L 11 KR 3507/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 4603/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3507/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen
Direktversicherung kann sich der Versorgungszweck, der die
Versicherungsleistung als betriebliche Altersversorgung qualifiziert, auch aus der vereinbarten Laufzeit der Versicherung ergeben. Endet die Laufzeit im Monat vor Erreichen des
60. Lebensjahres, belegt dies den Zweck der Altersversorgung.
Durch die mWv 01.01.2008 eingeführte schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre ändert sich der Versorgungszweck nicht.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21.08.2018 wird zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 18.12.2018 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus einer Kapitalzahlung aus einer Direktversicherung.

Die am 10.01.1957 geborene Klägerin ist als Arbeitnehmerin bei den Beklagten gesetzlich kranken- und pflegeversichert. In Ergänzung ihres Arbeitsvertrags vom 31.07.1986 schloss sie am 10.09.1986 eine Zusatzvereinbarung mit ihrem Arbeitgeber, der als freiwillige Leistung eine gewinnabhängige Tantieme in Höhe von 2 bis 6%, abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, gewährte. Die Höhe der Beteiligung konnte abhängig gemacht werden von der Zustimmung des Arbeitnehmers, Teile dieser Tantieme in Form einer zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung zu empfangen. Die Gewinntantieme der Klägerin wurde in den Folgejahren in eine vom Arbeitgeber mit der A. L. L. AG für die Klägerin als Begünstigte abgeschlossene Direktversicherung eingezahlt. Die kapitalbildende Lebensversicherung lief zum 01.12.2016 ab mit einer Gesamtablaufleistung iHv 80.584,83 EUR.

Nach Meldung des Versorgungsbezugs mit Auszahlungszeitpunkt 01.12.2016 durch die A. L. L. AG setzte die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 30.12.2016, auch im Namen der Pflegekasse, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.01.2017 auf insgesamt 123,56 EUR fest (KV 104,76 EUR, PV 18,80 EUR). Mit ihrem Widerspruch vom 03.02.2017 machte die Klägerin Bedenken geltend, dass es sich bei der Kapitalleistung um eine Rente der betrieblichen Altersversorgung handele, da sie aktuell und noch über einen längeren Zeitraum im Erwerbsleben stehe und daher zweifelhaft sei, ob der zugeflossene Einmalbetrag der Altersvorsorge diene.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2017 zurück. Die in Form einer einmaligen Kapitalleistung gezahlten Versorgungsbezüge seien beitragspflichtig. 1/120 der Leistung gelte als monatlicher Zahlbetrag, längstens für 120 Monate; monatlich sei dies ein Betrag iHv 671,54 EUR. Eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung liege hier vor, es handele sich um eine vom Arbeitgeber abgeschlossene Direktversicherung. Die Beitragspflicht bestehe unabhängig davon, wer die Beiträge gezahlt habe, solange der Arbeitgeber die Direktversicherung durchgehend als Versicherungsnehmer geführt habe. Die gesetzlichen Regelungen habe das Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen.

