S 6 R 786/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 786/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 35/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 86/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Der am 00.00.1963 geborene Kläger stellte am 29.10.2013 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Allgemeinmediziners ein und ließ den Kläger auf internistischem Fachgebiet durch Dr. L untersuchen. In seinem Gutachten vom 03.02.2014 stellte der Gutachter folgende Diagnosen: degeneratives Wirbelsäulensyndrom, vegetative Regulationsstörung (mit Erschöpfung), labiler Bluthochdruck, Übergewicht, Verdauungsbeschwerden, Seheinschränkung rechts. In sozialmedizinischer Hinsicht kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch in der Lage sei, körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen und überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr zu verrichten. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 12.02.2014 ab.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass er nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten könne. Seit seiner Jugend leide er unter Rückenbeschwerden, die ihn auch beruflich eingeschränkt hätten. Vorbeugung durch Sport, Bewegung usw. habe die ständige Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nicht verhindert. Auch die behandelnden Orthopäden sähen keine Besserungsmöglichkeit mehr. Ferner leide er unter Schmerzen, so dass er täglich fünf bis sechs Ibuorofen-600-Tabletten einnehme und dennoch nie schmerzfrei sei. Auch nachts wache er wegen der Schmerzen auf und müsse sich dann bewegen. Darüber hinaus leide er unter starkem Harndrang, weshalb er mindestens ein- bis zweimal pro Stunde auf die Toilette müsse. Wegen starker Verdauungsprobleme müsse er zudem fünf- bis sechsmal täglich wegen Stuhlgangs auf die Toilette. Bedingt durch eine Hämorrhoiden-OP sei kurz danach ein Säubern erforderlich. Medikamentöse Behandlung sei erfolglos geblieben. Der Kläger leide auch an Knie- und Schulterbeschwerden sowie einer Fußheberschwäche. Ein Shunt-Gefäß im rechten Auge verursache eine Sehschwäche, die nicht ausgeglichen werden könne.

Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin auf fachorthopädischem Gebiet durch Dr. E untersuchen. In seinem Gutachten vom 10.05.2014 stellte Dr. E folgende Diagnosen: Osteochondrose der LWS, BWS und HWS und Spondylarthrose der LWS, Flachrücken, Großzehengrundgelenksarthrose links. In sozialmedizinischer Hinsicht kam der Gutachter zum Ergebnis, dass der Kläger körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen, überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr verrichten könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung nicht erfüllt seien, da der Kläger weiterhin in der Lage sei, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Kläger könne auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit geltend machen, da er nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei.

Hiergegen hat der Kläger am 19.08.2014 Klage erhoben.

Der Kläger wiederholt zur Begründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2014 zu verurteilen, ihm Erwerbsminderungsrente dem Grunde nach zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Begründung aus dem Verwaltungsverfahren.

Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte sowie eines fachorthopädischen Gutachtens von Dr. I vom 26.04.2015 und eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. N vom 23.06.2015. Die Sachverständigen haben in ihren Gutachten die folgenden leistungsrelevanten Diagnosen gestellt: wiederkehrendes Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule bei muskulärer Dysbalance mit schmerzhafter Funktionseinschränkung ohne sichere Nervenwurzelreizzeichen, chronisch wiederkehrendes Schmerzsyndrom der Brust- und Lendenwirbelsäule mit Beinausstrahlung beidseits (Lumboischialgie) bei Fehlstatik mit muskulärer Dysbalance und schmerzhafter Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule ohne sichere Nervenwurzelreizzeichen, Epicondylitis humeri radialis rechts (Tennisellenbogen) ohne wesentliche Funktionseinschränkung; Belastungsschmerz rechtes Handgelenk ohne Funktionseinschränkung, Anlaufschmerz der Hüftgelenke ohne wesentliche Funktionseinschränkung, Belastungsschmerz der Kniegelenke ohne Funktionseinschränkung, Spreizfuß beidseits, Zwangshandlungen und Zwangsgedanken gemischt, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, somatoforme autonome Funktionsstörung des Urogenitalsystems und des unteren Gastrointestinaltraktes. Die Sachverständigen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch in der Lage sei, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt regelmäßig vollschichtig im Rahmen einer 5-Tage-Woche zu verrichten. Auf den weiteren Inhalt der Sachverständigengutachten wird verwiesen.

Der Kläger hat im Anschluss ergänzend vorgetragen, dass er sich bei den Augenärzten OWL ein grassierendes hochinfektiöses Adeno-Virus, eine Kerato-Konjunktivitis-Epidemica zugezogen habe. Unter diesen Folgeerscheinungen leide er noch heute. Die Viruserkrankung sei Auslöser der psychischen Probleme, seines Desinfektionszwanges. In dem Gutachten sei nicht auf die richtigen psychischen Probleme eingegangen worden.

