S 4 KR 146/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 146/19
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Anspruch auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege ist nicht dadurch ausgeschlossen, weil die Einrichtung selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist.
2. Die Erbringung medizinischer Behandlungspflege gehört nicht regelmäßig als einfachste Maßnahme der Krankenpflege zu der von ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschuldeten Leistung.
I. Der Bescheid vom 18.01.2019 in Form des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2019, Az.: ..., wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege für den Zeitraum vom 23.01.2019 bis 31.03.2019 in Höhe von 1.951,60 Euro freizustellen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung und Freistellung von den Kosten häuslicher Krankenpflege in Form von Medikamentenabgabe, Blutzuckermessungen sowie An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen vom 23.01.2019 bis 31.03.2019 während die Klägerin in einer ambulant betreuten Wohngruppe lebt.

1.

Die am 10.05.1935 geborene Klägerin lebt seit dem 01.02.2017 in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft " ..." zusammen mit 8 weiteren Personen. Die Klägerin erhält Pflegeleistungen aus dem Pflegegrad 4. Leistungen der Pflegeversicherung werden im Rahmen der Sachleistung in Anspruch genommen. Die Pflegekasse zahlt auch den Wohngruppenzuschlag in Höhe von 214,00 EUR.

2.

Dem Aufenthalt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft " ..." lagen folgende Verträge zugrunde:

Mit der K. N. schloss die Klägerin den Mietvertrag vom 15.02.2017 (Mietvertag), der u.a. folgende Regelungen enthält:

§ 1 Mietobjekt: vermietet werden in der Demenzwohngemeinschaft " ..." P ...gasse ... Zimmer Nr. 6 Einzelzimmer mit 21 m², Gemeinschaftsfläche mit 25 m², Insgesamt 46 m² § 3 Miete und Nebenkosten: Die Nettokaltmiete beträgt monatlich: 483,00 EUR Die Betriebskostenvorauszahlung monatlich: 120,00 EUR Insgesamt derzeit monatliche Miete: 603,00 EUR § 16 Besondere Vereinbarung zur Wohngemeinschaft/ Bewohnergremium/ Angehörigengremium: Die Wohngemeinschaft setzt sich in der Regel aus 10 - 12 Bewohner/Innen zusammen. Der Vertrag ist in seiner Wirksamkeit abhängig von einer Mitgliedschaft im Angehörigengremium, die Mitgliedschaft ist gesondert geregelt. Für den Mieter ist die vom Gremium festzusetzende Hausordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung bindend.

Mit der R. GmbH schloss die Klägerin folgende Verträge:

- den Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen vom 15.02.2017 (Pflegevertrag), der folgende Regelungen enthält: 1. Inhalt und Umfang der Leistungen Häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V gemäß ärztlicher Verordnung nach Genehmigungsbescheid der Krankenkasse. Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI nach Kostenvoranschlag.

- den Betreuungsvertrag für ambulant betreute Wohngemeinschaften vom 15.02.2017 (Betreuungsvertrag), mit folgendem Inhalt: § 2 Leistungsumfang Der Dienstleistungsanbieter erbringt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft im Rahmen einer ständigen Anwesenheit von einer geschulten Mitarbeiterin und Mitarbeitern Leistungen der psychosozialen Betreuung und Begleitung. § 4 Vergütung Die monatlichen Aufwendungen werden als Pauschalleistung abgerechnet. Das Entgelt für psychosoziale Betreuung und Begleitung beträgt 730,00 EUR pro Monat.

- den Hauswirtschaftsvertrag: Leistungen der Verpflegung in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft " ..." vom 15.02.2017 (Hauswirtschaftsvertrag), mit folgenden Vereinbarungen: § 2 Abs. 1: Der Pflegedienst erbringt in der Wohngemeinschaft im Rahmen der 24-stündigen Anwesenheit eines Mitarbeiters des Pflegedienstes Leistungen der Verpflegung. Hauswirtschaftliche Leistungen im Sinne des SGB XI werden gesondert im Pflege- vertrag vereinbart und entsprechend dieser Vereinbarung erbracht und vergütet. § 3 Abs. 1: Die Leistungen der Verpflegung werden im Rahmen der 24-stündigen Anwesenheit eines Mitarbeiters des Pflegedienstes täglich erbracht. Die Vergütung für die in diesem Vertrag festgelegten Leistungen beträgt monatlich 180,00 EUR (Verpflegungs- pauschale)