Hiergegen richtet sich die am 06.12.2017 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, es handele sich zwar um eine Einmalzahlung, die an die Stelle einer Rente der betrieblichen Altersversorgung trete, doch fehle es an der in § 229 Abs 1 Satz 1 erster Halbsatz Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vorausgesetzten Zweckbestimmung der Einnahme. Der Betrag sei weder wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit, noch zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung gezahlt worden. Die Klägerin sei im Dezember 2016 erst 59 Jahre alt gewesen, der Eintritt in die Altersrente werde absehbar erst im Jahr 2023 erfolgen. Eine zur Altersversorgung abgeschlossene Lebensversicherung sei im Regelfall nur dann anzunehmen, wenn bei Bestimmung des Auszahlungszeitpunkts die Altersgrenze von 60 Jahren nicht unterschritten worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.08.2018 hat das SG die Berufung zurückgewiesen. Die Kapitalzahlung aus der vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für die Klägerin abgeschlossenen und fortgeführten Direktversicherung bei der A. L. L. AG gelte nach der verfassungsgemäßen gesetzlichen Regelung für 120 Monate als beitragspflichtiger Versorgungsbezug (§ 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5, Satz 3 SGB V). Der Argumentation der Klägerin, es fehle die vom Gesetz vorausgesetzte Zweckbestimmung zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung könne sich das SG nicht anschließen. Die Klägerin habe das Lebensversicherungskapital bestimmungsgemäß am 01.12.2016 erhalten und 41 Tage später das 60. Lebensjahr vollendet. Hätte sie den Kapitalbezug auf Januar 2017 vereinbart, wäre auch aus ihrer Sicht die Erzielung zur Altersversorgung nicht zweifelhaft. Dass das Kapital zu anderen Zwecken angelegt worden sein solle, weil der Auszahlungszeitpunkt um einen Monat vorverlegt worden sei, halte das SG für abwegig. Auch das unmittelbar vor Vollendung des 60. Lebensjahres erzielte Kapital habe den Zweck der Altersversorgung. Die Absehbarkeit der Regelberentung sei im Dezember 2016 ebenso nahe gewesen wie im Januar 2017.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 24.08.2018 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 24.09.2018 beim SG eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG anerkenne zwar, dass eine Beitragspflicht nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V nur entstehe, wenn der Bezug als Leistung der Altersvorsorge diene. Es folge grundsätzlich auch der verbreiteten "Faustformel" in Rechtsprechung und Literatur, wonach vor dem 60. Lebensjahr ausgezahlte Leistungen in der Regel nicht der Altersvorsorge dienten. Die Übernahme dieser Faustformel sei nicht gerechtfertigt für Arbeitnehmer, die von der Anhebung des Renteneintrittsalters in die gesetzliche Rentenversicherung betroffen seien. Die Klägerin trete im Dezember 2022 im Alter von 65 Jahren und 11 Monaten in die gesetzliche Altersrente ein. Ob eine Leistung der Altersvorsorge diene, bestimme sich anhand des Versorgungszwecks; sie müsse dazu dienen, die Versorgung des Arbeitnehmers nach dessen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu sichern. Zusagen zur Altersvorsorge würden idR auf das Erreichen des 65. Lebensjahres erteilt. Ein überschaubarer Zeitraum vor Beginn der Altersrente von fünf Jahren stehe dem Versorgungszweck nicht entgegen. Der Versorgungszweck Altersvorsorge solle nach der genannten "Faustformel" jedenfalls dann nicht mehr anzunehmen sein, wenn die Versorgungszusage für einen Zeitpunkt vor dem 60. Lebensjahr gegeben werde. Die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters müsse hinsichtlich der Frage, ob ein Versorgungszweck festzustellen sei, berücksichtigt werden. Der unschädliche Zeitraum vor Eintritt in den Ruhestand dürfe nicht schrankenlos ausgedehnt werden, die genannten fünf Jahre dürften bereits die äußerste Grenze markieren. Ohne Anpassung der "Faustformel" käme man zum Ergebnis, dass auch eine 84 Monate vor Rentenbeginn ausgezahlte Leistung noch der Existenzsicherung nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben diene. Solche Leistungen dienten aber nur noch der allgemeinen Existenzsicherung, mithin der Vermögensbildung. Folglich könne der Versorgungszweck Altersvorsorge bei der Klägerin nur anerkannt werden, wenn die Leistung nicht vor dem Lebensalter "60+11" ausgezahlt werde, hier also erst bei einer Auszahlung ab Dezember 2017. Ein Versorgungszweck sei daher nicht mehr feststellbar. Der Überlegung des SG, bei Auszahlung im November 2016 und Erreichen des 60. Lebensjahres im Januar 2017 sei der Versorgungszweck wegen der evidenten Nähe des 60. Lebensjahres anzunehmen, möge man beipflichten. Nicht vertretbar sei die Ausweitung dieser vermeintlichen Nähe jedoch unter Berücksichtigung des tatsächlichen Renteneintrittsalters (Erhalt der Leistung 73 Monate vor Erreichen der Regelaltersgrenze). Die Frage des Umgangs mit der "Faustformel" hinsichtlich der Anhebung des Renteneintrittsalters sei ungeklärt und von grundsätzlicher Bedeutung, insoweit sei die Revision zuzulassen.

Im Übrigen sei die Verbeitragung mit Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht habe am 27.08.2018 entschieden, dass Beiträge, die ausschließlich vom Arbeitnehmer getragen worden seien, nicht unter die Beitragspflicht nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V fielen (1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15). Bei wirtschaftlicher Betrachtung habe die Klägerin die Prämien zur Lebensversicherung ausschließlich selbst getragen, denn der Arbeitgeber habe die Gewinntantiemen nicht an die Klägerin, sondern stattdessen als Prämie an den Versicherer gezahlt.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21.08.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 30.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2017 sowie die Bescheide vom 09.01.2018 und 18.12.2018 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließen sich den Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid an. Auf Anforderung hat die Beklagte zu 1) die weiteren Beitragsbescheide vom 09.01.2018 (ab 01.01.2018 KV 104,08 EUR, PV 18,80 EUR) und 18.12.2018 (ab 01.01.2019 KV 102,74 EUR, PV 22,16 EUR) vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat hat das Rubrum berichtigt und die Beklagte zu 2) als (weitere) Beklagte aufgenommen, weil die Beklagte zu 1) den Beitragsbescheid und den Widerspruchsbescheid auch im Namen der Beklagten zu 2) erlassen hat und die Klägerin sich mit ihrer Klage von Anfang an gegen die gesamte Beitragsfestsetzung wehrt. Das SG hat auch sowohl über die Beiträge zur Kranken- als auch zur Pflegeversicherung entschieden.

