S 10 U 387/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 10 U 387/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 305/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Unter Aufhebung des Bescheides vom 18.06.2013 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 16.10.2013 wird festgestellt, dass es sich bei dem Unfall des Beigeladenen vom 20.08.2012 um einen Arbeitsunfall handelt. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Unfallereignisses des Beigeladenen als Arbeitsunfall.

Mit Schreiben vom 28.02.2013 teilte die U. Krankenkasse der Beklagten mit, sie gehe da-von aus, dass der Beigeladene am 20.08.2012 einen Arbeitsunfall erlitten habe.

Aus einem Telefonvermerk der Beklagten ergibt sich, der Beigeladene sei selbständiger beratender Ingenieur, am Unfalltag habe er zusammen mit dem Geschäftsführer der Klä-gerin, Herrn B., eine sog. "Schnecke" gereinigt, dieser habe dann die Maschine ange-schaltet, er habe sich den Unterarm und seine Hand in der Maschine eingeklemmt. Der Beigeladene schilderte den Hergang schriftlich wie folgt: "Bei dem Testlauf der Anlage kam es zu einem Brand in der beheizten Hackschnitzel-Förderschnecke. Herr B. löschte mit einem Feuerlöscher und Wasser, danach begann er den Vorlagetrichter und die Schnecke von Hand zu leeren. Er forderte mich auf ihm zu helfen. Während dieser Arbei-ten entfernte sich Herr B. kurz von der Anlage, ich habe weitergearbeitet. Nach seiner Rückkehr hat Herr B. die Schnecke eingeschaltet, obwohl er den Bereich nicht einsehen konnte und ohne sich zu vergewissern ob ich noch tätig bin." Der Bevollmächtigte von Herrn B. schilderte den Hergang wie folgt: "Im Rahmen seiner Tätigkeit der Teileherstel-lung für die Landwirtschaft hat Herr B. einen Vergaser für landwirtschaftliche Produkte (Abfälle) gebaut. Bei dem Bau hat Herr B. hin und wieder den Herrn M. in Anspruch ge-nommen, der in diesem Bereich besondere Kenntnisse hat. Herr M. ist dabei selbstständig tätig geworden und hat der Firma B. für seine Tätigkeit Rechnungen unter dem Briefkopf der Firma UDF M. & Partner geschrieben. Auch an dem Unfalltag war Herr M. für die Fir-ma des Herrn B. tätig. Während eines Testlaufes der Anlage kam es dann zu einem klei-nen Brand in der beheizten Hackschnitzelförderschnecke, den Herr B. mit Wasser/einem Feuerlöscher löschte. Dann war die Schnecke von Hand zu entleeren, was sodann der Herr M. übernahm. Herr B. hat sich dann aus der Halle, in der die Maschine aufgestellt ist, entfernt. Als Herr B. dann zurückkehrte, wollte er die Schnecke wieder in Gang setzen. ( ) Herr B. setzte die Maschine dann in Gang. Dabei wurde der rechte Unterarm des Herrn M. von der Maschine erfasst bzw. eingeklemmt." Im Unfallfragebogen gab der Bei-geladene an, er sei zum Zeitpunkt des Unfalls selbständig freiberuflich tätig gewesen.

Mit Bescheid vom 18.06.2013 lehnte es die Beklagte gegenüber der Klägerin ab, das Er-eignis vom 20.08.2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung führte sie aus, der Beigeladene sei als Unternehmer tätig geworden, dieser sei nicht freiwillig versichert ge-wesen. Auch die Handlungstendenz des Beigeladenen sei auf die unternehmerische Tä-tigkeit gerichtet gewesen, der Beigeladene sei also auch nicht wie ein Arbeitnehmer tätig geworden.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, der Beigeladene sei von Herrn B. aufgefordert worden zu helfen, es sei von einer fremdbezogenen Handlungsten-denz auszugehen, da das Entleeren der Förderschnecke nicht zum Aufgabenbereich des Beigeladenen gehört habe. Die Tätigkeit sei im Interesse der Klägerin gewesen mit wirt-schaftlichem Wert für diese. Bereits eine kurze geringfügige Hilfe könne ausreichen, den Tatbestand einer "Wie-Beschäftigung" zu erfüllen.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Beigeladene mit, er sei als beratender Ingenieur tätig geworden, der Auftrag sei durch Herrn B. am 13.04.2012 mündlich erteilt worden. Die Abrechnung sei nach Aufwand erfolgt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2013, gerichtet an den Beigeladenen, wies die Be-klagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, der Beigeladene sei allein zur Förderung seiner Unternehmensinteressen tätig geworden, die Handlungstendenz habe in der Erledigung des Auftrages bestanden, der Beigeladene gehe selbst davon aus, dass das Ausräumen der Förderschnecke im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit erfolgt sei. Die Klägerin erhielt eine Ausfertigung des Bescheides.

Hiergegen hat die Klägerin vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben. Ergänzend trägt sie vor, der Beigeladene habe vor dem Unfall andere Tätigkeiten als die im Unfallzeitpunkt verrichteten erbracht, und zwar ausschließlich Beratungsleistungen. So habe er das Kon-zept, die Verfahrensbeschreibung und die Kostenkalkulation erstellt, ferner die Erstellung eines Prototyps bis zur Herstellungsreife begleitet. Körperliche Arbeiten habe er aber bis dato nicht verrichtet, also nicht an der Maschine gebaut, keine Schweißarbeiten vorge-nommen o.ä. Er habe ausschließlich Temperaturmessungen vorgenommen und Aufzeich-nungen und Skizzen gefertigt. Die eigentliche Tätigkeit der Beratung habe mit der unfall-bringenden Tätigkeit, dem Entfernen der Holzreste, nichts zu tun. Der Beigeladene habe also im Interesse und auch auf Anweisung des Geschäftsführers der Klägerin gehandelt.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 18.06.2013 in der Fassung des Wider-spruchsbescheides vom 16.10.2013 wird festgestellt, dass das Ereignis des Herrn G.M., S.straße 00, 00000 F., vom 20.08.2012 ein bei der Beklagten versicherter Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beigeladenen hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte trägt ergänzend vor, der Beigeladene habe am Unfalltag einen Testlauf der beheizten Hackschnitzel-Förderschnecke durchgeführt, bei dem es zu einem Brand ge-kommen sei. Anschließend hab er bei der Leerung geholfen, damit der Testlauf habe fort-gesetzt werden können. Die Handlungstendenz sei auf die Erledigung des Auftrags gerich-tet gewesen. Es sei nicht verständlich und lebensfern, dass das Eingreifen beim Probelauf nicht zur vereinbarten Leistung "Unterstützung beim Bau der Anlage" fallen solle. Es sei im Interesse des Unternehmens, dass die vom Beigeladenen konstruierte Anlage reibungsfrei funktioniere. Die Beseitigung des Fehlers sei auch im Sinne des Beigeladenen gewesen, dieser habe denjenigen, der ihn für die Hilfe beim Bau der Anlage bezahlt, nicht im Stich lassen können.

Das Gericht hat den Beigeladenen persönlich angehört. Wegen des Einlassungen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 16.10.2014 (Blatt 66 ff. der Gerichtsakten) Bezug genommen.

Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der Gerichtsakten. Dieser ist Gegenstand der Beratungen gewesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichts-gesetz - SGG - ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Zunächst ist die Klägerin aktivlegitimiert. Sie gehört zum Personenkreis des § 109 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII). Dafür ist erforder-lich, dass sie nach den §§ 104 bis 107 SGB VII in der Haftung beschränkt ist. Eine solche Haftungsbeschränkung ist vorliegend darin zu sehen, dass § 104 SGB VII dann einschlä-gig ist, wenn der Geschädigte für den Unternehmer als "Wie Beschäftigter" im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig geworden ist. Die Haftungsbeschränkung bezieht auch den Unternehmer ein, der keine Beiträge zum Unfallversicherungsträge abführt (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, § 104 SGB VII RdNr. 9.1 m.w.N.). Genau diese Haftungsbeschränkung macht die Klägerin geltend.