Außerdem wurde eine Vereinbarung der Mitglieder der Demenz Wohngemeinschaft (Gemeinschaftsvereinbarung), die nicht unterzeichnet ist, vorgelegt. Mit der Gemeinschaftsvereinbarung schließen sich die Mitglieder der Wohngemeinschaft zu einer Gemeinschaft zusammen, die dazu dient das Miteinander der Wohngemeinschaft zu gestalten, gemeinsame Interessen gegenüber Dritten zu vertreten sowie die Gemeinschaft betreffende Geschäfte abzuschließen, mit folgendem Inhalt: 1. Zweck der Vereinbarung: ...Als von Leistungsanbietern strukturell unabhängig gelten die Mitglieder dann, wenn die Inanspruchnahme von Leistungen eines Pflegedienstes unabhängig von der Inanspruchnahme von Wohnraum erfolgt. Zudem ist der Pflegedienst frei gewählt.

3.

Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der Gemeinschaftspraxis Ch. C. und S. Sch. vom 03.01.2019, Eingang bei der Beklagten am 11.01.2019, beantragte der ambulante Krankenpflegedienst R. GmbH für die Klägerin häusliche Krankenpflege (HKP) in Form von Verabreichen von Medikamenten 4 x täglich/7 x wöchentlich, Blutzuckermessung 3 x täglich/7 x wöchentlich, Injektionen 3 x täglich/7 x wöchentlich und An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen 2 x täglich/7 x wöchentlich für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis 31.03.2019.

Mit Bescheid vom 18.01.2019 wurden Injektionen 3 x täglich/7 x wöchentlich für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis 31.03.2019 genehmigt. Verabreichen von Medikamenten 7 x täglich/7 x wöchentlich, Blutzuckermessung 3 x täglich/7 x wöchentlich und An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen 2 x täglich/7 x wöchentlich wurde letztmalig von 01.01.2019 bis 22.01.2019 bewilligt. Hierbei handele es sich um einfachste Behandlungspflege im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die in einem Haushalt grundsätzlich von jedem Erwachsenen erbracht werden könne. Dies sei analog auch auf die Kräfte der Wohngemeinschaften anzuwenden, die für die psychosoziale Betreuung und Begleitung für die Bewohner der Wohngemeinschaft zuständig sind.

Mit Schreiben vom 20.01.2019 legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Blutzuckerwerte würden sehr stark schwanken und ließen sich nicht innerhalb eines Bereichs eingrenzen. Die Pflegekräfte seien nicht bereit, die Injektionen ohne vorherige Messung zu geben, da in diesem Fall Lebensgefahr wegen falscher Dosierung vorliege. Die Unterbringung in der Demenzwohngruppe sei für diese schlimme Krankheit die beste Lösung für den Patienten. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Pflegeheim sei die Betreuung vorbildlich. Die Ablehnung der Medikamentengabe und das An-und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen sei laut Pflegedienst nicht kostenlos zu ersetzen. Die Alternative wäre die Unterbringung in einem Pflegeheim. Es mache keinen Sinn wegen dieser Sache die Einrichtung der Demenzwohngruppe in Frage zu stellen.

Mit Schriftsatz vom 30.01.2019 zeigte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Vertretung an und ergänzte die Begründung des Widerspruchs. Entgegen der Annahme der Beklagten könne die Rechtsprechung des BSG zu Behinderteneinrichtungen nicht auf die Situation ambulant betreuter Wohngemeinschaften übertragen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das BSG habe im Urteil vom 24.04.2015 (B 3 KR 16/14 R) bezüglich eines Versicherten, der zum Zeitpunkt der Antragstellung in einer (über Mittel der Eingliederungshilfe finanzierten) Wohngruppe für Senioren gelebt hat, entschieden, dass Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung gehören und somit in jedem Fall von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal zu erbringen sind. Für ambulant betreute Wohngemeinschaften habe das Sozialgericht Bayreuth im Urteil vom 16.05.2018 (S 8 KR 150/17) diese Rechtsprechung des BSG näher ausgelegt. Demnach beinhalte die psychosoziale Betreuung und Begleitung der Bewohner einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft, die im Betreuungsvertrag festgelegt und damit gegenüber dem Bewohner geschuldet ist, auch die einfachste Behandlungspflege im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Ein im Betreuungsvertrag vereinbarter Ausschluss dieser Leistungen würde gegen das Verbot nachteiliger Vereinbarungen im Sinne des § 32 SGB I verstoßen und wäre damit nichtig. Im Rahmen der von der Einrichtung geschuldeten Pflege habe diese also nach der Rechtsprechung einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal, wie von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen, ohne Weiteres ausgeführt werden können.

4.

Mit Schriftsatz vom 06.03.2019 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage erhoben und diese begründet. Diesem Schriftsatz beigefügt waren der Mietvertrag vom 15.02.2017, der Pflegevertrag vom 15.02.2017, der Betreuungsvertrag vom 15.02.2017, der Hauswirtschaftsvertrag vom 15.02.2017 und die Gemeinschaftsvereinbarung sowie die Rechnungen samt Leistungsnachweisen der R. GmbH für die Monate Januar und Februar 2019. Anspruchsgrundlage sei § 37 Abs. 2 SGB V, da die Wohngemeinschaft, in welcher die Klägerin lebt, ein geeigneter Ort für die Erbringung der HKP sei. Insbesondere fände die Rechtsprechung des BSG zu den Einrichtungen der Eingliederungshilfe, Urteile vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 10/14 R und B 3 KR 11/14, keine Anwendung. Der Anspruchsausschluss gemäß § 37 Abs. 3 SGB V greife nicht, denn im Haushalt der Klägerin lebe keine Person, die die benötigten Leistungen vorrangig zu erbringen hätte. Auch erfolge keine pauschale Abgeltung durch den Zuschlag nach § 38a SGB XI. Eine individuelle pflegerische Versorgung finde durch die Präsenzkraft nach § 38a SGB XI nicht statt.

Mit Schriftsatz vom 09.04.2019 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die aktuelle Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg, Beschluss vom 18.02.2019 - Az.: S 7 KR 1/19 ER hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 22.05.2019 hat die Prozessbevollmächtigte den streitgegenständlichen Anspruch konkretisiert, insbesondere wurden die Kosten für den Monat März 2019 beziffert. Diesem Schriftsatz beigefügt waren eine Rechnung samt Leistungsnachweisen der R. GmbH für den März 2019.

Mit weiterem Schriftsatz vom 28.05.2019 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, dass es keinen schriftlichen Auftrag des Bewohnergremiums für die Präsenzkraft S. D. gebe. Das Bewohnergremium habe seinerzeit zu Beginn der Wohngemeinschaft im Rahmen des Betreuungsvertrages den Pflegedienst damit beauftragt, eine Präsenzkraft zu stellen, die verwaltende und organisatorische Tätigkeiten für die Wohngemeinschaft übernimmt. Hierfür habe der Pflegedienst Frau S. D. bereitgestellt. Die Wahrnehmung ihrer vertraglichen Pflichten aus dem Pflege-, Betreuungs- und Hauswirtschaftsvertrag würden die Vertragspartner wie folgt wahrnehmen: Von 06.00 Uhr bis 14.00 Uhr würden eine Pflegefachkraft zusammen mit einer Pflegehilfskraft die Grundpflege (SGB XI-Leistungen) sowie die häusliche Krankenpflege (SGB V-Leistungen) verrichten. Von 07.00 Uhr bis 13.00 Uhr würde eine Wirtschaftskraft die hauswirtschaftlichen Arbeiten erledigen. Von 14.00 Uhr bis 20.30 Uhr sowie von 13.00 Uhr bis 20.00 Uhr erfolge die psychosoziale Betreuung und Begleitung durch zwei Fach- oder Hilfskräfte. Von 20.15 Uhr bis 06.30 Uhr sei eine Hilfskraft als Nachtpräsenz vorhanden, die lediglich bei akutem Bedarf den Pflegenotdienst verständigt und überdies nur bei Toilettengängen unterstützt.

Am 18.06.2019 fand ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt: 1. Der Bescheid vom 18.01.2019 in Form des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2019, Az.: ..., wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege für den Zeitraum vom 23.01.2019 bis 31.03.2019 in Höhe von 1.951,60 Euro freizustellen. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist mit ihren Schriftsätzen vom 18.03.2019 und 23.04.2019 auf die Gründe des Widerspruchsbescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift und den übrigen Inhalt der Gerichtsakte.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Kostenfreistellung bzw. -erstattung von den Kosten der häuslichen Krankenpflege in Form von Medikamentenabgabe, Blutzuckermessungen sowie An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen vom 23.01.2019 bis 31.03.2019 gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V. Danach wandelt sich der Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungs- bzw. Kostenfreistellungsanspruch um, wenn die Krankenkasse einen Antrag des Versicherten auf Gewährung der Sachleistung häusliche Krankenpflege "zu Unrecht abgelehnt" hat und dem Versicherten dadurch Kosten entstanden sind. Der Anspruch auf Freistellung von den Kosten bzw. auf Kostenerstattung reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt also voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat.

Nach der Ansicht der Kammer hat die Klägerin einen Anspruch auf die Gewährung von häuslicher Krankenpflege durch die Beklagte aus § 37 SGB V. Eine ambulant betreute Wohngemeinschaft kann ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege i.S. des § 37 SGB V sein (hierzu 1.), wenn die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu 2.) und diese nicht regelmäßig als einfachste Maßnahme der Krankenpflege zu der von ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschuldeten Leistung gehört (hierzu 3.).

1.

Eine ambulant betreute Wohngemeinschaft kann ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege i.S. des § 37 SGB V sein.

a.

Nach § 37 Absatz 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Gemäß § 37 Abs. 3 SGB V besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. § 37 Abs. 6 SGB V bestimmt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 festlegt, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

Diesem Auftrag ist der Gemeinsame Bundesausschuss nachgekommen. In der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (häusliche Krankenpflege-Richtlinie) heißt es in § 1 Abs. 2 Satz 2, dass Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch an sonstigen geeigneten Orten besteht, an denen sich die oder der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und für die Erbringung der einzelnen Maßnahme geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z.B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung), wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein. § 1 Absatz 5 regelt hierzu, dass für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z.B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden kann.

Das BSG hat zuletzt in seinem Urteil vom 30.11.2017 - Az.: B 3 KR 11/16 R zur Regelung des "sonstigen geeigneten Ortes" unter den Randnummern 24 bis 26 Folgendes hierzu ausgeführt: "Der Senat hat in seiner Rechtsprechung (vor allem BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr. 13, RdNr 16 ff) bereits mehrmals die Regelung des § 37 Abs. 2 S 1 SGB V aF (idF des GKV-WSG) ausgelegt, durch die eine "vorsichtige Erweiterung" des Haushaltsbegriffs in dieser Norm vorgenommen worden ist (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG),
BT-Drucks 16/3100 S 104 zu Nummer 22 (§ 37) Zu den Buchstaben a und c). Danach enthält diese Norm keine gesetzliche Definition des "geeigneten Ortes". Die Vorschrift zählt lediglich beispielhaft eine Anzahl nicht abschließend genannter "geeigneter Orte" auf, an denen häusliche Krankenpflege möglich ist mit Rücksicht auf das gesetzliche Anliegen, neue Wohnformen in Wohngemeinschaften oder betreutes Wohnen zu fördern. Der Senat hat die Vorschrift dahingehend ausgelegt, dass dem Gesetzestext nicht (mehr) eine Beschränkung derart zu entnehmen ist, dass häusliche Krankenpflege etwa nur dann beansprucht werden kann, wenn noch ein Mindestmaß an eigener Haushaltsführung "oder ein Leben in der Familie" vorliegt und wenn weitere Leistungen ggf. ambulant in Anspruch genommen werden können. Vor diesem Hintergrund hat der Senat selbst stationäre Einrichtungen als sonstige geeignete Orte im Sinne der häuslichen Krankenpflege in Betracht gezogen, in denen sich der Versicherte auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne anderswo zu leben oder zu wohnen. Der Senat hat dazu aufgezeigt, dass die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen hin zu einer stationären Einrichtung fließend sein können, und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung aufweisen als eine herkömmliche stationäre Einrichtung. Auf die dadurch bedingte Schwierigkeit einer eindeutigen Zuordnung einer Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen hat der Senat unter Berücksichtigung der fortschreitenden Entwicklung neuer Wohnformen hin- gewiesen. Im Ergebnis hat der Senat den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege unter Berücksichtigung des aufgezeigten gesetzlichen und gesetzeskonformen untergesetzlichen Regelwerks - mangels einer ausdrücklichen Definition des Tatbestandsmerkmals "geeigneter Ort" - dahin konkretisiert, dass der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten besteht, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich (1.) aus der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse und (2.) für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie z.B. in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, muss die Krankenkasse im Einzelfall prüfen (vgl. zum Ganzen: BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr. 13, RdNr 16 ff; Parallelurteil vom 25.2.2015 - B 3 KR 10/14 R - Juris RdNr 16 ff;
Urteil vom 22.4.2015 - B 3 KR 16/14 R - Juris RdNr 20 ff, NZS 2015, 617; vgl. auch Senatsbeschluss vom 16.3.2017 - B 3 KR 43/16 B - Juris). Daran hält der Senat fest. Die vorstehend dargestellten Maßstäbe gelten auch für neue Wohnformen, wie das sog. "Service-Wohnen", mit dem üblicherweise verschiedene Möglichkeiten des organisierten Wohnens umschrieben werden. Hierzu zählen Wohnformen kombiniert mit Serviceleistungen, die entweder vor Ort (innerhalb des Wohnprojekts) bereitgestellt oder die durch externe Dienste erbracht werden. Neben einem Kauf- oder Mietvertrag schließen die Bewohner ergänzende Betreuungs- bzw. Service-Verträge ab (vgl. Börner, in Igl/Felix (Hrsg), Schriftenreihe Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa, Bd 8, "Betreutes Wohnen" in Abgrenzung zum Heimgesetz, Berlin, 2008, zugleich Diss, Kiel 2008, S 22)."

