S 50 KN 126/15 KR

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
50
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 50 KN 126/15 KR
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung sowie die weitere Übernahme von Kosten für eine Immuntherapie.

Der am 26.03.19xx geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert.

Mit Schreiben vom 27.02.2014, bei der Beklagten eingegangen am 28.02.2014, beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für eine Immuntherapie bei Dr. M. S. in B. R ... Seit Ende 1999 leide er an myelodysplastischem Syndrom, das Anfang 2000 diagnostiziert worden sei. Es seien mehrere Therapien in unterschiedlichen Kliniken erfolgt. Ein dauerhafter Erfolg habe sich jedoch nicht eingestellt. Er leide neben häufiger körperlicher Schwäche und depressiver Phasen vor allem unter immer wiederkehrender Sinusitis. Im Jahre 2013 sei eine "Hochrisikosituation" festgestellt worden, deren Konsequenz eine allogene Stammzellentransplatation sei, die jedoch mit hohen Risiken verbunden sei. Seitens der Universitätsklinik in E. sei vorgeschlagen worden, erneut eine Immunsuppressivtherapie durchzuführen. Diese habe er jedoch als extrem belastend und schwächend in Erinnerung und ein Erfolg der Therapie sei kaum nachzuweisen gewesen. Daher habe er nach Alternativen gesucht und diese in einer Therapie, basierend auf der Verwendung von Amygdalin als biologisch-natürliches Chemotherapeutikum und einer Immuntherapie mit zahlreichen Substanzen, durchgeführt von Dr. S., gefunden. Der Kostenrahmen bewege sich bei voraussichtlich 10.000 EUR bis 12.000 EUR. Er werde für die Dauer von 4 bis 6 Wochen (je nach Therapieverlauf) eine Ferienwohnung mieten und mit dem Auto anreisen. Diesem Antrag fügte der Kläger einen Kostenvoranschlag des Herrn Dr. S. vom 24.02.2014 sowie mehrere ärztliche Berichte und Befunde bei. Laut dem Kostenvoranschlag des Herrn Dr. S. vom 24.02.2014 für einen Zyklus einer Immuntherapie besteht dieser aus zwölf Behandlungen nach einem bestimmten Schema, welche je nach Blutanalyse individuell zusammengestellt werden. Im Übrigen werden die einzelnen Behandlungen sowie die anfallenden Sachkosten angegeben.

Die Beklagte beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Prüfung dieses Antrags.

In ihrem Gutachten vom 12.03.2014 kamen die Ärzte des MDK Nordrhein, Kompetenz Centrum Onkologie zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahme der beantragten Therapie nicht empfohlen werden könne, da keine der genannten Stoffe und Methoden nachweislich mit einem Nutzen belegt seien. Verwiesen werde auf eine Therapie mit Azacytidin, AML-Induktionschemotherapie, gefolgt von allogener Stammzelltransplantation als Konsolidierung. Die Durchführung von alternativen Heilmethoden in der vorliegenden Situation sei vital bedrohlich und daher schädlich.

Mit Bescheid vom 17.03.2014 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Immuntherapie unter Verweis auf das Gutachten des MDK ab.

Mit Schreiben vom 13.05.2014, bei der Beklagten eingegangen am 19.05.2014, beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für die Folgetherapie bei Dr. S ... Diese müsse fortgeführt werden, damit ein dauerhafter Erfolg, der sich auf das Knochenmark auswirke, möglich sei. Dr. S. habe ihm hierfür einen Therapieplan zusammengestellt. Auf ein Jahr hochgerechnet würden sich die Kosten auf ca. 16.100 EUR belaufen.

Mit Bescheid vom 24.06.2014 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Fortsetzung der Immuntherapie unter Verweis auf die Begründung in ihrem Bescheid vom 17.03.2014 ab.

Mit Schreiben vom 02.07.2014 legte die Prozessbevollmächtigte des Klägers Widerspruch gegen die Bescheide vom 27.02.2014 (gemeint sein dürfte der Bescheid vom 17.03.2014) und vom 24.06.2014 ein.

Mit Schreiben vom 20.08.2014 begründete sie den Widerspruch dahingehend, dass es sich bei der streitgegenständlichen Immuntherapie zwar um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch keine positive Empfehlung ausgesprochen habe. Es liege jedoch eine Ausnahmesituation im Sinne des "Nikolausbeschlusses" des Bundesverfassungsgerichts vor. Der Kläger leide an einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Zudem biete die Immuntherapie eine hinreichende Erfolgssausicht, zumindest aber eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bzw. auf eine spürbare positive Entwicklung auf den Krankheitsverlauf. Es bestehen auch keine anderen Behandlungsmethoden. Schulmedizinische Maßnahmen bieten keine hinreichende Aussicht auf Besserung der Erkrankung und seien mit hohen Risiken verbunden. Aus den gleichen Gründen habe der Kläger auch einen Anspruch darauf, dass der Folgeantrag genehmigt wird. Im Übrigen gelte der Folgeantrag auch aufgrund von § 13 Abs. 3a SGB V als genehmigt, da die Beklagte den Antrag erst 6 Wochen später abgelehnt habe.

Nachdem der Kläger sodann weitere medizinische Berichte eingereicht hatte, holte die Beklagte eine Stellungnahme des Zentralen Beratungsdienstes – Sozialmedizin – ein. Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 20.11.2014 zu dem Ergebnis, dass kein Anlass bestehe, vom bisher vertretenen Standpunkt abzuweichen. Aussagekräftige hämatologisch-onkologische Befundberichte über seit Februar/März 2014 erfolgte Kontrolluntersuchungen mit Nennung der Untersuchungsdaten, jeweils erhobenem klinischen Befund, Befundergebnissen der Blutuntersuchungen sowie ggf. ergänzender weitergehender Untersuchungen seien im Widerspruchsverfahren nicht vorgelegt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Verweis auf die Ausführungen des MDK Nordrhein in seinem Gutachten vom 12.03.2014 sowie die Ausführungen des Zentralen Beratungsdienstes – Sozialmedizin – in seiner Stellungnahme vom 20.11.2014 zurück.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Erstattung der für die bei Herrn Dr. S. durchgeführten Immuntherapie angefallenen Kosten sowie die Übernahme der zukünftig für diese Therapie anfallenden Kosten.

