S 8 AY 12/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AY 12/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Einschränkung der Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 1a Abs. 5 AsylbLG.

Die am 00.00.1972 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter der am 00.00.2006 geborenen Klägerin zu 2) und die Schwester des am 00.00.1984 geborenen Klägers zu 3). Die Kläger sind iranische Staatsbürger und reisten am 05.12.2017 in die BRD ein. Einen Asylantrag stellten sie ebenfalls am 05.12.2017. Reisepässe legten sie nicht vor. Mit Bescheid vom 09.02.2018 versagte die Beklagte die Gewährung von Leistungen nach § 3 Abs. 1 S. 5 AsylbLG ab dem 20.12.2017 gemäß § 1a Abs. 5 AsylbLG. Die Kläger seien ihren Mitwirkungspflichten aus § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylG nicht nachgekommen, da sie ihren Pass oder Passersatz den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden nicht vorgelegt, ausgehändigt oder überlassen hätten. Hiergegen legten die Kläger am 20.02.2018 Widerspruch ein. Die Reisepässe könnten nicht vorgelegt werden, da diese vernichtet worden seien. Der Schlepper habe sie angewiesen, die Reisepässe nach der Ankunft am Flughafen in Deutschland zu zerstören und die Toilette herunter zu spülen. Ursprünglich habe der Schlepper ihnen neue Reisepässe für die Weiterreise nach Großbritannien geben wollen. Nach fünf Tagen habe er aber mitgeteilt, dass die Weiterreise wegen der strengen Kontrollen zurzeit nicht möglich sei. Zu diesem Zeitpunkt seien die Pässe jedoch bereits vernichtet gewesen. Geburtsurkunden und Personalausweise hätten sie abgegeben, sodass alle Unterlagen für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit vorlägen. Seit der Einreise nach Deutschland seien sie zuverlässig und hielten sich an die Regeln. Der Kläger zu 3) habe eine geistige Behinderung und werde vom BAMF als nicht verfahrensfähig eingestuft. Die Klägerin zu 1) habe Probleme mit der Schilddrüse und benötige Selen, welches sie nicht kaufen könne, da sie kein Taschengeld bekomme.

Am 20.02.2018 haben die Kläger Klage gegen den Bescheid vom 09.02.2018 erhoben. Zur Begründung wiederholen sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Am 19.03.2018 wurden die Kläger in die ZUE S verlegt. Am 24.04.2018 erfolgte die Zuweisung der Kläger nach I.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2018 hob die Beklagte den Bescheid vom 09.02.2018 betreffend den Kläger zu 3) auf und stellte fest, dass für diesen ab dem 27.12.2017 ein Anspruch auf Taschengeldzahlung bestünde. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin zu 1) habe keinen Leistungsanspruch, da sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Es sei auch kein wichtiger Grund ersichtlich, der einer Anspruchseinschränkung entgegenstünde. Soweit die Klägerin auf einen medizinischen Bedarf verweise, könne dieser nicht als wichtiger Grund gelten. Die Gesundheitsversorgung werde nach §§ 4 und 6 AsylbLG sichergestellt. Das sog. Taschengeld sichere nur das soziokulturelle Existenzminimum für Bedarfe wie Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Freizeit, Unterhaltung, Kultur, Bildung sowie Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen. Das Verhalten der Klägerin zu 1) sei der Klägerin zu 2) gemäß § 1629 Abs. 1 i. V. m. § 1626 Abs. 1 BGB zuzurechnen.

Mit Schriftsatz vom 03.12.2018 nahm der Kläger zu 3) die Klage zurück. Die Kläger zu 1) und 2) verfolgen ihr Begehren weiter. Die Klage sei insbesondere zulässig.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 09.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2018 aufzuheben und den Klägern Leistungen zur Deckung aller notwendigen persönlichen Bedarfe als Geldbetrag nach dem AsylbLG zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus: Da gegen den Widerspruchsbescheid keine Klage erhoben worden sei, sei die Klage unzulässig. Im Übrigen verweist sie auf den Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakte des Verfahrens S 8 AY 11/18 ER Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klage ist zunächst zulässig. Zwar war die Klage am 20.02.2018 ohne Durchführung des gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Vorverfahrens erhoben worden; der Widerspruchsbescheid wurde aber während des Verfahrens am 16.05.2018 erteilt. Mit der Erteilung des Widerspruchsverfahrens ist die Klage zulässig geworden.