Das Gericht hat daraufhin ergänzend Befundberichte des behandelnden Urologen und Augenarztes des Klägers eingeholt.

Auf Antrag des Klägers hat das Gericht nach § 109 SGG ein fachorthopädisches Gutachten von Dr. C vom 28.12.2015 und ein nervenärztliches Gutachten von Dr. D vom 30.12.2015 eingeholt. In ihren Gutachten stellen die Sachverständigen folgende Diagnosen: Funktionseinschränkung des rechten Handgelenkes mit Palpationsschmerz, Funktionseinschränkung der HWS/BWS/LWS mit paraspinalem Druckschmerz bei degenerativen Veränderungen, leichter Achsabweichung sowie Bandscheibenvorfall, Lasègue beidseits negativ, Funktionseinschränkung beide Hüftgelenke, leichte Funktionseinschränkung beide Kniegelenke mit Ergussbildung rechtsseitig, lokale Reizung linkes Großzehengrundgelenk, Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt, somatoforme autonome Funktionsstörung des Urogenitalsystems, anhaltende somatoforme Schmerzstörung. In sozialmedizinischer Hinsicht kommen die Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch in der Lage sei, körperlich leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt regelmäßig mindestens sechs Stunden im Rahmen einer 5-Tage-Woche zu verrichten. Auf den weiteren Inhalt der Sachverständigengutachten wird verwiesen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Gutachten nicht alle Beeinträchtigungen und auch nicht die Schwere der Beeinträchtigungen berücksichtigten. Hilfreich sei es, seinen nunmehr behandelnden Psychologen anzuhören.

Das Gericht hat daraufhin einen Befundbericht des behandelnden Psychologen eingeholt und dem Sachverständigen Dr. N zu ergänzenden Stellungnahme übersandt. Nach seiner Stellungnahme vom 23.06.2016 ergeben sich aus dem Befundbericht keine neuen Anhalte, die zu einer veränderten Beurteilung führen könnten.

Aufgrund der Schilderungen des Klägers zu bestehenden Problemen bezüglich der Teilnahme am anberaumten Verhandlungstermin am 29.11.2016 hat das Gericht den Sachverständigen Dr. N ausführlich zu den Verhaltensweisen des Klägers, deren Plausibilität und den Folgen insbesondere für berufliche Tätigkeiten befragt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.12.2016 führt der Sachverständige aus, dass die Verhaltensweisen des Klägers vor dem Hintergrund des Erkrankungsbildes nachvollziehbar seien. Allerdings zeigten sich auch Verdeutlichungstendenzen, bspw. bei der Nachfrage, ob er beim Gerichtseingang "durchgewunken" werden könne, da er möglicherweise abgegebene Gegenstände nicht wieder anfassen könne. So liege es an dem Kläger selbst, von vornherein keine Gegenstände mitzubringen. Die Ankündigung des Mitbringens eines Sitzkissens wirke bizarr. Bisher habe er bei verschiedenen Gutachtern und Psychotherapeuten sehr wohl auf einem Stuhl gesessen. Für Tätigkeiten mit erhöhter Konzentrationsanforderung würde der Kläger eine längere Zeit benötigen. Ein erhöhter Pausenbedarf bestehe hinsichtlich der Zwangserkrankung nicht. Er könne aufgrund seiner Hygienevorstellung einer Tätigkeit außerhalb seiner Wohnung in Betriebsräumen eines Arbeitgebers nachgehen. Zwar verfüge der Kläger nicht über eine durchschnittliche Umstellungsfähigkeit. Jedoch könne er einfach strukturierten Tätigkeiten nach einer Einarbeits- und Einweisungszeit nachgehen. Insgesamt komme er zu keinem anderen Ergebnis als in seinem Gutachten. Aus seiner Sicht zeigten sich Verdeutlichungs- und Regressionstendenzen.

