L 15 U 425/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 509/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 425/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 56/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.06.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit der Ziffer 1301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine - BK 1301) gemäß § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - SGB VII.

Die am 00.00.1962 geborene Klägerin absolvierte von September 1978 bis 1981 eine Friseurlehre bei dem "Haarstudio W", M, und arbeitete anschließend bis 1984 als Friseurgesellin in I in einem Salon "L". Beide Betriebe existieren nicht mehr. Nachdem die Klägerin 1985 die Meisterprüfung abgelegt hatte, machte sie sich zunächst selbstständig mit einem Reisegewerbe und eröffnete später einen eigenen Friseursalon. Bei ihrer Tätigkeit war sie mit sämtlichen Aufgaben einer Friseurin befasst, also auch dem Haarefärben, bei dem permanente Haarfärbemitteln aus deutscher und europäischer Produktion z.B. "Kadus", "Goldwell", "LÓreal" "Schwarzkopf" u.a. zum Einsatz kamen. Im Jahre 2006 stellte die Klägerin auf einen "Naturfriseurbetrieb" um, in dem keine synthetischen Haarfärbeprodukte verwendet werden. Sie war bis 1984 nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und ab 1985 nach § 3 SGB VII als Unternehmerin des Friseurhandwerks kraft Satzung bei der Beklagten versichert.

Im Mai 2013 erstattete der Urologe Dr. A eine BK-Anzeige unter Hinweis auf ein im April 2013 diagnostiziertes und operiertes Urothelpapillom.

Die Beklagte holte Stellungnahmen ihres Präventionsdienstes ein, der am 09.09.2013 mitteilte, bislang seien Harnblasenkarzinome als berufsbedingt angesehen worden, wenn ein Versicherter mit Färbearbeiten in Friseursalons beschäftigt gewesen sei, diese Arbeiten vor 1978 gelegen hätten und mindestens 10 Jahre lang ausgeführt worden seien. Es seien nicht alle aromatischen Amine krebserzeugend, sondern nur einige wenige. Die heute auf der Basis aromatischer Amine hergestellten Farbstoffe seien aber nicht kanzerogen. Es lägen keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, dass Friseure in Deutschland nach dem Jahr 1978 in erhöhtem Maße von Harnblasenkarzinomen betroffen seien. Ergänzend führte der Präventionsdienst am 12.12.2013 unter Berücksichtigung weiterer Angaben der Klägerin aus, seit 1978 seien aromatische Amine, bei denen eine krebserzeugende Wirkung wissenschaftlich festgestellt worden sei, nicht mehr in Haarfärbemitteln zum Einsatz gekommen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 1301 lägen nicht vor.

Des Weiteren holte die Beklagte noch eine beratungsärztliche Stellungnahme des Urologen Dr. T vom 09.01.2014 ein. Dieser kam - unter Darstellung verschiedener epidemiologischer Studien- - zu dem Ergebnis, bei Friseuren komme eine Gefährdung im Sinne der BK 1301 beim Umgang mit durch die MAK- Kommission in die Kategorie 1 und Kategorie 2 als kanzerogen eingestuften aromatischen Amine in Betracht, die bis 1978 in Haarfärbemitteln enthalten gewesen seien, wobei eine dermale Aufnahme beim Arbeiten ohne Handschuhe angenommen werde. Dabei werde eine mindestens 10-jährige Expositionszeit gefordert. Auch unter Berücksichtigung von Lagerbeständen, die eventuell noch bis 1980 verwendet worden sein könnten, sei das beruflich erworbene Risiko der Klägerin als so gering einzuschätzen, dass die Anerkennung einer BK 1301 nicht empfohlen werden könne.

Mit Schreiben vom 24.02.2014 informierte die Beklagte das Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes NRW unter Übersendung ihrer Unterlagen über das eingeleitete Feststellungsverfahren und teilte zugleich mit, das beabsichtigt sei, eine ablehnende Entscheidung zu treffen.

