L 9 KA 1/16

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 13 KA 76/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 9 KA 1/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. September 2015 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.026,37 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Honorarbescheides für das Quartal 2/2011. Umstritten ist hierbei die Bereinigung der Gebührenordnungspauschale (GOP) 26211 und 26212 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes-Ärzte (EBM-Ä).

Der Kläger nimmt als Facharzt für Urologie an der vertragsärztlichen Versorgung in Sachsen-Anhalt mit Praxissitz in H. teil. Zum 1. Januar 2008 wurden für alle Arztgruppen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschalen gebildet. Dabei sind in die Grundpauschalen neben dem Ordinationskomplex häufigkeitsgewichtet der Konsultationskomplex, die Beratung, Briefe und gegebenenfalls die Laborgrundgebühr eingegangen. Um dennoch den erhöhten Aufwand für onkologische Patienten abbilden zu können, entschloss sich der Bewertungsausschuss, onkologische Zusatzpauschalen aufzunehmen. Die Finanzierung der Einführung der onkologischen Grundpauschalen sollte aus einer Bereinigung der jeweiligen Grundpauschalen, also durch eine Umverteilung innerhalb der Arztgruppen mit spezifischer Beratung onkologischer Patienten, erfolgen. Eine zusätzliche Bereitstellung von Geldern der Krankenkassen sollte ausgeschlossen werden. Da die Abrechnungshäufigkeit der neu eingeführten Pauschalen zum Zeitpunkt des Beschlusses nicht prognostiziert werden konnte, wurde diese Leistung zunächst zusätzlich eingeführt, mit dem Ziel, die Grundpauschalen zu einem späteren Zeitpunkt, nach Vorliegen der entsprechenden Abrechnungsdaten, zu korrigieren.

Ab dem Quartal 4/2009 trat die Onkologie-Vereinbarung (Anlage 7 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte) in Kraft, die für die an dieser Vereinbarung teilnehmenden Ärzte einen Abrechnungsausschluss der jeweiligen arztgruppenspezifischen onkologischen Zusatzpauschalen des EBM-Ä vorsah. Durch die zunehmende Teilnahme der "Organ-Onkologen" (z.B. Gynäkologen, Urologen und Hautärzte) an der Onkologie-Vereinbarung nahm die Abrechnungshäufigkeit der onkologischen Zusatzpauschalen ab und gleichzeitig die der Kostenpauschalen nach der Onkologie-Vereinbarung zu.

Zum 1. Juli 2010 wurde auf der Basis der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegenden Abrechnungsdaten des Jahres 2008 eine Korrektur vorgenommen. Dabei wurde die Bewertung der Pauschalen reduziert. Mit Beschluss des Bewertungsausschusses vom 31. August 2011 wurden mit Wirkung zum 1. Januar 2012 die Grundpauschalen wieder leicht höher bewertet, um so die rückläufigen Abrechnungshäufigkeiten der onkologischen Zusatzpauschale zu kompensieren. Gleichzeitig legte der Bewertungsausschuss in der Protokollnotiz Nr. 2 des Beschlusses fest, dass bis zum Jahr 2014 eine jährliche Überprüfung und gegebenenfalls die notwendige Anpassung (auch unter Berücksichtigung der Leistungsentwicklung der Onkologie-Vereinbarung) der Grundpauschalen zu erfolgen habe.

Damit ergab sich folgende Bewertung:

