. Zwischenzeitlich sei es zu gewissen Veränderungen gekommen, so dass aufgrund des Gesetzes über das Außerkrafttreten des Gesetzes über die Festsetzung der im Ausland geltend gemachten Forderungen aus der Sozialversicherung die Möglichkeit einer Verwirklichung solcher Ansprüche bei den jugoslawischen Dienststellen weggefallen sei. Er wurde im weiteren Text des Schreibens auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hingewiesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2001 zurück, erneut mit der Begründung, dass ein Anspruch auf Abgeltung der in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeit durch die deutsche Rentenversicherung nicht bestehe. Gemäß Art.1 Abs.1 Buchstabe b des Vertrages vom 10.03.1956 seien die aus den 18 Monaten deutscher Beitragszeit erwachsenen Ansprüche in die jugoslawische Rentenversicherungslast übergegangen und vom jugoslawischen Rentenversicherungsträger abzugelten. Die Bundesrepublik habe hierzu entsprechende Zahlungen mit befreiender Wirkung an den jugoslawischen Staat geleistet (Art.1 Abs.2 und Art.3 Buchstabe a des Vertrages). Die Beklagte wies nochmals auf die Urteile des Sozialgerichts Landshut sowie des Bayer. Landessozialgerichts hin und machte darauf aufmerksam, dass im Verhältnis zwischen den beiden Staaten der Vertrag nach wie vor gültig sei. Eine abweichende staatsinterne Handhabung in Jugoslawien habe die gesetzliche deutsche Rentenversicherung nicht zu vertreten.

Mit Schreiben vom 25.12.2001, eingegangen bei der Beklagten am 09.01.2002 und beim Sozialgericht am 28.01.2002 erhob der Kläger Klage. Er ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid sei falsch und gesetzwidrig erteilt. In Jugoslawien seien seine Versicherungszeiten nicht anerkannt worden, weil sein Arbeitsstatus in Deutschland nicht Kriegsgefangener, Vertriebener oder Zwangsarbeiter gewesen sei. Das Abkommen zwischen Jugoslawien und Deutschland vom 10.03.1956 sei deshalb nicht anzuwenden.

Das Sozialgericht wies mit Gerichtsbescheid vom 12.08.2003 die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Regelaltersrente, da er keine in der deutschen Versicherung geltend zu machenden Beitragszeiten zurückgelegt habe. Die nachgewiesenen Beitragszeiten im früheren Reichsgebiet seien nach dem Vertrag vom 10.03.1956 in die jugoslawische Versicherungslast übergangen. Dies bedeute, dass er seinen Rentenanspruch nicht gegenüber der Beklagten, sondern gegenüber dem Versicherungsträger in Jugoslawien geltend machen könne. Da er keine deutschen Beitragszeiten zurückgelegt habe, sei auch die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt.

Mit Schreiben vom 25.09.2003, eingegangen beim Bayer. Landessozialgericht am 02.10.2003, legte der Kläger Berufung gegen den ihm am 08.09.2003 zugestellten Gerichtsbescheid ein. Er trug erneut vor, er sei als Freiwilliger zur Arbeit nach Deutschland gegangen und während der gesamten Dauer der Arbeit frei gewesen, habe privat gewohnt und sei auch wie ein deutscher Arbeiter bezahlt worden. 1956 sei ihm diese Zeit in Jugoslawien nicht anerkannt worden, da er nach Deutschland gegangen sei und der deutschen Wirtschaft gedient habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 12.08.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2001 aufzuheben und ihm Altersrente ab Antragstellung zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Berufungsschrift keine neuen Gesichtspunkte enthalte, die die angefochtene Entscheidung in Frage stelle.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut und des Bayer. Landessozialgericht Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.

Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung erneut die Klage abgewiesen. Es hat damit zu Recht die früher getroffenen Entscheidungen des Sozialgerichts Landshut und des erkennenden Senats (Urteil vom 24.07.1996) entsprechend der Bestätigung dieser Entscheidungen durch das BSG wiederholt.