Ergänzend trägt er vor, dass er in der Zeit vom 31.03.2014 bis zum 30.04.2014 die Immuntherapie durchgeführt habe. Die Folgetherapie habe mit Verlassen der Arztpraxis am 30.04.2014 begonnen. Der Beginn der Folgetherapie könne aber auch auf den 04.05.2014 datiert werden, als er seinen Wohnort in E. erreicht habe. Die Immuntherapie und ihre Anpassungen hätten bei dem Kläger nicht nur zum Stillstand der Krankheit, sondern sogar zu Verbesserungen des Allgemeinzustandes und des Leistungsvermögens geführt. Der ärztliche Verlaufsbericht des behandelnden Arztes Dr. F. vom 26.09.2014 enthalte aussagekräftige Befunde, die den Nutzen der durchgeführten Immuntherapie belegen. Im Übrigen verweist der Kläger auf eine Vielzahl von Publikationen. Des Weiteren hat der Kläger die einzelnen Kosten aufgelistet und für diese Rechnungen vorgelegt. Dabei ist auf einer Rechnung der Fa. Biopharm of Florida NL, B. V. aus A. vom 05.05.2014 handschriftlich "S. Folgetherapie" vermerkt. Zudem hat er auch eine Buchungsbestätigung vom 28.02.2014 für eine Ferienwohnung/Ferienhaus in B. R. für die Zeit vom 30.03.2014 bis zum 03.05.2014 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 17.03.2014 und 24.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2015 zu verurteilen, die Kosten des Klägers für die Immuntherapie bei Herrn Dr. med. S. in Höhe von 20.935,72 EUR (für die Zeit von Januar bis August 2014) und 12.963,11 EUR (für die Zeit von September 2014 bis Juni 2015) zu erstatten und die noch zukünftig für diese Therapie anfallenden Kosten zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend vertritt sie die Auffassung, dass eine Genehmigungsfiktion des Antrags des Klägers vom 19.05.2014 auf Übernahme der Kosten für die Folgetherapie nicht eingetreten sei, jedenfalls die Kosten hierfür nicht zu erstatten seien. Ebenso wie für § 13 Abs. 3 SGB V bedürfe es auch für die Regelung des § 13 Abs. 3 a Satz 7 SGB V eines einzuhaltenden Beschaffungswegs bzw. einer Kausalität. Satz 7 des Abs. 3 a regele, dass sich der Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen soll. Insofern werde auf das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22.11.2018, Az.: L 5 KR 122/18 verwiesen, das ebenfalls von einem Erfordernis der Kausalität im Rahmen der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a Satz 7 SGB V ausgehe. Hier habe sich der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung festgelegt, die Folgetherapie durchzuführen, so dass die Kausalität nicht vorliege. Im Übrigen dürfte es auch an der subjektiven Erforderlichkeit mangeln, da für den Kläger ersichtlich gewesen sei, dass die streitige Immuntherapie grundsätzlich nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet wird.

Das Gericht hat zunächst Befundberichte von den den Kläger behandelnden Ärzten eingeholt.

Dr. F., Facharzt für Innere Medizin, Hämatoonkologe hat in seinem Befundbericht vom 19.10.2015 u. a. berichtet, dass sich der Kläger seit Mai 2013 in seiner Behandlung befinde. Im Oktober 2013 sei bei dem Kläger eine chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML) diagnostiziert worden. Als zugelassene Behandlung existieren das Präparat Azacytidin (Vidaza) und eine AML-Induktionschemotherapie gefolgt von einer allogenen Stammzelltransplantation. Laut Prof. D. von der Universitätsklinik in E. sei alternativ auch eine immunsuppressive Behandlung mit dem ATG-Präparat (Antithymozytenglobulin) mit evtl. zusätzlicher Gabe von Cyclosporin möglich. Bislang zeige sich ein stabiler Verlauf der Erkrankung und der Blutwerte nach der Immuntherapie. Es bestehe ein hohes Risiko, dass es einen Übergang der CMML-Erkrankung in eine akute Leukämie gibt, die eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung darstelle.

Herr B., Facharzt für Allgemeinmedizin hat in seinem Befundbericht vom 19.01.2016 berichtet, dass sich der Kläger seit Februar 1986 in seiner Behandlung befinde. Er habe die Diagnose myelodysplastisches Syndrom vom Typ der refraktären Anämie gestellt. Gleichzeitig hat er aber auch bejaht, dass der Kläger an CMML leide. Nach der Immuntherapie sei keine wesentliche subjektive oder befundmäßige Verbesserung des Verlaufs zu beobachten gewesen. Eine Aussicht auf kausale Heilung besteht bei der Immuntherapie nicht. Der bisherige fast 30jährige Verlauf sei auf die Behandlung nach medizinischem Standard und die Therapieerweiterung durch die Iscador/Helixor Behandlung zurückzuführen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass eine weitere Linderung und eventuell ein längerer milderer Verlauf durch eine Immuntherapie zu erreichen sei.

Prof. D./Dr. N. von der Universitätsklinik in E., Klinik für Hämatologie haben in ihrem Befundbericht vom 28.01.2016 berichtet, dass sich der Kläger im November 2013 letztmalig vorgestellt habe. Zu dem Zeitpunkt sei ein myelodyplastisches Syndrom vom Typ RAEB II nach WHO diagnostiziert worden. Damals habe eine CMML nicht bestätigt werden können.

Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, der mittlerweile verstorben ist, hat in seinem Befundbericht vom 06.04.2016 berichtet, dass sich der Kläger seit dem 14.01.2014 in seiner Behandlung befinde. Er habe ein myelodysplastisches Syndrom im Sinne einer CMML diagnostiziert. Als zugelassene Behandlungsmethode bestehe die Behandlung mit Vidaza (Azacytidin) sowie eine Knochenmarkstransplantation, bei der jedoch die durchschnittliche Letalität bei etwa 50% liege. Ansonsten gebe es nur symptomatische Therapiemöglichkeiten, wie Ersatz von roten Blutkörperchen oder Blutplättchen und Stärkung des Immunsystems. Alternativ komme der Einsatz von hochdosierten Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralien, Spurenelemente) zur Stärkung des Immunsystems, die Entgiftung mit Mikronährstoffen und Homöopathica sowie der Einsatz von Amygdalin und GcMAF zur direkten Tumorzellzerstörung in Betracht. Es sei ein sog. "Steady State" erreicht worden. Hierbei gelinge es, das Tumorgeschehen "einzufrieren". Erkennbar sei dies an einer Verbesserung des Allgemeinbefindens des Klägers sowie laborchemisch sogar an einem leichten Rückgang der Krebsparameter. Es gebe keine wissenschaftlichen Erkenntnisse bei der Behandlung dieser äußerst seltenen Erkrankung mit der Immuntherapie. Hierbei müsse er sich auf seine eigene langjährige gute Erfahrung stützen. Nach Beendigung der hochdosierten Infusionsbehandlung sei es zu keiner Progression des MDS/der CMML gekommen, bei der es sich um eine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung handele. Es bestehe auch eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Stillstand der Erkrankung, was beim Kläger erreicht worden sei.

Daraufhin hat das Gericht ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

Der Sachverständige Prof. Dr. G. von der Universitätsklinik in D.Klinik für Hämatologie, Onkologie und klinische Immunologie ist in seinem Gutachten vom 22.02.2017 sowie den ergänzenden Stellungnahmen vom 23.05.2017 und vom 15.08.2017 zu dem folgenden Ergebnis gekommen: Im Jahre 2000 habe bei dem Kläger ein myelodysplatisches Syndrom nach alter FAB-Klassifikiation vom Typ RA, nach der 1999 publizierten WHO-Klassifikation Typ refraktäre Zytopenie mit multilineären Dysplasien vorgelegen. Im Mai 2000 sei eine ATG-Therapie durchgeführt worden. Im weiteren Verlauf – wie nicht selten nach einer ATG-Therapie – sei eine langsame Verbesserung des peripheren Blutes und im Jahre 2009 eine fast vollständige Erholung der Thrombozytenzahlen, eine Normalisierung des roten Farbstoffs und der Granulozytenzahl erfolgt. Es sei aber plausibel, dass der Kläger diese Therapie, trotz hervorragenden Therapieerfolges, als belastend empfunden hat.

Seit 2009 sei es zu einem erneuten Abfall der Thrombozyten und Granulozyten gekommen. Im November 2013 habe die Knochenmarkdiagnostik widersprüchliche Konstellationen ergeben. Das MLL in M. habe die zytologische Diagnose eines fortgeschrittenen myelodysplastischen Syndroms vom Subtyp RAEB 2 gestellt. Das Institut für Hämato-Pathologie in H. habe die Verdachtsdiagnose CMML gestellt.

Nach seiner Auffassung habe die Universitätsklinik in E. zu Recht die Diagnose CMML verworfen. Trotzdem ziehe sich diese Diagnose überraschender- und fälschlicherweise durch die Krankenunterlagen. Bei dem Kläger liege keine Krebserkrankung vor. Formal habe 2013 ein myelodysplastisches Syndrom vom Subtyp RAEB 1 (und nicht 2) vorgelegen. Eine Hochrisikosituation liege nicht vor. Es bestehe eine beste Prognose für MDS-Patienten. Bei der Knochenmarkerkrankung handele es sich potenziell um eine lebensbedrohliche Erkrankung, die tödlich enden könne. Zugelassene medikamentöse und sonstige Behandlungsmöglichkeiten standen und stünden zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung. Als alternative Behandlungsmöglichkeiten kommen der Einsatz von Erythropoetin, Transfusionstherapien, die Teilnahme an klinischen Studien und ggf. eine ATG-Therapie in Betracht.

Der günstige Krankheitsverlauf zwischen 2000 und 2013 sei vermutlich auf die ATG-Therapie zurückzuführen. Zwar lasse sich in der Tat nicht nachweisen, ob Iskador oder Antithymozytenglobuline eine Wirkung gezeigt haben. Da sich die Thrombozytenzahl bis zur ersten Therapie mit Isakdor verbessert habe, sei es aber wahrscheinlich, dass dies durch die ATG-Therapie erfolgt sei. Eine Wirkung von Iskador sei nicht auszuschließen.

Bei den 43 Substanzen, die Dr. S. verabreicht habe, handele es sich zum Teil um handelsübliche Medikamente, die nicht spezifisch mit Knochenmarkerkrankungen zu tun haben. Eine Vielzahl von Präparaten sei bei einem Mangel durchaus sinnvoll. Im Falle des Klägers sei aber zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen, dass ein Mangel an diesen Stoffen vorlag. Also sei der Einsatz dieser Medikamente nicht notwendig und sinnvoll. Verabreicht worden seien auch verschiedene, Aminosäuren enthaltende Substanzen. Bei dem Kläger gebe es keinen Anhalt dafür, dass ihm diese Aminosäuren fehlten, da sich der Kläger völlig adäquat ernährt habe und keine klinischen Zeichen einer Mangelernährung oder Kachexie vorgelegen haben. Im Hinblick auf eine Reihe weiterer Substanzen würden zur Wirksamkeit dieser keine wissenschaftlichen Untersuchungen oder Auswertungen klinischer Studien vorliegen. Klinische Studien für MDS Patienten in Bezug auf Wirkung und vor allem Nebenwirkungen seien jedenfalls nicht durchgeführt worden. Daher könne der bedenkenlose Einsatz dieser Substanzen nicht gutgeheißen werden. Nicht sinnvoll sei der Einsatz von Zink, da übermäßige Zinkaufnahme zu einem Besetzen von Eisenrezeptoren in der Hämatopoese führe, so dass es zu einem funktionellen Eisenmangel kommen könne und durch übermäßige Zinkeinnahme eine Anämie ausgelöst oder verstärkt werden könne. Die Gabe von Eisen sei bei fast allen MDS Patienten schädlich. Bei dem Kläger sei die Gabe von Eisen legitim gewesen, da kein Übermaß von Eisen zu verzeichnen gewesen sei. Sonstige Präparate seien eher nicht schädlich, wenn in homöopathischer Dosis.

