L 2 AL 52/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 20 AL 339/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 52/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Oktober 2015 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der dauerhaften Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegründet wurde sie im November 1995. Gegenstand des Unternehmens war nach dem Gesellschaftsvertrag: Industriemontagen, Maschinenbau, Industriedienstleistungen, Zeitarbeit, Bau- und Baunebenleistungen entsprechend der Eintragung in die Handwerksrolle, Hilfs- und Transportarbeiten, soweit es genehmigungsfreie Tätigkeiten sind. Die ersten Gesellschafter waren E. R., der Zeuge P. F. und H. Bt. Bis zum 31. Dezember 2012 (Bau- bzw. Verleihtätigkeitsende) bzw. 31. Dezember 2013 (Abmeldung) bestand noch die Schwesterfirma in B.-E. mit den Niederlassungen C., F. sowie der "Bauniederlassung" in B.-E ... Die betreffenden Niederlassungen wurden danach von der Klägerin "übernommen".

Zunächst erteilte die Beklagte der Klägerin zeitlich befristete Erlaubnisse zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin legte Mitarbeiterverträge und Arbeitnehmerüberlassungsverträge als Beispiele für ihre Tätigkeit vor. In den Auskunftsersuchen nach § 7 Abs. 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) aus dem Jahr 1996 teilte die Klägerin mit, nicht ausschließlich Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben.

Mit Bescheid vom 9. Dezember 1998 erteilte die Beklagte der Klägerin die unbefristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. In dem Bescheid wird darauf hingewiesen, dass bei Verstößen gegen das AÜG die Erlaubnis widerrufen oder zurückgenommen werden könne.

Auf Prüfanfragen aus den Jahren 1999 und 2001 von anderen Unternehmen oder Verbänden bestätigte die Beklagte, dass die Klägerin ein Baubetrieb und ihr Arbeitnehmerüberlassung gestattet sei.

Am 1. April 2003 wurde die nichtselbständige Niederlassung in M. eröffnet. Die Gesellschaftsanteile hielten ab 25. März 2003 H. B. sowie die Zeugen P. F. und L. E., die beiden letztgenannten wurden zu Geschäftsführern bestellt.

Zum 1. April 2005 wurden die Niederlassungen in P. (Niederlassungsleiter war der Zeuge A. G.) und E. (Niederlassungsleiter war einer der beiden derzeitigen Geschäftsführer M. W.) errichtet. In jährlichen Auskunftsersuchen der Beklagten nach § 7 Abs. 2 AÜG, z. B. vom 31. Mai 2005 oder vom 29. Januar 2008, führte die Klägerin unverändert aus, dass der Betriebszweck nicht ausschließlich oder überwiegend auf Arbeitnehmerüberlassung ausgerichtet sei. Für die Betriebsleiter mit Personalverantwortung in den einzelnen Niederlassungen wurden polizeiliche Führungszeugnisse vorgelegt.

Am 5. Januar 2009 leitete das Hauptzollamt E. gegen die Klägerin und deren Geschäftsführer Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verdachts der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1b AÜG ein. Es bestehe der Verdacht, dass die Firma überwiegend Verleih durchführe.

Es erfolgten Durchsuchungen und die Beschlagnahme von Unterlagen, am 9. September 2009 in 11 Objekten und später noch über die Vorgänge nach 2009, insbesondere am 28. August 2012.

Hierzu nahm die Zollverwaltung exemplarisch vorgefundene Verträge zu den Akten (s. insbesondere Behelfsakte KUG 3257 AA P. und Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1 für die Vorgänge nach 2009).

In einem exemplarischen Fall aus den Jahren 2006 bis 2009 bezogen auf das Unternehmen A. H. B. mbH & Co KG hatten die Klägerin und diese Gesellschaft einen Rahmenvertrag über Bauleistungen als Subunternehmer auf Baustellen geschlossen, wobei für die jeweiligen Vorhaben Stundenkontingente einzelvertraglich erbracht werden sollten. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 39 Behelfsakte KUG 3257 AA P. verwiesen. Zu den einzelnen Abrufen der Stundenkontingente wurden "im Rahmen der vereinbarten Dienstleistungsarbeit" Arbeitnehmerüberlassungsverträge für einzelne Baustellen und einzelne Leiharbeitnehmer mit einem Stundenverrechnungssatz abgeschlossen (z. B. für den Arbeitnehmer K., Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vom 13. August 2007, Bl. 42 RS a. a. O.). Auf der Rückseite des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin für F.-Zeitarbeitnehmer abgedruckt. In diesen Bedingungen ist in Ziffer 6. geregelt, dass sich die Haftung nicht auf die Tätigkeit der Arbeitnehmer, sondern nur auf die Auswahl derselben bezieht. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 43 a. a. O. verwiesen. Weiter findet sich ein Stundennachweis über den Einsatz des Arbeitnehmers bei dem Auftraggeber. Darin sind Arbeitsbeginn und Arbeitsende der jeweiligen Arbeitstage und Gesamtstunden ohne Pause notiert, eine Angabe zur ausgeführten Tätigkeit fehlt. Es findet sich eine Unterschrift des Auftraggebers unter Bezugnahme auf den übersandten Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und unter Anerkennung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin und eine solche des Arbeitnehmers, dass er das Formular wahrheitsgemäß ausgefüllt hat. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 49 Behelfsakte KUG 3257 AA P. verwiesen. Die Rechnung im Beispielsfall weist die Berechnung von 45,5 Stunden mit Schaler/Betonarbeiten des Herrn K. aus. Unter der Rechnung findet sich der Satz "Die Umsatzsteuer für diese umsatzsteuerpflichtige Leistung schuldet der Auftraggeber nach § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG)", vgl. zu weiteren Einzelheiten Bl. 48 Behelfsakte KUG 3257 AA P ... Zu den nur exemplarisch zu den Akten genommenen ausgefüllten Stundenzetteln nach dem beschriebenen Vordruck hatte das Hauptzollamt festgestellt, dass die Arbeitsstunden der verliehenen Arbeitnehmer durch diese handschriftlich auf Vordrucken erfasst und von den Verantwortlichen des Entleihers gegengezeichnet würden. Die Stundennachweise dienten als Grundlage der Rechnungslegung; da Stundenzettel in immenser Anzahl vorgelegen hätten, seien diese nur exemplarisch in Einzelfällen sichergestellt worden. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 47 Behelfsakte KUG 3257 AA P. verwiesen.

In einem weiteren Fall wurden mit der Firma S. S. und T. GmbH Arbeitnehmerüberlassungsverträge vom 10. Juni 2010 für die Arbeitnehmer F. und K. vereinbart. Es erfolgte zunächst eine Rechnung ohne Umsatzsteuer, was der Auftraggeber monierte, weil Arbeitnehmerüberlassung auch im Baugewerbe keine Bauleistung sei (Bl. 3 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1). Die daraufhin neu erstellte Rechnung wurde mit Umsatzsteuer ausgewiesen. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 3 bis 8 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1 verwiesen.

Exemplarisch wird von dem vom Hauptzollamt für die Zeit von 2009 bis 2012 beschlagnahmten Unterlagen auf eine Rahmenvereinbarung mit der WBB AG (und Tochterunternehmen) vom 23. Januar 2012 über die Festlegung der Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung auf den Baustellen verwiesen. Danach erfolgt die Beauftragung jeweils durch den schriftlichen Abruf von Arbeitskräften. In Fällen des Fehlens von Arbeitskräften hat die Klägerin auf Verlangen möglichst sofort geeigneten Ersatz zu stellen (§ 3, 5. Absatz), der Auftraggeber behält sich vor, Arbeitskräfte, die nicht den Anforderungen genügen, ihren Weisungen nicht nachkommen ( ) jederzeit zurückzuweisen (§ 3, 7. Absatz), bei der Haftung lautet es in § 7, dass die Klägerin für die ordnungsgemäße Auswahl der eingesetzten Arbeitskräfte hafte. Daneben finden sich Arbeitnehmerüberlassungsverträge zwischen der WBB AG und der Klägerin über konkrete Arbeitnehmer (z. B. M. B., Beginn der Tätigkeit 26. Juni 2012) mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Zeitarbeitnehmer und Rechnungen, bei denen der Auftraggeber die Umsatzsteuer schuldet. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 46 bis 51 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1 verwiesen.

Der Vorgang des Entleihers G. V. GmbH ist einschließlich der Stundenzettel dokumentiert. Unter dem 6. August 2012 schlossen die G. V. GmbH mit der Klägerin einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag in Bezug auf den Arbeitnehmer W. als "Baumaschinist" für eine Baustelle in W., D. mit einem Stundenverrechnungssatz in Höhe von 33,50 EUR. In dem Stundennachweis für den Arbeitnehmer W. vom 10. August 2012 sind Gesamtstunden von 52 ohne eine Angabe der Tätigkeit oder Leistung aufgeführt. Der Auftraggeber bestätigte die Richtigkeit der obigen Angaben mit der bereits wiedergegebenen Formulierung des unveränderten Stundenzettelvordrucks unter Bezugnahme auf den übersandten Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 60 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1 verwiesen. In der Rechnung vom 13. August 2012 werden 52 Stunden Baumaschinen-/Erdbewegungsarbeiten des Herrn W. mit einer Nettosumme von 1.742 EUR der Auftraggeberin in Rechnung gestellt. Es findet sich der Hinweis darauf, dass die Umsatzsteuer der Auftraggeber schulde.

Nach Ausführungen des Hauptzollamtes seien bei der Auswertung, der in Papierform vorliegenden Beweismittel, keine Werkverträge oder anders bezeichnete Aufträge, die sich nicht auf Arbeitnehmerüberlassung bezögen, vorgefunden worden. So hätten für die Niederlassung P. trotz Zusicherung keine Werkverträge vorgelegt werden können (Bl. 474 VA).

Die Klägerin änderte im Jahr 2010 ihren Stammsitz. Nunmehr lautete die Geschäftsanschrift W ... in ... M ...

In ihrer Auskunft nach § 7 Abs. 2 AÜG vom 25. Januar 2011 gab die Klägerin unverändert an, ein Mischbetrieb zu sein, der neben der Arbeitnehmerüberlassung überwiegend andere Betriebszwecke verfolge (Bl. 459 ff. VA). Weiter nahm das Hauptzollamt einen Ausdruck der Arbeitsanweisung zur internen F.-Datenbank (ausgedrucktes Datum der Arbeitsanweisung vom 29. April 2011), mit der alle Niederlassungen arbeiteten, zur Akte. Diese Datenbank wurde nach Darstellung der Klägerin erst nach 2012 geändert. In Ziffer B 4.4 wurde der Name usw. auch "Kontaktperson" genannt, hier werde derjenige eingetragen, der bei der Klägerin Personal bestellte. Weiter heißt es wörtlich in dieser Ziffer unter der Rubrik "Vertragsart": "L für Verrechnung in Brutto und WV für Rechnungslegung Netto". In Ziffer B 7.2 wird ausgeführt, dass die "ANÜ Verträge" mit Aufnahme der Arbeiten auf der Baustelle spätestens im Büro des Kunden liegen müssten und der "ANÜ-Vertrag" das eigentliche Vertragsdokument im Streitfall sei. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 94 bis 99 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1 verwiesen.

Das Hauptzollamt E. übersandte der Beklagten am 1. August 2011 das Anhörungsschreiben an die Klägerin vom 2. Mai 2011 zu den von ihm getroffenen Feststellungen zur Kenntnis. Hierin sind die Feststellungen des Hauptzollamtes enthalten, wonach bei der Klägerin keine Werkverträge gefunden und nach der Arbeitsweise der Niederlassungen unter Verwendung der F.-Datenbank nur Arbeitnehmerüberlassungsverträge hinterlegt wurden. Die Klägerin hat sich im Rahmen der Anhörung des Hauptzollamtes eine Stellungnahme nach Akteneinsicht vorbehalten, zunächst bis zum 30. März 2012 und nach zweimaliger stillschweigender Terminverlängerung bis zum 7. Mai 2012, eine Einlassung hat sie bis zum Erlass des Bußgeldbescheides nicht abgegeben.

