L 2 SF 69/17 K

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SF 69/17 K
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die pauschale Vergütung gemäß § 10 Abs. 1 JVEG iVm Anlage 2 Nrn. 302, 303 bezieht sich auf den jeweiligen Untersuchungsgegenstand, also auf die gesamte Untersuchung der Körperflüssigkeit oder des Organs, unabhängig von der Zahl der einzelnen Untersuchungsgänge, aber auch unabhängig von der Anzahl der Tage, an denen die Untersuchungen stattfanden.
2. Eine Vergütung der Leistung eines Sachverständigen auf Basis einer „Zusage“ des Gerichts nach den Regelungen der GOÄ kann nicht im Rahmen einer Festsetzung nach § 4 JVEG zuerkannt werden.
Die Vergütung des Antragstellers für die in dem Rechtsstreit L 3 U 118/10 erstatteten medizinischen gutachterlichen Stellungnahmen vom 3. Dezember 2013 und 26. Mai 2014 werden auf 1400,00 EUR und 1400,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung des Antragsgegners für zwei gutachterliche Stellungnahmen.

In der Unfallversicherungsstreitsache C. gegen die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Mainz (Hessisches Landessozialgericht, Az.: L 3 U 118/10) erstellte der Antragsgegner, Facharzt für Humangenetik, zwei gutachterliche Stellungnahmen nach humangenetischen Untersuchungen. Die Vorsitzende des 3. Senats des HLSG wandte sich wegen einer bei dem Kläger vorzunehmenden molekulargenetischen Analyse mit Schreiben vom 15. Mai 2013 an den Antragsgegner und bat zugleich um Kostenschätzung. Der Antragsgegner übersandte einen Kostenvoranschlag vom 25. Februar 2013, der die Kosten für eine genetische Analyse bei Verdacht auf Brugada-Syndrom (Stufendiagnostik) darstellte; die Diagnostik umfasste acht Stufen. Die Vorsitzende des 3. Senats beauftragte den Antragsgegner mit Schreiben vom 17. Juni 2013 und bestätigte mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 die Durchführung der Stufe 1 (SCN5A-Gendiagnostik) zu einem Preis in Höhe von 4.289,38 Euro.

Der Antragsgegner legte am 20. Januar 2014 eine einseitige humangenetische Beurteilung vom 3. Dezember 2013 vor, der eine Blutprobe vom 22. November 2013 zugrunde lag. Er machte mit Kostenrechnung vom 24. Februar 2014 eine Vergütung in Höhe von insgesamt 4.289,95 EUR geltend, die sich wie folgt zusammensetzt:

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht ordnungsgemäß dargestellt werden kann.

Leistungsdatum Anzahl Ziffer Bezeichnung Betrag Faktor Betrag
03.12.2013 Porto Portogebühr 0,58 1,00 0,58
80 Schriftl. gutachterl. Äußerung 17,49 2,30 40,23
3920 Isolierung humaner Nukleinsäuren aus Untersuchungsmaterial 52,46 1,00 52,46
36 3926 Ident. hum. Nukleinsäurenfragmenten durch Sequenzermittlung 4196,68 1,00 4196,68
Gesamtbetrag Euro 4289,95

Die Rechnung wurde von dem Kostenbeamten in der beantragten Höhe am 5. März 2014 festgesetzt und zur Auszahlung gebracht.

Mit Schreiben vom 28. März 2014 forderte die Vorsitzende des 3. Senats des HLSG auch die im Kostenvoranschlag vom 25. Februar 2013 dargestellten Untersuchungen der Stufen 2 bis 7 an. Die einseitige humangenetische Beurteilung vom 26. Mai 2014 ging am 28. Mai 2014 ein; ihr lagen die Blutprobe vom 22. November 2013 und eine nachgeforderte Probe vom 14. April 2014 zugrunde. Zugleich wurde die Rechnung vom 27. Mai 2014 in Höhe von 10266,79 Euro vorgelegt:

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht ordnungsgemäß dargestellt werden kann.