Legitim im Sinne eines individuellen Heilversuches erscheine auch ohne Nachweis eines Mangelzustandes die Gabe von Vitamin B1, B2, B6 und B12, da in der Vergangenheit einzelne Patienten beschrieben worden seien, deren Blutwerte sich hierunter verbessert haben. Legitim, wenngleich nicht zugelassen, sei die Gabe von Vitamin D3-Präparaten, da klinische Studien hier erstmals Hinweise zeigen, dass möglicherweise Vitamin D3 eine Verbesserung der Hämatopoese herbeiführen könne.

Es gebe keine wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Behandlung von MDS mit Immuntherapie. Es bestehe keine Aussicht auf Heilung durch Immuntherapie. Es bestehe keine Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Verlauf der Erkrankung durch die Immuntherapie. Möglicherweise habe diese Therapie zu einer Verbesserung des Allgemeinbefindens beigetragen. Dass sie den Krankheitsverlauf jedoch substantiell beeinflusst haben könnte, sei nicht plausibel. Soweit der Kläger vortrage, dass mit der Therapie durch Herrn Dr. S. eine Veränderung des Zellverlaufs eingetreten sei und es daher unwahrscheinlich sei, dass hier kein kausaler Zusammenhang bestehen solle, so sei natürlich zu keinem Zeitpunkt hieb- und stichfest beweisbar, unter welchen Umständen sich Zellwerte verändern. Es müsse jedoch klar festgehalten werden, dass eine Therapie, die multipel getestet in international kontrollierten Studien zu dem Ergebnis komme, dass bei 30% bis 40% der Patienten eine Verbesserung bzw. Normalisierung der Zellwerte erreicht werden könne, logischerweise eine sehr viel höhere Wahrscheinlichkeit hat, eine Wirkung zu entfalten als eine Jahre später bei dem gleichen Patienten durchgeführte Therapie, die aus multiplen nicht getesteten Substanzen bestehe, die zu keinem Zeitpunkt im Rahmen einer kontrollierten Studie oder zumindest in Fallberichten für das gleiche Krankheitsbild publiziert worden seien. Die vom Kläger genannten Publikationen beziehen sich nicht auf Zellkulturen von hämatologischen Neoplasien oder auf Zellkulturen mit Zellen, die aus MDS gewonnen wurden. Von einer in vitro-Wirkung könne nicht auf eine in-vivo-Wirkung geschlossen werden. Möglicherweise habe die massenhafte Gabe von Medikamenten der alternativen Heilmethoden die Bildverläufe beeinflusst.

Die von Dr. S. durchgeführte Therapie beruhe auf der irrigen Annahme, hier läge ein Tumorleiden vor, das sich günstig beeinflussen lassen könne. Dr. S. habe, ohne auch nur die geringsten Hinweise auf einen günstigen Effekt auf die Zellzahlen vorlegen zu können, die Therapie durchgeführt mit dem Ziel, allgemeine günstige Effekte zu erzielen und nicht mit dem Ziel, die Zellzahlen zu verbessern. Dann aber ziehe er die temporären Veränderungen der Zellzahlen als Beweis für die Wirksamkeit der Therapie heran. Das Argument, die Therapie sei kontinuierlich weiter entwickelt worden und es seien beeindruckende Erfolge erzielt worden, sei nicht stichhaltig.

Der Kläger hat abschließend dahingehend Stellung genommen, dass es nach seiner Auffassung keine Rolle mehr spiele, dass er zum Zeitpunkt der Entscheidung der Therapie eine unrichtige Diagnose gehabt habe, dass sich die Beklagte für eine Transplantation und vorher für die Behandlung mit Azacitidin ausgesprochen habe und dass von einer lebensbedrohlichen Lage habe ausgegangen werden müssen, dem Kläger aber die vorgeschlagenen Therapien zu risikoreich erschienen seien. Erst durch die Tatsache, dass die Schulmediziner nicht in der Lage gewesen seien, die richtige Diagnose zu stellen und dafür die richtige Therapie vorzuschlagen, sei der Kläger in die Lage gekommen, nach ungefährlicheren und dennoch nützlichen Alternativangeboten zu suchen, die ausreichende Aussicht auf Verbesserung der Lage boten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nur teilweise zulässig und im Übrigen unbegründet.

Soweit der Kläger die Erstattung der Kosten für die durchgeführte Immuntherapie in Höhe von insgesamt 33.898,83 EUR begehrt, ist die Klage zwar zulässig, jedoch unbegründet.

Der Kläger ist nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -, da die von der Beklagten erlassenen Bescheide vom 17.03.2014 und vom 24.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2015 nicht rechtswidrig sind.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die mit Schreiben vom 27.02.2014 beantragte Immuntherapie als Ersttherapie.

Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich nicht aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V -. Diese Rechtsnorm bestimmt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Unaufschiebbarkeit verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder zB wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist (BSG, Urteil vom 08.09.2015 – B 1 KR 14/14 R –, juris Rn. 15 mwN). Unaufschiebbar kann danach auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. Es betrifft auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, aaO, Rn. 15 mwN).

Vorliegend ist fraglich, ob hier eine solche unaufschiebbare Eilsituation vorgelegen hat. Die Ärzte der Universitätsklinik in E. haben im November 2013 zwar von einer "Hochrisikosituation" gesprochen. Der Kläger hat aber, nachdem er bei Herrn Dr. S. am 14.01.2014 vorstellig gewesen ist, erst am 31.03.2014, also erst anderthalb Monate später, mit der Immuntherapie angefangen. Anhaltspunkte dafür, dass die Behandlung zum Zeitpunkt ihres Beginns aus medizinischen Gründen so eilig gewesen ist, dass eine Entscheidung der Beklagten nicht mehr abgewartet werden konnte, sind nicht ersichtlich.

Letztlich kann dies aber auch dahin stehen, weil der Kostenerstattungsanspruch mangels eines Sachleistungsanspruchs des Klägers ausscheidet. Der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 und 2 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (BSG, Urteil vom 08.09.2015, aaO, Rn. 17).

Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfasst die Krankenbehandlung unter anderem die ärztliche Behandlung (Nr. 1). Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt aber den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 iVm § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (BSG, Urteil vom 03.07.2012 - B 1 KR 6/11 R; Urteil vom 05.05.2009 - B 1 KR 15/08 R, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). "Neu" ist dabei eine Behandlungsmethode grundsätzlich dann, wenn sie bislang nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (BSG, Urteil vom 08.07.2015 – B 3 KR 5/14 R – juris Rn. 32).

Bei der streitgegenständlichen Immuntherapie handelt es sich um eine solche Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, da sie nicht im EBM-Ä enthalten ist und mangels positiver Empfehlung des GBA auch nicht zum Leistungsgegenstand der GKV gehört.

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Immuntherapie ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 geben die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 GG einen Anspruch auf Krankenversorgung in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, wenn für sie eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Der Gesetzgeber hat diese grundrechtsorientierte Auslegung in § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V auch auf wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungen erstreckt.

Eine Erkrankung ist lebensbedrohlich, wenn sie in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen (BSG, Urteil vom 20.03.2018 – B 1 KR 4/17 R –, juris Rn. 21 unter Verweis auf BVerfGE 140, 229 = SozR 4-2500 § 92 Nr.18, Rn. 18). Es genügt hierfür nicht, dass die Erkrankung unbehandelt zum Tode führt. Dies trifft auf nahezu jede schwere Erkrankung ohne therapeutische Einwirkung zu. Die Erkrankung muss trotz des Behandlungsangebots mit vom Leistungskatalog der GKV regulär umfassten Mitteln lebensbedrohlich sein. Kann einer Lebensgefahr mit diesen Mitteln hinreichend sicher begegnet werden, besteht kein Anspruch aus grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts (BSG, Urteil vom 20.03.2018, aaO unter Verweis auf BVerfG (Kammer) Beschluss vom 11.04.2017 - 1 BvR 452/17 - NJW 2017, 2096 = NZS 2017, 582, Rn. 26). Die notstandsähnliche Situation muss sich nach den konkreten Umständen des einzelnen Falles ergeben. Ein nur allgemeines mit einer Erkrankung verbundenes Risiko eines lebensgefährlichen Verlaufs genügt hierfür nicht. Die notstandsähnliche Situation muss im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegen, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG, Urteil vom 20.03.2018, aaO mwN). Danach muss es sich um eine durch eine nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage handeln (BSG, Urteil vom 20.03.2018, aaO unter Verweis auf BVerfG (Kammer) BVerfGK 14, 46, 48 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 17 Rn.10, Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde, nachgehend zu BSG Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 17/06 R - Juris = USK 2007-25 - Polyglobin; BVerfG (Kammer) Beschluss vom 26.03.2014 - 1 BvR 2415/13 - Juris = NJW 2014, 2176, Rn.14; BVerfGE 140, 229 = SozR 4-2500 § 92 Nr. 18, Rn.18; BVerfG (Kammer) Beschluss vom 11.04.2017 - 1 BvR 452/17 - NJW 2017, 2096 = NZS 2017, 582, Rn.22). Erforderlich ist die Gefahr, dass die betroffene Krankheit in überschaubarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben beenden kann, sodass die Versicherten nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen (BSG, Urteil vom 20.03.2018, aaO unter Verweis auf BVerfG (Kammer) Beschluss vom 11.04.2017 - 1 BvR 452/17 - NJW 2017, 2096 = NZS 2017, 582, Rn.25).

Für die Anwendung von § 2 Abs. 1a SGB V auf Sachverhalte ab 01.01.2012 gilt insoweit nichts anderes. § 2 Abs. 1a SGB V enthält nach der Begründung des GKV-VStG-Entwurfs eine Klarstellung zum Geltungsumfang des sog Nikolaus-Beschlusses des BVerfG vom 06.12.2005 (BSG, Urteil vom 20.03.2018, aaO, Rn. 22).

Hier ist indes fraglich, ob eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung im Sinne dieser Regelung vorgelegen hat. Die Ärzte, die bei dem Kläger fälschlicherweise von einer chronischen myelomonozytären Leukämie (CMML) ausgegangen sind, haben zwar angegeben, dass es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass eine konkrete Lebensgefahr in absehbarer Zeit gedroht habe. Letztlich ist der gerichtlich beauftragte Sachverständige Prof. Dr. G. zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger keine CMML vorgelegen habe – wie bereits von den Ärzten der Universitätsklinik in E. im November 2013 nicht bestätigt werden konnte -, sondern ein myelodysplastisches Syndrom vom Subtyp RAEB 1 (MDS). Zwar hat auch der Sachverständige bestätigt, dass es sich bei der Knochenmarkerkrankung um eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung handele, die tödlich enden könne. Aber eine konkrete, akute Lebensgefahr des Klägers ist auch von ihm nicht angeführt worden. Vielmehr hat der Sachverständige angegeben, dass für MDS-Patienten eine "beste Prognose" bestehe. Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben.

Offenbleiben kann auch, ob für die Erkrankung des Klägers eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung gestanden hat.

Denn es steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass mit der Anwendung der streitgegenständlichen Immuntherapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf des Klägers bestanden hat.

Unter Zugrundelegung der Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 06.12.20015 (1 BvR 347/98, juris Rn. 64) muss die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf versprechen. Das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. auch gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, genügt für sich allein genommen regelmäßig nicht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.2017 – L 5 KR 1653/15 –, juris Rn. 47 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, juris Rn. 32 f.). Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, muss die GKV auch nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs (bzw. des § 2 Abs. 1a SGB V) nicht gewähren (BSG, Urteil vom 07.05.2013, - B 1 KR 26/12 R -, in juris Rn. 21). Außerdem dürfen den Versicherten nicht die im Krankenversicherungsrecht vorgesehenen Schutzmechanismen entzogen werden. Das Vorliegen indiziengestützter Erfolgsaussichten der in Rede stehenden Behandlungsmethode ist daher nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu beurteilen (BSG, Urteil vom 07.05.2013, aaO).