Mit Schreiben an die Klägerin vom 26. Januar 2012 erklärte die Beklagte (hier die Agentur für Arbeit P.), in dem Betrieb der Klägerin könne die ganzjährige Beschäftigung nicht gefördert werden, weil in dem Betrieb nicht überwiegend Bauleistungen erbracht würden (Bl. 190 Behelfsakte KUG 3257 AA P.).

Das Hauptzollamt E. erließ am 31. Mai 2012 einen Bußgeldbescheid gegen die Klägerin und die Geschäftsführer, die Zeugen P. F. und L.E. über Verstöße im Zeitraum 1. Mai 2006 bis 9. September 2009: Es seien bei den beschlagnahmten Unterlagen keine Unterlagen über eigene Bautätigkeiten der Klägerin gefunden worden. So hätten im Zeitraum 2006 bis 2009 eigene Bauleistungen mit denen für Baubetriebe typischen Verträgen, Gewährleistungen, Sicherheitseinbehalten, Baustellenorganisation, Baumaschineneinsatz usw. nicht festgestellt werden können. Durch die fehlenden Zusatz- und Gemeinkosten hätten die Leiharbeiter für Stundenverrechnungssätze angeboten werden können, die bis zu 40 % unter den Kalkulationssätzen von Baubetrieben gelegen hätten. In den Jahren 2006 bis 2009 seien in 7.519 Fällen vorsätzlich entgegen § 1b AÜG Arbeitnehmer an 492 verschiedene Baubetriebe verliehen worden. Sowohl die F.-Datenbanken als auch die in Papierform vorliegenden Beweismittel zeigten deutlich, dass alle Niederlassungen im Ermittlungszeitraum lediglich Arbeitnehmerüberlassungsverträge mit Entleihern abgeschlossen hätten. Für jeden Einsatz bei einem Entleiher sei pro Arbeitnehmer ein separater Arbeitnehmerüberlassungsvertrag erstellt worden. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 486 ff. bis 495 VA verwiesen. Gegen diesen Bußgeldbescheid legten die Klägerin bzw. die Betroffenen Einspruch ein.

Mit Schreiben vom 3. August 2012 hörte die Beklagte die Klägerin dazu an, dass sie beabsichtige, die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu widerrufen. Ausweislich des Bußgeldbescheides habe die Klägerin in 7.519 Fällen gegen § 1b AÜG verstoßen. Ausweislich von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden zur Winterbauförderung der Agentur für Arbeit A. verfüge die Klägerin seit 2008 nicht mehr über die Baubetriebseigenschaft. Das Fehlen der Baubetriebseigenschaft führe dazu, dass die Klägerin nicht mehr von der Ausnahmeregelung des § 1b Satz 2 Buchst. b AÜG erfasst werde und nicht in Baubetriebe hätte verleihen dürfen. Ein schuldhafter Verstoß gegen § 1b AÜG rechtfertige die Annahme, dass der Verleiher die für die Erteilung und Verlängerung erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze und berechtige zum Widerruf.

Mit Bescheid vom 12. September 2012 widerrief die Beklagte die der Klägerin erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung mit Wirkung für die Zukunft und führte zur Begründung aus: Es ergäben sich konkrete auf Tatsachen begründete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Versagungsgründen. Ein schuldhafter Verstoß gegen § 1b Satz 1 AÜG rechtfertige die Annahme/Schlussfolgerung, dass der Verleiher die für die Erteilung und Verlängerung einer Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Die Klägerin verfüge mindestens seit 2008 nicht über eine Baubetriebseigenschaft gemäß § 101 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) (vormals § 175 Abs. 2 SGB III), so dass sie nicht mehr von der Ausnahmeregelung des § 1b Satz 2 Buchst. b) AÜG erfasst sei und nicht an Baubetriebe Arbeitnehmer verleihen dürfe. Verleiher, die arbeitszeitlich überwiegend gewerbliche Arbeitnehmer verliehen, seien keine Betriebe des Baugewerbes, selbst dann nicht, wenn sie Arbeitnehmer verliehen, die im Baubereich eingesetzt würden. Es reiche nicht aus, darauf zu verweisen, dass die Bescheide der Agenturen für Arbeit bzw. die Bußgeldbescheide der Zollbehörden noch nicht rechtskräftig seien. Auch eine vorherige Auflagenerteilung als milderes Mittel komme nicht in Betracht, weil das Verbot des Verleihs an Baubetriebe eine gesetzlich normierte Vorschrift sei, so dass die Erlaubnis zu widerrufen sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 18. September 2012 Widerspruch ein.

Zugleich stellte die Klägerin einen einstweiligen Rechtsschutzantrag beim Sozialgericht Magdeburg, um die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Widerruf der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu erreichen. Zur Begründung führte sie aus: Sie beschäftige derzeit 493 Arbeitnehmer im baugewerblichen Bereich. Hinzu kämen (zusammen mit dem Schwesterbetrieb in B.-E.) 50 Mitarbeiter in den Büros. Die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bestehe seit 1995. Sie zahle jährlich einen sechsstelligen Betrag an die SOKA Bau und nehme am Einzugsverfahren für die Winterbauförderung teil. Das Hauptzollamt hätte nach der Äußerung des Mitarbeiters A. G., wonach seit 2005 mehrheitlich Arbeitnehmerüberlassung betrieben würde, nur noch in diese Richtung geprüft. Zu Unrecht habe die Beklagte die Erlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 AÜG widerrufen. Danach könne eine Erlaubnis nur widerrufen werden, wenn die Erlaubnisbehörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen. Es seien aber keine nachträglich eingetretenen Tatsachen bekannt geworden. Die geschäftliche Tätigkeit der Klägerin habe sich seit 1995 nicht signifikant verändert. Spätestens seit 2000 sei sie völlig unverändert. Es gehe nicht um eine geänderte Tatsachenlage, sondern um eine geänderte Rechtsauffassung. Die Rücknahme einer möglicherweise rechtswidrig erteilten Erlaubnis sei nur unter den Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 AÜG zulässig. Eine solche Regelung habe die Beklagte nicht getroffen. Zudem sei die Jahresfrist nach § 5 Abs. 4 AÜG nicht eingehalten worden. Spätestens seit dem unangemeldeten Prüfungstermin am 17. März 2008 hätten die relevanten Tatsachen vorgelegen. Alle Verfahren basierten auf der streitigen Frage, ob die Klägerin ein Baubetrieb sei, hier könne die Beklagte sich nicht auf nicht rechtskräftige Bußgeldbescheide stützen.

Mit Beschluss vom 8. November 2012 hat das Amtsgericht E. (Az. 360 Js 201759/12) nach einer Verfahrensabsprache der Betroffenen/Verfahrensbeteiligten und der Staatsanwaltschaft in den Bußgeldverfahren den Verfall zur Gewinnabschöpfung in Höhe von 780.000 EUR gegen die Klägerin, in Höhe von 268.000 EUR gegen P. F. und in Höhe von 92.000 EUR gegen L. E. angeordnet und im Übrigen die Verfahren eingestellt. In der Begründung heißt es: "Im Rahmen der Verfahrensabsprache hat das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Bußgeldbescheide in Ansehung der Rechtsfolge der Bußgeldandrohungen gemäß § 47 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eingestellt, da insoweit eine Ahndung nicht für erforderlich erachtet wurde. Der Nachweis einer Vorwerfbarkeit in Form von Fahrlässigkeit sei nicht gewiss gewesen. Der Nachweis eines vorsätzlichen Handelns konnte nicht erbracht werden. Gleichwohl konnte unter Berücksichtigung der mangelnden subjektiven Vorwerfbarkeit die Erfüllung des objektiven Bußgeldtatbestandes der §§ 16 Abs. 1b, 1b AÜG festgestellt werden. Mit anderen Worten: Die von dem Hauptzollamt festgestellte unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung in einer Vielzahl von Fällen liegt objektiv vor. Gemäß § 29a OWIG konnte daher im objektiven Verfahren der Verfall der jeweils erlangten Vermögensvorteile selbständig festgestellt werden."

Am 11. Dezember 2012 berief die Klägerin die Geschäftsführer, die Zeugen L. E. und P. F., ab und bestellte M. F. und M. W. zu neuen Geschäftsführern. Es wurden von der Klägerin zum 2. Januar 2013 die unselbständigen Zweigstellen in F., C. und B.-E. errichtet (bzw. übernommen). Die Klägerin bekundete gegenüber der Beklagten, "es fände auch kein Verleih ins Baugewerbe mehr statt".

Am 24. Mai 2013 fand eine Stichprobenprüfung der Beklagten bei der Klägerin statt (NL M., Bl. 695 ff VA). Danach seien bei der Klägerin 641 Arbeitnehmer beschäftigt, davon 607 Leiharbeitnehmer; im Betrachtungszeitraum seien alle Leiharbeitnehmer an Baubetriebe verliehen worden. Weil die Baubetriebseigenschaft für die vergangenen Jahre nicht vorgelegen habe, sei ein Verleih in das Baugewerbe nicht möglich. Herr W. habe den aktuellen Geschäftsbetrieb ab 1. Januar 2013 wie folgt beschrieben: "Das Unternehmen ist darauf ausgerichtet, Dienstleistungen im Baugewerbe zu erbringen. Es werden Arbeitnehmerüberlassungsverträge und Werkverträge/Dienstverträge (Bauverträge, Verträge über die Erbringung von Baudienstleistungen, Verträge über die Erbringung von Bauleistungen) geschlossen. Der aktuelle Zeitanteil von eigenen Bauleistungen würde ca. 65 % betragen, mit der Absicht, den Anteil auf 80 % zu erweitern. Die Niederlassung in M. habe nach seinen Angaben bereits einen Anteil an Werk- und Dienstverträgen i. H. v. 90 %."

Exemplarisch wird auf den von der Klägerin vorgelegten "Musterbaudienstleistungsvertrag" verwiesen (Bl. 773 ff. VA) und den Mustervertrag über die Erbringung von Bauleistungen (Bl. 776 ff. VA). Exemplarisch wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf den vorgelegten Projektvertrag vom 21.März/10. April 2013 über die Erbringungen von Baudienstleistungen für die Firma G. H. GmbH verwiesen (Bl. 795 ff. VA). Hier findet sich der Zusatz: "Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ist zwischen den Vertragspartnern für diese Leistung nicht beabsichtigt. Für diesen Vertrag gelten die gesetzlichen Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) nicht."