Tabelle nicht darstellbar.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2011 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal 2/2011 fest. Hiergegen legte der Kläger mit einem am 15. November 2011 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben Widerspruch ein und führte aus, dass die urologischen Grundpauschalen nach den Gebührenordnungsposition 26211 und 26212 des EBM-Ä jedenfalls seit dem Quartal 2/2010 in unzulässiger Weise zu niedrig bewertet seien. Die Datengrundlage für diese Bewertung sei fehlerhaft gewesen. Diese Fehlerhaftigkeit sei inzwischen auch erkannt worden, die Neuregelungen seien jedoch erst zum 1. Januar 2012 in Kraft gesetzt worden. Die Fehlerhaftigkeit der Datengrundlage sei jedoch bereits im Mai 2010 durch den Berufsverband der Deutschen Urologen gerügt worden. Auch im Oktober 2010 sei diese Problematik erneut angesprochen worden. Hier habe der Bewertungsausschuss unverzüglich reagieren und die Bewertung der urologischen Grundpauschalen korrigieren müssen. Der Bewertungsausschuss habe eine kontinuierliche Prüfungspflicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und wies u.a. darauf hin, dass sie keine Änderungskompetenz hinsichtlich der Vorgaben des EBM-Ä habe. Insoweit sei sie an die Beschlüsse des Bewertungsausschusses gebunden. Dieser Bescheid wurde nach einem Aktenvermerk am gleichen Tage zur Post gegeben.

Gegen die Entscheidung der Beklagten hat der Kläger am 3. Mai 2012 Klage am Sozialgericht Magdeburg erhoben und zur Begründung u.a. auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Dezember 2004 (B 6 KA 40/03 R) verwiesen. Die Festsetzungen des EBM-Ä seien grundrechtsrelevant. Es müsse eine adäquate Abbildung der Relation der vertragsärztlichen Leistungen und der Entgelte vorliegen. Hier sei es aufgrund einer Nachlässigkeit des Bewertungsausschusses zu einer offenkundig zu hohen Bereinigung der Grundpauschalen gekommen. Der Bewertungsausschuss habe eine kontinuierliche Prüfungspflicht.

Mit Urteil vom 30. September 2015 hat das Sozialgericht Magdeburg den angefochtenen Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal 2/2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2012 abgeändert und die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Bewertungsausschuss habe seine Beobachtungs-, Reaktions- und Nachbesserungspflicht hinsichtlich der GOP 26211 und 26212 verletzt. Der Beschluss vom 26. März 2010 habe im Gegensatz zu dem nachfolgenden Beschluss keine Verpflichtung zur Überprüfung der Festsetzung der Pauschalen beinhaltet. Der Bewertungsausschuss habe sich erst selbst auferlegt, die Bewertung jährlich zu überprüfen, als er eine massive Überbereinigung festgestellt habe. Mithin habe er nicht jährlich die in diesem Punkt offenkundigen einschreitungsrelevanten Veränderungen zum Anlass genommen, eine eventuell erforderliche Nachbesserung zu prüfen. Ihm sei durch den Berufsverband der Urologen bekannt gewesen, dass der zum 1. Oktober 2009 mit der Einführung der neuen Onkologie-Vereinbarung geregelte Abrechnungsausschluss der Kostenpauschalen 86510, 86512, 86514 und 86516 neben der onkologischen Zusatzpauschale GOP 26315 dazu führe, dass die Berechnungshäufigkeit der genannten Pauschale erheblich abgenommen habe. Trotzdem sei der Bewertungsausschuss erst zum 1. Januar 2012 eingeschritten. Die zu hohe Bereinigung sei damit über sechs Quartale bestehen geblieben. Der Bewertungsausschuss habe damit vorliegende Erkenntnisse missachtet. Im Ergebnis werde die Beklagte die GOP 26211 und 26212 im streitigen Quartal 2/2011 unter Anwendung der bis zum 1. Juli 2010 geltenden Punkte zu vergüten haben.

Gegen das ihr am 4. März 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 11. März 2016 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und vorgetragen, es sei zunächst dem Bewertungsausschuss als Normgeber des EBM-Ä Gelegenheit zu einer gesetzeskonformen Neuregelung zu geben (vgl. BSG, 12. Dezember 2012, B 6 KA 3/12 R, Rn. 42). Im Übrigen hat sie erneut auf den Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses hingewiesen. Eine Überschreitung dieses Spielraumes sei vorliegend nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des BSG könne für eine Überprüfung auch ein längerer Zeitraum in Anspruch genommen werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg am 30. September 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladenen halten die Berufung für begründet und haben ausführlich vorgetragen, aber keine Anträge gestellt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung hat Erfolg.