Streitgegenstand des Verfahrens sind der Bescheid vom 30.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2017 sowie die Bescheide vom 09.01.2018 und 18.12.2018, mit denen die Beklagte zu 1) Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.01.2017 iHv monatlich insgesamt 123,56 EUR, ab 01.01.2018 iHv 122,86 EUR und ab 01.01.2019 iHv 124,90 EUR aus einem Versorgungsbezug festgesetzt hat. Der Bescheid vom 09.01.2018 ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Der Bescheid vom 18.12.2018 ist Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden (§§ 153 Abs 1, 96 SGG). Über diesen Bescheid entscheidet der Senat auf Klage.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die zum 01.12.2016 ausgezahlte Kapitalleistung der A. L. L.AG iHv 80.548,83 EUR bei der Beitragsfestsetzung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen ist.

Die Beklagte zu 1) war berechtigt, im Namen der Beklagten zu 2) auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festzusetzen. Nach § 46 Abs 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) in der ab dem 01.07.2008 geltenden Fassung (Art 1 Nr 31 Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.05.2008, BGBl I 874) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die – wie vorliegend – ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs 2 Satz 5 SGB XI). Den erforderlichen Hinweis auf den gemeinsamen Bescheid hat die Beklagte zu 1) in ihren Bescheiden gegeben.

Der Umfang der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung beurteilt sich nach dem Versichertenstatus in dem Zeitpunkt, für den Beiträge erhoben werden. Die Klägerin ist nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V als Beschäftigte versicherungspflichtig. Nach § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung ua der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zugrunde gelegt. Nach § 226 Abs 2 SGB V sind die danach zu bemessenden Beiträge nur zu entrichten, wenn die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und 4 SGB V insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV übersteigen. Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, gemäß § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V auch Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt gemäß § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate.

Zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung können auch Versicherungsleistungen gehören, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung gezahlt werden. Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Diese Leistung ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll. Dieser Versorgungszweck kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben. Unerheblich ist, ob der Abschluss nach Auffassung der Beteiligten allein zur Ausnutzung der steuerrechtlich anerkannten und begünstigten Gestaltungsmöglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung erfolgt. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistungen aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist bei einer solchen für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart der Direktversicherung gegeben (BSG 30.03.2011, B 12 KR 24/09 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 13 mwN).

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Versicherung bei der A. L. L. AG um eine Direktversicherung iSv § 1 Abs 2 Satz 1 BetrAVG. Danach sind Lebensversicherungen, die vom Arbeitgeber auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen worden und bei denen der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind, als Direktversicherungen eine Form der betrieblichen Altersversorgung. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Direktversicherung primär der Altersversorgung diente. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass die Auszahlung der Leistungen zum 01.12.2016 und damit im Monat vor Erreichen des 60. Lebensjahres vereinbart war. Auch in der Rechtsprechung des BSG wird eine Laufzeit mit Ende kurz vor Vollendung des 60. Lebensjahres für ausreichend erachtet, um den Zweck der Altersversorgung zu belegen (BSG 12.11.2008, B 12 KR 9/08 R - Der dortige Kläger war im Oktober 1945 geboren, die Lebensversicherungen wurden zum 01.07.2005 fällig und ausgezahlt). Auch in der Zusatzvereinbarung mit dem Arbeitgeber vom 01.09.1986 war der Empfang der Tantieme als "in Form einer zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung" bezeichnet worden. Ebenso wird auf den Gehaltsabrechnungen der Klägerin der entsprechende Posten als "Betriebl. Altersv. (Direktv" bezeichnet (vgl Blatt 16 SG-Akte).

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird der Versorgungszweck der Altersvorsorge nicht dadurch in Frage gestellt, dass bis zu ihrem regulären Renteneintritt zum Dezember 2022 noch sechs Jahre ab Auszahlung der Kapitalzahlung liegen. Die schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre wurde mit Wirkung vom 01.01.2008 eingeführt (Art 1 Nr 56 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007, BGBl I 554). Der bei Abschluss des Direktversicherungsvertrags im Jahr 1986 bestehende Zweck der Altersversorgung wird durch die Jahre später eingetretene Gesetzesänderung nicht nachträglich wieder beseitigt. Ob die vom Bevollmächtigten der Klägerin geforderte Anpassung der "Faustformel" 60. Lebensjahr + X geboten ist im Hinblick auf die verlängerte Zeit zwischen 60. Lebensjahr und tatsächlichem Renteneintritt bedarf daher erst für die Fälle einer Entscheidung, in denen der Versicherungsvertrag nach der Gesetzesänderung im April 2007 abgeschlossen worden ist, denn erst in diesen Fällen war das spätere Erreichen der Regelaltersgrenze bei Abschluss der Versicherung bekannt und konnte bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden.