Die Beklagte hat am 24. Mai 2013 eine Prüfung der Klägerin durchgeführt. Im Prüfbericht des Prüfteam H., Prüfteilteam L., (Bl. 695 ff VA) über eine Prüfung der Unterlagen der Niederlassung M. + Niederlassung M. lautet es: Alle Leiharbeitnehmer seien an Baubetriebe verliehen worden. Weil die Baubetriebseigenschaft für die vergangenen Jahre nicht vorgelegen habe, sei der Verleih in das Baugewerbe nicht möglich. Bei den vorgelegten Werk- und Dienstverträgen bestünden Zweifel, ob die vorgelegten Verträge als Werkverträge einzustufen seien. Für eine abschließende Beurteilung komme es auf die konkrete Umsetzung vor Ort an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Widerruf der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zurück und begründete dies wie folgt: Die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung sei auf der Grundlage der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin, wonach überwiegend Bauleistungen erbracht würden, erteilt worden. Wie die Ermittlungen ergeben hätten, insoweit werde auf den Bußgeldbescheid verwiesen, der in seinen objektiven Feststellungen durch den Beschluss des Amtsgerichts bestätigt worden sei, seien diese Angaben falsch gewesen. Der Geschäftsbetrieb der Klägerin habe zumindest seit 2006 überwiegend aus Arbeitnehmerverleih in Baubetriebe bestanden. Für eigene Bauleistungen fehle es an der nötigen Ausstattung mit Maschinen und Material und es seien auch in den Geschäftsunterlagen keine Hinweise auf eigene Geschäftsaktivitäten als Baubetrieb zu finden gewesen. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Erlaubnis nach § 5 Nr. 3 AÜG lägen vor. Es lägen Versagungsgründe vor. Bei juristischen Personen sei auf die Zuverlässigkeit ihres gesetzlichen Vertreters abzustellen. Insoweit sei auf die Zuverlässigkeit des Geschäftsführers, namentlich des gegenüber der Behörde aufgetretenen Zeugen P. F., abzustellen. Herr F. habe die wahrheitswidrigen Angaben gemacht und dadurch den Eindruck erweckt, es handele sich weiterhin um einen Baubetrieb. Er habe daher nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besessen. Es bestehe auch nicht trotz der Angaben ein Anspruch auf die Erlaubnis, da der Verleih in Baubetriebe erfolgt sei, der nach § 1b AÜG für die Klägerin nicht erlaubnisfähig gewesen sei. Da der Verleih in Baubetriebe nicht erlaubnisfähig sei, wenn die Klägerin nicht selbst überwiegend Bautätigkeiten betreibe, sei ein milderes Mittel als der Widerruf im Rahmen der Ermessensprüfung nicht in Betracht gekommen. Die Abberufung von P. F. zum 1.1.2013 ändere nichts an dieser Bewertung. Denn Herr F. nehme weiterhin Einfluss auf die Klägerin. Als Gesellschafter und weiterhin Geschäftsführer der mit der Klägerin verflochtenen F. GmbH B.-E ... Es sei vom derzeitigen Geschäftsführer eine eigene Bautätigkeit von 65 % angegeben worden, wofür jedoch keine überzeugenden Belege vorlägen. Es sei deshalb weiterhin rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung zu erwarten, wenn die Erlaubnis nicht widerrufen werde.

Die Klägerin hat am 16. August 2013 hiergegen die vorliegende Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben und wie folgt begründet: Die Beklagte scheine die Begründung ausgewechselt zu haben. Nunmehr stelle sie nicht mehr auf einen schuldhaften Verstoß gegen § 1b AÜG ab, sondern sie spreche ihr die Zuverlässigkeit ab, weil P. F. falsche Angaben gemacht habe. Hierbei sei jedoch zu berücksichtigen, dass P. F. nicht mehr ihr Geschäftsführer sei, sondern nur Minderheitsgesellschafter (mit einem Gesellschaftsanteil von 40 %). Mit diesem Gesellschaftsanteil könne er keinen bestimmenden Einfluss auf die Geschäfte ausüben. Zudem habe er schuldhaft keine falschen Angaben gemacht. Der Vorwurf einer zumindest fahrlässigen Falschangabe könne Herrn F. nicht gemacht werden. Es sei zu beachten, dass das Amtsgericht ausgeführt habe, dass der subjektive Tatbestand nicht vorgelegen habe. Der behauptete Verstoß gegen die Auskunftsverpflichtung des § 7 Abs. 2 AÜG rechtfertige den Widerruf der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht. Zudem habe es solche falschen Angaben nicht gegeben. Die Beklagte habe die Erlaubnis aufgrund von eigenen Überprüfungen erteilt. Sie habe sich mehr als 15 Jahre selbst ein Bild davon gemacht, dass die Angaben richtig seien. Es komme nicht auf die Situation 1996 oder 2006 sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an. Ab 2013 sei eine gewisse Zäsur festzustellen, als Erkenntnisse aus dem OWiG-Verfahren und Hinweise des Hauptzollamtes Berücksichtigung in der Weise gefunden hätten, dass die vertraglichen Grundlagen den dortigen Erkenntnissen klarstellend angepasst worden seien. Zudem sei das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 18. Juni 2015 (Martin Meat u. a.) C-586/13 zu berücksichtigen. Danach sei das Argument für das Bestehen einer Arbeitnehmerüberlassung, wenn eine "Eingliederung" des Fremdarbeitnehmers in den Betriebsablauf der Auftraggeberin stattfinde, in der bisherigen Form nicht aufrechtzuerhalten. Schon rein praktisch könne sich ein Mitarbeiter eines Subunternehmens nicht den Weisungen des Auftraggebers entziehen und sei mehr oder weniger intensiv in den gesamten Arbeitsablauf/Bauablauf eingebunden. So müsse auf jeder Baustelle "Hand in Hand" gearbeitet werden. Der Auftraggeber sage, was erbracht werden müsse, der Auftragnehmer entscheide im Wesentlichen, wie die Leistungserbringung konkret erfolge. Dies habe der EuGH erkannt und ausgeführt, dass bei einem Dienstleistungsvertrag (der keine Arbeitnehmerüberlassung ist) der Kunde bei der Erbringung von Dienstleistungen den Arbeitnehmern des Dienstleistungserbringers bestimmte allgemeine Anweisungen erteilen dürfe, ohne dass damit in Bezug auf diese Arbeitnehmer die Ausübung einer Leitungs- und Aufsichtsbefugnis wie bei einer Arbeitnehmerüberlassung verbunden sei. Dies gelte, sofern der Dienstleistungserbringer seinen Arbeitnehmern die genauen und individuellen Weisungen erteile, die er für die Ausführung der betreffenden Dienstleistung für erforderlich halte. Auch das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 30. Januar 1991 – 7 AZR 508/89 –) erkenne an, dass der Werkbesteller dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werkes erteilen könne. Solche Dienst- oder Werkverträge würden vom AÜG nicht erfasst.

Die Klägerin hat erfolgreich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Magdeburg (S 20 AL 345/13 ER) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Widerruf der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erreicht (Beschluss vom 6. September 2013).

Mit Urteil vom 12. Oktober 2015 hat das Sozialgericht Magdeburg der Klage stattgegeben und den Widerrufsbescheid vom 12. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2013 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es komme darauf an, ob bei Erlass des Widerspruchsbescheides Tatsachen vorlägen, die die Annahme rechtfertigten, dass die Klägerin unzuverlässig sei. Die Tatsachen müssten dergestalt sein, dass begründeter Anlass zu der Annahme bestehe, dass die mit der weiteren Hinnahme der Tätigkeit der Klägerin verbundenen Risiken nicht länger hinnehmbar seien. Solche Tatsachen habe die Kammer nicht feststellen können. Die Beklagte habe sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, dass seit Ende 2012 der von ihr als unzuverlässig eingestufte Geschäftsführer nicht mehr Mitglied der Geschäftsführung sei. Soweit die Beklagte davon ausgehe, der ehemalige Geschäftsführer übe weiterhin einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft aus, sei dies nicht mit Tatsachen unterlegt. Zudem habe sich die Beklagte nicht damit auseinandergesetzt, dass die Klägerin angegeben habe, seit Beginn 2013 ihr Geschäftsmodell umgestellt zu haben. Die im Verwaltungsverfahren von der Beklagten aufgestellte Behauptung, die Klägerin versuche lediglich den Anschein zu erwecken, bei den Verträgen würde es sich um die Erbringung von Baudienstleistungen handeln und nicht um Arbeitnehmerüberlassung, habe die Beklagte nicht zur Begründung ihres Widerspruchs herangezogen. Im Übrigen seien die Behauptungen auch nicht durch Tatsachen untersetzt. Anlass zur weiteren Amtsaufklärung ergäbe sich nicht, da keine substantiierten, belastbaren Angaben der Beklagten vorlägen. Ermittlungen (Durchsuchungen usw.) nach dem Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides könnten nicht herangezogen werden.

Gegen das ihr am 5. November 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9. November 2015 Berufung eingelegt und wie folgt begründet: Die Widerrufsvoraussetzungen lägen vor, weil die Klägerin unzuverlässig geworden sei. Die hierfür erheblichen Tatsachen seien erst nach der Erteilung der unbefristeten Erlaubnis festgestellt und auch erst für die Zeit ab dem Jahr 2006 nachgewiesen worden. Unzuverlässig sei ein Entleiher, wenn zu vermuten sei, dass er das Gewerbe nicht im Einklang mit den bestehenden rechtlichen Vorschriften ausübe. Der Verleiher habe daher auch die Einschränkungen des § 1b AÜG zu beachten. Insofern sei eine Prognose zu treffen, die sich auf Tatsachen der Vergangenheit und der Gegenwart stütze. Bei juristischen Personen sei dabei auf die Zuverlässigkeit der vertretungsberechtigten Organe abzustellen. Die Klägerin (bzw. ihre Organe) hätten auch nach dem 1. Januar 2013 gegen das gesetzliche Verbot verstoßen, Arbeitnehmer in Betriebe des Baugewerbes zu verleihen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf den Ausnahmetatbestand von § 1b Satz 2 Buchst. b) AÜG berufen, wonach die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Baubetrieben des Baugewerbes gestattet sei, wenn der verleihende Betrieb nachweislich seit mindestens drei Jahren von denselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen oder von deren Allgemeinverbindlichkeit wie der Entleiher erfasst werde. Die Klägerin sei in den letzten drei Jahren vor dem Jahr 2013 nicht als Baubetrieb von denselben Tarifverträgen wie der Entleiher erfasst worden. Das Amtsgericht E. habe in seinem Beschluss vom 8. November 2012 festgestellt, dass die Klägerin kein Baubetrieb gewesen sei. Das objektive Vorliegen von unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung durch die Klägerin in einer Vielzahl von Fällen jedenfalls im Zeitraum 2006 bis 2009 sei festgestellt worden. Das Gericht habe selbst darauf hingewiesen, dass der Beschluss volle Rechtskraft entfalte. Die Klägerin habe ihr Geschäftsmodell nach eigener Darstellung erst im Jahr 2013 geändert. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die Klägerin mindestens noch bis Ende 2012 kein Baubetrieb gewesen sei. Die für die Ausnahmevorschrift maßgebliche "Wartezeit" von mindestens drei Jahren habe die Klägerin danach nicht erfüllt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Es gebe keine tatsächlichen Feststellungen, die gegen ihre Baubetriebseigenschaft sprächen. Aus der Verfahrensabsprache vor dem Amtsgericht E. könne keine "Rechtskrafterstreckung" auf den streitgegenständlichen Zeitraum folgen. Die Absprache habe der wirtschaftlichen Vernunft gehorcht, weil Forderungen in Höhe von 8 bis 9 Millionen im Raum gestanden hätten. Es habe sich nicht um ein gerichtliches Geständnis gehandelt. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass in Verfahren gegen die SOKA-Bau dieser untersagt worden sei, ihr - der Klägerin - nur eingeschränkte Bescheinigungen über die Teilnahme an dem Sozialkassenverfahren auszustellen (Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. März 2016 – 22 Sa 1885/15). Sie zahle seit Aufnahme ihrer Tätigkeit ununterbrochen je nach Arbeitnehmerbestand zwischen 2 und 2,5 Millionen Euro in die Sozialkassen ein.

Es müsse höchstrichterlich geklärt werden, ob auch in dem Fall, in dem reine Arbeitnehmerüberlassung unterstellt würde, nicht gleichwohl eine baubetriebliche Tätigkeit vorläge. Es müsse auf die mit den Bauleistungen befassten Arbeitnehmer abgestellt werden. Inzwischen habe die Beklagte auch Druck auf die Finanzverwaltung ausgeübt, um sie "vom Markt zu fegen". So werde gegen sie eine Rückforderung von Umsatzsteuern für den Zeitraum 2007 bis 2011 in Höhe von 16 Millionen Euro geltend gemacht, deren Vollziehung erst auf ihren Antrag ausgesetzt wurde.