Der Kläger hat anschließend ergänzend vorgetragen, dass er zu den Untersuchungen immer Einmalhandschuhe getragen habe und Sitzbezüge mitgebracht habe, die er allerdings nicht immer habe nutzen können wegen vorhandener Armlehnen. Alles, was mit anderen Gegenständen in Kontakt gekommen sei, müsse anschließend von ihm desinfiziert werden. Im Übrigen sei er auch schon auf die Idee gekommen, nur das Nötigste mitzunehmen, wie beispielsweise Autoschlüssel, Personalausweis usw. Diese Dinge könne er jedoch nicht mehr anfassen, wenn er sie ablegen musste. Eine Tätigkeit in Betriebsräumen eines Arbeitgebers sei nicht vorstellbar.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.03.2017 hat das Gericht den Kläger ausführlich zu seinem Beschwerdebild befragt. Im Anschluss haben die Beteiligten einen Widerrufsvergleich über eine bis zum 31.12.2018 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.09.2014 geschlossen, den die Beklagte innerhalb der Widerrufsfrist unter Verweis auf eine sozialmedizinische Stellungnahme ihrer Abteilung Sozialmedizin vom 30.03.2017 widerrufen hat.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 10.03.2017 gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil entscheiden.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 12.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2014 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 1 und Abs. 2 SGG. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Gemäß § 43 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hingegen ist nicht erwerbsgemindert gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Der Kläger ist noch in der Lage, einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Er leidet zwar an den im Einzelnen durch die Sachverständigen beschriebenen Gesundheitsstörungen. Diese Gesundheitsstörungen schränken seine Erwerbsfähigkeit nicht unerheb¬lich ein. Er ist daher einem gesunden Versicherten nicht gleichzustellen. Die Ausführung von Arbeiten in gebeugter Haltung und mit Zwangshaltungen ist ihm ebenso wenig zumutbar wie eine Tätigkeit unter Einwirkung von Hitze, Staub, Gas, Dampf oder Rauch sowie verbunden mit Zeitdruck oder sonstigem Stress und in Wechsel- oder Nachtschicht. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist eingeschränkt für wiederkehrende Kraftanforderungen. Der Kläger ist unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen jedoch noch in der Lage, eine körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit, mit gelegentlichem Tragen und Heben von Lasten mit max. Gewicht von 10 kg, im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen, mit gelegentlichem Bücken und Knien, mit gelegentlichem Besteigen von Leitern, zeitweise im Freien mit Nässe, Kälteeinwirkung, Zugluft und Temperaturwechsel, mit gelegentlichem Publikumsverkehr ohne Einschränkungen im Hinblick auf das Verantwortungsbewusstsein sowie im Hinblick auf das Hör- und Sehvermögen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der nachvollziehbar begründeten Gutachten der Sachverständigen Dr. N und Dr. I unter Berücksichtigung der übrigen in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen. Die Kammer hält die Ein¬schätzung der Sachverständigen für überzeugend, weil sie diese auf eine ausführlich er¬hobene Anamnese sowie auf eingehende und sorgfältige Untersuchungen stützen. Die Sachverständigen orientieren ihre Beurteilung an anerkannten Bewertungsmaßstäben, ihre Ausführungen sind in sich schlüssig und frei von Widersprüchen. Die Sachverständigen gelangten übereinstimmend zu der Einschätzung, dass die gesundheitli¬chen Störungen des Klägers zwar qualitative Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit nach sich ziehen, nicht aber auch zu einer Einschränkung in zeitlicher Hinsicht führen. Bestätigung finden die Einschätzungen der Sachverständigen insbesondere im Hinblick auf die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers von mindestens sechs Stunden zum einen in sämtlichen eingeholten Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte, mit Ausnahme der Augenärzte, die diesbezüglich keine Stellungnahme abgegeben haben, und des Diplom-Psychologen Kiehl, der nach eigenen Angaben weder die gesetzliche Befugnis noch ausreichende Erfahrung für eine derartige Einschätzung hat. Zum anderen findet dieses Ergebnis Bestätigung in den Gutachten gemäß § 109 SGG der Sachverständigen Dr. C und Dr. D, die den Kläger ebenfalls persönlich begutachtet haben. Zuvor hatten im Übrigen die Gutachter der Beklagten dieselbe Einschätzung abgegeben. Wesentliche Unterschiede in den Diagnosen, dem Befund und der Leistungseinschätzung finden sich insgesamt nicht. Insbesondere ist im Zusammenhang mit der Schmerzstörung auszuführen, dass sich während der Exploration durch den Sachverständigen Dr. N keine stärkeren Veränderungen der Körperposition oder mimische Schmerzäußerungen gezeigt haben. Die Behandlung erfolgt lediglich durch Einnahme von Schmerzmittel der untersten Stufe. Weitergehende Therapiemaßnahmen erfolgen nicht. Auch die orthopädischen Befunde zeigten keine derartigen Besonderheiten auf, die schlüssig ein quantitativ vermindertes Leistungsvermögen rechtfertigen könnten.

Zu keinem anderen Ergebnis führt nach Auffassung der Kammer, dass bei dem Kläger ausweislich der eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. N und Dr. D Einschränkungen in der geistigen Beweglichkeit bestehen. Durch die Zwangsgedanken bestehen zudem Einschränkungen im Umstellungs- und Anpassungsvermögen. Von einer durchschnittlichen Umstellungsfähigkeit des Klägers kann nicht mehr ausgegangen werden. Durch die Zwangsstörung bestehen rigide Denk- und Handlungsmuster. Der Kläger ist trotz dieser Einschränkungen zur Überzeugung der Kammer in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Zu den üblichen Bedingungen zählen auch individuelle Umstände wie kognitive Grundfähigkeiten, die krankheitsbedingt herabgesetzt sein können. Dazu gehören die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz (Ulrich Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Auflage 2013, § 43, Rn. 144). Zwar führt der Sachverständige Dr. N in seinem Gutachten vom 23.06.2015 aus, dass die Gedanken des Klägers um Bakterien und Viren und deren mögliche Ausbreitungswege in seiner Umgebung kreisen. Zudem werde durch die Zwangssymptome viel Zeit und Konzentration gebunden, die für andere nutzbringende Tätigkeiten dann weniger zur Verfügung stehe. Auch bestehe bei dem Kläger eine hohe Ablenkbarkeit. Auch der Sachverständige Dr. D beschreibt in seinem Gutachten vom 30.12.2015, dass der Kläger durch die Zwangsgedanken daran gehindert ist, sich auf andere Beschäftigungen ausreichend zu konzentrieren. Auf explizite Nachfrage des Gerichts hat der Sachverständige Dr. N jedoch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.12.2016 ausgeführt, dass es dem Kläger möglich sei, einfach strukturierten Tätigkeiten nach einer Einarbeits- und Einweisungszeit nachzugehen. Lediglich für Tätigkeiten mit erhöhter Konzentrationsanforderung würde der Kläger längere Zeit benötigen. Er beschreibt den Kläger im Zusammenhang mit seinen Hygienevorstellungen zudem für in der Lage, in Betriebsräumen eines Arbeitgebers einer Tätigkeit nachzugehen. Auch bestehe kein erhöhter Pausenbedarf. Im Ergebnis hält die Kammer diese Einschätzungen auch für plausibel. Diese beruhen wie ausgeführt auf ausführlichen Untersuchungen und einer hinreichenden medizinischen Fachkenntnis des Sachverständigen. Allein die Schilderungen des Klägers ohne weitere medizinische Würdigung können, wie die Beklagte gestützt auf eine sozialmedizinische Stellungnahme zuletzt zutreffend ausgeführt hat, angesichts der vollumfänglich gegen die Meinung des Klägers sprechenden medizinischen Befunde und Einschätzungen nicht zur Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass sich nach Darstellung des Sachverständigen Dr. N Verdeutlichungstendenzen bei dem Kläger zeigen. Ferner ist die geringe Inanspruchnahme von Therapiemaßnahmen trotz des dargestellten Leidensdrucks durch den Kläger hervorzuheben. Auch die Schilderungen des Klägers zu seinem Tagesablauf zeigen vorhandene Ressourcen auf. So war er im Ergebnis in der Lage das Haus zu verlassen, um vier verschiedene Sachverständige sowie das Sozialgericht aufzusuchen. Zudem fährt er seine Ehefrau täglich zur Arbeit und sucht die behandelnden Ärzte und Psychologen auf. Ferner geht er gemeinsam mit seiner Ehefrau einkaufen und sucht gelegentlich ein Cafe auf. Einen gewissen Schutz vor einer befürchteten Ansteckung sucht er im Tragen von Einmalhandschuhen und durch Vermeiden von Händeschütteln oder ähnlichen Berührungen sowie durch später (zu Hause) erfolgende Desinfektionsmaßnahmen. Soweit der Kläger häufige Toilettengänge schildert, ist für die Kammer nicht hinreichend ersichtlich, dass der gesetzliche Arbeitspausenanspruch und die üblichen Verteilzeiten nicht ausreichen.

Der Kläger kann mit dem festgestellten noch vollschichtigen Leistungsvermögen und den genannten Funktionseinschränkungen auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit durch die Beklagte bedarf es nicht. Nicht entscheidungserheblich ist dabei die Frage, ob dem Kläger tatsächlich ein leidensgerechter Arbeitsplatz vermittelt werden kann. Dieses Risiko trägt nicht die Beklagte als Rentenversicherungsträger sondern vielmehr die Bundesagentur für Arbeit als Träger der Arbeitslosenversicherung. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen, § 43 Abs. 3, 2. HS SGB VI.

Die Klägerin hat nach § 240 SGB VI auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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