Mit Bescheid vom 19.03.2014 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK 1301 sowie die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem die Klägerin nochmals von ihr zusammengetragenes Informationsmaterial über gesundheitsschädliche Stoffe in Haarfärbemittel vorgelegt hatte, wies die Beklagte nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 04.07.2014, wonach bei dem derzeitigen Erkenntnisstand vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen nach wie vor nicht ausgegangen werden könne, mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2014 (der Klägerin zugegangen am 27.10.2014) zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 21.11.2014 vor dem Sozialgericht Köln (SG) Klage erhoben und ihr Begehren auf Anerkennung einer BK 1301 weiterverfolgt. Ihre Erkrankung sei auf den Umgang mit Haarfärbemitteln zurückzuführen. Darin seien auch nach 1978 noch aromatische Amine enthalten gewesen. Bei ihrer Beurteilung habe die Beklagte neuere Studien nicht beachtet und eine Kausalitätsbeurteilung nicht vorgenommen, wobei der Wortlaut der Berufskrankheitenverordnung für die Annahme einer BK 1301 keine berufliche Mindestbelastungsdosis voraussetze.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2014 zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen einer BK 1301 anzuerkennen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für eine Anerkennung einer BK 1301 lägen nicht vor.

Das SG hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Arbeitsmediziners und Diplom-Chemikers für Humantoxologie Dr. M vom 11.08.2015, der ausgeführt hat: Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, der Studienlage und der im Friseurhandwerk bekannten epidemiologischen Daten bestehe für den Zeitraum vor 1980 bzw. vor der Einführung der EU-Kosmetik-Richtlinie und einer Berufs/Expositionsdauer von mindestens 10 Jahren ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für das Auftreten von Blasenkrebs bei Friseuren. Bei der Klägerin, die an einer gutartigen Vorstufe (Papillom) eines Harnblasenkarzinoms erkrankt sei, lasse sich unter Berücksichtigung der zutreffenden Ausführungen des Präventionsdienstes daher die Einwirkung von humankanzerogenen aromatischen Aminen nicht im Vollbeweis sichern. Entgegen der Annahme der Klägerin seien nicht alle aromatischen Amine, wie sie durchaus noch in Friseurprodukten oder Produkten des täglichen Lebens Verwendung fänden, als humankanzerogen einzustufen. Eine BK 1301 liege nicht vor.

Die Klägerin hat das Gutachten kritisiert. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass sie beim Auswaschen von gefärbten Haaren mit aromatischen Aminen in Kontakt gekommen sei. Man müsse weiterhin von der Verwendung krebserregender Stoffe im Friseurhandwerk ausgehen. In einer ergänzenden Stellungnahme hat Dr.med. Dipl. Chem. M am 23.09.2015 seine Auffassung nochmals erläutert und vertieft. Ab etwa 1980 sei die Verwendung von kanzerogenen aromatischen Aminen nicht mehr zu erwarten und es sei eine ca. 10 jährige Expositionszeit erforderlich, bis das relative Risiko ansteige. Das Haarewaschen sei nicht mit einer relevanten Exposition gegenüber Inhaltsstoffen von Haarfärbemitteln verbunden.

Mit Urteil vom 10.06.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das am 05.07.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.07.2016 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens macht sie geltend, die Annahme der Notwenigkeit einer 10-jährigen Expositionszeit sei wissenschaftlich nicht haltbar, auch seien in den bekannten Markenprodukten wie LÒreal, Goldwell usw. weiterhin krebserregende Stoffe in Haarfärbemitteln verwendet worden. Hierzu hat sie verschieden Unterlagen (Informationen aus dem Internet, das Merkblatt zur BK 1301 sowie das Buch: Kehrbusch, "Alles klar mit Haut und Haar", zu den Akten gereicht. Außerdem hat sie einen ärztlichen Befund vorgelegt, wonach sie im September 2018 an einem papillären Urethelkarzinom in situ operiert worden ist. Sie meinte, es müsse noch umfassend Beweis erhoben werden.

Hierzu hat sie in der mündlichen Verhandlung beantragt,

ein Gutachten von Amts wegen nach § 103 SGG einzuholen vor dem Hintergrund, dass nach den Ausführungen des nach § 109 SGG beauftragten Gutachters Dr. N eine Überprüfung durch unabhängige Sachverständige z.B. Gewerbeärzte oder TU-Arbeitswissenschaftler erforderlich ist, vor dem Hintergrund, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N eine klinische Diagnosesicherung/Urologische Verlaufskontrolle z.B. im Rahmen einer stationären Reha-Maßnahme mit aktueller MdE-Ermittlung erforderlich sei, darüber hinaus weil es nach Auffassung des Sachverständigen Dr. N an der Einholung einer betriebsärztlichen oder gewerbeärztlichen Stellungnahme und sich die Beklagte einer entsprechenden Einholung angeschlossen hat. Darüber hinaus beantragt sie die Einholung eines Gutachtens nach § 103 SGG vor dem Hintergrund, dass nach ihrer Auffassung bis heute krebserregende aromatische Amine in Haarfärbemitteln enthalten sind. Darüber hinaus nehme sie Bezug auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 17.10.2017 Abs.1 und 2 bzw 2 und 3.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.06.2016 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2014 zu verurteilen, das Vorliegen einer BK 1301 der Anlage 1 der BKV anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf eine weitere Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 03.05.2017. Die von der Klägerin benannten Produkte hätten sämtlich der Kosmetikverordnung von 1977 unterlegen, mit der die Verwendung von kanzerogenen aromatischen Aminen verboten worden sei. Hinsichtlich der Expositionszeiten werde auf die aktuelle Bekanntmachung des BMAS verwiesen, welche die bisherige Einschätzung bestätigt habe.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat nach § 109 SGG ein Gutachten bei MedDir MR aD Dr. N eingeholt, der in seinem Gutachten vom 22.08.2017 sowie seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 10.11.2017 und 14.01.2018 gemeint hat, für eine Kausalitätsbewertung fehlten entscheidende Ermittlungen und insbesondere eine Stellungnahme des staatlichen Gewerbearztes. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse würden im Übrigen ausschließlich vom zuständigen BMAS verkündet.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts-und Verwaltungsakten der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG statthafte und nach §§ 143, 144 SGG auch im übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Das SG hat die - allein - auf die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer BK 1301 gerichtete zulässige kombinierte Anfechtungs-und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK 1301 der Anlage 1 der BKV, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Feststellung einer Listen-BK (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" i.S. des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Hinsichtlich der Einwirkungskausalität bedeutet dies, dass die als tatbestandliche Voraussetzung im Verordnungstext formulierten Anforderungen an die betreffende Einwirkung (sogenannte arbeitstechnischen Voraussetzungen) erfüllt sein müssen.

Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit. Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall) (siehe zum Ganzen zusammenfassen BSG, Urt. v. 27.06.2017 - B 2 U 17/15 R -, juris Rn. 13 m.w.N.;

Die haftungsbegründende Kausalität ist in zwei Stufen zu prüfen. Auf einer ersten Prüfungsstufe ist zu fragen, ob die Einwirkungen eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Krankheit sind. Dabei ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall eine (von möglicherweise vielen) Bedingungen für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen i.S der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich wie z.B. Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein. Erst wenn sowohl die Einwirkungen als auch andere Umstände als Ursachen des Gesundheitsschadens feststehen, ist auf einer zweiten Prüfungsstufe rechtlich wertend zu entscheiden, welche der positiv festzustellenden adäquaten Ursachen für die Gesundheitsstörung die rechtlich "Wesentliche" ist (zum Ganzen BSG, Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -, juris Rn. 27 m.w.N.).

Bei Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben liegen die Voraussetzungen für eine Anerkennung einer BK 1301 nicht vor.

Die nach § 3 SGB VII i.V m. der Satzung der Beklagten als Unternehmerin des Friseurhandwerks pflichtversicherte Klägerin leidet zwar an einer Erkrankung im Sinne der BK 1301, wobei das Urethelpapillom eine Schleimhautveränderung der Blasenwand ist und eine Krebsvorstufe (in situ) darstellt.

Bei der Klägerin können indessen bereits nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen im notwendigen Vollbeweis gesichert werden. Der Tatbestand der BK 1301 verlangt die Einwirkung humankarzinogener aromatischer Amine. Dies folgt aus der systematischen Auslegung der BKV (wie hier Hessisches LSG, Urt. v. 21.02.2017 - L 5 U 9/13 -, juris Rn. 31). Dass die Klägerin während der Ausübung ihrer versicherten Tätigkeiten solchen Einwirkungen ausgesetzt warm steht nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest.