Es sei unbeachtlich, dass sie keine Angebote auf Ausschreibungen abgebe. Dies brauche sie nicht, weil gewachsene Kundenbeziehungen bestünden. Die Preise seien auch kalkuliert. Sowohl die Niederlassungsleiter als auch die gewerblichen Arbeitnehmer seien sämtlich einschlägig ausgebildete Fachkräfte. So seien beispielsweise die Niederlassungsleiter K. und G. Diplomingenieure (Bau). Sie, die Klägerin, unterbreite Nachträge, wenn der ursprünglich angedachte Zeit-/Leistungsansatz nicht funktioniert habe. Werkstoffe würden nicht vorfinanziert, ein Bauhof existiere in B.-E ... Die Beklagte gehe von einer antiquierten Vorstellung eines Baubetriebes aus, wenn sie die Vorhaltung von Maschinen und den Einkauf von Materialien fordere. Dies sei bei der heutigen Komplexität von Bauvorhaben und der Notwendigkeit der Vergabe von Subaufträgen für einzelne Arbeiten nicht mehr möglich. Die Abrechnung nach Stundenverrechnungssätzen sei eine übliche Vorgehensweise, so sehe § 15 Nr. 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) eine solche Abrechnung vor. Sie minimiere zwar ihre Gewährleistungsansprüche. Den klassischen und wichtigsten Gewährleistungsanspruch im Bauvertragsrecht, nämlich den Nacherfüllungsanspruch, schließe sie explizit nicht aus. Die Weisungen würden durch ihre Vertreter erteilt. Dies sei so im Vertragswerk strukturiert und auch Vertragspraxis. Entscheidend sei, dass die Leistung in ihrer eigenen Verantwortung durchgeführt werde.

Auf Auflage des Berichterstatters im Verfahren L 2 AL 54/15 (betreffend Winterbauleistungen für Dezember 2012 in Bezug auf die Niederlassung P., Verträge, die von den bisher vorgefundenen bis zum Jahr 2012 abwichen, vorzulegen, hat die Klägerin ergänzend vorgetragen und die Anlagenkonvolute 13, 14a, 14, 15 und 16 vorgelegt, welche auch zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht wurden.

Außerdem hat die Klägerin ausgeführt: Die Auflage sei zu umfangreich, es würden je nach Jahreszeit zwischen 450 und 700 Mitarbeiter beschäftigt. Dementsprechend hoch sei die Anzahl der Verträge. Es sei jetzt nicht mehr nachvollziehbar, welche konkreten Leistungen damals angeboten worden seien, die Aufbewahrungspflichten seien abgelaufen. Die Finanzämter hätten in Bezug auf die umsatzsteuerrechtliche Problematik angeregt, Bestätigungen der Vertragspartner vorzulegen. Hierauf habe sie 310 Bestätigungsschreiben zurückerhalten, von denen sie 273 Bestätigungsschreiben noch vorlegen könne. Diese beträfen 70 % des insgesamt nachgefragten Volumens.

Die betreffenden Erklärungen lauten: "Hiermit erklären wir, dass die F.-I. S. GmbH als von uns beauftragter Nachunternehmer Bauleistungen für eine von uns selbst zu erbringende Bauleistung erbracht hat. Als Vertragspartner waren wir uns über die Anwendung §13b UStG einig. Der Umsatz wurde von uns als Leistungsempfänger fristgerecht und in zutreffender Höhe versteuert. Eine Betriebsprüfung ( ) ergab bezüglich der Umsatzsteuer keinerlei Abweichungen gegenüber unseren angemeldeten Besteuerungsgrundlagen". Zum Teil waren Umsatzzahlen und Baustellen angegeben. Für weitere Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut 14, als Beiakten geführt, verwiesen. In 23 ausführlicheren Schreiben werden nach dem obigen Text noch nachfolgend Bauvorhaben und Gesamtumsätze angegeben (Anlagenkonvolut 13, als Beiakte geführt). Für weitere Einzelheiten wird auf die genannten Anlagen verwiesen. Auf Betreiben des Finanzamtes G. seien im Jahr 2017 weitere Bescheinigungen von Auftraggebern angefordert worden. Diesbezüglich reichte die Klägerin 523 Bescheinigungen von Auftraggebern für das Finanzamt ein, mit einer Bestätigung des Auftraggebers, die Umsatzsteuer zu schulden und abgeführt zu haben. Für weitere Einzelheiten wird auf die Erklärungen im Anlagenkonvolut 14a verwiesen.

Die Bestätigungen würden sich auf Bauumsätze in Höhe von 101.313.669,66 EUR beziehen, bei einem Gesamtumsatz von 133.515.833,11 EUR. Zum Beweis, dass die jeweiligen Bestätigungen/Bescheinigungen zutreffend seien, beziehe sie sich auf die jeweiligen Mitarbeiter der Auftraggeber, die das Gericht ggf. im Rahmen der Amtsermittlung ermitteln könne. Für weitere Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 26. März 2018 im Verfahren L 2 AL 54/15 verwiesen.

Darüber hinaus hat die Klägerin Verträge und Schriftverkehr aus den Jahren 2004 bis 2016 überreicht, die zeigen, dass einzelne unterschiedliche Verträge geschlossen wurden (in wenigen Einzelfällen auch unter Vereinbarung der VOB/B). So ist Verhandlungsprotokoll über einen Auftrag der Fa. M. GmbH & Co KG von der Beteiligung des Auftragnehmers an der Bauleistungsversicherung (0,35 % der Netto-Abrechnungssumme, Abzug bei Schlusssumme) die Rede und nach Ziffer 12 gilt für Mängelansprüche des Auftragnehmers/Nachunternehmers § 13 VOB/B. Des weiteren sind die "Grundsätzlichen Verhaltensweisen für Nachunternehmer" der Firma H. beigefügt. Für weitere Einzelheiten wird auf die vereinzelten vorgelegten Verträge für die verschiedenen Jahre (Anlagenkonvolut 16) verwiesen.

Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 30. August 2018 u. a. darauf hingewiesen, dass es bei der Frage, ob die Arbeitnehmerüberlassung gestattet sei, wohl nur auf die Praxis und Vertragsgestaltung bei der Klägerin bis zum 31. Dezember 2012 ankomme. So erfordere die Ausnahmebestimmung für einen zulässigen Arbeitnehmerverleih in das Baugewerbe in § 1b Satz 2 Buchst. b) AÜG, dass der Betrieb nachweislich mindestens drei Jahre von denselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen erfasst sei.

Auf die Auflage des Berichterstatters in diesem Verfahren, u. a. weitere Einzelheiten zu den Umständen, Voraussetzungen und Merkmalen der Vertragspraxis bis zum 31. Dezember 2012 vorzutragen, hat die Klägerin den üblichen Geschehensablauf dargestellt. Es sei tatsächlich gängige Vertragspraxis bei ihr, mit einem Neukunden auf der Basis eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages die Zusammenarbeit zu beginnen. Dies sei auch auf neuen Baustellen langjähriger Kunden so erfolgt. Der Grund hierfür sei, dass alle Beteiligten, insbesondere die Auftraggeber, rechtlich "auf der sicheren Seite" sein wollten. So hätten rechtlich Probleme vermieden werden können, wenn am Tage nach Eintreffen ihrer Arbeiter auf der Baustelle eine Baustellenkontrolle stattfände. Deshalb seien für diesen Fall die Arbeitnehmerüberlassungsverträge vorbereitet worden. Die neuen Baustellen seien dann von den Niederlassungsleitern, in der Regel studierten Baufachleuten, besucht worden, um die Abläufe vor Ort zu prüfen. In der Regel habe sich herausgestellt, dass vor Ort wirtschaftlich ein Bauvertrag, sei es als Werkvertrag, sei es als Dienstvertrag, gelebt wurde, bzw. sich nach den getroffenen Vereinbarungen ergab. In der Regel sei vor Ort dann konkret vereinbart worden, wie Nach- und Korrekturarbeiten bei mangelhafter Arbeit durchzuführen seien und wie die Haftung im Schadensfall zu handhaben sei. Dort seien auch die Regularien der Abrechnung besprochen worden. Eine schriftliche Fassung dieser Verträge sei in der Regel nicht erfolgt, weil sie vom Gesetzgeber auch nicht gefordert werde. Dies sei der Grund dafür, warum in diesem Umfang Arbeitnehmerüberlassungsverträge vorgefunden worden seien und in weit geringerem Umfang Werk- und Dienstverträge in Form von Bauverträgen.

Sie habe im Jahr 2012 1.512 Bauvorhaben betreut. Davon seien 1.263 Bauvorhaben als klassische Bauvorhaben im Rahmen eines Bauvertrages gelebt, abgearbeitet und abgerechnet worden. Daraus resultierten 663.758,50 erbrachte Arbeitsstunden im gesamten Unternehmen, wovon 542.306,75 Arbeitsstunden auf Baudienstleistungen in Form von Werk- und Dienstverträgen entfielen. Insgesamt seien im Jahr 2012 6.435 Rechnungen gestellt, davon 5.545 Rechnungen, die als Bauleistungen im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen abgearbeitet worden sei. Hierzu hat die Klägerin als Anlagenkonvolut 19 26 Aktennotizen zu Baustellen, auf denen sie im Rahmen von Bauwerkverträgen für den jeweilig genannten Auftraggeber tätig war, vorgelegt. Diese nicht datierten und unterzeichneten Aktennotizen sind wie folgt aufgebaut: Es wird eine Leistungsbeschreibung mit unterschiedlicher Genauigkeit (z. B. ARGE S. E. T. "Herstellung Stützen und Fundamente, Köpfe, Binder") genannt, ferner der "Baustellenverantwortlicher Vorarbeiter/Polier/F." (hier im Beispiel D.M.und M. E.) und das eingesetzte Personal z. T. mit namentlicher Nennung, z. T. wird nur die Anzahl des Personals genannt. Für weitere Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut 19, als Beiakte geführt, verwiesen.

Der Senat hat die gesamten Verwaltungsakten in allen F.-Verfahren zu diesem Verfahren genommen, u. a. die Interimsakte Beweismittel Haupzollamt E. BMO 1, die Behelfsakte KUG 3257 AA P. und Auszüge EV 575-576/12, Durchsuchung 28. August 2012. Dazu gehört auch die Ermittlungsakte der HZA E. EV 330/14 – Beweismittel und Vernehmung – in Bezug auf die neuen Bußgeldbescheide gegen die Klägerin (nunmehr seit 2013 mit Sitz in Altenburg) vom 26. Oktober 2016 bezogen auf vier Taten (Verträge mit A.-Bau GmbH, H. H.- und T. und I. GmbH, K. R. B. GmbH und U. Bau GmbH & Co KG). Es fanden Durchsuchungen am 5. November 2014 statt und zahlreiche Zeugen wurden befragt. Es wurden interne Unterlagen zu der Ausarbeitung der Vorschläge zur Neufassung der Verträge sowie Regieanweisungen für den Umgang mit Prüfbehörden und Auftraggebern auf verschiedene Fragen gefunden.

Der Senat hat am 21. März 2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und dabei die Zeugen F., E. und G. vernommen. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21. März 2019 verwiesen.

Die Gerichtsakten und die vielbändigen Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Der Rechtsweg ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu den Sozialgerichten gegeben. Bei der streitigen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bzw. deren Widerruf handelt es sich um eine Angelegenheit, die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit betrifft. Die Berufung ist auch statthaft, sie bedurfte nicht der Zulassung. Es handelt sich nicht um eine Klage, die auf eine Geld, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtet ist, i. S. d. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Denn sie richtet sich gegen einen Widerruf einer Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung.