A. Die Klage ist allerdings zulässig. Insbesondere ist die Klagefrist gemäß § 87 SGG eingehalten. Danach ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts bzw. mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids zu erheben. Gemäß § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.

Vorliegend hat die Beklagte einen Vermerk übersandt und in der mündlichen Verhandlung einen Screenshot ihres Widerspruchsprogramms übergeben, wonach der Widerspruchsbescheid vom 29. März 2012 (Donnerstag) am gleichen Tage abgegangen bzw. von Frau H. in den "Postausgang" gegeben worden sei.

Nach der gesetzlichen Fiktion wäre grundsätzlich von einem Zugang des Widerspruchsbescheides (drei Tage nach Absendung) am 1. April 2012 auszugehen. Selbst wenn das Gericht (unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der 1. April 2012 auf einen Sonntag fiel oder eine am 30. März 2012 unterstellte Absendung des Widerspruchsbescheides) von einem Fristbeginn am 2. April 2012 und einem Fristablauf am 2. Mai 2012 ausgehen würde (siehe auch § 193 Bürgerliches Gesetzbuch), so wäre die am 3. Mai 2012 eingegangene Klage gleichwohl verfristet.

Hinsichtlich der Behauptung eines späteren Zugangs ist zu fordern, dass der Adressat substantiiert vorträgt, wann ihm der Bescheid zugegangen ist (BSG, 26. Juli 2007, B 13 R 4/06 R, SozR 4-2600 § 115 Nr. 2, Rn. 22; BVerwG, 24. April 1987, 5 B 132/86, juris; BFH, 14. August 1975, IV R 150/71, BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764, Rn. 20; Bayerisches LSG, 9. November 2011, L 16 AS 247/11, Rn. 32, juris; LSG Hamburg, 25. Juli 2017, L 3 R 116/16, juris; weitergehend LSG Saarland, 4. März 2016, L 5 SB 14/15, juris).

Ein derartiges substantiiertes Bestreiten ist im vorliegenden Fall zu verneinen. Hier hat der Kläger am 22. Juni 2018 vorgetragen, der Widerspruchsbescheid sei ihm im April 2012 zugegangen und er habe ihn fristgerecht unter Beachtung der im Widerspruchsbescheid bezeichneten Monatsfrist am 3. Mai 2012 an seinen Prozessbevollmächtigten per Fax übermittelt. Damit trägt der Kläger aber lediglich seine eigene rechtliche Wertung (Fristwahrung der Klage) vor, ohne dies mit Fakten und insbesondere einem Zugangsdatum zu untermauern. Ein substantiierter Vortrag liegt insoweit nicht vor.

Für den Senat bestehen allerdings durchgreifende Zweifel, dass der Widerspruchsbescheid am 29. März 2012 (Donnerstag) oder am nachfolgenden Freitag tatsächlich zur Post gegeben worden ist.

Nach der Rspr. des BSG greift diese Zugangsfiktion nur ein, wenn der Tag der Aufgabe zur Post in den Behördenakten vermerkt wurde (BSG, 28. November 2006, B 2 U 33/05 R, BSGE 97, 279-285, SozR 4-2700 § 136 Nr. 2, Rn. 15; BSG, 6. Mai 2010, B 14 AS 12/09 R, SozR 4-1300 § 37 Nr. 1, Rn. 10).