Leistungsdatum Anzahl Ziffer Bezeichnung Betrag Faktor Betrag
16.05.2014 80 Schriftl. gutachterl. Äußerung 17,49 2,30 40,23
8 3926 Ident. hum. Nukleinsäu-renfragmenten durch Se-quenzermittlung 932,60 1,00 932,60
17.05.2014 80 Schriftl. gutachterl. Äußerung 17,49 2,30 40,23
47 3926 Ident. hum. Nukleinsäu-renfragmenten durch Se-quenzermittlung 5479,00 1,00 5479,00
18.05.2014 80 Schriftl. gutachterl. Äußerung 17,49 2,30 40,23
15 3926 Ident. hum. Nukleinsäu-renfragmenten durch Se-quenzermittlung 1748,62 1,00 1748,62
19.05.2014 80 Schriftl. gutachterl. Äußerung 17,49 2,30 40,23
6 3926 Ident. hum. Nukleinsäu-renfragmenten durch Se-quenzermittlung 699,45 1,00 699,45
20.05.2014 80 Schriftl. gutachterl. Äußerung 17,49 2,30 40,23
5 3926 Ident. hum. Nukleinsäu-renfragmenten durch Se-quenzermittlung 582,87 1,00 582,87
21.05.2014 80 Schriftl. gutachterl. Äußerung 17,49 2,30 40,23
5 3926 Ident. hum. Nukleinsäu-renfragmenten durch Se-quenzermittlung 582,89 1,00 582,87
Gesamtbetrag Euro 10266,79

Die Rechnung wurde von der Kostenbeamtin in der beantragten Höhe am 5. Juni 2014 festgesetzt und zur Auszahlung gebracht.

Eine (förmliche) Beweisanordnung wurde seitens des 3. Senats des HLSG zur Beauftragung der gutachterlichen Stellungnahme nicht verfügt; ausweislich der Gerichtsakte wurde der Antragsgegner nicht über die Abrechnungsmöglichkeiten nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) informiert und es wurde ihm kein entsprechendes Merkblatt übersandt.

Am 22. Dezember 2017 hat der Antragsteller die richterliche Festsetzung der Vergütung für den Antragsgegner bezüglich der streitgegenständlichen humangenetischen Untersuchungen beantragt. Hierzu hat er vorgetragen, unzutreffend sei eine Vergütung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) festgesetzt worden. Die humangenetischen Untersuchungen seien vielmehr nach dem JVEG abzurechnen und zwar handele es sich um besondere Leistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 JVEG. Für die durchgeführten Untersuchungsleistungen greife die pauschalierte Vergütung nach der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG ein. Es ergäben sich danach folgende anzusetzende Gebühren: Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG Nr. 304 in Höhe von 52,46 EUR nebst Nr. 302/303 in Höhe von 2 x 1000,00 EUR und Porto in Höhe von 0,58 EUR.

Der Antragsteller beantragt,
die Vergütung des Antragsgegners für die im Rechtsstreit L 3 U 118/10 erstattete humangenetische Untersuchung vom 3. Dezember 2013 auf 1.053,04 EUR und für die Beurteilung vom 26. Mai 2014 auf 1.000,00 EUR festzusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,
seine Vergütung für die im Rechtsstreit L 3 U 118/10 erstattete humangenetischen Beurteilung vom 3. Dezember 2013 auf 4.289,95 EUR und für die Beurteilung vom 26. Mai 2014 auf 10.266,79 EUR festzusetzen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass das HLSG an seine Preiszusagen gebunden sei. Auf diese Bindungswirkung und die Zusagen der Vorsitzenden des 3. Senats des HLSG habe er vertrauen dürfen und habe insbesondere nicht damit rechnen müssen, dass im Rahmen einer späteren Überprüfung solche gravierenden Einschränkungen durch den Antragsteller beantragt werden würden. Wäre ihm bekannt gewesen, dass solche Einschränkungen möglich wären, hätte er beide Aufträge gar nicht erst angenommen. Allein schon die Sach- und Betriebskosten der für die durchgeführten Untersuchungen erforderlichen Geräte haben sich auf ein Vielfaches der nunmehr von dem Antragsteller beantragten Vergütung belaufen, so dass eine Leistungserbringung der hochkomplexen molekulargenetischen Untersuchungen zu der von dem Antragsteller errechneten Vergütung nicht einmal unter Deckung der Sach- und Betriebskosten möglich gewesen wäre. Er ergänzt auf Nachfrage des Senats, dass ihm ein zusätzlicher Zeitaufwand von jeweils drei Stunden anlässlich der Untersuchungen entstanden sei.