Die Verbeitragung von Kapitalzahlungen der betrieblichen Altersversorgung (einmaliger Versorgungsbezug) verstößt nach Ansicht des erkennenden Senats nicht gegen Verfassungsrecht (vgl zuletzt ua Entscheidungen vom 01.03.2011, L 11 KR 2421/09, juris, vom 29.09.2011, L 11 KR 2026/10; vom 26.06.2012, L 11 KR 408/11; vom 23.01.2013, L 11 KR 3371/12; vom 12.03.2013, L 11 KR 1029/11; vom 25.06.2013, L 11 KR 4271/12; vom 17.03.2014, L 11 KR 3839/13; vom 24.06.2014, L 11 KR 5461/13; vom 23.06.2015, L 11 KR 452/15; vom 26.01.2016, L 11 KR 571/15). Der Senat schließt sich weiterhin der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 12.11.2008, B 12 KR 6/08 R, B 12 KR 9/08 R und B 12 KR 10/08 R, jeweils mwN; zuletzt Urteile vom 30.03.2011, B 12 KR 24/09 R und 16/10 R, und vom 25.04.2012, B 12 KR 26/10 R, aaO) und den Entscheidungen des BVerfG (Beschlüsse vom 04.04.2008, 1 BvR 1924/07 und vom 06.09.2010, 1 BvR 739/08, SozR 4-2500 § 229 Nr 10) an.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 28.09.2010, 1 BvR 1660/08) sind Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat, insoweit nicht der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen. Kein Zweifel besteht dagegen an der Beitragspflicht für den Teil der Auszahlungssumme, der auf den Beiträgen beruht, die während der Zeit einbezahlt wurden, in der ein Arbeitgeber Versicherungsnehmer ist unabhängig davon, wer die Beiträge wirtschaftlich getragen hat (BSG 30.03.2011, B 12 KR 16/10 R; BSG 30.03.2011, B 12 KR 24/09 R). Vorliegend war der Arbeitgeber während der gesamten Laufzeit Versicherungsnehmer, die Klägerin ist zu keiner Zeit als Versicherungsnehmerin in den Vertrag eingerückt. Die vom Bevollmächtigten der Klägerin zitierte Entscheidung des BVerfG vom 27.06.2018 (1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15) überträgt die oben dargestellten Grundsätze zum Verlassen des institutionellen Rahmens des Betriebsrentenrechts ua bei Direktversicherungen auf die Leistungen der Pensionskassen. Auch bei Leistungen von Pensionskassen sind Rentenzahlungen nicht beitragspflichtig, die auf einem nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geänderten oder neu abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag zwischen der Pensionskasse und dem Versicherten beruhen, an dem der frühere Arbeitgeber nicht mehr beteiligt ist und nur der Versicherte Beiträge gezahlt hat. Mit dieser Entscheidung wird dagegen keineswegs der Grundsatz aufgestellt, dass (wirtschaftlich) vom Arbeitnehmer aufgebrachte Prämien etwa aus Entgeltumwandlung nicht zur betrieblichen Altersversorgung gehörten und damit zu einer Beitragsfreiheit der darauf beruhenden Kapitalauszahlungen in der Kranken- und Pflegeversicherung führten.

Es ergibt sich auch kein Verstoß gegen Grundrechte, wenn der Versorgungsbezug aus bereits zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogenem Arbeitsentgelt finanziert worden ist (BVerfG 06.09.2010, 1 BvR 739/08, juris). Im Beschluss vom 28.09.2010 (1 BvR 1660/08, juris) hat das BVerfG noch einmal bestätigt, dass die Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V grundsätzlich weder gegen die wirtschaftliche Handlungsfreiheit iVm dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes noch gegen Art 14, 2 Abs 1 und 3 Abs 1 GG verstößt. Es bestehen keine Bedenken gegen die Einbeziehung von Versicherungsverträgen, die bereits vor dem 01.01.2004 geschlossen waren (BVerfG 07.04.2008, 1 BvR 1924/07; BVerfG 06.09.2010, 1 BvR 739/08).

Die Beklagte zu 1) hat 1/120 der Kapitalleistung und damit 671,54 EUR monatlich zutreffend als beitragspflichtigen Versorgungsbezug berücksichtigt und unter Zugrundelegung der jeweiligen Beitragssätze die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung festgesetzt. Fehler bei der Berechnung der Beiträge sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved