L 1 U 270/17

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 33 U 1212/14
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 270/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 31. Januar 2017 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 25. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2014 verpflichtet, der Klägerin Verletztenrente für den Zeitraum 1. August 2013 bis 31. Juli 2017 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung einer vorläufig gewährten Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v. H. zum 1. August 2013 und begehrt die Zahlung einer Dauerrente i. H. v. mindestens 20 v. H.

Die 1967 geborene Klägerin wurde am 24. September 2010 beim traditionellen Hoffest des A. für L. und F. G. durch den Hund eines Kollegen im Gesicht verletzt. Deshalb befand sie sich bis zum 29. September 2010 in stationärer Behandlung im W. G. Dort wurde eine Hundebissverletzung im Gesichtsbereich linksbetont festgestellt und operativ behandelt. Im Rahmen eines weiteren stationären Aufenthaltes vom 8. bis 10. Dezember 2010 erfolgte eine Narbenkorrektur. Im Auftrag der Beklagten erstellte der Neurologe Dr. Sch. am 28. Juli 2011 ein Gutachten und diagnostizierte unfallabhängig einen ausgeprägten neuropathischen Schmerz links im Narbenbereich und eine leichte Minderbeweglichkeit des Musculus orbicularis oris links. Eine vorhandene Angststörung sei unfallunabhängig. Die MdE sei mit 25 v. H. einzuschätzen. In einem psychologischen Zusatzgutachten vom 15. August 2011 schätzte die Dipl.-Psych. R. die MdE aufgrund der vorhandenen psychischen Symptome wegen einer Angst vor großen Hunden für ihr Fachgebiet auf unter 10 v. H. ein. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. F. ging von einer Sensibilitäts- und Schmerzstörung der linken Gesichtshälfte aus, die mit einer MdE von 25 v. H. im oberen Bereich einzuschätzen sei. Die Beklagte zog des Weiteren Behandlungsunterlagen vor dem Unfallereignis der Fachärztin für Nervenheilkunde Dipl.-Med. P. bei. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin bereits seit dem Jahre 2004 wegen Angst und depressiver Störungen bei ihr in Behandlung war. Der Beratungsarzt Dr. F. führte in einer weiteren Stellungnahme vom 3. Mai 2012 aus, dass der Unfall auf psychiatrischem Fachgebiet keine Folgen hinterlassen habe. Die MdE sei mit 25 v. H. für die Betroffene günstig eingeschätzt.

Daraufhin erkannte die Beklagte durch Bescheid vom 2. Juli 2012 das Ereignis vom 24. Sep-tember 2010 als Arbeitsunfall und als dessen Folgen an: &61485; "leichte residuale Störung der Mimik links durch Bewegungsminderung des Musculus orbicularis links &61485; Narben linke Gesichtshälfte mit Störung des Oberflächengefühlsempfinden im Narbenbereich und Überempfindlichkeit bei Berührung sowie Allodynie (gestörte Schmerzempfindung) und Verschmälerung des Amorbogens &61485; Narben rechte Gesichtshälfte nach Hundebissverletzung".

Ausdrücklich wurde eine Angststörung gemischt mit Depression als Folgen des Arbeitsunfalls nicht anerkannt. Die Beklagte bewilligte ab dem 24. Oktober 2010 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 25 v. H.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2013 hörte die Beklagte die Klägerin zur Gutachterauswahl mit dem Zweck der Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit an und beauftragte den Neurologen Dr. Sch. mit einem Gutachten. Dieser bezifferte in seinem Gutachten vom 13. Juni 2013 die MdE auf 20 v. H. Die gutachterliche Beurteilung erfolge in Analogie einer leicht- bis mittelschweren Trigeminusneuralgie und einer leichten faszialen Parese unter Berücksichtigung einer anzunehmenden Gewöhnung an den mittlerweile chronifizierten Schmerz. Der beschriebene Zustand sei ein Dauerzustand. Dieser Einschätzung widersprach der Beratungsarzt der Beklagten und Facharzt für Chirurgie Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 30. Juni 2013. Gefühlsstörungen im Bereich der linken Ober- und Unterlippenseite sowie im Narbenbereich und eine leichte Minderbeweglichkeit des Mundrings- bzw. Lippenmuskels könnten einen MdE von 20 v. H. nicht begründen. Daraufhin hörte die Beklagte mit Schreiben vom 8. Juli 2013 die Klägerin hinsichtlich einer beabsichtigten Entziehung der Verletztenrente an. Sie entzog diese mit Bescheid vom 25. Juli 2013 mit Ablauf des Monats Juli 2013 und lehnte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ab. Die jetzt noch bestehenden Unfallfolgen würden eine MdE in Höhe von 20 v. H. nicht rechtfertigen. Ein hiergegen von der Klägerin eingelegter Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2014 zurückgewiesen.