Die Berufung ist auch begründet und das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg ist aufzuheben. Der Bescheid der Beklagten vom 12. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2013, mit dem die Erlaubnis der Klägerin zur Arbeitnehmerüberlassung widerrufen wurde, ist rechtmäßig.

I. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Beklagte hat eine Anhörung gemäß der allgemeinen Vorschrift nach § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) durchgeführt. Das VwVfG ist anzuwenden, da das AÜG nicht zu den Büchern des Sozialgesetzbuches gehört und daher das Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) insoweit nicht anwendbar ist und zudem eigene spezielle Verwaltungsverfahrensvorschriften im AÜG hierzu fehlen. Inhalt der Anhörung muss sein, dass die Verwaltung den Betroffenen zu den aus ihrer Sicht erheblichen Tatsachen die Gelegenheit gibt, sich zu äußern (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 6/12 R – juris). Ist das relevante Problem unterbreitet, ist es unerheblich, ob die Beklagte hierbei eine zutreffende Subsumtion von § 5 AÜG vorgelegt hat, solange der Empfänger versteht, warum die Erlaubnis widerrufen werden soll. Die Anhörung genügte den Vorgaben aus § 28 VwVfG. Mit Schreiben vom 3. August 2012 hat die Beklagte die Klägerin dazu angehört, dass sie beabsichtige, die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu widerrufen. Hierbei hat sie der Klägerin die aus ihrer – der Beklagten – Sicht bestehenden Anhaltspunkte für das Fehlen der Baubetriebseigenschaft und den Verstoß gegen § 1b AÜG verwiesen. So hat sie auf den Bußgeldbescheid des Hauptzollamtes vom 31. Mai 2012 und den dort dokumentierten Verstoß gegen § 1b AÜG verwiesen. Weiter hat die Beklagte ausgeführt, die Klägerin verfüge nicht mehr über die Baubetriebseigenschaft. Das Fehlen der Baubetriebseigenschaft führe dazu, dass die Klägerin nicht mehr von der Ausnahmeregelung des § 1b Satz 2 Buchst. b AÜG erfasst werde und nicht in Baubetriebe hätte verleihen dürfen. Dies rechtfertige die Annahme, dass der Verleiher die für die Erteilung und Verlängerung erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze und berechtige zum Widerruf.

II. Der Widerruf ist auch materiell rechtmäßig.

1. Die Rechtsgrundlage für die Aufhebung der bereits erteilten Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung folgt aus § 5 AÜG, der den Widerruf der Erlaubnis für die Zukunft regelt. Hier kommt der Fall nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 AÜG in Betracht. Danach kann die Erlaubnis mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Erlaubnisbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen. Während § 4 AÜG die Rücknahme einer rechtswidrigen Erlaubnis betrifft, behandelt § 5 AÜG den Widerruf einer ursprünglich rechtmäßigen Erlaubnis. Der Widerruf kommt aber auch in Betracht, wenn die anfängliche Rechtmäßigkeit zweifelhaft ist, aber nunmehr eindeutig Widerrufsgründe vorliegen (vgl. Schüren in Schüren/ Hamann, AÜG, 5. Aufl. § 5 Rn. 7 m. w. N.). Insofern kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass die Erlaubnis nach der Rechtsmeinung der Beklagten ggf. von Anfang an rechtswidrig war.

2. Es liegen auch die Voraussetzungen für die Versagung der Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG vor. Nach dieser Vorschrift ist eine Erlaubnis oder Verlängerung der Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Betrieb die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 AÜG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, weil in ihm u. a. die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht eingehalten werden. Maßgebend ist hierbei eine Prognose für die Zukunft, d. h. ein aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen der Vergangenheit und der Gegenwart gezogener Schluss auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten im Betrieb bzw. seiner Organe (vgl. Pelzner/Kock in Thüsing, AÜG, 3. Aufl., § 3 Rn. 15). Bewusste Pflichtverstöße können als Indiz für die Wiederholungsgefahr berücksichtigt werden, wohingegen einmaligen fahrlässigen Verstößen eine solche Indizwirkung nicht zukommt.

a) Der maßgebende Zeitpunkt, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für das Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG vorlagen, ist der Erlass des Widerspruchsbescheides am 31. Juli 2013. Zu diesem Zeitpunkt ist die negative Prognose zu stellen, dass die Klägerin zukünftig bei der Ausübung der Verleihtätigkeit die in § 3 Abs. 1 AÜG niedergelegten Pflichten nicht wird erfüllen können. So ist maßgebender Zeitpunkt bei der reinen Anfechtungsklage grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung. Bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen, die mit der reinen Anfechtungsklage angefochten werden, ist immer der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 4/15 R – zitiert nach juris). Vorliegend handelt es sich um einen solchen Verwaltungsakt, weil die Vorschrift der Verwaltung Ermessen einräumt. Zudem spricht auch die Rechtsfolge des Widerrufs für eine solche Begrenzung. So macht der Widerruf die Erlaubnis mit exnunc Wirkung unwirksam, also für die Zukunft. Mit dem Wirksamwerden des Widerrufs erlischt die Verleiherlaubnis.

b) Der in Rede stehende Verstoß gegen § 1b Satz 1 AÜG ist so gravierend, dass er einen relevanten Versagungsgrund darstellt. Denn es geht vorliegend um ein komplettes über viele Jahre praktiziertes Geschäftsmodell, welches einen Verstoß gegen das Verbot nach § 1b Satz 1 AÜG darstellt. Hierin ist geregelt, dass Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes für Arbeiten, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden, unzulässig ist. Es handelt sich bei dieser Vorschrift um ein Verbotsgesetz nach § 134 BGB (vgl. OLG Hamm Urteil vom 13. April 2016 – I 12 U 125/15 – juris; Hamann in Schüren/Hamann, AÜG, 5. Aufl., § 1b Rn. 90; J. Ulber in Ulber, AÜG, 5. Aufl., § 1b Rn. 24 m. w. N.). Daraus folgt, dass auch alle Arbeitsverträge mit Beschäftigten nichtig und nur als fehlerhaftes faktisches Arbeitsverhältnis zu behandeln sind. Dies stellt elementare nicht nur einmalig Verstöße gegen arbeitsrechtliche Pflichten dar. Bereits die illegale Überlassung allein indiziert daher regelmäßig die Unzuverlässigkeit (vgl. Schüren in Schüren/Hamann, AÜG, 5. Aufl., § 5 Rn. 28).

c) Es waren auch noch am 31. Juli 2013 (dem Tag der letzten Verwaltungsentscheidung) prognostisch zukünftig weitere Verstöße gegen § 1b AÜG zu erwarten, so dass auch zu diesem Zeitpunkt ein Versagungsgrund bestand.

Wie bereits dargestellt ist nach § 1b Satz 1 AÜG die Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes für Arbeiten, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden, unzulässig. Sie ist nach Satz 2 Buchstabe b) der Vorschrift gestattet, zwischen Betrieben des Baugewerbes, wenn der verleihende Betrieb nachweislich seit mindestens drei Jahren von denselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen oder von deren Allgemeinverbindlichkeit erfasst wird. Hiermit soll nach den Gesetzesmaterialien die sog. Kollegenhilfe innerhalb des Baugewerbes geregelt werden (BT-Drs. 15/91 Seite 17). Andererseits soll durch die Forderung des Bestehens der Tarifbindung seit drei Jahren (eingeführt zum 1. Januar 2003) erreicht werden, dass Baubetriebe nicht allein zu dem Zweck errichtet werden, Arbeitnehmerüberlassung in das Baugewerbe zu betreiben (BT-Drs. a. a. O.). Entscheidend ist demnach, ob auch die Klägerin mindestens seit drei Jahren vor dem 31. Juli 2013 unter den Geltungsbereich des für die Entleiher maßgeblichen allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) gefallen ist. Der Geltungsbereich des BRTV erfasst Betriebe, die nach ihrer Art der betrieblichen Tätigkeit gewerblich Bauten aller Art erstellen, die gewerblich bauliche Leistungen erbringen, welche der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen oder sonstige bauliche Leistungen erbringen und die aufgeführten Arbeiten in Abschnitt IV (Aufstellen von Gerüsten, Bauten- und Eisenschutzarbeiten usw. (§ 1 Abs. 2 BRTV).

aa) Die Klägerin ist nicht schon deshalb ein Baubetrieb, weil sie Baufacharbeiter an Baubetriebe verleiht, die dort klassische Bautätigkeiten erbringen (z.B. Schalungsarbeiten). Der Betriebszweck eines Betriebes, der Arbeitnehmer verleiht, besteht in der Zurverfügungstellung von Arbeitskräften an andere Unternehmen und entgegen der Ansicht der Klägerin nicht in der Erbringung von Bauleistungen. Der Betriebszweck eines Baubetriebes und eines Verleihbetriebes unterscheiden sich wesentlich. Der Verleihbetrieb ist ein Dienstleistungsunternehmen und hat den Zweck, Arbeitnehmer anderen Unternehmen zu überlassen (vgl. BAG, Urteil vom 24. März 2004 – 5 AZR 303/03 – juris). An welches Unternehmen die Arbeitnehmer überlassen werden, betrifft den Kern des Betriebszweckes eines Verleihbetriebes nicht. Welche Arbeiten der Leiharbeitnehmer konkret verrichtet, welches Bauwerk er errichtet usw. ist für den Verleiher nicht von Interesse. Das Überlassen von Arbeitnehmern selbst ist keine baugewerbliche Tätigkeit (vgl. Hamann in Schüren/Hamann, AÜG, 5. Aufl, § 1b Rn. 75, Boemke in Lembke/Boemke, AÜG, § 1b Rn. 36). Ansonsten würde auch die gesetzliche Regelung in § 1b Satz 2 AÜG ins Leere gehen. Hiermit soll nach den Gesetzesmaterialien, die sog. Kollegenhilfe innerhalb des Baugewerbes geregelt werden (BT-Drs. 15/91 Seite 17). Diese Ausnahmevorschrift wäre nicht nötig, wenn ohnehin die Überlassung von Bauwerkern an Baubetriebe die Erbringung von Bauleistungen darstellen würde.

bb) Die Klägerin hat nach der Überzeugung des Senates in Auswertung der vorliegenden Unterlagen, beigezogenen Akten und unter Würdigung der Beweisaufnahme vom 21. März 2019 jedenfalls bis zum 31. Dezember 2012 ein Geschäftsmodell praktiziert, welches ganz überwiegend auf Arbeitnehmerüberlassung ausgerichtet war und war deshalb kein Betrieb des Baugewerbes. Infolgedessen konnte sie sich nicht auf die zulässige Kollegenhilfe unter Baubetrieben berufen, sondern hat unzulässige Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes für Arbeiten, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden, betrieben. Der Senat musste hierbei nicht die Arbeitsstunden der Arbeitnehmer, die auf die verschiedenen Vertragstypen, die Arbeitnehmerüberlassung einerseits und auf Bauverträge als Subunternehmer andererseits entfielen, auseinanderrechnen und gewichten. Denn - bis auf nicht in das Gewicht fallende einzelne Verträge - handelt es sich nach Darstellung der Klägerin um eine einheitliche Geschäftspraxis in allen Niederlassungen, bei der die Klägerin behauptet, entgegen den abgeschlossenen schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsverträgen die überwiegende Anzahl der Verträge und Aufträge in der Durchführung "anderes gelebt zu haben".

Zunächst sind die Verträge über Bauleistungen (Werk- oder Dienstvertrag) von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen abzugrenzen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Rechtsprechung folgende Kriterien für die Abgrenzung von einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und einem Dienst/oder Werkvertrag aufgestellt: Eine Überlassung von Arbeitskräften liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich endet die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat (vgl. BAG, Urteil vom 20. September 2016 – 9 AZR 735/15 – zitiert nach juris). Bei einer Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages hingegen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch dem Werkunternehmer oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werkes erteilen (BAG a. a. O.).