Die Klage ist aber unbegründet. Nach der Abhilfeentscheidung im Widerspruchsverfahren betreffend den Kläger zu 3) sind nunmehr lediglich noch die Ansprüche der Klägerinnen zu 1) und 2) zwischen den Beteiligten streitig. Diese sind jedoch durch den Bescheid der Beklagten vom 09.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2018 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da der Bescheid rechtmäßig ist. Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Deckung aller notwendigen persönlichen Bedarfe als Geldbetrag nach dem AsylbLG.

Gemäß § 3 Abs. 1 S. 5 AsylbLG werden bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen Leistungsberechtigten Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf). Gemäß § 1 a Abs. 5 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 oder 7 allerdings nur Leistungen entsprechend Absatz 2 Satz 2 bis 4, wenn sie ihrer Mitwirkungspflicht nach § 15 Absatz 2 Nummer 4 des Asylgesetzes nicht nachkommen (Nr. 1), ihre Mitwirkungspflicht nach § 15 Absatz 2 Nummer 5 des Asylgesetzes verletzen, indem sie erforderliche Unterlagen zu ihrer Identitätsklärung, die in ihrem Besitz sind, nicht vorlegen, aushändigen oder überlassen (Nr. 2), den gewährten Termin zur förmlichen Antragstellung bei der zuständigen Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht wahrgenommen haben (Nr. 3) oder den Tatbestand nach § 30 Absatz 3 Nummer 2 zweite Alternative des Asylgesetzes verwirklichen, indem sie Angaben über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit verweigern (Nr. 4), es sei denn, sie haben die Verletzung der Mitwirkungspflichten oder die Nichtwahrnehmung des Termins nicht zu vertreten oder ihnen war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten oder die Wahrnehmung des Termins aus wichtigen Gründen nicht möglich. Die Anspruchseinschränkung nach Satz 1 endet gemäß § 1 Abs. 5 S. 2 AsylbLG, sobald sie die fehlende Mitwirkungshandlung erbracht oder den Termin zur förmlichen Antragstellung wahrgenommen haben. Gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylG ist ein Ausländer verpflichtet, seinen Pass oder Passersatz den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen.

Die Klägerinnen haben im vorliegenden Fall keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens, denn sie sind ihrer Mitwirkungspflicht zur Vorlage ihrer Pässe gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylG nicht nachgekommen. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die Klägerin zu 1) ist der Klägerin zu 2) gemäß § 1629 Abs. 1 i. V. m. § 1626 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Die Klägerinnen haben die Verletzung der Mitwirkungspflicht auch zu vertreten. Die Klägerinnen haben nach der Einreise in die BRD am Flughafen vorsätzlich ihre Pässe vernichtet. Dass sie hierzu von einem Schlepper aufgefordert wurden, ändert nichts daran, dass die Klägerin zu 1) die Vernichtung der Pässe selbst und in Kenntnis der Bedeutung eines Passes vorgenommen hat. Einer Verfolgungsgefahr waren die Klägerinnen nach der Einreise in die BRD nicht mehr ausgesetzt.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin zu 1) auf einen Bedarf an Selen verweist. Die Gesundheitsvorsorge erfolgt für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gemäß §§ 4 und 6 AsylbLG und wird durch die Leistungseinschränkung des § 1 a Abs. 5 AsylbLG nicht beschränkt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Die Berufung war nicht zuzulassen. Die Berufung war gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 750 EUR nicht übersteigt. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG und weicht auch nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichts oder höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.
Rechtskraft
Aus
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