b. Die Klägerin lebt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft " ...". Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 häusliche Krankenpflege-Richtlinie handelt es sich dabei um einen sonstigen geeigneten Ort. Die Klägerin hält sich nämlich dort regelmäßig wiederkehrend auf und die verordnete Maßnahme kann dort zuverlässig durchgeführt werden, weil für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse unzweifelhaft vorliegen und die verordneten Leistungen aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthalts in der Wohngruppe notwendig sind. Dem Grunde nach kann deshalb die Klägerin in der Wohngemeinschaft, in der sie dauerhaft lebt, einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege haben.

2.

Der Anspruch auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege ist nicht dadurch ausgeschlossen, weil die Einrichtung selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist.

a.

Das BSG hat im Urteil vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 11/14 R zur Konstellation der häuslichen Pflege in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe unter den Randnummern 23 und 24 im Hinblick auf die Verpflichtung zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege Folgendes entschieden:

"Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl. BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr. 2 RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs. 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs. 2 SGB IX u.a. auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII). Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs. 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs. 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf. Arztbesuche zu organisieren bzw. zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen."

Die Kammer folgt insoweit der vorstehend dargestellten Auffassung des BSG, wonach sich eine Einschränkung zur Leistungspflicht der Beklagten für medizinische Behandlungspflege ergibt, wenn ein Anspruch auf Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht.

b.

Die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum keinen gesetzlichen Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Einrichtung.

Davon, dass es sich bei der Seniorenwohngemeinschaft um eine stationäre Pflegeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI oder eine stationäre Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI handelte, geht die Beklagte selbst nicht aus. Die Klägerin erhielt von der Pflegekasse häusliche Pflegeleistungen nach § 36 SGB XI. Ein Versorgungsvertrag i.S.d. §§ 71 Abs. 2 i.V.m. § 72 SGB XI wurde mit der Einrichtung seitens der Pflegekasse nicht abgeschlossen. Es gibt auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die personelle und sachliche Infrastruktur einer stationären Einrichtung bereitgehalten wurde. Es bestand auch keine gesetzliche Verpflichtung wegen Unterbringung in einer "faktischen Pflegeeinrichtung" (zur ähnlichen Wohnsituation wie hier vgl. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.7.2015 - L 11 KR 3010/14 - Juris, PflR 2016, 112). Insbesondere enthält der mit K. N. geschlossene Mietvertrag zwar in § 16 die Regelung, dass der Vertrag in seiner Wirksamkeit abhängig ist von einer Mitgliedschaft im Angehörigengremium und die Mitgliedschaft gesondert geregelt ist, aber eine vertraglich vereinbarte Verpflichtung zur exklusiv an einen bestimmten Leistungserbringer gebundenen Inanspruchnahme weiterer "Service-Leistungen bestand nicht.

c.

Die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum keinen vertraglichen Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Einrichtung.

Das BSG führte im Urteil vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 11/14 R unter Randnummer 30 und in seinem Urteil vom 22.04.2015 - Az.: B 3 KR 16/14 R unter Randnummer 34 zum vertraglichen Anspruch auf Behandlungspflege Folgendes aus: "In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" im Sinne von I. 6. Satz 1 HKP-Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen" begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl. z.B. BSG SozR 4-2500 § 37 Nr. 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris)."

Weder der Mietvertrag, noch der Betreuungsvertrag, noch der Hauswirtschaftsvertrag treffen Regelungen, die vertraglich verpflichten, für die Klägerin Leistungen der Behandlungspflege zu erbringen. K. N. ist vertraglich nicht verpflichtet, für die Klägerin Leistungen der Behandlungspflege zu erbringen. Als Vermieter der ambulant betreuten Wohngemeinschaft ist K. N. vertraglich zur Wohnraumüberlassung verpflichtet. Der mit der R. GmbH geschlossene Betreuungsvertrag beinhaltet als Leistungspflicht der Trägerin nur Betreuungsleistungen. Der Dienstleistungsanbieter ist verpflichtet, im Rahmen einer ständigen Anwesenheit von einer geschulten Mitarbeiterin/Mitarbeiter Leistungen der psychosozialen Betreuung und Begleitung zu erbringen. Der mit der R. GmbH geschlossene Hauswirtschaftsvertrag umfasst Leistungen der Verpflegung und hauswirtschaftlichen Leistungen im Sinne des SGB XI. Der Pflegedienst hat die Leistungen der Verpflegung im Rahmen der 24-stündigen Anwesenheit eines Mitarbeiters des Pflegedienstes täglich zu erbringen. Darüber hinausgehende Leistungspflichten regeln weder der Mietvertrag, noch der Betreuungsvertrag, noch der Hauswirtschaftsvertrag.

Der mit der R. GmbH geschlossene Pflegevertrag trifft auch Regelungen zu den Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Er sieht unter 1 vor, dass Häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V gemäß ärztlicher Verordnung nach Genehmigungsbescheid der Krankenkasse erbracht werden. Mit dieser Regelung bleiben die gegen die Krankenkasse bestehenden Ansprüche auf Leistungen der Behandlungspflege vorrangig.

3.

Die Erbringung medizinischer Behandlungspflege gehört nicht regelmäßig als einfachste Maßnahme der Krankenpflege zu der von ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschuldeten Leistung.

a.

Das BSG hat im Urteil vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 11/14 R unter Randnummer 28 hierzu Folgendes festgestellt: "Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr. 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach z.B. um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen (vgl. dazu auch BSG SozR 3-2500 § 53 Nr. 10), die für Versicherte im eigenen Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten und das Blutdruckmessen, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen."

b.

Für die Kammer ist die vorliegende Konstellation der ambulant betreuten Wohngemeinschaft nicht vergleichbar mit der vom Bundessozialgericht entschiedenen Konstellation der häuslichen Pflege in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe.

Die Argumentation des BSG, wonach einfachste Leistungen der häuslichen Krankenpflege immanenter Bestandteil der Eingliederungshilfe sind, geht davon aus, dass in einer Einrichtung eine Art Gesamtverantwortung für die Bewohner übernommen wird, die das Vorhalten von Personal- und Sachmitteln auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen mit den Sozialhilfeträgern nach §§ 75 SGB XII ff voraussetzt.

Diese Grundlage für die Entscheidungen des BSG findet in ambulant betreuten Wohngruppen kein Äquivalent. Weder die Präsenzkraft i.S.d. § 38a SGB XI noch die Betreuungskräfte i.S.d. Betreuungsvertrages stehen in einer vergleichbaren Pflichtenstellung gegenüber den Versicherten.

§ 38a Abs. 1 Nr. 3 SGB XI bestimmt zu der Präsenzkraft, dass "eine Person durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder die Wohngruppenmitglieder bei der Haushaltsführung zu unterstützen." Dieser Wortlaut der Vorschrift ordnet der Präsenzkraft ausdrücklich keine individuell pflegerischen Aufgaben zu. Die Tätigkeiten der Präsenzkraft müssen sich daher von der individuell pflegerischen Versorgung abgrenzen (vgl. Weber in NZS Heft 2/2019 Seite 55/56).

§ 2 des Betreuungsvertrages regelt Folgendes: "Der Dienstleistungsanbieter erbringt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft im Rahmen einer ständigen Anwesenheit von einer geschulten Mitarbeiterin/Mitarbeiter Leistungen der psychosozialen Betreuung und Begleitung." Somit werden Aufgaben auf individuell behandlungspflegerische Versorgung vom Betreuungsvertrag nicht erfasst, sondern sind gesonderten Vereinbarungen vorbehalten.

Anders als bei Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind der Präsenzkraft vom Gesetzeswortlaut des § 38a SGB XI und den Betreuungskräften von § 2 des Betreuungsvertrages keine individuellen pflegerischen Aufgaben zugewiesen, sodass es an einem Anknüpfungspunkt für die Zuordnung einfachster Maßnahmen der Krankenpflege in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft " ..." fehlt.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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