S 18 KR 1/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 18 KR 1/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 109/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
L 1 KR 109/18 S 18 KR 1/13

hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Hamburg auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2019 durch

die Vizepräsidentin des Landessozialgerichts Abayan, die Richterin am Landessozialgericht Stachnow und den Richter am Landessozialgericht Winter sowie den ehrenamtlichen Richter Schneider und den ehrenamtlichen Richter Tertel

für Recht erkannt:
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 02.03.2006 bis 20.03.2006 und die Gewährung höheren Krankengeldes für den Zeitraum vom 21.03.2006 bis 25.01.2007 sowie die Entrichtung der diesbezüglich anfallenden Sozialversicherungsbei¬träge und sonstigen gesetzlichen Abgaben.

Die am 02.05.1946 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin war bis zum 31.10.2005 bei der K. beschäftigt. Im Dezember 2005 reichte sie ge¬gen ihren vormaligen Arbeitgeber eine Klage wegen rückständiger Arbeitsentgelte, Weih¬nachts- und Urlaubsgeld beim Arbeitsgericht Lüneburg ein. Das Verfahren wurde dort zu¬nächst unter dem Aktenzeichen 2 Ca 205/05 und später unter dem Aktenzeichen 2 Ca 5/09 geführt.

Am 08.01.2006 erlitt die Klägerin einen Herzinfarkt und wurde im Folgenden vom 09.01.2006 bis zum 31.01.2006 stationär behandelt. Anschließend führte sie bis zum 01.03.2006 eine ihr von der Deutsche Rentenversicherung Bund als Anschlussheilbehandlung bewilligte statio¬näre medizinische Rehabilitationsmaßnahme durch. Die Klägerin war in den Zeiträumen vom 08.01.2006 bis 21.03.2007, vom 25.09.2007 bis 23.03.2009 und vom 07.01.2011 bis 29.03.2011 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum vom 02.03.2006 bis 26.04.2006 gingen dabei – neben weiteren Arbeitsunfä-higkeitsbescheinigungen – ausweislich des Eingangsstempels der Beklagten am 19.05.2006 bei dieser ein.

Der Klägerin wurden ab dem 01.11.2005 unter anderem Leistungen wie folgt gewährt: - vom 01.11.2005 bis 30.01.2006 Arbeitslosengeld I (Leistungsbetrag täglich 36,97 EUR), - vom 21.03.2006 bis 21.03.2007 Krankengeld (kalendertäglich 36,97 EUR),

Das Krankengeld für die Zeit vom 21.03.2006 bis 25.01.2007 wies die Beklagte in der Zeit vom 14.07.2006 bis 30.01.2007 an. Für den Zeitraum vom 26.01.2007 bis 21.03.2007 wurde das Krankengeld erst am 02.09.2008 angewiesen.

Am 12.03.2009 schloss die Klägerin mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber in dem Verfahren 2 Ca 5/09 vor dem Arbeitsgericht Lüneburg einen Vergleich, in dem sich der ehemalige Ar¬beit¬geber der Klägerin verpflichtete, zur Abgeltung aller Gehaltsrückstände für das Jahr 2005 einen Betrag in Höhe von 5.976,58 EUR brutto an die Klägerin zu zahlen.

Mit zwei Bescheiden vom 24.03.2009 berechnete daraufhin die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Hamburg-Nord - das Arbeitslosengeld I für die Zeiträume vom 01.11.2005 bis 30.01.2006 (Leistungsbetrag 41,90 EUR täglich) und vom 22.03.2007 bis 05.11.2007 (Leistungsbetrag 42,12 EUR täglich) neu.

Mit einem am 11.03.2012 per Fax bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 08.03.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Neuberechnung des von ihr in den Zeiträumen vom 21.03.2006 bis 21.03.2007 und vom 06.11.2007 bis 23.03.2009 bezogenen Krankengeldes, weil die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Hamburg-Nord - auf-grund des vor dem Arbeitsgericht Lüneburg am 12.03.2009 geschlossenen Vergleichs das bezogene Arbeitslosengeld I neu berechnet und nach oben korrigiert habe. Aufgrund dessen sei nun auch das Krankengeld neu zu berechnen und nachzuzahlen. Die Klägerin reichte in diesem Zusammenhang bei der Beklagten die geänderten Bescheide der Bundesagentur für Arbeit vom 24.03.2009 und das Protokoll über die öffentliche Sitzung vor dem Arbeitsgericht Lüneburg vom 12.03.2009 ein.