Für die Entstehung der von der BK 1301 erfassten Erkrankungen kommen nach den übereinstimmenden Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten, des im Verwaltungsverfahren gehörten und im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Darlegungen des Urologen Dr. T, sowie dem Gutachten des Sachverständigen Dr. med. Dipl. Chem. M nur die als kanzerogen eingestuften (MAK-Liste: K1/K2 Stoffe) aromatische Amine in Betracht, wie sie auch in sog. permanenten Haarfärbemitteln eingesetzt wurden und über die Haut - beim Arbeiten ohne Handschuhe- (Finger/Hände/Arme), also dermal, aufgenommen werden konnten. Im Einzelnen waren dies die von der MAK-Kommission in die Kategorie 2 eingestuften aromatischen Amine 2,4 Diaminoanisol sowie 2,4 Toluylendiamin, deren Verwendung in permanenten Haarfärbemitteln sowohl bei der Herstellung wie auch der Behandlung durch die Verordnung über kosmetische Mittel (Kosmetik-Verordnung) in der Fassung vom 21.12.1977, Bundesgesetzblatt Teil 1 Nr. 86, S. 2589-2621 mit Wirkung zum 01.10.1978 verboten wurde. Für weitere aromatische Amine wurde die zulässige Höchstkonzentration in Oxydationshaarfarben festgelegt. Diese Einschätzung wird in der aktuellen wissenschaftlichen Stellungnahme des Ärztlichen Sachverständigenbeirates vom 01.12.2015 unter Darstellung der epidemiologischen Studienlage gerade auch bezogen auf den Friseurberuf in vollem Umfang bestätigt und vertieft.

Hinsichtlich der relevanten und im Vollbeweis zu sichernden Einwirkungen ist damit festzustellen, dass bei Beginn der Berufstätigkeit der Klägerin im September 1978 die Verwendung dieser Substanzen nach der Kosmetikverordnung bereits verboten war und Haarfärbeprodukte der von der Klägerin benannten namenhaften Hersteller wie Wella, Schwarzkopf, L‘Oréal usw. diese Stoffe nicht mehr enthalten konnten. Für den Senat ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Hersteller bei der Produktion und dem in Verkehr bringen ihrer Produkte nicht an diese Vorgaben gehalten haben sollen. Soweit permanente Haarfarben bis heute in ihren Rezepturen aromatische Amine aufweisen, handelt es sich um solche, deren Einsatz in kosmetischen Mitteln erlaubt ist und für die nach der Auskunft des Präventionsdienstes der Beklagten vom 03.05.2017 bislang keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich einer kanzerogenen Wirkung vorliegen.

Aus den von der Klägerin zusammengetragenen Informationen, die sich populärwissenschaftlich zum kanzerogenen, toxischen, umweltschädlichen und allergieauslösenden Gefährdungspotential der Bestandteile von kosmetischen Mitteln äußern, vermag der Senat keine weitergehenden Erkenntnisse zu gewinnen. Eine Einwirkung mit nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand als gesichert urothel-humankanzerogen eingestuften aromatischen Aminen durch die versicherte Tätigkeit kann damit nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, so dass es bereits am Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen fehlt.

Soweit die Beklagte selbst von der Annahme ausgeht, dass etwa bis 1980 noch "Restbestände" alter, vor dem Verbot hergestellter Haarfärbemittel bei Friseursalons in Umlauf waren und Verwendung fanden, handelt es sich lediglich um eine Vermutung, aus der sich eine gesicherte Exposition nicht ableiten lässt.

Aber selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin gleichwohl unterstellt, dass sie in einer Übergangsphase bis etwa 1980 bei ihren damaligen Arbeitgebern noch mit durch die benannten aromatischen Aminen belasteten permanenten Haarfärbemitteln gearbeitet hat, kann ein Ursachenzusammenhang nicht festgestellt werden.

Hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität ist bei Berufskrankheiten , die wie die BK 1301 im Verordnungstext keine numerische Einwirkungsgröße der betreffenden Noxe, also keinen Schwellenwert enthalten, aufgrund wissenschaftlicher Erfahrungssätze die Entstehung der Krankheit im Kontext der Dauer, der Intensität, der Häufigkeit und der Art und Weise der Einwirkung zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2011- B 2 U 26/10 R).