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Antragsakte sowie die Gerichtsakte L 3 U 118/10, die vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Auf den gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG zulässigen Antrag ist die Vergütung des Antragsgegners für die in der Unfallversicherungsstreitsache C. gegen die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Mainz (HLSG, Az.: L 3 U 118/10) erstellten gutachterlichen Stellungnahmen vom 3. Dezember 2013 und 26. Mai 2014 nach humangenetischen Untersuchungen auf jeweils 1400,00 EUR, insgesamt 2800,00 EUR festzusetzen.

Der Kostensenat trifft diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG in voller Besetzung.

Anwendbar sind die Regelungen des JVEG in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013, da die Beauftragung des Antragsgegners letztlich mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 erfolgte.

Das JVEG regelt gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 JVEG die Vergütung von Sachverständigen, die von dem Gericht herangezogen worden sind. Eine solche Heranziehung des Beschwerdegegners nach § 1 JVEG ist erfolgt, wenngleich eine standardisierte oder formularmäßige Beweisanordnung weder im Beschlusswege noch in Verfügungsform getroffen wurde. Jedoch hat die Vorsitzende des 3. Senats des HLSG unmissverständlich erklärt, dass die humangenetischen Untersuchungen durch den Antragsgegner zu Beweiszwecken im benannten Rechtsstreit durchgeführt werden sollten.

Gemäß § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige
1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG),
2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG),
3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie
4. Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG).

Eine Vergütung entsprechend dieser Regelungen kann der Antragsgegner auch noch beanspruchen, denn ein Anspruch auf diese ist nicht zwischenzeitlich gemäß § 2 Abs. 1 JVEG erloschen. Hiernach erlischt der Anspruch auf Vergütung, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat, geltend gemacht wird; hierüber und über den Beginn der Frist ist der Berechtigte zu belehren. Die Vorlage der streitigen Rechnungen durch den Antragsgegner genügt als Geltendmachung seiner Ansprüche nach dem JVEG, hat er doch damit zum Ausdruck gebracht, dass er eine Vergütung seiner Untersuchungsleistungen begehrt. Im Rahmen der richterlichen Festsetzung nach § 4 JVEG werden die zutreffenden Gebühren nach dem JVEG durch das Gericht bestimmt, ohne an die bisher geltend gemachten Gebühren der Höhe oder der Begründung nach gebunden zu sein. Maßgeblich ist somit nur, dass der Antragsgegner eine Vergütung geltend gemacht hat. Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung stellt keinen Rechtsbehelf gegen die Festsetzung durch den Anweisungsbeamten dar, sondern vielmehr handelt es sich bei der nach § 4 Abs. 1 JVEG zu treffenden Entscheidung um eine originäre Entscheidung des Gerichts. Die zuvor erfolgte Festsetzung des Anweisungsbeamten hat lediglich provisorischen Charakter und wird durch die gerichtliche Festsetzung hinfällig (Schneider, JVEG, 3. Aufl. 2018, § 4 Rn. 11).

Der Antragsgegner hat kein nach § 9 JVEG zu entschädigendes Stundenhonorar abgerechnet. Die Rechnungen enthalten überhaupt keine Zeitangaben. Als besondere Aufwendungen hat der Antragsgegner lediglich 0,58 EUR für Porto geltend gemacht.

Auf Nachfrage des Senats hat der Antragsgegner einen Zeitaufwand von sechs Stunden insgesamt als zu vergütenden Zeitaufwand – neben der erfolgten humangenetischen Untersuchung des Blutes – dargetan. Dieser bezieht sich jedoch allein auf die humangenetische Untersuchung, nicht auf einen weitergehenden Gutachtensauftrag. Der Antragsgegner gab dazu an, dass sich der Zeitaufwand aus der Erhebung der Vorgeschichte, der Abfassung der schriftlichen Beurteilung und der Korrektur derselben ergibt. Die humangenetische Untersuchung ist jedoch nach § 10 Abs. 1 JVEG zu vergüten. Eine Vergütung nach § 9 JVEG kommt im Anwendungsbereich des § 10 JVEG nur in Betracht, wenn der Sachverständige ein Gutachten erstatten soll, das über eine in § 10 Abs. 2 JVEG erwähnte gutachterliche Äußerung hinausgeht (Hartmann, Kostengesetze, 48. Auflage 2018, § 10 Rn. 4). Dies ist hier nicht der Fall: weder wurde ein solches angefordert seitens der Vorsitzenden des 3. Senats des HLSG noch hat der Antragsgegner ein solches erstellt. In diesem Fall wird die Vergütung ausschließlich nach § 10 JVEG gewährt. Eine Vergütung nach § 9 JVEG oder eine Entschädigung nach §§ 19&8201;ff. JVEG bei sachverständigen Zeugen, kann nicht gefordert werden, da es sich um eine Sondervorschrift handelt, die §§ 9, 19&8201;ff. JVEG verdrängt und vorrangig zu prüfen ist (Schneider, JVEG, 3. Aufl. 2018, § 10 Rn. 4).