Der Begriff Akte in diesem Sinne ist materiell zu verstehen. Es kommt nicht darauf an, wo und wie der Vermerk geführt oder aufbewahrt wird (formelles Prinzip), sondern allein darauf, ob er in einem inneren Zusammenhang mit dem betreffenden Vorgang steht (siehe zur Personalakte BVerwG, 31. August 2017, 1 WB 31/16, Rn. 22, juris; BGH, 25. November 2013, AnwZ (Brfg) 39/12, Rn. 5, juris; vgl. auch BAG, 16. November 2010, 9 AZR 573/09, BAGE 136, 156 Rn. 13; ähnlich zu Gerichtsakten BSG, 20. November 2003, B 13 RJ 41/03 R, BSGE 91, 283-287, SozR 4-1500 § 120 Nr. 1; anders zu "Spurenakten" BGH, 26. Mai 1981, 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131-143). Insbesondere ist es zumindest im Rahmen des § 37 SGB X unerheblich, ob ein solcher Vermerk in die Papierakte selbst eingetragen oder eingeheftet wird. Es ist juristisch ausgeschlossen, dass eine solche von der Beklagten auch noch nach Klageerhebung vorzunehmende Handlung über die Zulässigkeit der Klage entscheidet. Denn andernfalls wäre es auch noch bei Aktenanforderung durch das Gericht möglich, den auf Aufforderung des Senats erstmals zugeschickten Vermerk zu den Akten zu nehmen. Völlig offen bliebe bei Zugrundelegung eines anderen Standpunktes, ob dies eventuell auch noch im Berufungsverfahren erfolgen könnte. Schließlich trägt zumindest im Zusammenhang mit § 37 Abs. 2 SGB X nur ein materieller Aktenbegriff der zunehmend anzutreffenden elektronischen Akte Rechnung.

Maßgeblich ist aber, dass hier der Vermerk nur bekundet, dass nach den der Sachbearbeiterin bekannten Umständen jeweils anwesende Personen ein Schriftstück - in diesem Fall den Widerspruchsbescheid - zur Poststelle des Hauses bringen werden, wo es von der Post abgeholt wird. Wann und von wem der Bescheid tatsächlich in die hausinterne Poststelle im Hause gebracht und wann er von dort von der Deutschen Bundespost abgeholt worden ist, war nicht aufzuklären. Angesichts solcher Zweifel ist der Senat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überzeugt, dass dieser Bescheid tatsächlich am 29. März 2012 (Donnerstag) oder am nachfolgenden Freitag zur Post gegeben wurde.

B. Die Klage ist allerdings unbegründet. Der Honorarbescheid für das Quartal 2/2011 ist rechtmäßig.

1. Zunächst hat die Beklagte in zutreffender Anwendung der für sie verbindlichen Bestimmungen des EBM-Ä die vom Kläger abgerechneten Leistungen nach den GOP korrekt abgerechnet. Etwaige Fehler sind nicht ersichtlich und werden auch nicht vom Kläger behauptet.

2. Entgegen der Behauptung des Klägers verstößt die Festsetzung der GOP im EBM-Ä nicht gegen höherrangiges Recht.

a) Zwar müssen die Regelungen des EBM-Ä, bei denen es sich um untergesetzliche Rechtsnormen in der Form der Normsetzungsverträge handelt (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG, 17. Februar 2016, B 6 KA 47/14 R, SozR 4-2500 § 87 Nr. 32, m.w.N.), mit höherrangigem Recht im Einklang stehen; insbesondere dürfen sie weder unmittelbar noch mittelbar gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verstoßen. Bei dieser Prüfung sind vorrangig die Grenzen einer gerichtlichen Überprüfung der vom Bewertungsauschuss getroffenen Regelungen zu berücksichtigen (siehe BSG, a.a.O.; BSG, 9. Dezember 2004, B 6 KA 40/03 R, juris).

Die auf der Grundlage des § 87 SGB V von den Bewertungsausschüssen vereinbarten einheitlichen Bewertungsmaßstäbe sind wegen ihrer spezifischen Struktur und der Art ihres Zustandekommens aber nur beschränkt der gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Durch die personelle Zusammensetzung des - paritätisch mit Vertretern der Ärzte bzw. Zahnärzte und Krankenkassen besetzten - Bewertungsauschusses und den vertraglichen Charakter der Bewertungsmaßstäbe soll gewährleistet werden, dass die unterschiedlichen Interessen der an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Gruppen zum Ausgleich kommen und auf diese Weise eine sachgerechte inhaltliche Umschreibung und Bewertung der ärztlichen Leistungen erreicht wird (BSG, a.a.O.). Die Regelungen des EBM-Ä sind letztlich nur Ausprägung des im Laufe der Zeit mehr und mehr öffentlich-rechtlich ausgestalteten und in Gesetzesrecht umgesetzten, ursprünglich aber im Wesentlichen (gesamt-)vertraglich geregelten Konzepts einer Kooperation von Ärzteschaft und Krankenkassen. Dieses Zusammenwirken durchzieht die Entwicklung des Vertragsarztrechts insgesamt und trägt maßgeblich dazu bei, die Funktionsfähigkeit des Systems zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung von ca. 9/10 der Bevölkerung zu akzeptablen finanziellen Bedingungen zu gewährleisten (vgl. BVerfG, 20. März 2001, 1 BvR 491/96, NJW 2001, 1779; 1780). Die Gestaltungsbefugnisse der in diesem Bereich zuständigen Institutionen dürfen dabei von außen nicht funktionswidrig verengt werden; denn nicht nur dem Gesetzgeber, sondern auch anderen Normgebern steht bei der ihnen überantworteten Rechtsetzung generell weitgehende Gestaltungsfreiheit zu (BSG, 16. Mai 2001, B 6 KA 20/00 R, BSGE 88, 126-138, Rn. 32 m.w.N.), die grundsätzlich auch von der Rechtsprechung zu respektieren ist und von dieser nur in Ausnahmefällen korrigiert werden darf. Der Gestaltungsspielraum eines Normgebers ist umso mehr zu beachten, wenn - sei es auch nur mittelbar - Regelungen über die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme im Streit sind oder wenn es um die Bewältigung komplexer Sachverhalte geht, wie sie vielfach im Krankenversicherungs- und Vertragsarztrecht anzutreffen sind (BSG, a.a.O.). Dabei darf nicht übersehen werden, dass gerade im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und des dort der Leistungserbringung dienenden Vertragsarztrechts die Verfolgung der Aufgabe, durch normative Vorgaben die Funktionsfähigkeit dieses Sozialleistungssystems zu erhalten, ein sensibles, weil hochrangig einzustufendes Gemeinschaftsgut darstellt (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BVerfGE 68, 193, 218; BSG, 9. Mai 2012, B 6 KA 24/11 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 70, Rn. 36).

Das vom Bewertungsauschuss so erarbeitete und festgesetzte System autonomer Leistungsbewertung kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn Eingriffe von außen grundsätzlich unterbleiben, so dass die gerichtliche Überprüfung von Regelungen des EBM-Ä im Wesentlichen auf die Prüfung beschränkt ist, ob der Ausschuss den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum überschritten hat. Dieses ist nicht schon immer dann der Fall, wenn sich bei nachträglicher Überprüfung einer Gebühren-Regelung im Rahmen der expost-Betrachtung deren Unzulänglichkeit erweist, sondern nur dann, wenn der Ausschuss seine Bewertungskompetenz zweifelsfrei "missbräuchlich", d.h. nicht durch sachgerechte Erwägungen gedeckt, sondern von sachfremden Erwägungen getragen, ausgeübt hat (BSG, 16. Mai 2001, B 6 KA 20/00 R, SozR 3-2500 § 87 Nr. 29 m.w.N.).

Zusätzlich ist hier zu beachten, dass das BSG im Falle einer Neuregelung komplexer Materien wie der Leistungsbewertung dem Bewertungsauschuss seit jeher erweiterte Ermittlungs-, Erprobungs- und Umsetzungsspielräume zubilligt, die bewirken, dass für einen Übergangszeitraum auch an sich rechtlich problematische Regelungen hingenommen werden müssen; gröbere Typisierungen und geringere Differenzierungen sind in derartigen Fällen vorübergehend unbedenklich, weil sich häufig bei Erlass der Vorschriften deren Auswirkungen nicht in allen Einzelheiten übersehen lassen (BSG, 16. Mai 2001, B 6 KA 20/00 R, BSGE 88, 126-138, SozR 3-2500 § 87 Nr. 29, SozR 3-5533 Nr. 345, Rn. 39; Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 87 SGB V, Rn. 243). Nur wenn von vornherein feststeht, dass ein vom Normgeber für die Regelung der konkreten Materie gewähltes Differenzierungskriterium systemfremd ist und ihm keine sachliche Rechtfertigung innewohnt, kann auch der Gesichtspunkt der Erprobungsregelung nicht zur Rechtmäßigkeit der Normgebung führen (BSG, a.a.O.; BSG, 17. Februar 2016, B 6 KA 46/14 R, Rn. 22, juris).

Mit dieser relativ weiten Gestaltungsfreiheit korrespondiert allerdings eine Beobachtungs- und ggf. Nachbesserungspflicht des Normgebers, wenn sich im Vollzug von ursprünglich gerechtfertigten Regelungen herausstellt, dass die die Norm legitimierenden Gründe weggefallen oder die Auswirkungen für einzelne betroffene Normadressaten unzumutbar geworden sind (BSG ebenda; Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 87 SGB V, Rn. 113).

Allein der Umstand, dass der einschlägige Facharztverband sich gegen eine Herabsetzung der Grundpauschalen wandte, stellt im Regelfall kein belastbares Indiz für die Unrichtigkeit der Festsetzung dar. Die von einer betroffenen Fachgruppe vorgetragenen fachmedizinischen Aspekte können allein nicht die Sachwidrigkeit oder Rechtswidrigkeit einer bestimmten Punkte-Bewertung begründen (so BSG, 16. Mai 2001, B 6 KA 20/00 R, BSGE 88, 126-138, Rn. 36). Dieses resultiert zum einen schon daraus, dass Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung keinen Anspruch auf die von der jeweiligen Facharztgruppe für erforderlich gehaltene medizinische Versorgung haben, sondern ihr Leistungsanspruch gemäß § 2 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot auf das Maß des Notwendigen begrenzt ist. Zum anderen schließt es aber die Vielfalt der vom Bewertungsauschuss in Erwägung zu ziehenden Aspekte und zu berücksichtigenden Interessen bei der ihm übertragenen Normgebung in der Regel aus, einem von fachmedizinischer Seite vorgetragenen Gesichtspunkt ein solches Gewicht beizumessen, dass schon bei Hintanstellen des Einzelgesichtspunkts im Entscheidungsprozess auf eine missbräuchliche oder sachwidrige Ausübung der Bewertungskompetenz geschlossen werden kann (BSG, a.a.O., Rn. 36; siehe auch BSG, 17. Februar 2016, B 6 KA 46/14 R, Rn. 31, juris).

Angesichts des Einschätzungspielraumes des Bewertungsausschusses ist es nicht zu beanstanden, dass im Frühjahr 2010 zunächst noch eine zu hohe Abrechnungshäufigkeit für die onkologischen Zusatzpauschalen prognostiziert worden war bzw. im Umkehrschluss eine zu geringe Beteiligung an der Onkologie-Vereinbarung.

Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im März 2010 war nicht sicher absehbar, wie viele Ärzte tatsächlich an der zum Quartal 4/2009 in Kraft getretenen neuen Onkologie-Vereinbarung teilnehmen würden. Denn die Teilnahme an der Onkologie-Vereinbarung setzte eine nicht unerhebliche Mindestfallzahl voraus. Vor diesem Hintergrund sah die zum Quartal 4/2009 in Kraft getretene Onkologie-Vereinbarung aus Gründen der Sicherstellung der flächendeckenden ambulanten onkologischen Versorgung (zunächst als Übergangsregelung) vor, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinschaftlich mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen regional-spezifisch vorübergehende Ausnahmeregelungen in Bezug auf die Mindestfallzahlen festlegen konnten (vgl. § 3 Abs. 7 der Onkologie-Vereinbarung). Damit waren hier grundsätzlich 17 inhaltlich voneinander abweichende Regelungen durch die regionalen Gesamtvertragspartner möglich. Daraus folgt, dass dem Bewertungsausschuss zum Zeitpunkt der ersten Bereinigung der Grundpauschalen im März 2010 keine Erkenntnisse darüber vorliegen konnten, ob und in welchem Umfang auf der Landesebene von der Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht wurde bzw. wie hoch die Anzahl der an der Onkologie-Vereinbarung teilnehmenden Ärzte wirklich sein würde. Auf dieser Basis war noch keine Anpassung möglich bzw. erforderlich. Insbesondere gab es angesichts dieses offenen Abrechnungssystems keinen Hinweis, dass denklogisch von einer steigenden Teilnehmerzahl der hierfür qualifizierten Ärzte auszugehen war.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2014 meint, die Zahl der an der Onkologie-Vereinbarung zukünftig teilnehmenden Ärzte hätte entsprechend der Anzahl der Abrechnung nach der Vorgängervereinbarung ermittelt werden können, ist dies angesichts der Mindestfallzahlen nicht überzeugend. Auch aus der Zahl der Ärzte, die eine Zusatzweiterbildung bezüglich medikamentöser Tumortherapie absolviert haben, lassen sich keine hinreichenden Schlüsse auf die Anzahl der Teilnehmer an der Onkologie-Vereinbarung ableiten.

Die Pauschale nach der EBM-Ä kann außerdem auch von Praxen berechnet werden, die nicht an der Onkologie-Vereinbarung teilnehmen. Darüber hinaus kann sie auch für die Nachsorge berechnet werden. Diese ist nach § 1 der Onkologie-Vereinbarung nicht berechnungsfähig, so dass insoweit kein Ausschluss greift.

Wie der beigeladene Spitzenverband GKV nachvollziehbar und überzeugend vorträgt, hätte eine Anpassung der Leistungsbewertungen für die streitgegenständliche Pauschalen für das Quartal 4/2010 spätestens im Quartal 3/2010 erfolgen müssen. Zu diesem Zeitpunkt konnte nur auf die Abrechnung für das Quartal 4/2009 und gegebenenfalls das I. Quartal 2010 zurückgegriffen werden. Eine belastbare Datengrundlage für eine Überprüfung bestand damit nicht. Dies gilt umso mehr, als jenes Quartal 4/2009 das erste Quartal nach Inkrafttreten der Onkologie-Vereinbarung zum 1. Oktober 2009 war, so dass dieses Quartal und auch das Quartal 1/2010 als Einführungsphase nur wenig aussagekräftig waren. Auch für eine Schätzung bestand kein hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkt. Erst zum Zeitpunkt des Beschlusses am 31. August 2011 lagen belastbare Ergebnisse aus 3 Quartalen (2/2010-4/2010) vor.

§ 87c Abs. 1 Satz 4, 6 SGB V in der Fassung vom 26. März 2007 zeigt bereits hinreichend deutlich, dass dem Bewertungsausschuss ein gründliches Arbeiten ohne Rückgriff auf Schätzungen zumindest nicht untersagt ist. Insbesondere ein Abstellen auf mindestens vier Quartale als Mindeststandard ist dort vorgegeben. Denn nach dieser Norm ist die Leistungsmenge als Punktzahlvolumen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabes abzubilden; sie ergibt sich aus der Hochrechnung der dem Bewertungsausschuss vorliegenden aktuellen Abrechnungsdaten, die mindestens vier Kalendervierteljahre umfassen. Für die Hochrechnung übermitteln die Kassenärztlichen Vereinigungen dem Bewertungsausschuss die ihnen "vorliegenden aktuellen Daten über die Menge der abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen, die mindestens vier Kalendervierteljahre umfassen, jeweils nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung und Anwendung honorarwirksamer Begrenzungsregelungen".

Hinzu kommt, dass der Bewertungsausschuss in seinem Beschluss vom 31. August 2011 für die Zukunft verbindliche Überprüfungen vorgesehen hat (vgl. Protokollnotiz Nr. 2 des Beschlusses).

Angesichts aller dieser Umstände ist auch nicht zu beanstanden, dass der Bewertungsausschuss eine Neubewertung erst nach sechs Quartalen (Herbst 2011) vorgenommen hat.

Für eine frühere Überprüfung bestand auch keine entsprechende Selbstverpflichtung. Erst zum 31. August 2011 (und damit nach Abschluss des hier streitigen Quartals 2/2011) hat sich der Bewertungsausschuss zu einer jährlichen Evaluation der streitbefangenen Regelung verpflichtet.

Eine gesetzliche Verpflichtung des Bewertungsausschusses zur jährlichen Evaluierung besteht nicht. Gerade nach Einführung komplexer Neuregelungen wie hier im Bereich der Bewertung onkologischer Vertragsarztleistungen müssen zunächst - wie oben dargelegt - belastbare Daten abgewartet werden, bevor eine Evaluation auf fundierter Datenlage stattfinden kann.

b) Die hier erfolgte Vergütung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der angemessenen Vergütung oder den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG begründet § 72 Abs. 2 SGB V grundsätzlich keinen subjektiven Anspruch auf ein bestimmtes Honorar, sondern nur auf einen angemessenen Anteil der Gesamtvergütung. Nur dann, wenn durch die Honorierung einer Leistung bzw. einer Arztgruppe in einem fachlichen und örtlichen Teilbereich kein finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu sein und hierdurch die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet erscheint, ist vor dem Hintergrund der verschiedenen mit dem EBM-Ä verbundenen Zweckbestimmungen, die miteinander in Ausgleich zu bringen sind, ein Verstoß gegen § 72 Abs. 2 SGB V alleine mit dem Argument eines vermeintlich zu geringen Honorars denkbar (vgl. nur BSG, 20. Oktober 2004, B 6 KA 31/03 R, juris). Dies ist nicht ersichtlich.

Allein betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte aus den Praxen einzelner betroffener Ärzte oder Arztgruppen - teilweise durch die konkrete Kostenstruktur einer Praxis selbst zu beeinflussende - sind nach der überzeugenden Rechtsprechung des BSG nicht geeignet, die vermeintlich zu niedrige EBM-Ä-Bewertung einzelner Leistungen zu Fall zu bringen. Die Honorierung der einzelnen erbrachten Leistung kann vielmehr auch z.B. in eine Komplexgebühr mit eingehen oder sonst ausgeschlossen werden. Das BSG hat in diesem Sinne wiederholt entschieden, dass dem Zuschnitt der vertragsärztlichen Vergütung insgesamt eine "Mischkalkulation" zugrunde liegt. Dies bedeutet, dass es durchaus Leistungen geben kann, bei denen selbst für eine kostengünstig organisierte Praxis kein Gewinn zu erzielen ist. Entscheidend ist nämlich, dass der Vertragsarzt insgesamt Anspruch auf eine leistungsgerechte Teilhabe an der Gesamtvergütung hat, der in aller Regel dazu führt, dass das aus der vertragsärztlichen Tätigkeit erzielbare Einkommen Ärzten hinreichenden Anlass zur Mitwirkung an der vertragsärztlichen Versorgung bietet (so BSG, 16. Mai 2001, B 6 KA 20/00 R, BSGE 88, 126-138, Rn. 36).

Insgesamt bestand vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2010, also für zweieinhalb Jahre, eine zu hohe Bewertung für elf Grundpauschalen im EBM-Ä, denen aufgrund der Überbereinigung eine zu niedrige Bewertung für fünf Pauschalen für den anschließenden Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis 31. Dezember 2011, also für anderthalb Jahre gegenüberstand. Dies zeigt zum einen die Schwierigkeit der Bewertung der Abrechnungspositionen und zugleich auch, dass der Kläger insgesamt nicht unzumutbar benachteiligt wurde.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, 3. HS i.V.m. § 154 Abs. 1 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

C. Der Streitwert wird auf 5.026,37 EUR festgesetzt (Ergebnis der Vergleichsrechnung zwischen ursprünglichen und abgesenkten Punktwerten). Nach § 52 Abs. 1 GKG bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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