Der Bescheid vom 18.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2013 ist rechtswidrig und daher aufzuheben. Die Beklagte hat es zu Unrecht abge-lehnt, dass Unfallereignis des Beigeladenen vom 20.08.2012 als Arbeitsunfall anzuerken-nen.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge ei-ner den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder § 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII scheidet aus, weil der Beigeladene nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin tätig ge-worden ist. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Das Gericht geht auch nicht von Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit a) SGB VII aus, so dass der zuständige Versicherungsträger auch nicht beizuladen war (§ 75 Abs. 2 SGG). Von einem Unglücksfall oder einer gemeinen Gefahr ist vorliegend nicht auszugehen, die anderen Tatbestandsalternativen kommen nicht in Betracht. Bei Sachgü-tern muss es um bedeutende Sachwerte gehen, zudem muss eine gemeine Gefahr be-stehen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, GUV, § 2 RdNr. 25.2). Die Gefahr ist gemein, wenn sie einer Mehrzahl von Personen und Sachen droht (Bieresborn in: jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 2 SGB VII, RdNr. 254 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 30.01.1986 - 2 RU 19/84 - SozR 2200 § 539 Nr. 116; LSG Schleswig, Urteil vom 23.07.1974 - L 1 U 24/73 - Breit-haupt 1975, 197, 200.). Vorliegend bestand zur Überzeugung des Gerichts aber noch kei-ne Gefahr des Übergriffs des Brandes bzw. des Rauchs auf andere Sachgüter als die oh-nehin brennende bzw. rauchende Hackschnitzel-Förderanlage.

Allerdings besteht Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII.

Danach sind auch Personen versichert, die wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versi-cherter tätig werden. In der Regel handelt es sich hierbei um Fälle, in denen zwar eine Beschäftigung für ein Unternehmen wie aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhält-nisses besteht, es allerdings am Bestehen eines solchen Verhältnisses fehlt (vgl. BSG Breithaupt 1981, 859). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt die Anwendung dieser Vorschrift voraus, dass es sich um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit handelt, die dem wirkli-chen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ungeachtet des Beweg-grundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (BSG, Ur-teil vom 05.03.2003, B 2 U 9/01 R; Ricke in Kasseler Kommentar, § 2 SGB VII RdNr.104 m.w.N.). Bei einer Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 SGB VII braucht eine persönliche Abhängig-keit vom unterstützten Unternehmen nicht vorzuliegen, entscheidend ist, ob nach dem Gesamtbild der Tätigkeit diese beschäftigtenähnlich ausgeübt wird. Wie bei allen Zurech-nungsentscheidungen sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zu beachten (BSG, Urteil vom 27.03.1990 - 2 RU 32/89).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Beigeladene verrichtete eine Tätigkeit, die der Klägerin zu dienen bestimmt war, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Kläge-rin entsprach, die auch von einem im Betrieb Beschäftigten hätte ausgeübt werden kön-nen und die auch arbeitnehmerähnlich war. Der Beigeladene stand somit zum Zeitpunkt des Unfalls unter Unfallversicherungsschutz.

Eine Tätigkeit dient einem Unternehmen, wenn sie ihm ernsthaft nützt. Dies ist der Fall, wenn sie wirtschaftlich als Arbeit anzusehen ist und dadurch für das unterstützte Unter-nehmen einen wirtschaftlichen Wert darstellt. Dabei genügt eine bereits geringfügige und kurze Hilfe. Ein erheblicher Nutzen ist somit nicht erforderlich. Auch reicht es aus, dass der Nutzen nur nach den vertretbaren subjektiven Vorstellungen des Handelnden eintreten soll, objektiv aber ausbleibt oder sogar ein Schaden eintritt. Maßgebend ist also nicht, ob die Tätigkeit allein objektiv dem Interesse des Unternehmens dient. Der erforderliche inne-re Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Tätigkeit und dem Unternehmen ist gegeben, wenn die Tätigkeit den Interessen des Unternehmens rechtlich wesentlich dient, wobei der Handlungstendenz des Verletzten eine entscheidende Bedeutung für den Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zukommt. Voraussetzung ist so-mit, dass die Tätigkeit der verletzten Person auf die Belange des Unternehmens gerichtet, sie also dem Unternehmen zu dienen bestimmt ist. Verfolgt sie dagegen wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung tätig geworden (BSG, Urteile vom 01.07.1997 - 2 RU 32/96 - und vom 05.07.2005 - B 2 U 22/04 R - m.w.N.).