Die durchgeführte Testdiagnostik kann wiederum nicht, wie in den Kostenrechnungen erfolgt, nach den Grundsätzen der GOÄ abgerechnet werden. Eine Erstattung besonderer Leistungen ist abschließend in § 10 JVEG geregelt. Nach § 10 Abs. 2 JVEG bemisst sich das Honorar für Leistungen der in Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen (Anlage zur GOÄ) bezeichneten Art in entsprechender Anwendung dieses Gebührenverzeichnisses nach dem 1,3-fachen Gebührensatz. Die vom Erinnerungsführer geltend gemachten Nr. 80, 3290 und 3926 sind nicht im Abschnitt O der Anlage zur GOÄ enthalten. Die GOÄ findet wiederum nur in den im JVEG ausdrücklich normierten Fällen Anwendung (LSG Thüringen, Beschluss vom 9. November 2015, L 6 JVEG 570/15, juris). Eine entsprechende oder analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, denn sie widerspricht dem Wortlaut ("soweit") und dem Charakter des § 10 Abs. 2 JVEG als eng auszulegende Sondervorschrift.

Demgegenüber erfolgt die Vergütung nach der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG:

Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht ordnungsgemäß dargestellt werden kann.

Abschnitt 3
Untersuchungen, Blutentnahme
302 Mikroskopische, physikalische, chemische, toxikologische, bakteriologische, serologische Untersuchung, wenn das Untersuchungsmaterial von Menschen oder Tieren stammt: ... 5,00 bis 60,00 EUR Das Honorar beträgt je Organ oder Körperflüssigkeit Das Honorar umfasst das verbrauchte Material, soweit es sich um geringwertige Stoffe handelt, und eine kurze gutachtliche Äußerung.
303 Die Leistung der in Nummer 302 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich oder schwierig: Das Honorar 302 beträgt ... bis zu 1 000,00 EUR
304 Herstellung einer DNA-Probe und ihre Überprüfung auf Geeignetheit (z. B. Hochmolekularität, humane Herkunft, Ausmaß der Degradation, Kontrolle des Verdaus) ... bis zu 205,00 EUR Das Honorar umfasst das verbrauchte Material, soweit es sich um geringwertige Stoffe handelt, und eine kurze gutachtliche Äußerung.

Stammt das Untersuchungsmaterial von einem Menschen oder Tier, entsteht ein Honorar nach Nr. 302, wenn es sich um eine mikroskopische, physikalische, chemische, toxikologische, bakteriologische oder serologische Untersuchung handelt. Die Aufzählung ist abschließend. Die Bestimmung der Nr. 302 stellt eine Spezialbestimmung zu § 9 JVEG dar, so dass sich die Vergütung für die von Nr. 302 erfassten Leistungen nur nach dieser Vorschrift richtet. Es handelt sich bei der streitigen humangenetischen Untersuchung um eine serologische Untersuchung. Es besteht ein Honorarrahmen, der 5,00 EUR bis 60,00 EUR beträgt und bis auf 1.000,00 EUR erweitert werden kann. Bei der Bestimmung der Honorarhöhe ist auf den Einzelfall abzustellen. Handelt es sich um umfangreichere Untersuchungen, die auch mehrere Einzeluntersuchungen erforderlich machen, ist der Höchstsatz angemessen, da durch das Honorar (im Gegensatz zu Nr. 300) die gesamte Untersuchung des Organs bzw. der Körperflüssigkeit abgegolten wird, unabhängig davon, wie viele Einzeluntersuchungen erforderlich gewesen sind. Mit dieser Gebühr werden pauschal Untersuchungen abgegolten, die standardisiert durchgeführt werden. Je Körperflüssigkeit bzw. je Organ kann die Pauschale grundsätzlich einmal geltend gemacht werden. Der Senat teilt daher die Ansicht des Antragstellers, dass die Gebührenziffern Nr. 302, 303 nur zweimal in Ansatz gebracht werden können. Denn die Gebührenziffer Nr. 302 schreibt vor, dass die Gebühr je untersuchter Körperflüssigkeit abgerechnet wird und im vorliegenden Fall wurden zwar die Blutproben insgesamt hinsichtlich sieben verschiedener Gene auf Mutationen untersucht, jedoch im Ergebnis nur zwei Blutproben. Die Pauschale bezieht sich auf den jeweiligen Untersuchungsgegenstand, also auf die gesamte Untersuchung der Blutprobe, unabhängig von der Zahl der einzelnen Untersuchungsgänge, aber auch unabhängig von der Anzahl der Tage, an denen die Untersuchungen stattfanden. Es ist daher nicht auf die Anzahl der durchgeführten Proben oder Untersuchungen abzustellen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Oktober 1993, 2 Ws 227/92, MDR 1994, 314; SG Aachen, Beschluss vom 19. Oktober 2009, S 9 U 112/06, juris; Binz/Dorndörfer/Petzold/Zimmermann, GKG – FamGKG – JVEG§ 10 Anl. 2 Rn. 14).

