L 11 KR 1470/19 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 463/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1470/19 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Entscheidung der Krankenkasse, einen Versicherten mit einem
Blindenführhund zu versorgen, ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die Bewilligungsentscheidung kann nach § 48 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen erhebliche Zweifel bestehen,
dass die Eignung des Versicherten zum Führen eines Blindenführhundes nicht mehr gegeben ist.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 10.04.2019 aufgehoben und der Antrag abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind im Antrags- und im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einem Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem diese die Kostenübernahme für einen Blindenführhund nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen und den Antragsteller aufgefordert hat, den ihm überlassenen Blindenführhund "Z." an die Blindenführhundschule zurückzugeben.

Der am 06.06.1988 geborene und bei der Antragsgegnerin krankenversicherte Antragssteller ist seit 2001 nach einer Sehnervenschädigung aufgrund eines Tumors blind. Einen im März 2016 gestellten Antrag auf Kostenübernahme für einen Blindenführhund lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 20.07.2016 und Widerspruchsbescheid vom 02.05.2017 ab. Dagegen erhob der Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG). In diesem Klageverfahren (S 9 KR 1303/17) holte das SG das Gutachten der Tierärztin und Hundetrainerin G. vom 23.01.2018 ein. Darin gab die Sachverständige folgende Empfehlungen ab: • Bestätigung des Vermieters, dass der Führhund in der Wohnung geduldet wird. • Bestätigung des Arbeitgebers, dass der Führhund mit auf die Arbeitsstelle darf. • Besuch eines Führhundehalter-Interessenten-Seminars als neutrale Stelle.

Im Erörterungstermin vor dem SG am 28.02.2018 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtete, den Antragsteller mit einem Führhund zu versorgen. Dieser Verpflichtung kam die Antragsgegnerin im August 2018 nach, indem sie den Antragsteller mit dem Blindenführhund "V." versorgte. Nach Abschluss der Einarbeitungszeit kam es zwischen dem Antragsteller und dem Blindenführhund "V." zu gewissen "Spannungen". Da der Antragsteller davon ausging, dass der Blindenhund ihn nicht richtig führe, wurde der Blindenhund vom 18.09.2018 bis zum 14.10.2018 nochmals in der Blindenführhundschule S. nachgeschult. Nachdem sich das Verhältnis zwischen dem Blindenführhund "V." und dem Antragsteller auch danach nicht merklich besserte, holte die Blindenführhundeschule S. den Hund "V." ab und versorgte den Antragsteller im Anschluss mit dem Blindenführhund "Z.". Dieser befindet sich noch aktuell beim Antragsteller.

Aus dem Bericht der Blindenführhundschule S. vom 28.12.2018 an die Antragsgegnerin geht hervor, dass dem Antragsteller im November 2018 der ausgebildete Führhund "Z." übergeben wurde. Auch im Dezember 2018 fanden Einführungen mit diesem Blindenführhund statt. Für den Zeitraum vom 27. bis zum 31.12.2018 fand ein zusammenhängendes Training statt. Aus dem Bericht geht hervor, soweit dieses Training nicht funktionieren sollte, müsse jegliches Führhundetraining mit dem Antragsteller abgebrochen bzw beendet werden.

Die Tierärztin O. von der Tierklinik K. GmbH, H.-H., stellte dem Antragsteller das "Tierärztliche Attest" vom 28.01.2019 aus. Darin heißt es: "Der Blindenführhund "Z." ist wegen chronisch rezidivierenden (immer wiederkehrenden) Erkrankungen für den Blindenführdienst nicht geeignet."

Mit Schreiben vom 29.01.2019 wandte sich die Tierklinik K. an die Antragsgegnerin und teilte mit, dass der Antragsteller mit seinem Blindenführhund "Z." sich erstmals am 29.11.2018 wegen Unruhezuständen des Hundes vorgestellt habe. Am 03.12.2018 habe eine erneute Vorstellung stattgefunden, diesmal habe der Hund an einer Blasenentzündung gelitten. Am 21.01.2019 habe der Hund Darmkrämpfe gehabt und sei am Vortag (einem Sonntag) in einer Kleintierklinik in R. wegen Erbrechen behandelt worden. Am 25.01.2019 habe der Hund Durchfall und Erbrechen gezeigt. Auffallend sei gewesen, dass der Hund nie im Führgeschirr gewesen sei. Ein Blindenführhund könne aber nur arbeiten, wenn er sich im Führgeschirr befinde. Man habe den Eindruck, dass zwischen dem Hund und dem Antragsteller keine Bindung bestehe. Eine Bindung zu einem Tier könne ein Mensch nicht lernen, entweder er habe ein Gespür für den Hund oder nicht. Dem Antragsteller fehle diese Empathie fürs Tier, und dementsprechend sei es umgekehrt. Auch ein anderer Hund werde an dieser Tatsache nichts ändern. Aus diesem Grunde halte man den Antragsteller für nicht geeignet, einen Blindenführhund zu halten.

Mit E-Mail vom 31.01.2019 wandte sich der Blindenführhundausbilder Herr S. an die Antragsgegnerin und teilte mit, dass der Blindenführhund "Z." in einem tadellosen Gesundheitszustand dem Antragsteller übergeben worden sei. Warum der Hund bei dem Antragsteller krank geworden sei, könne nicht erklärt werden. Über die charakterlichen Eigenschaften des Antragstellers habe er die Antragsgegnerin bereits mehrfach telefonisch und auch schriftlich ausführlich in Kenntnis gesetzt. Der Führhund habe ein hundegerechtes Dasein verdient und ein solches könne ihm der Antragsteller anscheinend nicht bieten. Der Hund müsse unbedingt so schnell wie möglich vom Antragsteller weggeholt werden, um den Hund vor noch größeren gesundheitlichen Schäden zu bewahren.

Daraufhin nahm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 08.02.2019 ihren Bescheid vom 05.02.2018 hinsichtlich der Kostenübernahme für einen Blindenführhund nach § 45 SGB X zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Antragsteller habe bereits mit dem zunächst ihm anvertrauten Hund "V." so große Probleme gehabt habe, dass dieser im September 2018 bereits wieder von der Blindenführhundschule S. habe abgeholt werden müssen. Auch der weitere, dem Antragsteller anvertraute Hund "Z." habe bereits nach kurzer Zeit dieselben Auffälligkeiten wie der erste Hund gezeigt. Er führe freudlos mit gesenktem Haupt und gesenkter Rute. Auch bei diesem Hund korrigiere der Antragsteller den Hund falsch. Die Blindenführhundschule habe den Antragsteller mehrfach auf den richtigen Umgang mit dem Hund hingewiesen, jedoch ändere der Antragsteller sein Verhalten nicht. Die Blindenführhundschule sehe das Training als gescheitert an. Aus Gründen des Tierschutzes sowie aus wirtschaftlicher Sicht, müsse dem Antragsteller der Hund daher entzogen werden. Bei dem Hilfsmittel handele es sich um ein Tier, das dem Schutz des Tierschutzgesetzes unterstehe. Der Antragsteller sei nicht geeignet einen Blindenhund zu führen und damit stelle dieser kein geeignetes und notwendiges Hilfsmittel für ihn dar. Weiter geht aus dem Bescheid hervor, dass aus den vorgenannten Gründen die sofortige Vollziehung dieses Bescheides angeordnet werde. Der Hund sei umgehend an die Blindenführhundschule S. zurückzugeben.

Nach Einlegung eines Widerspruchs hiergegen hat der Antragsteller am 19.02.2019 beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit dem er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs geltend macht, nachdem die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 08.02.2019 angeordnet habe. Der Antragsteller hat ausgeführt, der Blindenführhund befinde sich in einem guten Zustand und sei gut, ordentlich untergebracht und zutraulich mit normalem Sozialverhalten. Die Ausführungen der Tierklinik K. GmbH könnten nicht nachvollzogen werden. Soweit diese maßgeblich darauf abstelle, dass der Blindenführhund während der tierärztlichen Behandlung nicht im Führgeschirr gewesen sei, sei dies zutreffend, der Hund sei jedoch zu diesem Zeitpunkt auch krank gewesen, sodass der Antragsteller den Hund nicht zusätzlich mit Führaufgaben habe belasten wollen. Ein krankes Tier (Durchfall und Erbrechen) sei in diesem Moment als Blindenführhund ungeeignet. Nach Umstellung der Nahrung bei dem Blindenführhund sei es in den letzten Wochen zu keinerlei weiteren Erkrankungen des Tieres gekommen. Der behandelnde Tierarzt Dr. T. könne bestätigen, dass der Hund in einem guten Zustand sei und die Einschätzung der Antragsgegnerin, was die Bindung zwischen Hund und Antragsteller anbelange, fehlerhaft sei. Gründe des Tierschutzes stünden der Überlassung des Blindenführhundes an den Antragsteller nicht entgegen. Aus diesem Grund sei jedenfalls die sofortige Vollziehung nicht angemessen und rechtsfehlerhaft.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie verbleibe bei der Einschätzung, dass der Antragsteller grundsätzlich nicht dazu geeignet sei, einen Blindenführhund zu führen. Das Tier sei bei dem Antragsteller nicht gut aufgehoben und aus Gründen des Tierschutzes sei der Sofortvollzug auch weiterhin zwingend erforderlich und angemessen.

Das SG hat den Blindenführhundausbilder S. schriftlich befragt. Mit Schreiben vom 06.03.2019 hat dieser mitgeteilt, dass der Antragsteller, so wie er ihn kennengelernt habe, fast ausschließlich eine negative Einstellung zu sich selbst, zu seinen Mitmenschen und zu den ihm überlassenen Hunden habe. Der Antragsteller sei stets ungeduldig und sein Verhalten gleiche manchmal dem eines Stalkers. Der Antragsteller sei aufgrund seiner Art und seines Verhaltens grundsätzlich nicht in der Lage mit einem Führhund umzugehen. Ihm seien zwei sehr gut ausgebildete und gesunde Führhunde übergeben worden. Der erste Führhund "V." habe sich dieser Situation entzogen, indem er die Arbeit verweigerte. Der jetzt beim Antragsteller lebende Führhund habe sich "in die Krankheit geflüchtet". Nach Auffassung von Herrn S. sei eine sofortige Wegnahme des Blindenführhundes "Z." erforderlich, um weiteren Schaden von diesem abzuwenden. Der Antragsteller sei nach Auffassung von Herrn S. auch nicht zwingend auf einen Blindenführhund angewiesen. Mehrfach habe beobachtet werden können, dass sich der Antragsteller mit dem Langstock wesentlich besser zurechtfinde als mit dem Führhund.

Am 08.04.2019 hat das SG einen Erörterungstermin durchgeführt, in welchem die Antragsgegnerin mittels Videoschaltung aus H. zugeschaltet war. Der Zeuge S., welcher ebenfalls mittels einer Videoschaltung aus I. zugeschaltet werden sollte, hat krankheitsbedingt an dem Termin nicht teilnehmen können. Wegen der Einzelheiten dieses Termins wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin hat am 08.04.2019 weitere Tierarztrechnungen übersandt.

Mit Beschluss vom 10.04.2019 hat das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.02.2019 mit der Folge wiederhergestellt, dass der Blindenführhund "Z." vorläufig, längstens jedoch bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens bei dem Antragsteller verbleiben darf und die Antragsgegnerin im bisherigen Umfang die mit der Überlassung des Hundes verbundenen Kosten zu erstatten hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Vorliegend bestehe kein derart überwiegendes öffentliches Interesse bzw sei der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht derart offensichtlich, dass ein Sofortvollzug der Rücknahme des Bescheides vom 05.02.2018 erforderlich und damit angemessen sei.

Die formelle Rechtmäßigkeit der im Bescheid vom 08.02.2019 getroffenen behördlichen Anordnung nach § 86a Abs 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei zu bejahen. Die Antragsgegnerin habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme des Bescheides in ausreichender Weise damit begründet, dass aus ihrer Sicht das Wohl des Blindenführhundes "Z." bei weiterem Aufenthalt bei dem Antragsteller gefährdet ist und die Interessen des Antragstellers, da dieser nicht zwingend auf einen Blindenführhund angewiesen ist, dem Tierschutz hintanzustellen seien.

Für die Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs sei regelmäßig von richtungsweisender Bedeutung, wie sich die voraussichtlichen Erfolgsaussichten in der Hauptsache darstellten. Vorliegend könne das Gericht zurzeit weder eine offensichtliche Rechtswidrigkeit noch eine eindeutige Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung der Antragsgegnerin vom 08.02.2019 betreffend die Kostenübernahme vom 05.02.2018 erkennen. Soweit die Antragsgegnerin vortrage, dass der Antragsteller grundsätzlich nicht in der Lage sei, einen Blindenführhund ordnungsgemäß zu führen und zu halten und die große Gefahr bestehe, dass der Antragsteller das Hilfsmittel Blindenführhund durch eine fehlerhafte Verwendung desselben zerstört, könne dieser Vortrag ohne Einholung eines Gutachtens nicht abschließend bestätigt werden. Im Rahmen des Verfahrens S 9 KR 1303/17 habe das SG bereits ein Gutachten über die Frage, ob der Antragsteller grundsätzlich geeignet ist, einen Blindenführhund zu halten, eingeholt. Aus dem Gutachten der Tierärztin Frau S. G. vom 23.01.2018 gehe hervor, dass der Antragsteller hochmotiviert sei und über eine ausreichend große Wohnung verfüge, in der die Haltung eines Hundes möglich ist. Er erscheine auch körperlich in der Lage, den regelmäßigen Auslauf selbst zu gestalten und den Hund selbständig zu versorgen und zu pflegen. Der Antragsteller sei im Umgang mit dem von der Gutachterin mitgebrachten Hund ruhig und besonnen. Insgesamt sei dem Antragsteller im Rahmen des Gutachtens bescheinigt worden, dass er sowohl körperlich als auch charakterlich in der Lage sei einen Blindenführhund zu halten.

Diese Aussagen stünden zwar diametral zu den Aussagen des Blindenhundeausbilders S., der seine Einschätzung über den Antragsteller in Bezug auf den Umgang mit dem Blindenführhund ausführlich schriftlich gegenüber dem Gericht wiedergegeben habe. Für das Gericht sei allerdings nicht ganz nachvollziehbar, warum der Blindenführhundeausbilder, obwohl er so starke Bedenken in Bezug auf die charakterlichen Eigenschaften des Antragstellers in Bezug auf den Umgang mit einem Blindenführhund habe, nach Wegnahme des Ersthundes "V." sogar noch einen weiteren Blindenführhund dem Antragsteller zur Verfügung gestellt habe, ohne einer Überlassung eines weiteren Hundes zu widersprechen. Aus dem Bericht des Blindenführhundeausbilders vom 28.12.2018 an die Antragsgegnerin gehe hervor, dass er zwar starke Bedenken gegen die Versorgung des Antragstellers mit einem Blindenhund hat, man aber im Zeitraum vom 27.12. bis zum 31.12.2018 eine erneute Einschulung versuchen werde und abschließend darüber entscheiden müsse, ob der Hund bei dem Antragsteller belassen werden könne. Da sich der Hund im Nachgang tatsächlich bei dem Antragsteller befand, gehe das Gericht davon aus, dass auch der Blindenführhundeausbilder S. davon ausgegangen sei, dass der Antragsteller in der Lage ist, einen Blindenführhund zu führen und auch artgerecht zu halten. Nach Aussage des Antragstellers im Rahmen des Erörterungstermins am 08.04.2019 habe der letzte Kontakt zwischen ihm und dem Blindenhundeausbilder S. Ende Dezember 2018 stattgefunden. Insoweit sei für das erkennende Gericht nicht ganz nachvollziehbar, auf welche Erfahrungswerte sich Herr S. im Rahmen seiner schriftlichen Aussagen mit Schreiben vom 06.03.2019 gegenüber dem Gericht stütze, die ihm zu dem Ergebnis hätten kommen lassen, dass zwischen dem Antragsteller und dem Blindenführhund "Z." keine ausreichende emotionale Bindung besteht, die im Ergebnis zu einer zwingenden Wegnahme des Hundes bei dem Antragsteller führen solle.

Soweit sich die Antragsgegnerin maßgeblich auf den Bericht der Tierklink K. GmbH vom 29.01.2019 stütze, in welchem ausgeführt wird, dass der Antragsteller aufgrund der vielfachen Erkrankungen des Hundes, welche auf die fehlende Bindung zwischen Antragsteller und dem Hund zurückgeführt wurden, für grundsätzlich nicht in der Lage gesehen werde, einen Blindenführhund zu halten, erachte das erkennende Gericht diese Ausführungen nicht für derart stichhaltig, als dass von einer eindeutigen Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung der Antragsgegnerin auszugehen sei. Den Ausführungen der Tierklinik K. GmbH stünden bereits die Ausführungen des behandelnden Tierarztes Dr. T. vom 01.02.2019 entgegen. Hierin bestätige der Tierarzt, dass er den Eindruck eines vertrauensvollen Miteinanders zwischen Hund und Hundeführer habe. Des Weiteren sei mit dem Schreiben bestätigt worden, dass bei der klinischen Untersuchung des Hundes keine krankhaften Veränderungen hätten festgestellt werden können. Der Hund sei gut gepflegt, beim Besitzer ordentlich untergebracht, zutraulich und mit ganz normalem Sozialverhalten gegenüber Menschen. Aus all diesen Erwägungen lasse sich weder eine offensichtliche Rechtswidrigkeit noch eine eindeutige Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung der Antragsgegnerin ableiten. Die grundsätzliche Geeignetheit des Antragstellers zur Führung eines Blindenführhundes könne mit der erforderlichen Gewissheit erst im Hauptsacheverfahren geklärt werden.