Danach kann nach den überzeugenden Ausführungen des im Verwaltungsverfahren gehörten Arztes Dr. T und des Sachverständigen Dr. med. Dipl. Chem. M, sowie der jetzt aktualisierten wissenschaftlichen Stellungnahme des ärztlichen Sachverständigenbeirates beim BMAS, welche zur Gefährdung im Friseurberuf bezogen auf das von der BK 1301 erfasste Krankheitsbild ausdrücklich Stellung bezieht, nach den vorliegenden epidemiologischen Studien nur bei einer langjährigen in der Regel länger als 10 Jahre dauernden und intensiven Verwendung von permanenten Haarfarben ohne Handschuhe von einer berufsbedingten Verursachung ausgegangen werden.

Eine solche "langjährige" Einwirkungsdauer kann bei einer Berufsaufnahme im September 1978 auch bei unterstellter Exposition bis etwa 1980 (16 Monate) durch Verwendung von Restbeständen der vor dem Verbot 1977 in den Verkehr gebrachten Haarfärbemittel an ihren damaligen Arbeitsplätzen und bei unterstellter Nichtbenutzung von Handschuhen nicht angenommen werden. Die Kausalitätsbeurteilung des Sachverständigen Dr. med. Dipl.Chem M und des im Verwaltungsverfahren gehörten Dr. T, wonach schon im Hinblick auf die - unterstellte - Dauer der Einwirkung ein naturwissenschaftlich-philosophischer Ursachenzusammenhang (1. Stufe) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht festgestellt werden kann, erscheint dem Senat daher absolut überzeugend. Bei dieser Sachlage bedarf es auch keiner Betrachtung etwaiger konkurrierender Ursachen und der Wesentlichkeit einzelner Ursachenbeiträge.

Das Gutachten des auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen MedDirMRaD Dr. N sowie die auf Antrag der Klägerin eingeholten weiteren Stellungnahmen des Sachverständigen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Der Sachverständige kommt zu keinem fassbaren Ergebnis und er setzt sich nicht mit der relevanten Fragestellung der Einwirkung und dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand bezogen auf die Gefährdung von Friseuren durch permanente Haarfärbemittel auseinander.

Der Senat sah sich auch nicht gedrängt, den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nachzugehen.

Zu weiteren medizinischen Ermittlungen bestand kein Anlass, weil der Sachverhalt durch die vorliegenden gutachterlichen Äußerungen geklärt ist. Das Vorliegen des von BK 1301 erfassten Krankheitsbildes " Urothelpapillom" bzw "Urothelkarzinom in situ" als solches ist unstreitig. Da die Gewährung von Leistungen nach § 26 ff SGB VII, insbesondere einer Rente, nicht Streitgegenstand ist, erschließt sich dem Senat die Notwendigkeit einer Verlaufskontrolle z.B. im Rahmen einer stationären Reha-Maßnahme mit aktueller MdE -Bewertung, nicht. Für den Senat ist weiter nicht erkennbar, in welcher Weise hier eine "Überprüfung durch "unabhängige Sachverständige z.B. Gewerbeärzte oder TU Arbeitswissenschaftler" zu weiteren Erkenntnissen führen sollen. Soweit die rechtskundig vertretene Klägerin hier auf MedDir/OGMR a.D. Dr. N Bezug nimmt, der gemeint hat, es fehle an einer Einbeziehung des staatlichen Gewerbearztes, übersieht sie, dass die Beklagte am 24.02.2014 die für den Arbeitsschutz in NRW zuständige Stelle über das laufende Feststellungsverfahren informiert und somit deren Mitwirkung nach § 4 Abs. 2 und 3 BKV ermöglicht hat. Es besteht für die Beklagte keine Verpflichtung, eine Stellungnahme oder ein Gutachten des staatlichen Gewerbearztes einzuholen. Ebenso wenig ist der Senat gehalten, ein Gutachten bei dem staatlichen Gewerbearzt anzuforden.