Die früher vertretene Ansicht, die jeweils auf den Untersuchungshergang abstellte, ist überholt, da der Gesetzgeber schon 1976 die damalige Nr. 6 der Anlage zu § 5 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) geändert und die Worte "je Probe" durch die Worte "je Organ" ersetzt hat. Damit wurde klargestellt, dass nicht mehr auf den Untersuchungshergang, sondern ausschließlich auf das Untersuchungsmaterial abzustellen ist. Bei der Anwendung der Gebührenziffer kann daher nicht dem Untersuchungsgang im Sinne der benannten Stufendiagnostik gefolgt werden. Dem Umfang der Untersuchung kann allein durch die Gebührenhöhe innerhalb der einmaligen Berücksichtigung der Gebührenziffer Rechnung getragen werden. Als außergewöhnlich umfangreich i.S.d. Nr. 303 muss eine Untersuchung angesehen werden, die so viele verschiedene und umfangreiche Untersuchungsvorgänge erfordert, dass der dadurch verursachte Arbeits- und Kostenaufwand nicht mehr durch das Honorar der Nr. 302 angemessen abgegolten werden kann (OLG Hamm, Beschluss vom 10. Dezember 1986, 4 Ws 450/86, juris). So liegt der Fall hier. Da es sich jeweils um aufwendige Untersuchungen handelte, kann jeweils der Höchstsatz in Ansatz gebracht werden. Eine Überschreitung des Höchstsatzes lässt die geltende gesetzliche Regelung jedoch nicht zu (OLG Celle, Beschluss vom 29. Januar 1993, 3 Ws 270/90, juris).

Hinzutritt noch jeweils eine Gebühr nach Nr. 304. Sie entsteht für die Herstellung einer DNA-Probe und die Überprüfung auf ihre Geeignetheit. Das Honorar nach Nr. 304 beträgt bis zu 205,00 EUR. Dabei handelt es sich um einen Höchstsatz, der auch im Einzelfall nicht überschritten werden kann. Der Gesetzgeber hat die Gewährung des Höchstsatzes nicht ausdrücklich von einer außergewöhnlich schwierigen oder umfangreichen Leistung abhängig gemacht. Die Höhe des Honorars ist daher allein durch die erbrachte Leistung zu bestimmen. Bei der Bemessung der Honorarhöhe sind der Umfang der Untersuchung und der damit verbundene Aufwand der einzelnen Leistung zu berücksichtigen. Ein Kriterium kann auch die im Einzelfall notwendig gewesene Aufbereitungszeit des Materials (Blut, Liquor oder andere Körperzellen) sein (Schneider, JVEG, 3. Aufl. 2018, Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 Rn. 24). Im vorliegenden Fall legt der Senat wegen des Umfangs der Untersuchung den Höchstbetrag in Höhe von 205,00 EUR zugrunde. Zudem erachtet der Senat die Gebührenziffer auch bei beiden Untersuchungsreihen für entstanden, wenngleich der Antragsgegner in seiner zweiten Rechnung vom 27. Mai 2014 eine entsprechende Gebührenziffer nach der GOÄ (Nr. 3920) nicht abgerechnet hat. Dennoch war auch vor Untersuchung der Gene der Stufen 2 bis 7 die nachgeforderte Blutprobe entsprechend vorzubereiten und auf Geeignetheit hin zu überprüfen.

Der vom Antragsgegner geltend gemacht Zeitaufwand wird nach § 10 Abs. 3 JVEG vergütet. Hiernach erhält der Berechtigte ein Honorar nach der Honorargruppe 1, soweit für die Erbringung einer Leistung nach § 10 Abs. 1 oder 2 JVEG zusätzliche Zeit erforderlich ist. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG erhält der Sachverständige für jede Stunde ein Honorar in der Honorargruppe 1 in Höhe von 65,00 EUR. So sind die sechs geltend gemachten Stunden mit jeweils max. 65,00 EUR, mithin 390,00 EUR, zu vergüten. Der Senat geht dabei davon aus, dass die Komplexität der Untersuchung diesen zusätzlichen Zeitaufwand erforderte und der für die Erstellung der gutachterlichen Stellungnahme in der Pauschale enthaltene Vergütungsanteil nicht ausreichte. Andernfalls wäre die Abfassung der gutachterlichen Stellungnahme mit der Gebühr nach Nrn. 302, 303 abgegolten.

Neben der in § 10 JVEG bestimmten Vergütung sind besondere Aufwendungen nach §§ 5 bis 7, 12 JVEG zu ersetzen, soweit sich aus der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG nicht ein Erstattungsverzicht ergibt (z.B. Vorbem. 4 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 2). Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 JVEG sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Vergütung nach den §§ 9 bis 11 JVEG auch die üblichen Gemeinkosten sowie der mit der Erstattung des Gutachtens oder der Übersetzung üblicherweise verbundene Aufwand abgegolten. Es werden jedoch gesondert ersetzt:
1. die für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens oder der Übersetzung aufgewendeten notwendigen besonderen Kosten, einschließlich der insoweit notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte, sowie die für eine Untersuchung verbrauchten Stoffe und Werkzeuge;
2. für jedes zur Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens erforderliche Foto 2 Euro und, wenn die Fotos nicht Teil des schriftlichen Gutachtens sind (§ 7 Abs. 2 JVEG), 0,50 Euro für den zweiten und jeden weiteren Abzug oder Ausdruck eines Fotos;
3. für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens 0,90 Euro je angefangene 1 000 Anschläge; ist die Zahl der Anschläge nicht bekannt, ist diese zu schätzen;
4. die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer, sofern diese nicht nach § 19 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) unerhoben bleibt.

Der Antragsgegner hat besondere Aufwendungen lediglich hinsichtlich der Portokosten in Höhe von 0,58 EUR geltend gemacht. Schreibauslagen sind keine zu erstatten, denn sie werden mit der Pauschalvergütung nach Nr. 302, 303 mit abgegolten (Binz/Dorndörfer/Petzold/Zimmermann, GKG – FamGKG – JVEG § 10 Anl. 2 Rn. 14). Ebenso hat der Antragsgegner keine Umsatzsteuer entsprechend § 4 Nr. 14 UStG anzurechnen und eine solche wird sodann auch nicht ersetzt.

Weitergehende Vergütungsansprüche des Antragsgegners bestehen nicht.

§ 13 JVEG enthält Regelungen, um eine bestimmte oder eine von der gesetzlichen Regelung abweichenden Vergütung zu vereinbaren. Dies setzt voraus, dass sich zumindest ein Beteiligter und das Gericht mit einer solchen Vergütung ausdrücklich einverstanden erklärt haben und dass ein ausreichender Betrag für die gesamte Vergütung von einem Beteiligten an die Staatskasse gezahlt wurde. In einem Verfahren, in dem Gerichtskosten in keinem Fall erhoben werden, genügt es, wenn ein die Mehrkosten deckender Betrag gezahlt worden ist, für den die Beteiligten nach § 13 Abs. 6 JVEG haften. Hiernach haften, wenn nach den kostenrechtlichen Vorschriften kein Beteiligter die Vergütung schuldet, die Beteiligten, die eine entsprechende Zustimmungserklärung abgegeben haben, für die hierdurch entstandenen Mehrkosten als Gesamtschuldner, im Innenverhältnis nach Kopfteilen. Nach dieser Norm wäre folglich die Vereinbarung einer höheren Vergütung als die nach dem JVEG möglich gewesen, jedoch wurde hiervon kein Gebrauch gemacht. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens wurden hierzu weder belehrt noch befragt und es hat auch kein Beteiligter eine entsprechende Erklärung abgegeben. Allein die gerichtliche Zusage – hier durch die Vorsitzende des 3. Senats des HLSG – reicht nicht aus, um den Anforderungen des § 13 JVEG zu genügen.