Die Anforderungen an das Merkmal der indiziengestützten nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf dürfen im Einzelfall aber nicht überspannt werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.2017, aaO, Rn. 48). Im Unterschied zur Anwendung von Arzneimitteln im Off-Label-Use (BSG, Urteil vom 03.07.2012, - B 1 KR 25/11 R -; Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 19/10 R -, beide in juris) genügen nämlich schon (Wirksamkeits-)Indizien. Solche Indizien können sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.2017 –, aaO). Das BVerfG (Beschluss vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 - in juris) hat als "Hinweise" auf einen individuellen Wirkungszusammenhang etwa einen Vergleich des Gesundheitszustands des Versicherten mit dem Zustand anderer, in gleicher Weise erkrankter, aber nicht mit der in Frage stehenden Methode behandelter Personen sowie auch mit dem solcher Personen, die bereits auf diese Weise behandelt wurden oder behandelt werden, angeführt, wobei derartige Erfahrungen insbesondere bei einer länger andauernden Behandlung Folgerungen für die Wirksamkeit der Behandlung erlauben können. Auch der fachlichen Einschätzung der Wirksamkeit der Methode im konkreten Einzelfall durch die Ärzte des Erkrankten, die die Symptome seiner Krankheit behandeln, kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG Bedeutung zu und es können sich "Hinweise" auf die Eignung der im Streit befindlichen Behandlung auch aus der wissenschaftlichen Diskussion ergeben (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, aaO Rn. 66; auch BVerfG, Beschluss vom 10.11.2015, - 1 BvR 2056/12 -, juris Rn. 14). Davon ausgehend hat das Bundessozialgericht etwa Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten und Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen (Urteil vom 04.02.2006, - B 1 KR 7/05 R -, juris) oder Verlaufsbeobachtungen an Hand von 126 operierten Menschen, unterstützt durch Parallelbeobachtungen im Rahmen von Tierversuchen und untermauert durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle (Urteil vom 02.09.2014, - B 1 KR 4/13 R -, juris) für geeignete Indizien erachtet, um das Bestehen von mehr als bloß ganz entfernt (fern) liegenden Aussichten auf eine spürbar(e) positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch eine Therapie nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu begründen.

Das BVerfG hat die Fälle der (nicht ganz fern liegenden) Aussicht auf Heilung und der (nicht ganz fern liegenden) Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf mit der Wendung "oder" alternativ nebeneinander gestellt und mit der Wendung "wenigstens" (zusätzlich) zum Ausdruck gebracht, dass es bei der zweiten Alternative "spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf" nicht wie bei der ersten Alternative um "Heilung" gehen muss (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, aaO, Rn. 64). Mit "Heilung" im Sinne des genannten Beschlusses des BVerfG ist vielmehr (auch) die spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, etwa durch Verlängerung der möglichst beschwerdefreien oder beschwerdearmen (Über-)Lebenszeit des (Tod-)Kranken, namentlich durch das vorübergehende Aufhalten oder Verlangsamen des Fortschreitens der nicht mehr heilbaren und deshalb kurativ nicht behandelbaren Erkrankung gemeint; das gilt insbesondere für nicht mehr heilbare Tumorerkrankungen, bei denen das Tumorwachstum zur Verlängerung der Lebenszeit des Erkrankten vorübergehend aufgehalten oder verlangsamt werden soll. In der Lebenszeitverlängerung als solcher liegt dann die positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf, die freilich außerdem auch spürbar sein muss (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.2017, aaO, Rn. 49). Unter Zugrundelegung der Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. G. sowie der Berichte der den Kläger behandelnden Ärzte liegen demnach keine ausreichenden Indizien auf Heilung oder auf eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf des Klägers durch die Immuntherapie im vorstehend beschriebenen Sinne vor.

Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den 43 Substanzen, die Dr. S. verabreicht hat, zum Teil um handelsübliche Medikamente handele, die nicht spezifisch mit Knochenmarkerkrankungen zu tun haben. Eine Vielzahl von Präparaten sei bei einem Mangel durchaus sinnvoll. Im Falle des Klägers sei aber zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen, dass ein Mangel an diesen Stoffen vorgelegen hat. Also sei der Einsatz dieser Medikamente nicht notwendig und sinnvoll. Verabreicht worden seien auch verschiedene, Aminosäuren enthaltende Substanzen. Bei dem Kläger gebe es keinen Anhalt dafür, dass ihm diese Aminosäuren fehlten, da sich der Kläger völlig adäquat ernährt habe und keine klinischen Zeichen einer Mangelernährung oder Kachexie vorgelegen haben. Nicht sinnvoll sei der Einsatz von Zink, da übermäßige Zinkaufnahme zu einem Besetzen von Eisenrezeptoren in der Hämatopoese führe, so dass es zu einem funktionellen Eisenmangel kommen könne und durch übermäßige Zinkeinnahme eine Anämie ausgelöst oder verstärkt werden könne. Die Gabe von Eisen sei bei fast allen MDS-Patienten schädlich, auch wenn die Gabe von Eisen beim Kläger legitim gewesen sei, da kein Übermaß von Eisen zu verzeichnen gewesen sei. Im Hinblick auf eine Reihe weiterer Substanzen würden zur Wirksamkeit dieser keine wissenschaftlichen Untersuchungen oder Auswertungen klinischer Studien vorliegen. Klinische Studien für MDS Patienten in Bezug auf Wirkung und vor allem Nebenwirkungen seien jedenfalls nicht durchgeführt worden. Daher könne der bedenkenlose Einsatz dieser Substanzen nicht gutgeheißen werden. Sonstige Präparate seien eher nicht schädlich, wenn in homöopathischer Dosis.

Es gebe keine wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Behandlung von MDS mit Immuntherapie und es bestehe keine Aussicht auf Heilung durch Immuntherapie. Es bestehe auch keine Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Verlauf der Erkrankung durch die Immuntherapie. Möglicherweise habe diese Therapie zu einer Verbesserung des Allgemeinbefindens beigetragen. Dass sie den Krankheitsverlauf jedoch substantiell beeinflusst haben könnte, sei nicht plausibel.