Die Frage, wie lange krebserregende aromatische Amine in Haarfärbemitteln enthalten waren bzw. sind, sieht der Senat durch die vorliegende aktuelle Stellungnahme des ärztlichen Sachverständigenbeirates und der Auskünfte des Präventionsdienstes der Beklagten sowie der vorliegenden Gutachten von Dr. T und Dr. M als geklärt an. Danach sind ausschließlich die bis 1977 noch erlaubten, bereits beschriebene aromatische Amine in Haarfärbemitteln als gesichert karzinogen einzustufen.

Der Beweisantrag der rechtskundig vertretenen Klägerin auf Einholung eines Gutachtens nach § 103 SGG "vor dem Hintergrund, dass nach ihrer Auffassung bis heute krebserregende Stoffe in Haarfärbemitteln enthalten sind" ist völlig unsubstantiiert und unbestimmt und dient daher ersichtlich dazu, ihr erst die Grundlagen für eine ausreichende Tatsachenbehauptung zu verschaffen. Die Klägerin hat hier einzelne Stoffe nicht bezeichnet und erstreckt ihre Behauptung undifferenziert auf sämtliche jemals nach 1977 in Haarfärbemitteln verschiedenster Hersteller verwendete aromatische Amine. Je mehr Aussagen von Sachverständigen und arbeitstechnische Stellungnahmen vorliegen, desto genauer ist jedoch in einem Beweisantrag darzulegen, warum gleichwohl Beweis erhoben werden soll und weiterer Klärungsbedarf besteht. Es genügt nicht, allein auf die eigene abweichende Meinung zu einem bestimmten Themenkomplex hinzuweisen und hieraus einen Ermittlungsbedarf abzuleiten (vgl. BSG, Beschluss vom 29.01.2018 - B 2 U 39/17 B Rn. 11; juris).

Auch die Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 17.10.2017 " Absätze 1 und 2 bzw 2 und 3" bewirkt diesbezüglich keine weitere Konkretisierung und führt nicht dazu, dass sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste.

In Absatz 1 verweist die rechtskundig vertretene Klägerin auf einen im Internet recherchierten Artikel vom 26.06.2017: https:// daserwachendervalkyrja.wordpress, der wiederum als Quelle https:// www.zentrum-der-gsundheit.de/haarfarbe-krebsrisiko.html benennt und mit der Formulierung "Gruß an die Natürlichkeit" endet.

In Absatz 2 wird gefragt, warum die Einsatzmengen von p-Phenylendiamin in der neuen Kosmetikverordnung von 6 % auf 2 % reduziert worden seien, wenn dies keinen Einfluss auf ihre Erkrankung habe und warum es seit 2011 verboten sei, bei Jugendlichen unter 16 Jahren Haarfärbemittel zu verwenden, die Stoffe wie p-Toluylendiamin, p-Toluyendisulfat, o-Nitop-Phenylendiamin, p-Aminophenol, Hydrochinon und Resorcin enthielten. Diese ganzen Stoffe seien früher auch noch mit wesentlich höherprozentigem Wassersuperoxid angerührt und daher die belastende Reaktion noch erhöht worden. Man habe erst 1985 die Oxidationsmittel auf 12 % beschränkt.

In Abs. 3 verweist die Klägerin darauf, dass sie immer Nichtraucherin gewesen ist. Auf Seite 2 des Schriftsatzes und damit möglicherweise zu Absatz 3 gehörend, weist die Klägerin darauf hin, dass Blondiermittel Persulfate wie Ammoniumpersulfat enthielten, welche einen Übertritt von Haarfärbebestandteilen in den menschlichen Organismus bewirken könnten. Es werde auch die Empfehlung ausgegeben, dass Schwangere und Stillende vom Haare färben absehen sollten.

Diese Ausführungen zeigen weder eine bestimmte Beweistatsache noch ein bestimmtes Beweismittel auf. Der Senat soll offenbar aufgrund der dort willkürlich aneinander gereihten Darstellungen und Behauptungen nach Tatsachen forschen, die für die Frage der Einwirkung von urothel-karzinogenen aromatischen Aminen in Haarfärbemitteln relevant sein könnten. Solche Beweisausforschungs- bzw Ermittlungsanträge sind jedoch auch im vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten sozialgerichtlichen Verfahren unzulässig und lösen daher keine weiteren Ermittlungsobliegenheiten aus (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R; juris-).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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