Insoweit hat auch der EuGH - entgegen der Ansicht der Klägerseite – in der Entscheidung Martin Meat (Urteil vom 18. Juni 2015 – C -586/13 – Rn. 40 zitiert nach juris) nichts wesentlich Neues entschieden. In dieser Entscheidung hat der EuGH hervorgehoben, dass die Beaufsichtigung und Leitung der Arbeitnehmer selbst von der vom Kunden durchgeführten Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung eines Dienstleistungsvertrages zu unterscheiden sei. D. h., der Kunde kann bei der Erbringung von Dienstleistungen bestimmte allgemeine Anweisungen erteilen, ohne dass dies eine Ausübung der Aufsichtsbefugnis i. S. einer Arbeitnehmerüberlassung darstellt, sofern der Leistungserbringer seinen Arbeitnehmern die genauen und individuellen Weisungen erteilt, die er für die Ausführung der betreffenden Dienstleistungen für erforderlich hält. Dies deckt sich mit den Ausführungen des BAG, wonach allgemeine Weisungen zu der Ausführung des Werkes oder der Dienstleistung unschädlich sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann darin weder eine Aufgabe des Merkmals der "Eingliederung" noch eine Anerkennung "der Realität, dass stets der Auftraggeber auf den Baustellen die Weisungen gibt", erkannt werden.

Kennzeichen eines Bauvertrages ist eine abgegrenzte Leistung, die der Subunternehmer eigenverantwortlich zu erbringen hat. So heißt es in § 4 VOB/A, Bauleistungen seien so zu vergeben, dass die Vergütung nach Leistung bemessen wird. Auch bei einem Stundenlohnvertrag im Baubereich bleibt dieser Bezug zu einem bestimmten Leistungsumfang bestehen. Die Vergütung nach Stundenlöhnen ist eine Ausnahme von der Regelform des Leistungsvertrages. Solche Arbeiten werden auch als "Regiearbeiten" oder "Arbeiten auf Regiebasis" bezeichnet. Hier wird der für die Erbringung der Bauleistung erforderliche Aufwand an Arbeitsentgelt und Material abgegolten (vgl. Leupertz/v. Wietersheim, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 4 VOB/A Rn. 28). Von besonderer Bedeutung ist der "Stundenlohnzettel" nach § 15 Abs. 3 VOB/B. Dieser ist von dem Auftragnehmer auszufüllen und dem Auftraggeber zur Prüfung vorzulegen. Für eine ausreichende Dokumentation muss die Art und der Umfang der Leistung nachvollziehbar sein. Insofern bedarf es einer nachvollziehbaren Beschreibung der ausgeführten Tätigkeit und möglichst der Verortung der Tätigkeiten (z. B. Bauteil, Ebene, Achse) (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. August 2013 – 22 U 161/12 – juris). Da es sich um eine Ausnahme von der Regelform der Leistungserbringung handelt, bestehen nach der VOB/B Einschränkungen. Die Stundenlohnvergütung darf nur zum Zuge kommen, wenn es sich um Bauleistungen geringen Umfanges handelt, insbesondere bei Neben- oder Hilfsarbeiten - z. B. das Stemmen von Löchern oder Schlitzen für Leitungsrohre bei einem gleichzeitig errichteten Rohbau (vgl. Schranner in Leupertz/v. Wietersheim, VOB, 20. Aufl 2017, § 4 Rn. 30). Der Grundsatz, dass sich die Stundenlohnvereinbarung auf eine abgrenzbare Leistung beziehen muss, gilt auch für Regiestunden nach Werkvertragsregelungen des BGB, wenn keine VOB/B vereinbart sind.

Die Klägerin hat vor dem 1. Januar 2013 arbeitszeitlich ganz überwiegend keine eigenständigen gewerblichen Bauleistungen auf dem Baumarkt erbracht, sondern Arbeitnehmerüberlassung betrieben.

Da nach der eigenen Darstellung der Klägerin in Übereinstimmung zu den von den Zollämtern beschlagnahmten Unterlagen bis auf wenige Ausnahmen ein einheitliches Geschäftsmodell praktiziert wurde, kann dieses exemplarisch geprüft werden. Danach stellt sich für den Senat die Sachlage zusammenfassend wie folgt dar: Bis zum 31. Dezember 2012 wurden von der Klägerin schriftliche Arbeitnehmerüberlassungsverträge für einzelne Arbeitnehmer mit den Auftraggebern geschlossen, auch im weiteren Fortgang der Baustelle wurde kein geänderter schriftlicher Vertrag unterzeichnet (1). Zudem wurde ausschließlich auf der Basis der von der Klägerin vorgefertigten Stundenzettelformulare unter Bezugnahme auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag die Stunden von den Arbeitnehmern aufgeschrieben und vom Auftraggeber bestätigt (2). Abgerechnet wurde ohne nähere Angabe der durchgeführten Arbeiten allein unter Verwendung von Gattungsangaben (3). Der Umstand, dass der Auftraggeber bei der Abrechnung die Umsatzsteuer gem. § 13b UStG trägt, ist nicht entscheidend (4). Die von der Klägerin behauptete, mündlich besprochene und "anders gelebte" Vertragsdurchführung im weiteren Verlauf der Leistungserbringung hält der Senat für nicht nachvollziehbar; dabei stellen auch die Erklärungen der Auftraggeber (Anlagenkonvolute 13, 14, und 14a) keinen ausreichenden Hinweis auf eine abweichende Vertragspraxis dar, sondern beziehen sich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der steuerrechtlichen Behandlung durch die Vertragsparteien (5).

Im Einzelnen gilt:

(1) Es wurden bis zum 31. Dezember 2012 im Regelfall schriftliche Arbeitnehmerüberlassungsverträge für die einzelnen Arbeitnehmer der Klägerin mit den Auftraggebern abgeschlossen. Der Zeuge E., ein früherer Geschäftsführer der Klägerin (und nunmehrige Gesellschafter), hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. März 2019 erklärt, dass zur Sicherheit immer Überlassungsverträge geschlossen wurden. Auch der Zeuge G. hat ausgeführt, dass häufig Überlassungsverträge abgeschlossen wurden, bzw. dass in seiner Niederlassung für jeden Arbeitnehmer zu Beginn ein Überlassungsvertrag schriftlich vereinbart worden ist. Nach der eigenen Darstellung der Klägerin zu dem üblichen Geschehensablauf im Schriftsatz vom 13. November 2018 (Bl. 332 GA) war der Abschluss eines schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsvertrages der Regelfall. Danach ist es bei ihr gängige Praxis gewesen, mit Neukunden und auf neuen Baustellen langjähriger Kunden zunächst schriftliche Arbeitnehmerüberlassungsverträge zu schließen. Damit hat die Klägerin auch das Auffinden der schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsverträge bei einem nahezu vollständigen Fehlen anderer schriftlicher Verträge bei den Durchsuchungen durch den Zoll zu erklären versucht. Auf die Auflage, andere bis zum 31. Dezember 2012 verwandte schriftliche Verträge vorzulegen, hat die Klägerin nur vereinzelte Verträge in den Jahren 2010 bis 2012 vorgelegt, unter denen nur ein Vertrag unter Vereinbarung von der VOB/B (Firma M. GmbH & Co KG) war.

Der Vortrag der Klägerin bezog sich damit zuletzt nicht mehr darauf, dass tatsächlich in relevanter Zahl andere schriftliche Verträge mit den Auftraggebern abgeschlossen worden seien, sondern ausschließlich darauf, dass die Vertragsdurchführung im weiteren Verlauf "anders gelebt worden sei". Der Zeuge G. hat dazu ausgeführt, dass ein "Wechsel des Vertrages per Handschlag nach 2-3 Tagen" erfolgt sei. In diesem Zusammenhang hat der Senat es nicht mehr für erforderlich erachtet, die Zeugen S. und H. vom Hauptzollamt zu hören. Diese waren im Rahmen der behaupteten "anders gelebten Vertragspraxis" nicht anwesend. Die vorgefundenen schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsverträge weisen auch alle Merkmale für Arbeitnehmerüberlassung auf. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt, nach deren Darstellung "zur Sicherheit" Arbeitnehmerüberlassungsverträge abgeschlossen worden sind. Gegenstand dieser Verträge sind "Leiharbeitnehmer", die angefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthalten die für eine Arbeitnehmerüberlassung typische Risikoverteilung. So ist die Haftung der Klägerin für die Arbeitnehmer gem. Ziffer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Bl. 50 RS Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E.) auf das Auswahlverschulden begrenzt. Ein geänderter schriftlicher neuer Vertrag (Werk- oder Dienstleistungsvertrag) wurde nicht geschlossen. Als einziges Vertragsdokument (mit Ausnahme von Rahmenverträgen) ist der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag aufbewahrt und abgelegt worden. Die Klägerin behauptet zwar, dass es mündlich abgeänderte Vereinbarungen und eine "anders gelebte" Vertragspraxis gegeben habe, nicht aber, dass diesbezüglich auch andere Unterlagen zu den Akten genommen worden seien. Weitere Ermittlungen in Bezug auf schriftliche Unterlagen über die Änderung der Arbeitnehmerüberlassungsverträge waren damit nicht anzustellen.

(2) Die Arbeitnehmerüberlassungsverträge als Vertragsgrundlage wurden auch bei der Erfassung der geleisteten Stunden in Bezug genommen. Die Klägerin hat hierbei einen Vordruck verwandt, den der Zeuge F. nach eigener Aussage selbst entwickelt und den die Klägerin jedenfalls bis Ende 2012 auch ausschließlich verwandt hat. So gab es nach den Aussagen aller Zeugen für die Erfassung der Stunden keinen anderen Vordruck oder ein anders Erfassungssystem. Auf diesem Vordruck bestätigten die Auftraggeber die von den Arbeitnehmern geleisteten Stunden. Mit seiner Unterschrift bestätigt der Auftraggeber unter Bezugnahme auf den ihm übersandten Arbeitnehmerüberlassungsvertrag die Richtigkeit der Angaben unter Anerkennung der umseitig abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Hierbei handelte es sich um die detaillierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen für F.-Zeitarbeitnehmer. D. h., die im Stundenzettel bestätigte Leistungserfüllung (für eine Woche) bezieht sich allein auf die Leistung, einen bestimmten Arbeitnehmer für eine bestimmte Anzahl an Stunden auf der Basis des abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrages zur Verfügung gestellt bekommen zu haben.

Über den Bezug auf den abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und die dafür geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinaus würden die Stundenzettel auch im Übrigen nicht die Anforderungen an eine Dokumentation von Stundenlohnarbeiten erfüllen. Denn es findet sich keine Darstellung einer abgegrenzten erbrachten Leistung. Wie bereits oben dargestellt, erfordert ein abrechnungsfähiger Stundenzettel für Regiestunden, dass eine Beschreibung der ausgeführten Tätigkeit (z. B. Mauern errichten im - Bauteil, Ebene oder Achse), an der der Arbeitnehmer mitgewirkt hat, genannt wird. Denn der Stundenzettel bezieht sich auf die (Teil)erfüllung einer abgrenzbaren Leistung. Diesen Anforderungen wird die Gattungsbezeichnung der Tätigkeit auf dem Stundenzetteln wie z. B. "Schalungsarbeiten" "Tiefbauarbeiten", "Einschalungsarbeiten", "Baumaschinen-/Erdbewegungsarbeiten" "Kranführertätigkeit", nicht gerecht.