Der Beigeladene hat zum Unfallzeitpunkt eine ernstliche Tätigkeit ausgeübt, die der Kläge-rin rechtlich wesentlich zu dienen bestimmt war. Zum Unfall kam es, als der Beigeladene gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Klägerin Hackschnitzel aus einer Förderschne-cke der Anlage entfernte, die der Geschäftsführer gebaut hatte, wobei er vom Beigelade-nen hier beratend unterstützt wurde. Diese Förderschnecke war zuvor offenbar wegen zu stark erwärmter Hackschnitzel in Brand geraten, ohne dass der Brand bereits auf weitere Maschinen oder Personen übergriff. Der Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten soweit auch unstreitig. Unstreitig ist auch, dass der Beigeladene vom Geschäftsführer der Kläge-rin um Mithilfe beim Löschen und Ausräumen der Hackschnitzel aus der Anlage gebeten wurde. Die Mithilfehandlung des Beigeladenen war damit sogar ausdrücklich von der Klä-gerin erwünscht. Der Beigeladenen handelte damit zielgerichtet und nützlich für die Kläge-rin. Unerheblich ist, dass der Beigeladene kein Entgelt für diese Leistung erwartete. Aus-reichend ist, dass der Beigeladene im Zuge der Erfüllung der von der Klägerin gewünsch-ten Mithilfe tätig wurde. Die Tätigkeit des Beigeladenen ist somit sowohl objektiv als auch aus seiner Sicht für den Betrieb als nützliche Arbeitsleistung für das Unternehmen der Klägerin anzusehen.

Die Beantwortung der Frage, ob eine einem Unternehmen zu dienen bestimmte ernstliche Tätigkeit vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich unabhängig vom gegebenen Ausmaß der Hilfeleistung. Die Tätigkeit des Verletzten muss nur rechtlich, nicht wirtschaftlich wesent-lich dem Unternehmen zu dienen bestimmt sein. Es genügt eine geringfügige bzw. kurze Hilfestellung im Unternehmen. Ein erheblicher Nutzen für den Betrieb ist nicht erforderlich (Ricke in Kasseler Kommentar, § 2 SGB VII RdNr.105). Unversichert soll danach die Aus-führung nur solcher Tätigkeiten sein, die objektiv für das Unternehmen im Grunde keinen messbaren wirtschaftlichen Wert darstellen können und auch aus Sicht des Handelnden ein solcher nicht eintreten kann. Die Hilfestellung des Beigeladenen zum Unfallzeitpunkt ist hier aus wirtschaftlicher Sicht der Klägerin und auch des Beigeladenen als messbare Ar-beitsleistung von ernsthaftem Nutzen zu bewerten, auch wenn es sich bei dem Löschen und Ausräumen der Hackschnitzel um eine eher kurzzeitige, wenige Minuten dauernde Hilfestellung handelte. Das Löschen und Ausräumen der Förderschnecke hätte sich ohne die Mithilfe des Beigeladenen jedenfalls verzögert.

Entgegen der Auffassung der Beklagte geht das Gericht nicht davon aus, dass die Hand-lungstendenz des Beigeladenen maßgeblich auf die Verrichtung eigener Belange gerichtet war, was zur Folge hätte, dass eine selbständige und damit unversicherte Tätigkeit vorlä-ge. Bei der Beurteilung der Handlungstendenz ist auf die beabsichtigte Zielrichtung des Verletzten bei der zum Unfall führenden Tätigkeit abzustellen. Die Handlungstendenz des "Wie-Beschäftigten" muss wesentlich auf die Belange des unterstützten Unternehmens gerichtet sein.

Zur Überzeugung des Gerichts wurde der Beigeladene tätig, weil er dem Geschäftsführer der Klägerin beim Löschen der Anlage und insbesondere beim – dann unfallbringenden – Ausräumen der Hackschnitzel aus der Förderanlage behilflich sein wollte. Den Bau dieser Förderanlage hatte, wie der Beigeladene im Erörterungstermin dargelegt hat, der Ge-schäftsführer der Klägerin übernommen, mit dem Bau der Anlage selbst hatte der Beige-ladene nichts zu tun, seine der Klägerin angebotenen und in Rechnung gestellten Leistun-gen waren bis dahin ausschließlich nicht-körperliche Tätigkeiten, nämlich Konzepterstel-lung, Erstellen von Zeichnungen, Tätigen von Recherchen, Stellen eines Förderantrags, Anschaffung von Messtechnik und, dies war auch Inhalt der selbständigen Tätigkeit am Unfalltag, Abnehmen der Messwerte der Maschine im Rahmen eines Testlaufes.

Die auf Belange des Unternehmens der Klägerin gerichtete Handlungstendenz des Klä-gers ist auch nicht ausgeschlossen, weil der Beigeladene wesentlich eigenwirtschaftliche Interessen verfolgt hätte. Wie bereits dargestellt ergibt sich aus der Handlungstendenz, welches Unternehmen in erster Linie und wesentlich unterstützt wird, ob also der Verletzte fremdbezogen oder eigennützig handelte. Davon zu unterscheiden sind die unerheblichen Beweggründe für den Entschluss, tätig zu werden (BSG, Urteil vom 15.07.2005 - B 2 U 22/04 R m.w.N.), also aufgrund welcher Motive der Beigeladene im Vorfeld der zum Unfall führenden Tätigkeit handelte. Danach verfolgte der Beigeladene bis zu dem Zeitpunkt, als sich in der Förderschnecke Rauch entwickelte, eigene Belange, nämlich das Erbringen der geschuldeten Leistung in Form der Durchführung von Messungen an der Anlage. Zum Unfallzeitpunkt war aber seine Handlungstendenz in erster Linie unmittelbar auf das Aus-räumen der Hackschnitzel aus der Anlage gerichtet. Dieses gehörte nicht zu seinen der Klägerin geschuldeten Leistungen, zudem vermag das Gericht anhand der weiteren Um-stände nicht zu erkennen, inwieweit diese Hilfestellung wesentlich eigenen Belangen ge-dient haben könnte. So hat der Beigeladene nachvollziehbar dargelegt, dass sich der Un-fall nachmittags kurz nach 16 Uhr abgespielt hat und die Beseitigung der Hackschnitzel nicht mehr erforderlich war, um den Testlauf weiter durchführen zu können, der Testlauf war zu diesem Zeitpunkt bereits beendet, der Betrieb sollte eingestellt werden, über das Wochenende sollte kein weiterer Testlauf durchgeführt werden. Es konnte dem Beigela-denen daher nicht mehr entscheidend darauf ankommen, das Fortführen seiner eigenen Tätigkeit sicherzustellen, so dass er diesbezüglich primär auch keine eigenen Interessen verfolgte. So war es weder für die Durchführung von Messungen noch für die Beratung und Unterstützung beim Bau der Anlage erforderlich, beim Ausräumen der Hackschnitzel aus der Förderschnecke zu helfen. Damit trat bei der unfallbringenden Tätigkeit die Hand-lungstendenz, im Rahmen seiner Beratungs- und Unterstützungstätigkeiten die Messwerte der Maschine abzunehmen, in den Hintergrund, und wurde von der Handlungstendenz, dem Unternehmen der Klägerin wesentlich zu dienen, abgelöst. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beigeladene im Unfallzeitpunkt wesentlich seine eigenen Angelegenheiten besor-gen wollte. Denn es gab zwischen dem Beigeladenen und dem Geschäftsführer der Klä-gerin eine klare Absprache über die Zuständigkeiten. Der Beigeladene hat sich selbst da-hingehend eingelassen, dass es gerade nicht zu seinen Aufgaben im Rahmen seiner selb-ständigen Tätigkeit gehörte, die Hackschnitzel aus der Anlage zu entfernen. Demzufolge hat er sich auch grundsätzlich nicht dafür zuständig erachtet, in den Testablauf, der hier ohnehin beendet war, einzugreifen. Auch hat er nicht wie selbstverständlich unmittelbar nach Ausbruch des Brandes mitgeholfen, die Anlage zu löschen, sondern ist erst vom Ge-schäftsführer der Klägerin zur Mithilfe aufgerufen worden, der den Brand den Einlassun-gen des Beigeladenen offenbar noch alleine gelöscht hat. Denn der Beigeladene will erst beim Ausräumen der Hackschnitzel mit angefasst haben. Hieraus ergibt sich zur Auffas-sung des Gerichts, dass der Beigeladene sich gerade nicht aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit für das Ausräumen der Hackschnitzel zuständig gefühlt hat; insoweit ist eine Vergleichbarkeit mit der vom Bundessozialgericht entschiedenen Fallkonstellation eines Ingenieurs, der beim Testlauf eines Maschine zu Schaden kam (BSG, Urteil vom 26.06.2007, B 2 U 35/06 R) nicht vergleichbar, weil dort bindend festgestellt worden war, dass eine Abgrenzung der Aufgabenverteilungen zwischen den Beteiligten nicht möglich war und sich der Ingenieur selbst für zuständig erachtete, weil er in erster Linie die man-gelfreie Übergabe der Maschine beabsichtigte.