Dagegen hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Altenburg Klage erhoben. Das Sozialgericht hat ein Vorerkrankungsverzeichnis der T. K. vom 13. August 2014 beginnend ab dem 1. Januar 2008 beigezogen und den Neurologen und Psychiater Dr. Sch. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser führt in seinem Gutachten vom 6. Januar 2015 aus, dass eine Funktionsstörung des Nervus trigeminus beidseits mit sensiblen Störungen und neuropathischem Schmerz der linken Gesichtsleiste sowie eine diskrete motorische Funktionsstörung des linken Nervus facialis und narbige Veränderungen als Unfallfolge einzuschätzen seien. Die Angststörung sei unfallfremd. Nach der letzten neurologischen Begutachtung vom 13. Juni 2013 sei die MdE auf 20 v. H. einzuschätzen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 27. März 2015 hat Dr. Sch. das neuropathische Schmerzsyndrom im vorliegenden Fall als führend und entscheidend für die Bewertung der MdE mit 20 v. H. bezeichnet. Die leichtgradige kosmetische Gesichtsveränderung trete dahinter zurück und führe nicht zu einer Höherbewertung. Anschließend hat das Sozialgericht den Neurologen und Psychiater Dr. K. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser führt in seinem Gutachten vom 16. August 2016 aus, dass die vorbestehende Angst und depressive Symptomatik vor dem Unfallereignis vom 24. September 2010 sich stabilisiert gehabt und sich danach eine erhebliche seelische Problematik entwickelt habe. Diese Anpassungsstörung sei chronifiziert und hänge mit der Schmerz-problematik zusammen. Hinsichtlich der neurologischen Unfallfolgen bestehe ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom. Es komme zu neuralgischen Schmerzen und zusätzlich sei eine kosmetische Entstellung gegeben. Dafür sei eine MdE von 25 v. H. angemessen. Die chronische Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion sei leichtgradig und etwa mit 10 v. H. zu bewerten. Die Gesamt-MdE betrage 30 v. H. Dieser Einschätzung widersprach der Beratungsarzt der Beklagten, der Neurologe Prof. Dr. M., in einer Stellungnahme vom 22. September 2016. Eine einseitige und kosmetisch wenig störende Gesichtsnervenlähmung sei nicht gegeben. Auffälligkeiten des Nervus trigeminus seien nur unzureichend beschrieben. Ein neuropathisches Schmerzsyndrom sei nicht nachgewiesen. Unzutreffend sei die Annahme des Sachverständigen Dr. K., dass hinsichtlich der psychischen Erkrankung vor dem Unfallereignis von einer Rückläufigkeit auszugehen sei. Die Klägerin sei in der ersten Jahreshälfte 2010 zwei Monate stationär behandelt worden. Die MdE sei mit unter 20 v. H. einzuschätzen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 10. November 2016 führt Dr. K. aus, dass seine Einschätzung der MdE mit 25 v. H. auf neurologischem Fachgebiet wesentlich bedingt durch die quälenden Gesichtsschmerzen aufgrund der Trigeminusirritation links sei. Eine umfassende Schmerzanalyse sei durchgeführt worden. In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 8. September 2016 hielt Prof. Dr. M. an seinen Kritikpunkten fest. Eine Beeinträchtigung von Nervenfunktionen sei zu dokumentieren. Zweifelhaft sei, ob eine motorische Beein-trächtigung des Musculus orbicularis oris überhaupt vorliege.

Mit Urteil vom 31. Januar 2017 hat das Sozialgericht Altenburg die Klage abgewiesen. Die Klage sei hinsichtlich des Entzugs der vorläufigen Rente als Anfechtungsklage und hinsichtlich der Bewilligung einer Dauerrente als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, jedoch unbegründet. Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet ließen sich nicht sichern. Seit 2004 leide die Klägerin an einer Angststörung mit Angst und depressiver Störung. Diese vorbestehenden Gesundheitsstörungen seien viel eher in der Lage, die Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet zu erklären. Von einer Stabilisierung dieser Erkrankung vor dem Unfallereignis könne nicht ausgegangen werden. In der ersten Jahreshälfte 2010 sei die Klägerin deswegen zwei Monate stationär behandelt worden. Die vorliegenden Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet rechtfertigten keine MdE von mindestens 20 v. H. Die MdE-Einschätzung von Dr. K. auf neurologischem Fachgebiet sei nicht nachvollziehbar. Eine Schädigung des Hauptstammes des Nervus facialis liege nicht vor. Schmerzen, die mit den Unfallfolgen einhergingen, würden nicht gesondert bei der MdE-Bemessung berücksichtigt. Schmerzen seien in den MdE-Richtwerten üblicherweise enthalten. Für besondere Schmerzen sei nichts ersichtlich.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Zwei vom Gericht bestellte Sachverständige hätten in ihren Gutachten bestätigt, dass eine MdE von 20 v. H. vorliege. Dennoch sei das Sozialgericht einer beratungsärztlichen Stellungnahme gefolgt. Auch der vom Senat beauftragte dritte Gutachter Prof. Dr. Dr. W. bejahe eine MdE von 20 v. H. ab dem 1. August 2013. Die Besserung ab dem Sommer 2017 sei nach § 73 Abs. 3 des Siebten Buches Sozialgesetz-buch (SGB VII) unwesentlich, da sie nicht mehr als 5 v. H. betrage.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Altenburg vom 31. Januar 2017 und des Bescheides der Beklagten vom 25. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2014 zu verpflichten, ihr ab dem 1. August 2013 eine Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v.H. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil. Die Beklagte hält daran fest, dass die MdE für die Zeit nach dem 1. August 2013 mit unter 20 v.H. einzuschätzen sei.

Dazu legte sie eine beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen Prof. Dr. M. vom 25. September 2018 vor. Dieser beanstandet, dass hinsichtlich der sensiblen Störung und eines neuropathischen Schmerzsyndroms ausschließlich subjektive Angaben der Klägerin Grundlage der Einschätzung seien. Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. zu den Grenzen quantitativ sensorischer Testungen seien korrekt. Mangels nachvollziehbarer Angaben könne daher von einer nachhaltigen Funktionseinschränkung nicht ausgegangen werden. Die Gesamt-MdE sei folglich mit 15 v.H. ab dem 1. August 2013 einzuschätzen.

Der Senat hat im Berufungsverfahren ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 1. Au-gust 2018 von Prof. Dr. Dr. W. eingeholt. Hinsichtlich der motorischen Störung sei dem Beratungsarzt Prof. Dr. M. insoweit zuzustimmen, als eine Schädigung des motorischen Nervus facialis nicht mit hinreichender Sicherheit vorliege, zumindest nicht hinsichtlich des Nervenstammes. Allerdings reichten die umfangreichen Narben aus, um bei Mundbewegungen eine Einschränkung des Bewegungsumfangs der Mundmuskulatur zu begründen. Hinsichtlich der sensiblen Schmerzstörung sei eine Objektivierung der sensiblen Defizite angesichts der kleinen betroffenen Hautareale technisch nicht möglich. Dies spiele letztlich aber keine Rolle, da die beiden größeren hypästhetischen Areale ober- und unterhalb des linken Mundwinkels nach allen Seiten von Narben umschlossen seien, sodass nicht ersichtlich sei, wie diese sensibel versorgt werden sollten. Am Vorliegen der geltend gemachten neuropathischen Schmerzen im Bereich der sensiblen Nervenäste bestünden keine Zweifel. Vorübergehend sei von einer ängstlichen Anpassungsstörung auszugehen, Anhaltspunkte für eine chronifizierte Anpas-sungsstörung seien jedoch nicht zu erkennen. Die Konflikte am Arbeitsplatz hätten sich mit erheblicher zeitlicher Latenz entwickelt und die konkrete Situation betroffen. Eine Entspannung sei hier nach dem Arbeitsplatzwechsel 2017 eingetreten. Hinsichtlich der Bewertung der Unfallfolgen sei zu berücksichtigen, dass Schmerzen im Gesichtsbereich in den MdE-Tabellen nicht enthalten seien. Im Fall der Klägerin liege eine Sensibilitätsstörung im Bereich der Unterlippe fast bis zur Mitte des Mundes vor. Dies stelle eine funktionell bedeutsame Einschränkung dar. Aktuell leide die Klägerin unter einem leichtgradigen neuropathischen Schmerzsyndrom im Gesicht nach Schädigung sensibler Nervenäste des Nervus trigeminus mit Gefühls-störungen im Bereich der linken Unterlippe, einer leichtgradigen Gesichtsentstellung und motorischen Einschränkung im Bereich des Mundes. Die neuropathische Schmerzsymptomatik sei in den Unfallfolgen letztlich unter dem Aspekt "Überempfindlichkeit bei Berührung" sowie "Allodynie" erfasst. Ein psychischer Vorschaden mit Angst und Depressionen gemischt sowie eine Panikstörung seien vorbestehend. In der Gesamtbewertung spreche mehr für als gegen die Annahme, dass die MdE ab 1. August 2013 bis zur Stabilisierung nach dem Arbeitsplatzwechsel im Sommer 2017 mit 20 v. H. zu bewerten sei. Unter Berücksichtigung der inzwischen nur noch untergeordneten Schmerzmedikation und der psychischen Stabilisierung sei die verbliebene MdE mit 15 v. H. einzuschätzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Beklagtenakten, die Gegenstand der Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg (§§ 143, 151 SGG). Gegenstand des Rechtsstreits ist die mit Bescheid vom 25. Juli 2013 verfügte Entziehung der gewährten Rente als vorläufige Entschädigung mit Wirkung ab 1. August 2013 und die Frage, ob die Klägerin ab diesem Zeitpunkt eine Rente auf Dauer beanspruchen kann.

Die Berufung der Klägerin hat in der Sache insoweit Erfolg, als das Sozialgericht Altenburg die Klage hinsichtlich eines bestehenden Anspruchs auf Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. für den Zeitraum 1. August 2013 bis 31. Juli 2017 zu Unrecht abgewiesen hat. Denn der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2013 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 13. März 2014 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 SGG), als sie in dem genannten Zeitraum Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. hat. Rechtmäßig hingegen ist der Bescheid insoweit, als die Beklagte zu Recht an der Gewährung der mit Bescheid vom 2. Juli 2012 zugesprochenen vorläufigen Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 v. H. ab dem 1. August 2013 nicht mehr festgehalten hat.

Der streitgegenständliche Bescheid vom 25. Juli 2013 enthält zwei Verfügungssätze. Die materielle Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes beschränkt sich nach der ständigen Recht-sprechung des BSG grundsätzlich auf den Entscheidungsausspruch, den sogenannten Verfügungssatz. Ein Verwaltungsakt kann dabei mehrere Verfügungssätze enthalten (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 36/03 R, zitiert nach Juris). Insoweit ist dem Bescheid vom 25. Juli 2013 zu entnehmen, dass die Beklagte nicht nur die mit Bescheid vom 2. Juni 2012 als vorläufig gewährte Verletztenrente nach einer MdE von 25 v. H. entziehen wollte. Zugleich enthält er die Feststellung, dass wegen der Folgen des Arbeitsunfalls kein Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit besteht.