Soweit der Kläger vortrage, dass mit der Therapie durch Herrn Dr. S. eine Veränderung des Zellverlaufs eingetreten sei und es daher unwahrscheinlich sei, dass hier kein kausaler Zusammenhang bestehen solle, so sei natürlich zu keinem Zeitpunkt hieb- und stichfest beweisbar, unter welchen Umständen sich Zellwerte verändern. Es müsse jedoch klar festgehalten werden, dass eine Therapie, die multipel getestet in international kontrollierten Studien zu dem Ergebnis komme, dass bei 30% bis 40% der Patienten eine Verbesserung bzw. Normalisierung der Zellwerte erreicht werden könne, logischerweise eine sehr viel höhere Wahrscheinlichkeit hat, eine Wirkung zu entfalten als eine Jahre später bei dem gleichen Patienten durchgeführte Therapie, die aus multiplen nicht getesteten Substanzen bestehe, die zu keinem Zeitpunkt im Rahmen einer kontrollierten Studie oder zumindest in Fallberichten für das gleiche Krankheitsbild publiziert worden seien. Die vom Kläger genannten Publikationen beziehen sich nicht auf Zellkulturen von hämatologischen Neoplasien oder auf Zellkulturen mit Zellen, die aus MDS gewonnen wurden. Möglicherweise habe die massenhafte Gabe von Medikamenten der alternativen Heilmethoden die Bildverläufe beeinflusst.

Die von Dr. S. durchgeführte Therapie beruhe auf der irrigen Annahme, hier läge ein Tumorleiden vor, das sich günstig beeinflussen lassen könne. Dr. S. habe, ohne auch nur die geringsten Hinweise auf einen günstigen Effekt auf die Zellzahlen vorlegen zu können, die Therapie durchgeführt mit dem Ziel, allgemeine günstige Effekte zu erzielen und nicht mit dem Ziel, die Zellzahlen zu verbessern. Dann aber ziehe er die temporären Veränderungen der Zellzahlen als Beweis für die Wirksamkeit der Therapie heran. Das Argument, die Therapie sei kontinuierlich weiter entwickelt worden und es seien beeindruckende Erfolge erzielt worden, sei nicht stichhaltig.

Die Kammer folgt diesen Ausführungen des Sachverständigen und sieht in diesen keine Hinweise darauf, dass mit der Immuntherapie zumindest eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf des Klägers bestanden hat. Nicht ausreichend für die Annahme solcher Indizien ist der Hinweis des Sachverständigen, dass möglicherweise diese Therapie zu einer Verbesserung des Allgemeinbefindens beigetragen bzw. die massenhafte Gabe von Medikamenten der alternativen Heilmethoden die Bildverläufe beeinflusst habe. Hierbei handelt es sich lediglich um vage Vermutungen, die die Kammer nicht überzeugen. Gegenteilige, nachvollziehbare Anhaltspunkte, die für ein Vorliegen von Indizien auf Heilung oder auf eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf des Klägers sprechen würden, sind auch weder den Berichten der den Kläger behandelnden Ärzte noch dem Klägervorbringen zu entnehmen. Herr B., der den Kläger bereits seit dem Jahre 1986 behandelt, hat mitgeteilt, dass nach der Immuntherapie keine wesentliche subjektive oder befundmäßige Verbesserung des Verlaufs zu beobachten gewesen sei. Eine Aussicht auf kausale Heilung bestehe bei der Immuntherapie nicht. Der bisherige fast 30jährige Verlauf sei auf die Behandlung nach medizinischem Standard und die Therapieerweiterung durch die Iscador/Helixor Behandlung zurückzuführen. Soweit er letztlich angegeben hat, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass eine weitere Linderung und eventuell ein längerer milderer Verlauf durch eine Immuntherapie zu erreichen sei, so handelt es sich hierbei ebenfalls nur um eine vage Aussage, ohne dass diese durch konkrete Berichte gestützt würde. Selbst Dr. S., der die Immuntherapie durchgeführt hat, hat angegeben, dass es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse bei der Behandlung dieser äußerst seltenen Erkrankung mit der Immuntherapie gebe. Hierbei müsse er sich auf seine eigene langjährige gute Erfahrung bei der Behandlung des MDS stützen. Letztere Angabe ist völlig nichtssagend. Es sind weder zu einer Behandlung von CMML mit der Immuntherapie noch zu einer Behandlung von MDS mit dieser Assoziationsbeobachtungen oder pathophysiologische Überlegungen oder deskriptive Darstellungen oder Einzelfallberichte oder nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten oder Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen oder Verlaufsbeobachtungen benannt worden. Insofern hat der Sachverständige mitgeteilt, dass sich die vom Kläger genannten Publikationen nicht auf Zellkulturen von hämatologischen Neoplasien oder auf Zellkulturen mit Zellen, die aus MDS gewonnen wurden, beziehen. Vor diesem Hintergrund überzeugt auch nicht die pauschale Behauptung des Herrn Dr. S., dass durch die Immuntherapie ein Stillstand der Erkrankung beim Kläger erreicht worden sei. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Dr. S. offensichtlich die Erkrankungen CMML und MDS vermischt, indem er mitgeteilt hat, dass er bei dem Kläger die Diagnose "Myelodysplastisches Syndrom i. S. einer Chronischen myelomonozytären Leukämie" diagnostiziert habe und dass das Blutbild des Klägers dahingehend zu interpretieren sei, dass sich Tumor- oder Krebszellen im Blut des Klägers nachweisen lassen würden. Beim MDS und bei der CMML handelt es sich um zwei unterschiedliche Erkrankungen, wobei nach den Feststellungen des Sachverständigen bei dem Kläger MDS vorliegt und keine CMML Bereits im November 2013, also noch vor Beginn der Behandlung bei Dr. S., konnten die Ärzte des Universitätsklinikums in E. eine CMML nicht bestätigen. Auch der langjährige Arzt des Klägers Herr B. hat die Diagnose CMML nicht benannt, sondern MDS. Die Diagnosestellung des Herrn Dr. S. und die dabei auch erfolgte Unterstellung einer Krebserkrankung sind somit nicht nachvollziehbar. Soweit Herr Dr. F. in seinem Befundbericht an das Gericht ebenfalls in unklarer Weise mitgeteilt hat, dass bei dem Kläger im November 2013 die Diagnose "MDS RAEB-2 (nach WHO) bzw. Chronische myelomonozytäre Leukämie" gestellt worden sei, so wäre nach Auffassung des Gerichts eine weitere Abklärung und Klarstellung geboten gewesen.

Schließlich haben auch die Ärzte des MDK Nordrhein, KC Onkologie in ihrem Gutachten vom 12.03.2014 festgestellt, dass die im Rahmen der Immuntherapie angewandten Stoffen und Methoden nicht nachweislich mit einem Nutzen belegt seien.

Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten festgestellt hat, dass legitim im Sinne eines individuellen Heilversuches auch ohne Nachweis eines Mangelzustandes die Gabe von Vitamin B1, B2, B6 und B12 erscheine, da in der Vergangenheit einzelne Patienten beschrieben worden seien, deren Blutwerte sich hierunter verbessert haben sowie die Gabe von Vitamin D3-Präparaten, da klinische Studien hier erstmals Hinweise zeigen, dass möglicherweise Vitamin D3 eine Verbesserung der Hämatopoese herbeiführen könne, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei der streitgegenständlichen Immuntherapie um eine einheitliche Gesamtbehandlung, die sämtliche Präparate erfasst. Die Herausnahme einzelner Präparate erfolgt somit nicht.

Ein Kostenerstattungsanspruch für die Ersttherapie ergibt sich auch nicht aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V.

Diese Regelung bestimmt: " hat sie (die Krankenkasse) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts besteht danach ein Anspruch auf Kostenerstattung demnach nur, wenn zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang besteht. Daran fehlt es zum einen, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre. Daran fehlt es aber auch, wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte (BSG, Urteil vom 08.09.2015 aaO, Rn. 9 mwN).

Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt weder einen "Formalismus" in dem Sinne dar, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte nicht gehalten ist, die Entscheidung der Krankenkasse in seine eigene Entscheidung inhaltlich einzubeziehen, sondern den Abschluss des Verwaltungsverfahrens nur "formal" abwarten muss, jedoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt. Diese Zwecke der Vorbefassung der Krankenkasse mit dem Leistungsbegehren des Versicherten werden durch dessen Vorfestlegung vereitelt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, aaO, Rn. 10).

Vorliegend fehlt es bereits an der erforderlichen Kausalität zwischen der Ablehnung der Beklagten mit Bescheid vom 17.03.2014 und den für die Immuntherapie entstandenen Kosten. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Buchungsbestätigung vom 28.02.2014 hat er bereits zu diesem Zeitpunkt eine Ferienwohnung / ein Ferienhaus in B. R. für die Zeit vom 30.03.2014 bis zum 03.05.2014 zum Preis von 1.315,40 EUR gebucht. In seinem Antragsschreiben vom 27.02.2014 hat er auch angegeben, dass er für die Dauer von 4 bis 6 Wochen (je nach Therapieverlauf) eine Ferienwohnung mieten würde. Somit war der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Beklagten am 28.02.2014 offensichtlich schon fest entschlossen, die Immuntherapie durchzuführen. Andernfalls macht es keinen Sinn, eine kostenauslösende, rechtsverbindliche Buchung vorzunehmen. Somit sind die Kosten nicht aufgrund der Ablehnung der Beklagten mit Bescheid vom 17.03.2014 entstanden.

Im Übrigen scheitert ein Kostenerstattungsanspruch aber auch hier an dem fehlenden Sachleistungsanspruch des Klägers. Insofern wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Folgetherapie der Immuntherapie.

Ein Anspruch gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V scheidet mangels eines Sachleistungsanspruchs aus. Insofern wird auf die Ausführungen zur Ersttherapie verwiesen.

Ein Anspruch gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V besteht ebenfalls nicht. Zum einen fehlt es auch hier an der erforderlichen Kausalität zwischen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten mit Bescheid vom 24.06.2014 und der für die Folgetherapie entstandenen Kosten, weil der Kläger direkt im Anschluss an die Ersttherapie, jedenfalls spätestens am 04.05.2014 und damit vor Antragstellung bei der Beklagten am 19.05.2014 mit der Folgetherapie begonnen hat. Im Übrigen scheidet der Anspruch – wie bereits oben erläutert - wegen eines fehlenden Sachleistungsanspruchs aus.

Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Folgetherapie folgt auch nicht aus § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V wegen Eintritts einer Genehmigungsfiktion.

§ 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V ordnet an, dass die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden hat. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs. 3a Satz 3 SGB V). Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung (§ 13 Abs. 3a Satz 4 SGB V). Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V).

Vorliegend ist der Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für die Folgetherapie am 19.05.2014 bei der Beklagten eingegangen. Zur Anwendung kommt die 3-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V, weil die Beklagte den MDK nicht beauftragt hat. Diese ist am 09.06.2014 abgelaufen. Erst nach Ablauf der Frist hat die Beklagte über den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 24.06.2014 entschieden.

Eine Kostenerstattung scheidet jedoch deswegen aus, weil sich der Kläger die Immuntherapie als Folgetherapie nicht erst nach Ablauf der Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V beschafft hat, sondern bereits vor der Antragstellung bei der Beklagten, weil er mit der Folgetherapie spätestens am 04.05.2014 begonnen hat. Insofern ist der Gesetzeswortlaut des § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V eindeutig und regelt ausdrücklich, dass wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung beschaffen, die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet ist.

Nach Auffassung der Kammer ist vorliegend mit Ablauf der Frist am 09.06.2014 auch keine Zäsur dahingehend vorzunehmen, dass diejenigen Kosten der Folgetherapie, die bis zum 09.06.2014 entstanden sind, nicht zu erstatten sind, jedoch eine Kostenerstattung für die nach Ablauf der Frist entstandenen Kosten der Folgetherapie erfolgt. Mit Schreiben vom 13.05.2014 hat der Kläger die Kosten für die Folgetherapie anhand der vorliegenden Therapiepläne für ein Jahr beziffert und deren Übernahme beantragt. Aufgrund dessen bewertet die Kammer auch die Folgetherapie als eine einheitliche Behandlung, die spätesten am 04.05.2014 begonnen hat.

Soweit der Kläger die Übernahme der Kosten für eine zukünftige Immuntherapie begehrt, ist die Klage bereits unzulässig.

Gegenstand der streitigen Bescheide ist allein die Übernahme bzw. Erstattung der Kosten für die Ersttherapie sowie die Folgetherapie für ein Jahr. Einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine weitere Immuntherapie hat der Kläger bei der Beklagten noch nicht gestellt, so dass es zum aktuellen Zeitpunkt an einem ablehnenden Bescheid der Beklagten fehlt. Insofern fehlt es derzeit bereits an einer Beschwer des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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