Das Gericht verkennt nicht, dass der Geschäftsführer der Klägerin, wie die Beklagte an-merkt, nicht gut auf den Beigeladenen zu sprechen gewesen wäre, wenn dieser seine Mit-hilfe verweigert hätte. Dies spielt für die Frage der Handlungstendenz aber keine Rolle, der Beigeladene hat sich dann auch nicht dahingehend eingelassen, dass er in erster Linie mitgeholfen hat, weil er vor der Klägerin bzw. deren Geschäftsführer nicht in einem schlechten Licht dastehen wollte. Vielmehr hat er auf Bitten des Geschäftsführers der Klägerin beim Ausräumen der Anlage geholfen, damit diese keinen Schaden nimmt und weiter betrieben werden kann. Wie der Beigeladene dargelegt hat, waren aber die konkre-ten Arbeiten an der Anlage, also der eigentliche Aufbau der Anlage, Aufgabe des Ge-schäftsführers der Klägerin, es entsprach daher maßgeblich dem Interesse der Klägerin, dass diese Anlage keinen Schaden nimmt, ihr Eigentum sollte geschützt werden. Ein Inte-resse am Erhalt der eigenen Anlage kann dem Beigeladenen daher nicht unterstellt wer-den, der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich daher auch von der vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG München) beurteilten Fallkonstellation, in der im Falle der Start-hilfe durch den Eigentümer bei der Reparatur seines Autos für den Werkstattinhaber keine "Wie-Beschäftigung" angenommen wurde, weil der Eigentümer vorrangig im Eigeninteres-se, nämlich der Reparatur seines Eigentums, tätig gewesen sei (LSG München, Urteil vom 07.05.2014, L 2 U 256/13). Der Umstand, dass mittelbar auch die weitere beratende und unterstützende Tätigkeit des Beigeladenen – denn ohne die Anlage könnte er für diese auch keine beratende Tätigkeit mehr erbringen – sichergestellt wird, kann allenfalls als ein für die Abgrenzung der Zuständigkeiten unerhebliches (weiteres) Motiv seines Handelns angesehen werden (vgl. BSG, Urteil vom 05.03.2002 - B 2 U 9/01 R; BSG, Urteil vom 13.10.1993 – 2 RU 53/92). Das Gericht geht aus o.g. Gründen nicht davon aus, dass die-ses Motiv im Vordergrund des Handelns des Beigeladenen stand und damit seine Hand-lungstendenz bestimmte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Beigela-denen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er durch Verzicht auf eine eigene An-tragstellung kein Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) eingegangen ist.
Rechtskraft
Aus
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