Die gerichtliche Prüfung der Höhe der unfallbedingten MdE bezieht sich grundsätzlich auf die anerkannten Unfallfolgen. Insoweit ist auf die mit Bescheid vom 2. Juli 2012 anerkannten Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet abzustellen. Die dort definierten Unfallfolgen sind nach wie vor zutreffend. Die von den Sachverständigen Dr. K. und Prof. Dr. W. jeweils diagnostizierte unfallabhängige neuropathische Schmerzsyndrom und neuropathische Schmerzsymptomatik ist durch die Aussage "Überempfindlichkeit bei Berührung sowie Allodynie (= Schmerzempfindung)" erfasst. Das konkrete Ausmaß der Schmerzempfindung kann letztlich im Rahmen der MdE-Bemessung ermittelt werden.

Die in dem Bescheid vom 25. Juli 2013 verfügte Entziehung der vorläufig gewährten Verletztenrente in Höhe von 25 v. H. mit Ende des Monats Juli 2013 findet ihre Rechtsgrundlage in § 62 SGB VII. Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII liegen vor. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 2. Juli 2012 der Klägerin eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 25 v. H. gewährt. Der Vorbehalt erleichterter Abänderbarkeit ist nicht kraft Gesetzes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII entfallen, weil der Dreijahreszeitraum bei Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes noch nicht verstrichen war. Seit dem Versicherungsfall vom 24. September 2010 waren keine drei Jahre vergangen. Der Bescheid vom 25. Juli 2013 ist hinsichtlich der Entziehung der vorläufig gewährten Rente bereits zum 1. August 2013 auch materiell wirksam geworden.

Die Klägerin hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 24. September 2010 ab dem 1. August 2013 keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 25 v. H. Die Folgen des Arbeitsunfalles erreichen bis zum 31. Juli 2017 nur noch eine MdE i. H. v. 20 v. H.

Nach § 56 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus Anspruch auf Gewährung von Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. gemindert ist. Ein solcher Fall liegt hier bis zum 31. Juli 2017 vor.

Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögen des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer sowie sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (vgl. BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R, zitiert nach Juris). Bei der Bewertung der MdE ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher maßgebend, sondern vielmehr der damit verbundene Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (vgl. BSG, Urteile vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R und vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R, beide zitiert nach Juris). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit des Verletzten auswirken, sind zwar nicht verbindlich, bilden aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 1987 - 2 RU 42/86, zitiert nach Juris). Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und medizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R, zitiert nach Juris).

In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für die Klägerin ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 1. August 2013 bis zum 31. Juli 2017.