Aus dieser Norm lässt sich – ebenso wie aus § 1 Satz 2 JVEG: "Eine Vergütung oder Entschädigung wird nur nach diesem Gesetz gewährt." – entnehmen, dass seitens des Gerichts die Übernahme einer Vergütung eines Sachverständigen außerhalb der Regelungen des JVEG und die Verpflichtung zur Bezahlung durch die Staatskasse nicht vorgesehen ist. Soll eine höhere Vergütung als die nach dem JVEG vorgesehene bezahlt werden, so kann nicht einseitig das Gericht seine Zustimmung hierzu erteilten, sondern nur im Einvernehmen mit den Beteiligten, denn sie sind diejenigen, die die Mehrkosten zu tragen haben. Die Staatskasse zahlt diese Mehrkosten dagegen nicht.

Eine weitergehende Vergütung kommt unter Beachtung dieses Grundsatzes auch aus Vertrauensgesichtspunkten nicht in Betracht. Anerkannt ist, dass bei fehlerhaften Informationen (z.B. durch fehlerhafte oder widersprüchliche Merkblätter) eine Vergütung nach dem JVEG höher ausfallen kann, als gesetzlich normiert. Ausnahmsweise sind im Anwendungsbereich des JVEG aus Vertrauensschutzgesichtspunkten höhere Kosten zu erstatten als nach dem JVEG zu berücksichtigen sind. Dabei kann nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein kann, den das Gericht oder eine ihr zuzurechnende Person gesetzt hat und den sich das Gericht daher zurechnen lassen muss (Bayerisches LSG, Beschluss vom 24. Mai 2012, L 15 SF 24/12 B, juris). So liegt der Fall indes hier nicht, denn dem Antragsgegner wurde keine fehlerhafte Information über ein Gebührenelement bei der Abrechnung nach dem JVEG gegeben, sondern er wurde überhaupt nicht über die Abrechnungsmöglichkeiten nach dem JVEG informiert. Dem Sachverständigen wurde bei seiner Beauftragung die Möglichkeit einer Abrechnung nach der GOÄ zugesichert, ohne die Regelungen des JVEG einzubeziehen. Die Festsetzung einer Entschädigung außerhalb des gesetzlichen Rahmens des JVEG kommt jedoch auch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht in Betracht.

Eine Vergütung der Leistung des Antragsgegners auf Basis dieser gerichtlichen "Zusage" kann nicht im Rahmen einer Festsetzung nach § 4 JVEG erfolgen, sondern ist nur aus anderweitigen rechtlichen Gesichtspunkten (Schadenersatz, öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch) denkbar, über den im hier streitigen Antrag auf richterliche Festsetzung gemäß § 4 JVEG nicht zu entscheiden ist. So steht auch die Richtigkeit der Abrechnung nach der GOÄ und dabei insbesondere die Häufigkeit der Geltendmachung der Gebührenziffern nicht zur Bewertung durch den Senat an (siehe hierzu Klakow-Franck, Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 14 (05.04.2002), Seite A-967). Im Übrigen steht ein gerichtlich bestellter Sachverständiger nicht in vertraglicher Beziehung zum Gericht und macht diesem kein Angebot zum Abschluss eines Vertrages, sondern wird von ihm nach § 404 Zivilprozessordnung (ggf. auch gegen seinen Willen) bestellt (Thüringer LSG, Beschluss vom 3. September 2012, L 6 SF 958/12 B, juris).

Es gilt daher insgesamt eine Vergütung in folgender Höhe festzusetzen:
I. Gutachterliche Stellungnahme vom 3. Dezember 2013
§ 10 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Nr. 304 JVEG 205,00 EUR
§ 10 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Nr. 303 JVEG 1000,00 EUR
§ 10 Abs. 3 JVEG Zeitaufwand von 3 Stunden 195,00 EUR
Gesamtsumme 1400,00 EUR

II. Gutachterliche Stellungnahme vom 26. Mai 2014
§ 10 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Nr. 304 JVEG 205,00 EUR
§ 10 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Nr. 303 JVEG 1000,00 EUR
§ 10 Abs. 3 JVEG Zeitaufwand von 3 Stunden 195,00 EUR
Gesamtsumme 1400,00 EUR

Vergütung 2800,00 EUR

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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