Am 07.06.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten des Weiteren die Auszahlung des Krankengeldes für den Zeitraum vom 02.03.2006 bis 20.03.2006 unter Berücksichtigung des vor dem Arbeitsgericht Lüneburg geschlossenen Vergleichs und des neu berechneten Ar-beitslosengeldes I.

Mit Bescheid vom 01.10.2012 lehnte die Beklagte eine Neuberechnung des Krankengeldes für die Zeit vom 21.03.2006 bis 25.01.2007 unter Hinweis auf § 48 Zehntes Buch Sozialge-setzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X ab, da die Ansprüche für diesen Zeitraum bereits am 31.12.2011 "verjährt" gewesen seien.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, dass sie die Beklagte bereits am 24.03.2009 telefonisch über die Nachzahlung ihres Arbeitsgebers unterrichtet habe. Ihr sei daraufhin seitens einer Mitarbeiterin der Beklagten gesagt worden, dass sie zunächst das Arbeitslosengeld neu berechnen lassen solle. Aus dem neu berechneten Arbeitslosengeld würde dann das Krankengeld neu berechnet werden. Auf Nachfrage sei ihr erklärt worden, dass sie nunmehr vier Jahre Zeit habe, ihre Ansprüche geltend zu machen. Bei dem Gespräch sei ihre Tochter zugegen und über die Lautsprecherfunktion beteiligt ge¬wesen. Die Leistung des Krankengeldes im Jahr 2007 sei für sie zudem in Ermangelung ei¬ner Rechtsbehelfsbelehrung nicht als Verwaltungsakt erkennbar gewesen. Zu Unrecht ver¬weigere die Beklagte auch die Auszahlung des Krankengeldes für den Zeitraum vom 02.03.2006 bis 20.03.2006, für den ihr die erforderlichen Unterlagen vor¬gelegen hätten. Da die Beklagte das Krankengeld für diesen Zeitraum noch nicht gezahlt habe, liege insoweit noch kein Verwaltungsakt vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2013 hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.

Am 31.12.2012 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen hat sie vorgetragen: Sie habe die Beklagte bereits im Rahmen eines Telefonats im März 2006 über das anhängige Verfahren vor dem Arbeitsgericht Lüneburg informiert und mitgeteilt, dass sich aufgrund dieses Verfahrens im Falle eines positiven Ausgangs ein höherer Anspruch auf Krankengeld ergeben könnte. Ihr sei daraufhin gesagt worden, dass sie nach einem Urteil des Arbeitsgerichts vier Jahre Zeit hätte, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Nach dem bereits im Widerspruchsverfahren erwähnten Telefonat vom 24.03.2009 habe sie zudem auch noch einmal am 27.10.2009 bei der Beklagten angerufen, um sich zu vergewissern, ob sie alles richtig verstanden habe. Daraufhin sei ihr von der Mitarbeiterin der Beklagten, , gesagt worden, dass sie das "Urteil" des arbeitsgerichtlichen Prozesses an die Beklagte übersenden und zunächst ihr Arbeitslosengeld neu berechnen lassen solle. Nach dem arbeitsgerichtlichen Urteil habe sie vier Jahre Zeit, um ihre Ansprüche geltend zu machen.

Das Sozialgericht hat die Klägerin im Rahmen eines Erörterungstermins am 28.06.2017 sowie im Termin zur mündlichen Verhandlung zum Inhalt der von ihr angeführten Telefonate angehört und diesbezüglich zudem Beweis erhoben durch Verneh¬mung der Zeugin (Tochter der Klägerin) sowie der Zeuginnen und (Mitarbeiterinnen der Beklagten).

Sodann hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 25. April 2018, der Klägerin zugestellt am 13.09.2018, abgewiesen. Die Klägerin habe für die Zeit vom 02.03.2006 bis 20.03.2006 keinen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld. Sie habe auch keinen Anspruch auf eine Neuberechnung und Zahlung höheren Krankengeldes für den Zeitraum vom 21.03.2006 bis 25.01.2007. Dementsprechend habe die Beklagte bezüglich des begehrten Krankengeldes auch keine weiteren "Sozialabgaben" und "sonstigen gesetzlichen Abgaben" zu entrichten.

Für die Zeit vom 02.03.2006 bis 20.03.2006 sei zu beachten, dass nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V der Anspruch auf Krankengeld so lange ruhe, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet werde; dies gelte nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolge. Vorliegend habe die Klägerin die für den Zeitraum vom 02.03.2006 bis 20.03.2006 attestierte Arbeitsunfähigkeit der Beklagten nach Aktenlage erstmals am 19.05.2006 angezeigt. An diesem Tag seien die von ihr mit Schreiben vom 20.04.2006 übersandten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausweislich des Eingangsstempels der Beklagten bei dieser eingegangen. Eine vorherige Meldung sei nicht aktenkundig.

Für den Zeitraum vom 21.03.2006 bis 25.01.2007 ergebe sich ein Anspruch auf höheres Krankengeld insbesondere nicht nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X, die durch § 47b Abs. 2 SGB V außerhalb seines Anwendungsbereichs nicht verdrängt würden. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob Anspruchsgrundlage für die Gewährung höheren Krankengeldes § 44 SGB X oder § 48 SGB X wäre. Während § 44 SGB X die Rücknahme von Verwaltungsakten regele, die bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig gewesen seien, ermögliche § 48 SGB X die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten, die wegen einer nach Erlass eintretenden Änderung der Sach- und Rechtslage in Widerspruch zur Rechtslage getreten seien. Die Auszahlung des Krankengeldes für den jeweiligen Zeitraum bilde nach ständiger Rechtsprechung des BSG zugleich die Bewilligung der Leistung und damit den maßgeblichen Verwaltungsakt. Dem Anspruch auf Neuberechnung und Zahlung höheren Krankengeldes für den Zeitraum vom 21.03.2006 bis 25.01.2007 stehe in jedem Fall die gesetzliche Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X bzw. § 48 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X würden Sozialleistungen nach den Vor¬schriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden sei. Nach § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X werde dabei der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen werde. Erfolge die Rücknahme auf Antrag, trete bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen seien, anstelle der Rücknahme der Antrag, § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X. Nach diesem Maßstab sei der 11.03.2012 der Zeitpunkt, von dem an vier Jahre rückwirkend von Beginn des Jahres an Leistungen zu erbringen gewesen wären. Denn am 11.03.2012 sei das Schreiben der Klägerin vom 08.03.2012, mit dem sie unter anderem die Neuberechnung und Nachzahlung des Krankgengeldes für den streitgegenständlichen Zeitraum beantragt habe, bei der Beklagten eingegangen. Darin sei ein Antrag nach § 44 SGB X bzw. § 48 SGB X zu sehen. Ausgehend davon, komme eine Neuberechnung und Nachzahlung des Krankengeldes für die Vergangenheit nur bezogen auf den Zeitraum ab dem 01.01.2008 in Betracht, während das Krankengeld für den hier streitgegenständlichen Zeitraum bereits in den Jahren 2006 und 2007 ausgezahlt und damit bewilligt worden sei. Eine frühere Antragstellung, insbesondere eine Antragsstellung im Rahmen der von der Klägerin angeführten Telefonate, habe sich zur Überzeugung des Gerichts auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen lassen. Schon dem Vorbringen der Klägerin selbst und ihrer Einlassung im Erörterungstermin sowie im Termin zur mündlichen Verhandlung sei nicht zu entnehmen, dass bereits im Rahmen der von der Klägerin angeführten Telefonate ein Antrag auf Neuberechnung des Krankengeldes für den Zeitraum vom 21.03.2006 bis 25.01.2007 gestellt worden sei. Unter Zugrundelegung ihrer eigenen Angaben habe die Klägerin die Beklagte vielmehr im Rahmen dieser Telefonate über das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Lüneburg in Kenntnis gesetzt und sich erkundigt, wie insoweit weiter zu verfahren sei. Daraufhin habe sie seitens der Beklagten jeweils die Auskunft erhalten, dass sie auf der Grundlage des arbeitsgerichtlichen "Urteils" zunächst ihr Arbeitslosengeld neu berechnen lassen solle und sie nach dem arbeitsgerichtlichen Urteil vier Jahre Zeit habe, um ihre Ansprüche bezüglich des Krankengeldes geltend zu machen. Darin sei bei einer Auslegung nach dem insoweit bei der Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch) noch nicht die Stellung eins Überprüfungsantrags zu sehen, sondern lediglich ein Ersuchen um Auskunft bezüglich des weiteren Vorgehens bei einer etwaigen Beantragung höheren Krankengeldes. Etwas anderes ergebe sich insoweit auch nicht unter Berücksichtigung der Aussage der als Zeugin vernommenen Tochter der Klägerin, Frau. Denn auch der Aussage der Zeugin lasse sich eine Antragstellung vor dem 11.03.2012 zur Überzeugung des Gerichts nicht entnehmen. Vielmehr sei unter Zugrundelegung der Aussage der Zeugin von einer früheren Antragstellung aufgrund der Auskünfte der Mitarbeiterinnen der Beklagten gerade abgesehen worden. So habe die Zeugin – übereinstimmend mit der Klägerin – ausgeführt, dass ihr und ihrer Mutter im Rahmen der Telefonate im Jahr 2009 seitens der seinerzeit zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin , mitgeteilt worden sei, dass sie sich ab dem arbeitsgerichtlichen "Urteil" vier Jahre Zeit lassen könnten, um die Ansprüche geltend zu machen. Diese Auskunft hätten sie auch bereits im Rahmen eines Telefonats im März 2006 erhalten. Rechtzeitig vor Ablauf der vier Jahre hätten sie dann den Antrag auf Neuberechnung des Krankengeldes gestellt. Da sie nach den Auskünften der Mitarbeiterinnen der Beklagten vier Jahre Zeit gehabt hätten, um die Neuberechnung des Krankengeldes zu beantragen, und seinerzeit mit anderen Sachen beschäftigt gewesen seien, hätten sie keine Notwendigkeit gesehen, sich diesbezüglich früher an die Beklagte zu wenden.

Ein Anspruch auf Nachzahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 21.03.2006 bis 25.01.2007 stehe der Klägerin schließlich auch nicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greife nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden sei. Auf der Rechtsfolgenseite müsse durch die Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverlet¬zung nicht erfolgt wäre. Es könne dahin gestellt bleiben, ob und inwieweit die Beklagte die Klägerin hier im Rahmen der von dieser angeführten Telefonate fehlerhaft dahingehend beraten habe, dass sie nach dem arbeits-gerichtlichen "Urteil" vier Jahre Zeit hätte, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Denn selbst wenn die Klägerin im Wege eines Herstellungsanspruchs so gestellt werden müsste, dass ihr erst 2012 gestellter "Zugunstenantrag" bereits als im Jahr 2009 gestellt gelte, würde dies nicht dazu führen, dass ihr Leistungen rückwirkend auch für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 21.03.2006 bis 25.01.2007 zu gewähren wären. Denn – wie das BSG bereits geklärt habe – finde auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch die eine rückwirkende Leistungsverpflichtung begrenzende Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X entsprechende Anwendung, so dass auch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine nachträgliche Leistung für die Zeit vor 2008 nicht mehr in Betracht komme. § 44 Abs. 4 SGB X sei insoweit als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens zu verstehen, der eine mehr als vier Jahre zurückreichende Leistungser¬bringung ausschließe.

Mit der am 15.10.2018 eingelegten Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Beklagte sie im Rahmen der Telefonate hätte darauf hinweisen müssen, dass es sich bei den Krankengeldzahlungen um Verwaltungsakte handele, die hätten angegriffen werden müssen. Sie habe der Beklagten in den Telefonaten den Sachverhalt dargelegt und darauf vertraut, von der Beklagten zutreffend beraten worden zu sein. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt. Die Fälligkeit sei frühestens mit dem Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs eingetreten. Die Verjährung sei zudem durch die Telefonate gehemmt gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts und den Bescheid der Beklagten vom 1.10. 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.1.2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 2.3.2006 bis 20.3.2006 Krankengeld in Höhe von 41,90 Euro kalendertäglich fällig am 31.03.2006 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz auf 796,10 Euro sowie für die Zeit vom 31.3.2006 bis 25.1.2007 ihr ein um 4,93 Euro kalendertäglich erhöhtes Krankengeld zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit, spätestens ab 31.03.2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht gem. §§ 143, 151 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und daher zulässig. Sie ist aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten sind aus den aus dem Urteil ersichtlichen Gründen, auf die nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird, rechtmäßig. Das Sozialgericht hat dabei alle Aspektes des Falles erkannt und zutreffend gewürdigt.

Ergänzend und mit Blick auf die Berufungsbegründung wird nur noch auf Folgendes hingewiesen:

Was die Erhöhung des Krankengeldes vom 21.03.2006 bis 25.01.2007 angeht, ist es insbesondere zutreffend, dass nach der Rspr. des BSG die 4-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X auch auf den Herstellungsanspruch angewendet wird; und zwar dergestalt, dass auszugehen ist von dem tatsächlich (und nicht von dem durch den Herstellungsanspruch fingierten) Antrag (vgl. BSG, Urt. v. 24.04.2014 – B 13 R 23/13 R; LSG Saarland, Urt. v. 13.09.2018 – L 1 R 84/16, Rn. 28). Da dieser im Jahr 2012 gestellt wurde, kommt für das hier in Rede stehende Jahr 2006 keine Zahlung mehr in Betracht.

Auch die Beweiswürdigung des Sozialgerichtes, nach der durchgreifende Zweifel dafür vorliegen, dass im Rahmen der von der Klägerin angegebenen Telefonate bereits ein Antrag gestellt wurde, ist nicht zu beanstanden. Folgende Überlegungen stützen diesen Ansatz:

Es ist nicht recht nachvollziehbar, warum sich die Klägerin erst im Jahr 2012 bei der Beklagten in dieser Sache meldete, wenn sie doch bereits 2009 einen Antrag gestellt haben will. Es wäre zu erwarten gewesen, dass man sich viel früher nach dem Stand des Verfahrens erkundigt, wenn man einen Antrag gestellt hat. Das Schreiben der Klägerin vom 08.03.2012 vermittelt nicht den Eindruck, als beziehe man sich auf einen bereits gestellten Antrag, sondern vielmehr als stelle man mit diesem Schreiben einen Antrag. Die Abänderung der Bescheide durch die Bundesagentur ist sehr zügig erfolgt; die Bescheide datieren vom 24.03.2009. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin diese dann nicht zeitnah bei der Beklagten eingereicht hat. Dann wäre eine Anpassung unproblematisch möglich gewesen. Wenn die Tochter der Klägerin hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht angegeben hat, man habe anderes zu tun gehabt und man sei davon ausgegangen, dass man 4 Jahre Zeit habe, so ist doch festzustellen, dass die Klägerin in der Zwischenzeit Zeit hatte, andere (Klag)verfahren gegen die Beklagte zu führen (vgl. S 34 KR 1132/09) und zudem tatsächlich nicht auf eine 4-Jahres-Frist vertraut wurde, sondern bereits nach 3 Jahren das Schreiben vom 08.03.2012 abgesandt wurde. Es mutet daher merkwürdig an, dass zwar einerseits zunächst in dieser Sache mehrfach mit der Beklagten telefoniert worden sein soll und dann auch sofort eine Abänderung bei der Bundesagentur beantragt wurde, andererseits man dann aber rund 3 Jahre in dieser Sache nichts mehr unternimmt, obwohl man bereits einen Antrag gestellt haben will.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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