Der Senat folgt insoweit der überzeugend begründeten Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. in seinem Gutachten vom 1. August 2018. Aus neurologischer Sicht ist die Klägerin beeinträchtigt durch witterungsabhängig verstärkte Schmerzen in perioralen Bereich des Mundes links, durch eine Gefühlsstörung der Unterlippe mit gewissen Problemen bei der Flüssigkeitsaufnahme sowie durch psychosoziale Probleme aufgrund einer bestehenden Gesichtsentstellung. Hintergrund hierfür ist ein als leichtgradig einzuordnendes neuropathisches Schmerzsyndrom im Gesicht nach Schädigung sensibler Nervenäste des Nervus trigeminus mit insbesondere auch Gefühlsstörung im Bereich der linken Unterlippe, leichtgradige Gesichtsentstellung und motorische Einschränkung im Bereich des Mundes aufgrund Narbenbildung. Dass im Gesicht der Klägerin sowohl ein motorisches als auch ein sensibles Defizit besteht, ist nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. hinreichend nachgewiesen. Dieser führt insoweit selbst aus, dass eine Schädigung des motorischen Nervus facialis nicht mit hinreichender Sicherheit, zumindest hinsichtlich des Nervenstammes, nachgewiesen ist. Aufgrund der umfangreichen Narben geht er jedoch nachvollziehbarer Weise davon aus, dass bei Mundbewegungen eine Einschränkung des Bewegungsumfangs der Mundmuskulatur unschwer zu begründen ist. Hinsichtlich der sensiblen Störung weist Prof. Dr. Dr. W. im Einklang mit der aktuellen Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen ("Leitlinie Schmerzbegutachtung") 4. Aktualisierung 2017 AWMF-Registernummer 094 - 003 S.13/14 - darauf hin, dass eine quantitative sensorische Testung nicht zielführend ist. Eine elektrophysiologische Objektivierung der sensiblen Defizite ist angesichts der kleinen betroffenen Hautareale technisch nicht möglich. Die Feststellung des sensiblen Defizites im Fall der Klägerin rechtfertigt sich jedoch daraus, dass die beiden größeren hypästhetischen Areale ober- und unterhalb des linken Mundwinkels nach allen Seiten von Narben umschlossen sind, sodass nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W. nicht ersichtlich ist, wie diese sensibel versorgt werden sollten. Hinsichtlich des Vorhandenseins eines neuropathischen Schmerzsyndroms hat der Sachverständige die üblichen Testverfahren durchgeführt und in Auswertung dieser in Zusammenschau mit den dokumentierten Befunden die Überzeugung gewonnen, dass am Vorliegen neuropathischer Schmerzen keine vernünftigen Zweifel bestehen. Die Sensibilitätsstörung im Bereich der Unterlippe, welche nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. aufgrund der hier verlaufenden Narben nachvollziehbar ist, reicht fast bis zur Mitte des Mundes und führt dazu, dass Flüssigkeit aus dem Mund herausläuft, wenn die Klägerin nicht aufpasst. Dies stellt eine funktionell bedeutsame Einschränkung dar. Hinzu kommt die Gesichtsentstellung, welche der Sachverständige in Anlehnung an die Erfahrungswerte (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 275) mit einer MdE von 10 v. H. bewertet. In der Gesamtschau begründen diese Störungen insbesondere unter Berücksichtigung der neuropathischen Schmerzen bis zum 31. Juli 2017 eine MdE von 20 v. H. Soweit der Beratungsarzt der Beklagten Prof. Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 25. September 2018 beanstandet, dass die Feststellung des Ausmaßes der sensiblen Störung bzw. des neuropathischen Schmerzsyndroms ausschließlich auf subjektiven Angaben der Klägerin beruht, geht auch der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. in seinem Gutachten vom 1. August 2018 davon aus, dass eine objektive Feststellung des genauen Umfangs der Funktionsbeeinträchtigungen durch die Störung bzw. durch das Schmerzsyndrom nicht möglich ist. Insoweit ist auch im Einklang mit der Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen unter Einsatz der entsprechenden Testungen eine Validitätsprüfung hinsichtlich der Schmerzen vorzunehmen. Diese hat der Sachverständige durchgeführt.

Nicht in die MdE-Bewertung für den Zeitraum 1. August 2013 bis 31. Juli 2017 einzubeziehen ist die von dem Sachverständigen Dr. K. in seinem Gutachten festgestellte chronifizierte Anpassungsstörung. Bindend steht nach Auslegung des Bescheides vom 2. Juli 2012 fest, dass eine Angststörung gemischt mit Depression und damit auch die von Dr. K. auf dieser Grundlage diagnostizierte chronifizierte Anpassungsstörung als Gesundheitsstörungen nicht Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. September 2010 sind. Solche negativen Feststellungen sind nach der Rechtsprechung zulässig (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juli 2016 – L 6 U 1013/15, zitiert nach Juris). Ferner spricht auch medizinisch nichts für eine solche Unfallfolge. Der Senat folgt insoweit dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Dr. W. vom 1. August 2018, wonach die affektive Komponente lediglich bei der Bemessung der subjektiven Schmerzempfindung zu berücksichtigen, aber eine eigenständige Anpassungsstörung nicht begründet ist. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nachweislich seit 2004 wegen Angst und depressiver Störung gemischt immer wieder wiederholt in psychiatrischer Behandlung war. Dass bei ihr hinsichtlich dieser Probleme auf psychiatrischem Fachgebiet nach dem Unfallereignis nur eine, wenn überhaupt, vorrübergehende Verschlimmerung vorlag, wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin bereits am 25. Oktober 2010 und damit einen Monat nach dem Ereignis wieder zu arbeiten anfing. Insoweit weist Prof. Dr. Dr. W. in seinem Gutachten zu Recht darauf hin, dass der Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten nicht ausreichend beachtet, dass die späteren Konflikte der Klägerin an ihrem Arbeitsplatz und die sich dann wieder verschärfenden psychiatrischen Gesundheitsstörungen sich mit erheblicher zeitlicher Latenz nach dem Arbeitsunfall vom 24. September 2010 entwickelten. Insoweit ist es überzeugend, wenn Prof. Dr. Dr. W. eine depressive Reaktion, die 2016 bei der Begutachtung durch Dr. K. bestand, nicht dem Unfallereignis zuordnet. Eine mögliche vorübergehende Verschlimmerung der Anpassungsstörung wäre im Übrigen auch durch die Gewährung einer Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 25 v. H. bis zum 31. Juli 2013 ausreichend erfasst.