(3) Auch in den Rechnungen der Klägerin an die Auftraggeber finden sich keine Hinweise auf konkrete abgrenzbare Leistungen, die abgerechnet worden wären. Vielmehr wird auch hier der Umfang der Leistung nur unter Angabe der Baustelle und einer Gattungsangabe der Tätigkeit z. B. "Schalungbauarbeiten". oder "Baumaschinen-/Erdbewegungsarbeiten" sowie unter Angabe eines konkreten Namens eines Arbeitnehmers (z. B. Herr B. Bl. 51 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt bzw. Herr W. Bl. 59 ebenda) beschrieben. Eine solche Angabe von dem Leistungszeitraum und der Gattungsbezeichnung ist nur ausreichend bei einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, nicht aber bei einer Stundenlohnvereinbarung. Hier müssten die Leistung beschrieben werden, d. h. auf welche Bauleistung (sei es auch Nebenarbeiten) sich das Tätigwerden des eingesetzten Subunternehmers bezieht und was konkret davon mit dieser Rechnung bereits bezahlt werden soll. Auch die Rechnungen weisen nicht auf eine veränderte Vertragsgrundlage hin.

(4) Der Umstand, dass auf der ganz überwiegenden Anzahl der Rechnungen der Klägerin ausgewiesen ist, dass die Umsatzsteuer gem. § 13b UStG der Auftraggeber trägt, ist für die Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung oder Werkvertrag nicht von entscheidender Bedeutung. Denn bei der steuerrechtlichen Beurteilung bestehen Besonderheiten. Nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG in der Fassung vom 21. Juli 2011 (gültig bis 29. Juni 2013) entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung bei Werklieferungen und sonstigen Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Nach § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG schuldet in diesen Fällen der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen dieser Art erbringt.

Im Umsatzsteuer-Anwendererlass vom 1. Oktober 2010, geändert durch die BMF Schreiben vom 21. Oktober und 15. Dezember 2010 und 17. Dezember 2012, gibt es den Hinweis zu § 13b UStG: Hat ein Leistungsempfänger für einen an ihn erbrachten Umsatz u. a. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG in Verbindung mit Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz und Sätze 2 und 3 angewandt, obwohl die Voraussetzungen hierfür fraglich waren oder sich später herausstellt, dass die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen haben, ist diese Handhabung beim Leistenden und beim Leistungsempfänger nicht zu beanstanden, wenn sich beide Vertragspartner über die Anwendung von § 13b UStG einig waren und der Umsatz vom Leistungsempfänger in zutreffender Höhe versteuert wurde. Auf diese Regelung nehmen teilweise die Auftraggeber auch Bezug in ihren Schreiben zu der Rechtmäßigkeit der Zahlung der Umsatzsteuer durch den Auftraggeber (Anlagenkonvolut 14., z. B. Schreiben vom 3. Februar 2017 der Arbeitgeberin H. F. H. und T. GmbH). D.h. die steuerlichen Kriterien sind nicht identisch mit der arbeitsrechtlichen Abgrenzung der Vertragstypen. Das Steuerrecht ermöglicht gerade ein konsensuales Auswahlverfahren von Steuerzahler und Steuerschuldner zur Vermeidung von Zahlungsrückabwicklungen. Solche konsensualen Gestaltungsmöglichkeiten widersprechen dem Schutz- und Verbotsregelungen des AÜG

(5) Die Behauptung der Klägerin, die Verträge seien aber im weiteren Verlauf "anders gelebt worden", hält der Senat unter Würdigung der vorhandenen Unterlagen und der Einlassungen der Zeugen in der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2019 nicht für nachvollziehbar. Vielmehr konnten die Zeugen die Widersprüche zwischen den vorgefundenen Unterlagen zu den einzelnen Verträgen und der behaupteten anderen Durchführung nicht aufklären. Weder gab es plausible Erklärungen dafür, warum durchgehend schriftliche Arbeitnehmerüberlassungsverträge abgeschlossen wurden, obwohl in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle im Endeffekt ein anderer Vertragstyp gewollt gewesen sei. Noch konnte die Klägerin bzw. konnten die Zeugen erklären, warum gänzlich andere Inhalte, eine andere Kalkulation aufgrund von grundlegend anderen Haftungsregelungen usw. gewollt gewesen seien, formal aber an dem ursprünglich vereinbarten anderen Vertragstyp mit anderem Inhalt festgehalten wurde.

Die von der Klägerin angebotene Erklärung, der Abschluss der schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsverträge habe so geschehen müssen, weil nur so im Rahmen der sog. "Fallschirmlösung" eine Absicherung möglich gewesen sei, überzeugt nicht. Die von der Klägerin angesprochene Fallschirmlösung nimmt Bezug auf die Entscheidung des BAG vom 12. Juli 2016 – 9 AZR 352/15 – zitiert nach juris. Darin hat das BAG entschieden, dass das Fingieren eines Arbeitsverhältnisses gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Auftraggeber bei einer Unwirksamkeit des Vertrages zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer gem. § 9 Nr. 1 AÜG schon dann nicht greift, wenn eine erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Dies gelte auch dann, wenn keiner der "Werkverträge" offen als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bezeichnet worden sei. D. h. der Fallschirm besteht darin, dass eine Verleiherlaubnis (vorsorglich) eingeholt wird. Selbst wenn der als Werkvertrag bezeichnete Vertrag sich nach der Prüfung durch die Arbeitsgerichte in Wirklichkeit als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag herausstellt, kann wenigstens die Rechtsfolge nach § 10 AÜG verhindert werden. Die vorliegende Konstellation ist aber grundsätzlich anders. Vorliegend verfügte die Klägerin über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Da im Baubereich Arbeitnehmerüberlassung verboten ist, läge es von Anfang an im Interesse der Klägerin, nur Werkverträge abzuschließen, um unter den Sondertatbestand der Kollegenhilfe zu fallen. Es erscheint nicht schlüssig, den Vertragstyp immer vorsorglich abzuschließen, der gerade die Unzulässigkeit der eigenen Handlungsweise begründet und den Widerruf der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung provoziert.

Auch der Hinweis der Klägerin, aufgrund des Schriftformerfordernisses in § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG für den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag habe ein solcher Vertrag abgeschlossen werden müssen, überzeugt nicht. Es trifft zwar zu, dass im Fall eines Scheinwerkvertrages dieser gemäß § 117 Abs. 1 BGB als solcher nichtig wäre, wobei nach § 117 Abs. 2 BGB der Vertrag sodann an den Maßstäben des AÜG zu messen und in Ermangelung der formalen Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG nach § 134 BGB bzw. § 125 Satz 1 BGB nichtig wäre (vgl. BAG Urteil vom 12. Juli 2016 – 9 AZR 352/15, a. a. O, Rn. 17). Dies würde aber hier nicht die Rechtsfolge nach § 10 AÜG auslösen, also ein fingiertes Arbeitsverhältnis zwischen Auftraggeber und den Arbeitnehmern der Klägerin begründen (s. o.). Die Formvorschrift in § 12 AÜG dient in erster Linie dem Schutz des Entleihers. Auch nach der Darstellung der Klägerin sollte bewusst zunächst ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit den entsprechende Rechten und Pflichten abgeschlossen werden. Erst wenn sich bei der Begehung durch den Verantwortlichen später herausstellen würde, dass ein anderer Vertrag besser passen würde, sollte ein solcher mündlich vereinbart worden sein.

Für eine solche Veränderung der vertraglichen Grundlage im Verlauf der ausgeführten Arbeiten gibt es im weiteren Verlauf der Abwicklung der Vertragsdurchführung keinen Hinweis.

Dieser Vortrag passt nicht zu den vorgefundenen Dokumenten und dem weiteren Verlauf der Vertragsabwicklung. Erstens ist nie eine Veränderung der Kalkulation erfolgt. Auch nach der Darstellung der Klägerin war der Stundenverrechnungssatz für Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassungsverträge identisch kalkuliert. Dies widerspricht jedoch den damit jeweils verbundenen Rechten und Pflichten. Ein Zeitarbeitsunternehmen muss anders als bei Werkverträgen keine Gewährleistungsbürgschaften finanzieren, es müssen keine Einkaufs- und Kalkulationsabteilungen vorgehalten werden, weil nur Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt werden (vgl. bi bauwirtschaftliche Informationen 10/97 Bl. 242 VA). Es ist daher ungewöhnlich, dass trotz einer Haftung für eine bestimmte Leistung und die damit verbundenen Risiken, der gleiche Stundensatz gelten soll.

Entscheidend jedoch ist, dass auch nach der Durchführung der Arbeiten durch den Arbeitnehmer auf dem Stundenzettel unverändert nur auf den einzigen schriftlich abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und die hierfür geltenden AGB verwiesen wird. Es handelt sich hier nicht um eine Abweichung von schriftlich Vereinbartem und angeblich anders Gelebtem im Einzelfall, sondern um die regelmäßige Handhabung, nahezu in jedem Vertrag. Auf den Stundenzetteln oder den Rechnungen gibt es keinen Hinweis, dass die ersten Tage als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abgerechnet wurden, die folgenden Tage aber einer bestimmten Leistung zuzuordnen waren, für die als Regiestunden Leistungen erbracht wurden. Es leuchtet nicht ein, dass der Auftraggeber bei der Bestätigung der geleisteten Stunden unverändert auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und die hierzu vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin Bezug nimmt, obwohl nach der Behauptung der Klägerin in Wirklichkeit ein anderer Vertrag mit anderen Haftungsregelungen usw. jedenfalls nach dem 2. oder 3. Tag gewollt und vereinbart war. Bei der Zusammenarbeit mit großen Baufirmen ist es nicht nachvollziehbar, dass die Verträge nicht geprüft sowie die Stundenzettel fälschlicherweise unter Bezugnahme auf einen nicht mehr geltenden Vertrag unterzeichnet wurden mit der Folge, dass der Auftraggeber fast keine Gewährleistungsansprüche für die Arbeit hat und nur ein Verschulden der Klägerin bei der Auswahl der Leiharbeitnehmer einwenden kann. Der Erklärungsversuch, die Frage von Sachmängelgewährleistung sei im Bereich des Hoch- und Tiefbaus nicht erforderlich, ist nicht plausibel. Auch wenn das Material des Auftraggebers verwendet wird, können bei der Ausführung durch die Arbeitnehmer Fehler passieren. Durch den schriftlichen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und die Bezugnahme in den Stundenzetteln auf diesen sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen waren die Vertragsbedingungen komplett gerichtsfest geregelt. Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass bei einer Abänderung dieser vertraglichen Leistung im Verlauf der Leistungserbringung hierzu keine weiteren Unterlagen erstellt werden. Die Erklärung des Zeugen E., dass den schriftlichen Unterlagen, die allein auf einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als Vertragsgrundlage verweisen, eine solche Bedeutung nicht beigemessen wurde, erscheint lebensfremd. Insbesondere für den Vertragspartner kommt es darauf an, welche Leistung er "eingekauft" hat. Der Auftraggeber hätte enorme Schwierigkeiten, einen eigenen Anspruch gegen den vorliegenden schriftlichen Vertrag nebst vereinbarten AGB auf Nachbesserung usw. geltend zu machen. Die Klägerin hat auch keine Unterlagen vorlegen können, aus denen sich Nacharbeiten bzw. eine durchgeführte Gewährleistung ergab.

Hinzu kommt, dass auch die weiteren Unterlagen bei der Klägerin allein auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als das entscheidende Vertragsdokument verweisen. So wird in den Arbeitsanweisungen zur internen Firmendatenbank (mit Datum vom 29. April 2011, Bl. 94 - 99 Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E. –Beweismittelordner 1) zur Erfassung der Verträge der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als das eigentliche Dokument im Streitfall bezeichnet (Bl. 99 RS). Die Arbeitnehmerüberlassungsverträge müssten mit Aufnahme der Arbeiten auf der Baustelle spätestens im Büro des Kunden liegen (ebenda). Das Informationssystem hat überhaupt keine Eingabefunktion zu einem Werkvertrag und hierfür relevanten Bedingungen. Es gibt auch nur für die Arbeitnehmerüberlassung Allgemeine Geschäftsbedingungen bei der Klägerin, nicht aber zu anderen Vertragstypen.