Gegenüber den früheren Entscheidungen ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte, insbesondere kann in den vom deutschen Rentenversicherungsträger anzuwendenden Bestimmungen keine Änderung festgestellt werden. Das deutsch-jugoslawische Abkommen ist von den Vertragsparteien nicht gekündigt worden und gilt im Verhältnis zu Restjugoslawien weiter.

Deshalb gilt für den Fall des Klägers weiterhin folgendes: Er hat keinen Anspruch gemäß § 35 SGB VI auf Altersrente, da er zwar das 65. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch die Wartezeit für die Regelaltersrente nach § 50 Abs.1 Nr.1 SGB VI von fünf Jahren erfüllt hat. Der Kläger hat zwar vom 27.12.1943 bis 01.05.1945 im früheren Reichsgebiet versicherungs- und beitragspflichtig bei der Firma S. & Co. gearbeitet und insoweit eine Beitragszeit zurückgelegt (vgl. § 247 Abs.3 Satz 1 SGB VI). Diese Beitragszeit ist aber nach dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelungen gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 10.03.1956 (BGBl II 1958 S.170) in die jugoslawische Versicherungslast übergegangen. Dies ergibt sich aus Art.1 Abs.1 Buchstabe b i.V.m. Art.2 Buchstabe b des genannten Vertrages. Danach wurden Ansprüche aus Sozialversicherungen (Versicherungen für den Fall der Invalidität oder der Berufsunfähigkeit, des Alters oder des Todes; Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) von jugoslawischen Staatsangehörigen, die am 01.01.1956 ihren ständigen Wohnsitz im Gebiet der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien hatten, durch Zahlung eines Pauschbetrages durch die Bundesrepublik Deutschland abgegolten, soweit diese Ansprüche und Anwartschaften aufgrund der bis 01.01.1956 in der deutschen Sozialversicherung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder im Land Berlin zurückgelegten Versicherungszeiten erwachsen waren. Mit Zahlung des Pauschbetrages wurde der Träger der deutschen Sozialversicherung von jeglicher Inanspruchnahme wegen der abgegoltenen Ansprüche und Anwartschaften befreit.

Der Kläger hatte unstreitig am 01.01.1956 seinen ständigen Wohnsitz im Gebiet der damaligen Föderativen Volksrepublik Jugoslawien. Der Anwendung des genannten deutsch-jugoslawischen Vertrages steht der Einwand des Klägers nicht entgegen, dass er in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Zwangsarbeiter, sondern als freiwilliger Arbeiter mit den gleichen Rechten und Pflichten eines deutschen Arbeitnehmers beschäftigt gewesen sei. Denn nach dem ausdrücklichen Wortlaut der genannten vertraglichen Regelung gehören zu den bis 01.01.1956 zurückgelegten Versicherungszeiten nicht nur Ersatzzeiten, sondern gerade auch normale Beitragszeiten. Der genannte Vertrag gilt auch heute in Restjugoslawien fort. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der Kläger allein aus den geltend gemachten deutschen Beitragszeiten die Wartezeit ebenfalls nicht erfüllt hat, d.h., für eine Zusammenrechnung zwischen deutschen und jugoslawischen Versicherungszeiten benötigt er auf jeden Fall die Anwendung eines bilateralen Sozialversicherungsabkommens.

Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision bereits betont hat, ist die zwischenstaatliche Regelung des vom Kläger angefochtenen Abkommens auch unter verfassungsrechtlichen Bedingungen nicht zu beanstanden. Die Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen zwar dem Schutz des Art.14 Grundgesetz (Bundesverfassungsgericht in SozR 7610 § 1587 Nr.1), aber die Bundesrepublik Deutschland hat mit der in der vertraglichen Regelung vorgesehenen Verteilung der Versicherungslast und der damit verbundenen Übertragung der Beitragszeiten des Klägers von der deutschen in die jugoslawische Rentenversicherung diese Anwartschaft nicht enteignet, sondern nur in ein anderes System der sozialen Sicherung überführt (vgl. hierzu BSG in SozR 6685 Art.24 Nr.1).

Es muss deshalb bei der früheren Entscheidung über die Ablehnung des Anspruchs des Klägers verbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen erneut nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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