Bei der demnach durchzuführenden Interessenabwägung bestehe vorliegend kein hinreichend überwiegendes besonderes öffentliches Interesse an der zeitnahen Vollziehung der Rücknahme der Kostentragung in Form von Rückgabe des Blindenführhundes "Z." gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an der Verschonung von einer Vollziehung bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache. Bei seiner Entscheidung verkenne das Gericht hierbei nicht, dass es sich bei dem Hilfsmittel Blindenführhund um ein Lebewesen handelt, welches unter den besonderen Schutz des Tierschutzgesetzes fällt. Das Gericht habe sich jedoch im Rahmen des am 08.04.2019 stattgefundenen Erörterungstermins einen eigenen Eindruck von dem Zustand des Hundes machen können. Der Hund habe auf das Gericht einen gepflegten Eindruck gemacht. Insoweit könne auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des behandelnden Tierarztes derzeit keine Gefährdung des Hundes in Bezug auf seine Gesundheit bei einem weiteren Verbleib beim Antragsteller festgestellt werden. Auch im Umgang mit dem Hund habe das Gericht in Bezug auf den Antragsteller keine negativen Auffälligkeiten feststellen können. Der Blindenhund führe den Antragsteller sicher in den Verhandlungssaal rein und habe sich während des Erörterungstermins zu den Füßen des Antragstellers gelegt. Der Hund habe immer wieder während der Verhandlungen den Blickkontakt zu dem Antragsteller gesucht. Sobald dieser nach Beendigung der Verhandlung sich erhob, habe sich auch unmittelbar der Blindenführhund erhoben und den Antragsteller wieder sicher aus dem Verhandlungsraum geleitet. Die bisherigen Feststellungen des Gerichts rechtfertigten die Annahme der Antragsgegnerin nicht, dass der Antragsteller durch sein Verhalten das Hilfsmittel Blindenführhund durch eine fehlerhafte Anwendung desselben unbrauchbar mache.

In Anbetracht dessen, dass die sofortige Wegnahme des Blindenführhundes "Z." von dem Antragsteller eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten würde, und zudem die Argumente der Antragsgegnerin, die für ein besonderes öffentliches Interesse sprechen, nach Auffassung des Gerichts die privaten Interessen des Antragstellers nicht vollständig überwiegen, sei die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.02.2019 wiederherzustellen. Dies habe zur Folge, dass der Blindenführhund "Z." bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens bei dem Antragsteller verbleiben dürfe und die Antragsgegnerin die hierbei entstehenden Kosten, wie bereits in der Vergangenheit, weiter dem Antragsteller zu erstatten habe.

Der Beschluss des SG ist der Antragsgegnerin mittels Empfangsbekenntnis am 15.04.2019 zugestellt worden.

Am 24.04.2019 hat die Antragsgegnerin Beschwerde beim SG eingelegt. Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, vorliegend sei bereits der Ansatz der Abwägung fehlerbehaftet. Das SG vernachlässige die Tatsache, dass im vorliegenden Fall auch Aspekte des Tierschutzes bei der Interessenabwägung einbezogen werden müssten. Es könne nicht im Ansatz nachvollzogen werden, wie das SG die Einschätzung des Hundetrainers, der vereidigter Gutachter auf diesem Gebiet sei und viele Stunden mit dem Antragsteller verbracht habe, weniger gewichte als eine vom Antragsteller gewünschte Email des Tierarztes Dr. T., der den Hund nur einmal bei einem Hausbesuch in Behandlung gehabt habe. Des Weiteren sei nicht nachzuvollziehen, wie das Gericht auf der anderen Seite die Mitteilung einer anderen Tierärztin, die sich besorgt geäußert habe, gar nicht berücksichtige. Der Antragsteller sei in der kurzen Zeit, in der er die Hunde hatte, mehrfach beim Tierarzt gewesen. Bei der Tierärztin E. mit V. am 13.08., 23.08., 24.08., 31.08.2018. Dann ein Mal bei Dr. B. am 02.11.2018. Bei der Tierklinik K. mit Z. am 29.11., 03.12.2018 und am 25.01.2019 sowie am 28.01.2019. Am 21.01.2019 sei ein Notfallbesuch bei der Klinik A. erfolgt. Im Erörterungstermin habe die Antragsgegnerin darüber informiert, dass erneut zwei Tierarztrechnungen vorgelegt worden seien; für einen Hausarztbesuch am 30.01.2019 von Dr. T., der Hund habe erneut Durchfall gehabt, und einen Besuch bei Dr. E. am 13.03.2019. Zu dem letzten Besuch im Erörterungstermin befragt, habe der Antragsteller mitgeteilt, es sei alles in Ordnung gewesen, dies habe jedoch nicht gestimmt. Der Hund habe eine leichte Gehörgangsentzündung gehabt. Ja, das sei richtig, habe der Antragsteller dann eingelenkt. Es gebe seitenweise Vortrag des Hundetrainers zur Ungeeignetheit des Antragstellers einen Blindenführhund zu halten, aber das SG stützte sich auf eine kurze Mitteilung und seine eigene "Expertise". Es werde nicht ausgeführt, warum an den Aussagen des Hundetrainers gezweifelt werde. Es sei jedoch auf der anderen Seite in keiner Weise nachvollziehbar, auf welche Erfahrungswerte und Expertise sich das SG stützte, wenn es meine, bei einem einstündigen Anhörungstermin das Verhältnis zwischen Hund und Besitzer beurteilen zu können.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 10.04.2019 aufzuheben und die sofortige Vollziehung des Bescheids der Antragsgegnerin wiederherzustellen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde der Beschwerdeführerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Antragsteller erwidert im Wesentlichen, Rechtsfehler seien im Beschluss des SG nicht zu erkennen. Auf den gesamten Vortrag vor dem SG werde Bezug genommen. Dieser werde zum Vortrag der Beschwerdeinstanz gemacht. Verwiesen werde insbesondere auf das Gutachten der Tierärztin Frau S. G., woraus hervorgehe, dass er hoch motiviert sei, über eine ausreichend große Wohnung verfüge und aus diesem Grunde grundsätzlich in der Lage sei, einen Blindenhund zu führen. Das Verhalten des Blindenführhundeausbilders sei völlig widersprüchlich, wie im Beschluss des SG dargelegt. Der von der Antragsgegnerin genannte Tierarzt Dr. T. sei ebenfalls ausgebildeter Sachverständiger, dessen Aussage sehr wichtig sei. Richtig sei, dass sich er den Hund häufig bei den Tierärzten vorgestellt habe, dies aus besonderer Fürsorge, der Hund sei ihm sehr wichtig. Bei der Gehörgangsentzündung würden möglicherweise andere Hundehalter nicht sogleich einen Tierarzt aufsuchen. Er sei dringend auf den Blindenhund angewiesen, er sei mit Hilfe des Blindenhundes deutlich unabhängiger und vor allem sicherer unterwegs.

Auf Nachfrage des Senats hat die Antragsgegnerin den Widerspruchsbescheid vom 25.06.2019 vorgelegt, mit dem der Widerspruchsauschuss den Widerspruch des Antragstellers als unbegründet zurückgewiesen hat.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft, zulässig und begründet. Das SG hat in dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.02.2019 mit der Folge wiederhergestellt, dass der Blindenführhund "Z." vorläufig, längstens jedoch bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens bei dem Antragsteller verbleiben darf und die Antragsgegnerin im bisherigen Umfang die mit der Überlassung des Hundes verbundenen Kosten zu erstatten hat.

Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Regelung kommt auch in den Fällen erfolgter Anordnung des Sofortvollzugs durch die Behörde nach § 86a Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGG zur Anwendung (Meßling in: Hennig, SGG, § 86b Rn 11). Nach dieser Bestimmung entfällt die aufschiebende Wirkung in Fällen, in denen die sofortige Wirkung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Wirkung anordnet.

Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (Fälle nach § 86a Abs 2 Nrn 1 bis 4 SGG) dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung ist das Regel-Ausnahmeverhältnis dagegen umgekehrt. Aufgrund des Ausnahmecharakters einer Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs 2 Nr 5 SGG hat in Zweifelsfällen das öffentliche Vollzugsinteresse zurückzustehen (Senatsbeschluss vom 20.09.2012, L 11 R 2785/12 ER-B; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 86b Rn 12d). Die konkreten, gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung. Darüber hinaus ist vom Gericht zu prüfen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung formal rechtmäßig getroffen worden ist.

Davon ausgehend liegen die Voraussetzungen für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers nicht vor.

Die formelle Rechtmäßigkeit der im Bescheid vom 08.02.2019 getroffenen behördlichen Anordnung nach § 86a Abs 2 Nr. 5 SGG ist zu bejahen. Dies hat das SG zutreffend entschieden. Dem schließt sich der Senat an.

Auch materiell-rechtlich ist die Entscheidung der Antragsgegnerin voraussichtlich nicht zu beanstanden. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der Bescheid der Antragsgegnerin 08.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.06.2019 rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in eigenen Rechten. Dem Antragsteller ist es auch zuzumuten, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens den ihm überlassenen Blindenführhund an die Blindenführhundeschule S. zurückzugeben.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten ist nach Auffassung des Senats allerdings nicht § 45 SGB X, sondern § 48 Abs 1 Satz 1 iVm § 50 Abs 1 Satz 1, Abs 3 SGB X. Auf § 45 SGB X kann die Antragsgegnerin ihre Entscheidung nicht stützen, da die Bewilligungsentscheidung nicht schon bei ihrem Erlass rechtswidrig war. Der Antragsteller weist insofern zutreffend auf das im Verfahren S 9 KR 1303/17 vom SG eingeholte Gutachten der Tierärztin Frau S. G. vom 23.01.2018 hin, die dem Antragsteller bescheinigt hat, dass er grundsätzlich in der Lage sei, einen Blindenhund zu führen. Es ist nicht erkennbar, dass diese Einschätzung damals unzutreffend war. Demzufolge war die Bewilligungsentscheidung der Antragsgegnerin nicht, wie dies die Anwendung von § 45 SGB X verlangt, von Anfang an, dh schon bei ihrem Erlass rechtswidrig.

Die Aufhebungsentscheidung der Antragsgegnerin lässt sich aber im Wege der Umdeutung auf § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X stützen und damit aufrechterhalten. Nach § 43 Abs 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts (§ 43 Abs 2 Satz 1 SGB X). Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte (§ 43 Abs 2 Satz 2 SGB X). Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden (§ 43 Abs 3 SGB X), wohl aber kann umgekehrt eine als Ermessensentscheidung nach § 45 SGB X ergangene Entscheidung in einen gebundenen Verwaltungsakt nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X umgedeutet werden. Die Befugnis zur Umdeutung steht auch den Gerichten zu; die Grundsätze des § 43 SGB X sind auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar (BSG 25.05.2018, B 13 R 33/15 R, SozR 4-2600 § 89 Nr 4).

Im konkreten Fall liegen die Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 43 Abs 1 SGB X vor. Der fehlerhafte Verwaltungsakt nach § 45 SGB X und der Ersatzakt nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X sind auf dasselbe Ziel gerichtet, nämlich auf die Beseitigung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Zukunft (hier: als Rechtsgrund für den Erhalt bzw das Behaltendürfen des Blindenführhunds "Z.").

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB X). Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden (§ 50 Abs 3 SGB X).

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind hier erfüllt.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antragsteller mit einem Blindenführhund zu versorgen ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dem steht nicht entgegen, dass ein Blindenführhund ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ist (Beschluss des Senats vom 10.05.2012, L 11 KR 804/11; BSG 25.02.1981, 5a/5 RKn 35/78, BSGE 51, 206; vgl Hilfsmittelkatalog Produktnummer 07.99.09.0) und die Bewilligung eines Hilfsmittels sich idR in der einmaligen Gewährung der beantragten Leistung bzw deren Ablehnung erschöpft (vgl hierzu BSG 25.03.1999, B 9 V 11/89 R, SozR 3-3100 § 10 Nr 6 zur Versorgung mit einer Hörhilfe). Ob ein Versicherter Anspruch auf Versorgung mit einem Blindenführhund hat, bemisst sich nicht allein nach dem zum Zeitpunkt der Bewilligung gegebenen Sachverhalt, sondern ist davon abhängig, dass die Anspruchsvoraussetzungen während der gesamten Zeit, in der dem Versicherten der Blindenführhund zur Verfügung gestellt wird, weiterhin gegeben sind. Dies folgt aus dem Umstand, dass es sich bei dem Hilfsmittel um ein Tier handelt, das seine Aufgabe nur erfüllen kann, wenn es richtig behandelt und geführt wird. Ähnlich wie bei dem Bezug von regelmäßigen Sozialleistungen erschöpft sich die Bewilligungsentscheidung deshalb nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage, sondern begründet ein in seinem Bestand vom Verwaltungsakt (Bewilligungsentscheidung) abhängiges Rechtsverhältnis. Es handelt sich dabei um eine Entscheidung, die durch eine Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtwidrig werden kann. Dies könnte zB der Fall sein, wenn sich die Wohnsituation des Versicherten so ändert, dass eine Hundehaltung entweder tatsächlich nicht mehr möglich oder rechtlich nicht mehr zulässig ist.

Die Bewilligungsentscheidung der Antragsgegnerin vom Februar 2018 ist aufgrund einer nach ihrem Erlass eingetretenen wesentlichen Änderung der Sachlage rechtswidrig geworden. Diese Änderung ist spätestens im Januar 2019 eingetreten. Eine wesentliche Änderung der Sachlage, die eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung rechtfertigt, kann auch darin liegen, dass der Versicherte – aus welchen Gründen auch immer – eine zunächst vorhandene Eignung zum Führen eines Blindenführhundes zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr oder nicht mehr in ausreichendem Maße besitzt. Bei der für die Haltung und Nutzung eines Führhundes erforderlichen Eignung handelt es sich nicht um eine Eigenschaft, die entweder gegeben ist oder nicht. Unter einer Eignung in diesem Sinne sind neben persönlichen Eigenschaften des Versicherten auch dessen körperliche und psychische Verfassung und die Bereitschaft und Fähigkeit zum richtigen Umgang mit dem Blindenführhund zu verstehen. Jedes dieser Kriterien kann sich im Laufe der Zeit ändern. Die Gespannprüfung, bei der geprüft wird, ob das mit dem Blindenführhund angestrebte Versorgungsziel, nämlich die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Hund und Führhundehalter bei der Gewährleistung der Orientierung und Mobilität in öffentlichen Räumen entsprechend den Erfordernissen des Versicherten erreicht worden ist (Ausführungen im Hilfsmittelverzeichnis zu 07.99.09.8) vermittelt keinen Status, der unabhängig von der weiteren Entwicklung als gegeben hinzunehmen ist. Auch eine zunächst vorhandene vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Hund und Führhundehalter kann nachträglich wieder wegfallen. So liegen die Dinge hier.

Nach Auffassung des Senats genügt es für die Annahme, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Hund und Führhundehalter bzw eine Eignung des Hundehalters nicht mehr besteht, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen erheblicher Zweifel am Fortbestand dieser Voraussetzungen besteht. Bloße Meinungen, Mutmaßungen oder rein subjektive Vorstellungen über das Verhältnis zwischen Hund und Hundehalter reichen nicht aus, um eine fehlende Eignung des Führhundehalters begründen zu können. Im vorliegen Fall begründen die von der Antragsgegnerin angeführten und belegten Tierarztbesuche der Hunde "V." und "Z." erhebliche Zweifel an der Fähigkeit des Antragstellers zur Führung eines Hundes. Der Antragsteller war in der kurzen Zeit, in der er die Hunde hatte, mehrfach beim Tierarzt. Bei der Tierärztin E. mit "V." am 13.08., 23.08., 24.08.,31.08.2018, bei Dr. B. am 02.11.2018 und in der Tierklinik K. mit "Z." am 29.11., 03.12.2018 und am 25.01.2019 sowie am 28.01.2019. Am 21.01.2019 erfolgte ein Notfallbesuch in der Klinik A ... Der Antragsteller räumt häufige Tierarztbesuche ein, begründet dies aber mit einer besonderen Fürsorge. Dies überzeugt den Senat nicht. Sein Vortrag, bei einer Gehörgangsentzündung würden möglicherweise andere Hundehalter nicht sogleich einen Tierarzt aufsuchen, ist eine reine Vermutung und durch nichts belegt. Der Senat ist demgegenüber der Ansicht, dass die häufigen Tierarztbesuche ein starkes Indiz dafür sind, dass der Antragsteller den richtigen Umgang mit dem Hund nicht mehr ausreichend beherrscht. Die Häufigkeit der Tierarztbesuche ist ungewöhnlich und kann nicht mit der besonderen Fürsorge des Antragstellers erklärt werden. Der Senat entnimmt dies dem Attest der Tierärztin O. von der Tierklinik K. GmbH, H.-H., vom 28.01.2019. Darin heißt es: "Der Blindenführhund "Z." ist wegen chronisch rezidivierenden (immer wiederkehrenden) Erkrankungen für den Blindenführdienst nicht geeignet." Auch die Ausführungen des Blindenführhundeausbilder S. gegenüber dem SG stützen diese Ansicht. Den Ausführungen des behandelnden Tierarztes Dr. T. vom 01.02.2019 misst der Senat nicht dasselbe Gewicht zu wie denjenigen der Tierklink K., da die Tierklinik ihre Einschätzung auf mehrere Behandlungen während eines längeren Zeitraums stützen kann.

Die im Januar 2019 zu Tage getretene mangelnde Eignung des Antragstellers zur Führung eines Blindenführhundes rechtfertigt auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Bezug auf die Rückgabe des Hundes an die Blindenführhundeschule S ... Bei einem Blindenführhund handelt es sich um einen speziell ausgebildeten Hund, der in der Lage ist, einem blinden oder hochgradig sehbehinderten Versicherten eine Orientierung bei der Mobilität innerhalb und außerhalb des Hauses ohne unmittelbare Gefährdung für sich und andere zu gewährleisten (siehe Hilfsmittelverzeichnis aaO). Besteht die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Hund und Führhundehalter nicht mehr, besteht die Gefahr, dass die Nutzung des Hundes zu einer unmittelbaren Gefährdung des Versicherten selbst und/oder anderer Personen führt. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt ohne Weiteres die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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