L 1 SF 155/19 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 51 SF 272/16 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 155/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. Dezember 2018 S 51 SF 272/16 E wird als unzulässig verworfen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das beim Sozialgericht Gotha anhängig gewesene Verfahren S 51 AS 5511/13 der von dem Beschwerdeführer vertretenen Kläger. Diese wandten sich gegen einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 25. Juli 2013.

Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung einer Ver-gütung i. H. v. 1.059,10 Euro. Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 14. Januar 2016 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 714,00 Euro fest. Hiergegen richtete sich die Erinnerung des Beschwerdeführers vom 18. Januar 2016. Mit Beschluss vom 27. Dezember 2018 hat das Sozialgericht die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung für das Klageverfahren auf 928,20 Euro festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 8. Januar 2019 Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, dass das Verfahren S 51 AS 5511/13 mit dem Verfahren S 31 AS 5510/13 gebührenrechtlich keine Einheit bilde und in beiden Verfahren die Höchstgebühr jeweils festzusetzen sei.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft, jedoch unzulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro nicht; die Beschwerde wurde auch nicht durch die Vorinstanz wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 und 2 RVG).

Der Beschwerdewert errechnet sich aus dem Unterschied zwischen der vor der Vorinstanz festgesetzten und der mit der Beschwerde geltend gemachten festzusetzenden Vergütung einschließlich der Umsatzsteuer. Das Sozialgericht hat die zu erstattende Vergütung auf 928,20 Euro festgesetzt. Der Beschwerdeführer hatte unter Berücksichtigung seiner Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren die Festsetzung der Vergütung auf 1.059,10 Euro beantragt. Der Beschwerdewert beträgt damit nur 130,90 Euro.

Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass die Verfahren S 51 AS 5510/13 und S 51 AS 5511/13 nicht als dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG angesehene werden können.

Von derselben Angelegenheit wird regelmäßig dann ausgegangen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R m. w. N., nach juris). Dies gilt auch für Individualansprüche nach dem SGB II; die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft löst lediglich eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG aus (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R, 21. Dezember 2009 - B 14 AS 83/08 R, 27. September 2011 - B 4 AS 155/10 R, juris; a.A. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, § 15 Rdnr. 23). Entscheidend ist, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B). Entsprechend hat das BVerwG im Urteil vom 9. Mai 2000 (11 C 1/99, juris) ausgeführt, "dieselbe Angelegenheit" komme vor allem in Fällen paralleler Verwaltungsverfahren in Betracht, wenn dieselbe Behörde Verwaltungsakte aus einem gemeinsamen Anlass und Rechtsgrund in engem zeitlichen Zusammenhang objektbezogen erlässt, so dass einen Adressaten mehrere Verwaltungsakte erreichen, die auch zusammengefasst in einem einzigen Bescheid hätten ergehen können. Beauftrage dann der Adressat einen Rechtsanwalt damit, aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt einheitlich gegen alle Verwaltungsakte vorzugehen, werde dieser, sofern keine inhaltliche oder formale Differenzierung zwischen den Verfahren geboten sei, in "derselben Angelegenheit" tätig. Unerheblich sei, ob der Rechtsanwalt die Widersprüche in einem einzigen, alle Verfahren betreffenden Schreiben oder in mehreren, die jeweiligen Einzelverfahren betreffenden Schreiben, die sich nur hinsichtlich der jeweiligen Verfahrensangabe (Objekt, Aktenzeichen) unterscheiden, einlege und begründe. Anders sei es allerdings, wenn der Rechtsanwalt auftragsgemäß unterschiedliche Einwände gegen die jeweiligen Verwaltungsakte vortrage oder nennenswert unterschiedliche verfahrensrechtliche Be-sonderheiten zu beachten habe. Fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen mehreren, an einen Adressaten gerichteten Verwaltungsakten, scheide schon aus diesem Grund die An-nahme "derselben Angelegenheit" aus." Der Rechtsprechung des BSG ist der 6. Senat des Thüringer Landessozialgerichts gefolgt und hat sie dergestalt weiterentwickelt, dass auch bei getrennten Klageverfahren "dieselbe Angelegenheit" vorliegen kann (vgl. Beschlüsse vom 15. April 2015 - L 6 SF 331/15 B, 6. Januar 2015 - L 6 SF 1221/14 B, 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an, denn es ist nicht einsichtig, formal selbständige Klageverfahren stets kostenrechtlich getrennt zu behandeln (so auch FG Baden-Württemberg, Be-schluss vom 12. Juni 2014 - 8 KO 1022/12, juris).

Im vorliegenden Fall kann anhand dieser Grundsätze ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit nicht bejaht werden. Denn objektiv setzt eine Rücknahme der Bewilligung von SGB II Leistungen nach § 45 SGB X für die Vergangenheit die individuelle Prüfung der verfahrensrechtlichen (z.B. Anhörung nach § 24 SGB X) und subjektiven Voraussetzungen (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) bezüglich der einzelnen Kläger voraus (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 14. März 2017, L 6 SF 1185/15 B, Rdn. 21-25 nach Juris).

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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