Auch mit der Rechtsprechung zu Scheinwerkverträgen lässt sich die Rechtsposition der Klägerin nicht begründen. Danach entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung des Vertrages, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrages maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsparteien am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (vgl. BAG, Urteil vom 10. November 2007 – 7 AZR 487/06 – juris). Diese Konstellation geht davon aus, dass die Vertragsparteien durch den schriftlichen Vertrag nach außen einen bestimmten Vertragstyp als vereinbart erscheinen lassen wollen, die Beteiligten in Wirklichkeit aber von Anfang an etwas anderes gewollt und so auch ihren Vertrag durchgeführt haben. Es soll aus bestimmten Gründen ein bestimmter Schein erzeugt werden, z. B. weil keine Verleiherlaubnis vorliegt, weil das andere Geschäft beurkundet werden muss.

Die vorliegende Konstellation ist grundlegend anders. Zum einen soll hier nicht der Schein eines für die Klägerin günstigen Vertrages gewahrt werden, zum anderen sollte am Anfang des Geschäftes nach dem Vortrag der Klägerin auch ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vereinbart werden. Erst im Verlauf der Vertragsdurchführung soll dann der Vertrag "anders gelebt worden sein". Es kann dahinstehen, ob die Klägerin wie behauptet, die Leiharbeitnehmer häufig als eigene Kolonne angeboten hat. Hieran bestehen insoweit bereits Zweifel, als die Rechnungen zumeist die Stundenleistungen von zwei oder allenfalls drei Arbeitnehmer aufweisen. Auch hat der Zeuge G. ausgesagt, dass es sich für die Mitarbeiter selbst nicht unbedingt erschlossen habe, ob sie im Rahmen eines Werkvertrages oder im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung tätig würden und für wen sie arbeiteten. Dies widerspricht der eigenen Aussage des Zeugen, nach der es einen Baustellenverantwortlichen von der Klägerin gegeben habe und die Arbeitnehmer eigenständig arbeiteten. Auch das gemeinsame Arbeiten der Leiharbeitnehmer ändert nichts daran, dass die Klägerin bewusst den Vertragstyp der Arbeitnehmerüberlassung gewählt hat und der Auftraggeber hieraus die entsprechenden Rechte ableiten kann.

Die nachträglich vorgelegten Bescheinigungen der Auftraggeber in den Anlagenkonvoluten 13, 14, 14a stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Die in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle von der Klägerin vorformulierten Erklärungen, die die Auftraggeber in den Jahren 2014, 2016 und 2017 für die Vertragsabwicklung in der Vergangenheit (2007 bis 2012 Anlagenkonvolut 13 und 14) unterschrieben haben, beziehen sich auf die steuerrechtliche Durchführung der Verträge, insbesondere auf die Frage, ob die Abführung der Umsatzsteuer durch den Auftraggeber rechtmäßig war. Unter welcher Fragestellung den Auftraggebern die vorgefertigten Erklärungen vorgelegt wurden, zeigen die individuellen Antworten von Auftraggebern, die die Erklärungen nicht einfach unterschrieben haben, sondern individuelle Schreiben aufgesetzt haben. In dem Schreiben vom 7. Februar 2017 der H. F. H. und T. GmbH (Anlagenkonvolut 14), heißt es im Betreff "Anwendbarkeit von § 13b UStG". Zudem wird auf die Einigkeit der Anwendbarkeit des § 13b UStG verwiesen und der Umsatzsteuer-Anwendungserlass hierzu zitiert. Auch im Schreiben der J. F. Bauunternehmung GmbH vom 26. Januar 2017 wird auf die Steuerschuldnerschaft Bezug genommen, ebenso im Schreiben der GP P. vom 30. September 2014, dem Schreiben der H. + W. B. GmbH vom 1. Oktober 2014 (alle Anlagenkonvolut 14) sowie dem Schreiben der H. F. B. vom 29. November 2016 (Anlagenkonvolut 13).

Die vorgefertigten Erklärungen enthalten die Formulierung, dass sich die Vertragspartner über die Anwendung § 13b UStG einig waren und dass der Umsatz vom Auftraggeber versteuert wurde und dass dies von dem Finanzamt geprüft wurde, ohne eine Beanstandung vorzunehmen. Dass die Auftraggeber in den vorgefertigten Erklärungen die einleitende Formulierung, dass die F. als von ihnen – den Auftraggebern – beauftragter Nachunternehmer Bauleistungen erbracht habe mit unterschrieben haben, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Denn es werden keine Tatsachen genannt, die den bisherigen Unterlagen widersprechen. Auch die eingereichten Unterlagen im Anlagenkonvolut 14a beziehen sich auf die Steuerschuldnerschaft. Hier ist jeweils eine Bestätigung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Auftraggebers) enthalten.

Die im Anlagenkonvolut 19 vorgelegten und nicht unterschriebenen 26 Aktennotizen zu Baustellen weisen kein Datum der Erstellung auf und sind nicht ergiebig. Sie stehen jedenfalls nicht repräsentativ für die gesamte Durchführung und dokumentieren keine anderen Vereinbarungen. Es werden keine Tatsachen benannt, wann was vereinbart worden ist. Bei den Durchsuchungen durch das Hauptzollamt wurden keine solche Aktennotizen zu Bauvorhaben gefunden. Für den Regelfall hat etwa der Zeuge G. ausgesagt, dass es zum Werkvertrag keine schriftlichen Unterlagen mehr gegeben hat. Auch der Zeuge F. hat hervorgehoben, dass erst ab 2013 zusätzlich von den Auftraggebern noch Leistungsnachweise unterschrieben worden seien (Bautagebuch). Andere schriftliche Unterlagen außer dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bräuchte es nach der Darstellung der Klägerin nicht (so wenig Papier wie möglich).

Danach unterfiel die Klägerin in der Zeit vor dem 1. Januar 2013 nicht dem BRTV und erfüllte daher nicht die Voraussetzung, bereits drei Jahre den gleichen Tarifverträgen zu unterliegen wie die Entleihbetriebe.

3. Nach § 5 Abs. 4 AÜG ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Erlaubnisbehörde von den Tatsachen Kenntnis erhalten hat, die den Widerruf der Erlaubnis rechtfertigen. Der Beginn der Ausschlussfrist setzt voraus, dass die Erlaubnisbehörde positive Kenntnis von den Tatsachen erlangt, aus denen sich die Rechtswidrigkeit ergibt. Hierbei reicht es aus, wenn ein Sachbearbeiter Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen erhält, die für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit relevant sind. Zu den erhobenen Tatsachen muss auch rechtliches Gehör gewährt werden, weil die belastenden Tatsachen durch die Einlassung der Betroffenen eventuell ein anders Gewicht bekommen. Unter Berücksichtigung des rechtlichen Gehörs, welches zu den relevanten Tatsachen schon vom Hauptzollamt gewährt werden musste, ist die Jahresfrist nicht überschritten. Die umfassende Erhebung der verschiedenen Verträge, verwendeten Stundenzettel und Rechnungen, die für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit relevant sind, lag hier erst mit dem Bericht der Zollbehörden vor, wobei noch die Anhörung der Klägerin abgewartet werden musste. Das Hauptzollamt E. hat am 1. August 2011 das Anhörungsschreiben an die Klägerin vom 2. Mai 2011 zu den von ihm getroffenen Feststellungen der Beklagten zur Kenntnis übersandt. Hierin sind die Feststellungen des Hauptzollamtes enthalten, wonach bei der Klägerin keine Werkverträge gefunden wurden und nach der Arbeitsweise der Niederlassungen unter Verwendung der F.-Datenbank nur Arbeitnehmerüberlassungsverträge hinterlegt wurden. Die Klägerin hat sich im Rahmen der Anhörung eine Stellungnahme nach Akteneinsicht vorbehalten, zunächst bis zum 30. März 2012 und nach zweimaliger stillschweigender Terminverlängerung bis zum 7. Mai 2012, eine Einlassung wurde bis zum Erlass des Bußgeldbescheides nicht abgegeben. Der Widerrufsbescheid vom 12. September 2012 ist innerhalb der Jahresfrist sei Ablauf der oben genannten Anhörungsfrist vor Erlass des Bußgeldbescheides ergangen.

4. Es liegt auch kein Ermessensverstoß vor, denn es liegt eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Bei der Regelung in § 5 AÜG handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, d. h. die Behörde kann die Erlaubnis widerrufen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Allerdings ist das Ermessen auf Null reduziert, wenn das Ermessen nur in einer bestimmten Weise ausgeübt werden kann, also jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre. In einem solchen Fall ist es auch unbeachtlich, ob die Beklagte Ausführungen zum Ermessen gemacht hat und ob sie hierbei alle Fakten berücksichtigt hat. Denn es ist ohnehin nur die von der Beklagten getroffene Entscheidung rechtmäßig. Dies ist hier der Fall. Bei einem Verstoß gegen das Verbotsgesetz nach § 1b Satz 1 AÜG muss die Erlaubnis widerrufen werden. Dies wird auch überwiegend in der Literatur angenommen (Jürgen Ulber in Ulber, AÜG 3. Aufl., § 1b Rn. 31; Boemke in Boemke/Lembke, AÜG, 3. Aufl, § 4 Rn. 7 auf den auch in § 5 Rn. 18 verwiesen wird; Salzmann-Hennersdorf, Das Leiharbeitsverbot im Baugewerbe (§ 1b AÜG), 2003 S. 116 f.; in anderen Kommentaren ist die Formulierung nicht eindeutig "muss der Verleiher mit einem Widerruf rechnen" so Schüren in Schüren/Hamann, AÜG, 5. Aufl., § 1b Rn. 104). Die Ermessensvorschrift in § 5 AÜG erfasst viele Fälle, wiederholte Verstöße in Einzelfällen gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen usw. In diesen Fällen gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nicht übermäßig hart zu reagieren und durch den Widerruf das ganze Gewerbe in Frage zu stellen. Wird aber gegen eine Verbotsnorm verstoßen, bleibt für solche Überlegungen kein Raum. Der Gesetzgeber wollte mit unerlaubtem Verleih ins Baugewerbe Unternehmen vom Markt nehmen und wollte sogar verhindern, dass sich diese neu gründen, um auch oder wieder Verleih in das Baugewerbe zu betreiben. Vielmehr sollten nur "alteingesessene" Baubetriebe (drei Jahre auf dem Markt) innerhalb ihres eigenen Tarifraumes von der Ausnahmevorschrift der Kollegenhilfe erfasst sein (also nicht einmal Betriebe, die einerseits dem BRTV und andererseits dem DachdeckerRTV unterfallen, dürfen sich aushelfen). Am 31. Juli 2013 durfte der Klägerin selbst dann keine Erlaubnis erteilt werden, wenn es zuträfe, dass sie zum 1. Januar 2013 ihr Geschäftsmodell signifikant geändert hätte, was sehr zweifelhaft ist, hier aber nicht geprüft wird. Dann musste ihr eine erteilte Erlaubnis auch entzogen werden.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 197a SGG. Die Klägerin ist keine gem. § 183 SGG kostenprivilegierte Person.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG liegen nicht vor. Es stellen sich keine Rechtsfragen mit grundsätzlicher Bedeutung. Es handelt sich um einen Einzelfall der Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung von Werk- bzw. Dienstverträgen. Die Bedeutung der Entscheidung ist für die Klägerin zwar sehr hoch, dies allein reicht jedoch nicht für einen Rechtsstreit von grundsätzlicher Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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