Für die Zeit nach dem 1. August 2017 erreicht die MdE keine rentenberechtigende Höhe von 20 v. H. mehr. Dies hat Prof. Dr. Dr. W. nachvollziehbar damit begründet, dass im Sommer 2017 nicht nur eine psychische Stabilisierung bei der Klägerin eingetreten ist, welche hinsichtlich der Folgen der Gesichtsentstellung zu einer deutlich günstigeren Einschätzung führt, als auch die Schmerzmedikation jetzt nur noch untergeordnet ist. Hinsichtlich der Schmerzmedikation ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin, wie in der Begutachtung bei Prof. Dr. Dr. W. angegeben, bei Bedarf Ibuprofen in einer Dosierung von 400 mg einnimmt. Dies erfolgt im Schnitt etwa einmal in der Woche. Dabei ist auch noch zu berücksichtigen, dass dies teilweise wegen der unfallunabhängigen Migräneattacken erfolgt. Das Medikament Tramagit wird von ihr nicht mehr eingenommen. Damit ergibt sich hieraus eine Besserung der neuropathischen Schmerzen, die sich auf die MdE-Einschätzung auswirkt. Nach Abschluss einer Behandlung am 7. Juli 2017 hat die Klägerin eine Wiedereingliederung im Straßenbauamt absolviert. Als Zeitpunkt der Besserung ist daher der Monat Juli 2017 anzusehen. Diese Besserung ist nach § 73 Abs. 1 SGB VII ab 1. August 2017 zu berücksichtigen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin steht § 73 Abs. 3 SGB VII der Berücksichtigung dieser Besserung ab dem 1. August 2017 nicht entgegen. Nach § 73 Abs. 3 SGB VII ist bei der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches (SGB X) nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v. H. beträgt. Die Vorschrift kann hier bereits deshalb keine Anwendung finden, weil keine Fallgestaltung des § 48 Abs. 1 SGB X vorliegt. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist hier bereits deshalb nicht anwendbar, denn es fehlt an einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn eine durch Verwaltungsakt getroffene Regelung in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus Wirkung erzeugt (vgl. Senatsurteil vom 1. März 2018, L 1 U 1663/15; BSG, Urteil vom 13. Februar 2013 – B 2 U 25/11 R, jeweils zitiert nach Juris). Die Annahme eines Dauerverwaltungsaktes scheidet hier bereits deshalb aus, weil mit der heutigen Entscheidung die Beklagte lediglich verpflichtet wurde, für einen in der Vergan-genheit liegenden Zeitraum eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren. Keine Dauerverwaltungsakte sind Entscheidungen, deren Regelung ausschließlich in der Vergangenheit liegende Sachverhalte betreffen, wie zum Beispiel Rentennachzahlungen (vgl. Mehrten in Hauck/Noftz, SGB X, § 48 Rdn. 17 m.w.N.). Der Klägerin wurde zu keinem Zeitpunkt eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit bewilligt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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