S 12 KA 106/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 106/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein während des Vorverfahrens über die Ablehnung des Antrags auf Teilnahme an der EHV als Hinterbliebene ergehender Ablehnungsbescheid über die Härtefallregelung nach § 8 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 GEHV wird nicht Gegenstand des Vorverfahrens. Wird der Ablehnungsbescheid über die Härtefallregelung bestandskräftig, ist das Absehen von der Zweijahresfrist nicht zu prüfen.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) als Witwe nach einer Ehezeit unter zwei Jahren nach § 8 Abs. 1 Buchstabe a der Grundsätze der EHV.

Die 1959 geborene und jetzt 60-jährige Klägerin ist die Witwe des 1955 geborenen und 2017 verstorbenen Dr. C. C. Die Ehe war am 23.11.2015 geschlossen worden. Herr Dr. C. war bis zu seinem Tod zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Am 24.02.2017 beantragte die Klägerin die Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung ab 01.02.2017.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 24.03.2017 eine Einmalzahlung in Höhe von 1.572,10 EUR fest. Sie ging von 7.000 Punkten zu einem Punktwert vom 0,2317 EUR aus, dies ergab die Höhe der Einmalzahlung i. H. v. 1.621,90 EUR abzgl. der Verwaltungskostenumlage in Höhe von 49,80 EUR. Gem. § 8 Abs. 1 Buchstabe a GEHV bestehe kein Anspruch auf weitere Teilnahme an der EHV, da die Ehe nicht mindestens zwei Jahre während der vertragsärztlichen Tätigkeit bestanden habe. Aus diesem Grund erhalte sie eine einmalige Leistung in Höhe von 7.000 Punkten.

Hiergegen legte die Klägerin am 18.04.2017 Widerspruch ein. Zugleich stellte sie einen Antrag auf Härtefallregelung nach § 8 Abs. 1 Buchstabe a der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung, wonach in besonderen Fällen von der Zweijahresfrist (für die Ehe) abgesehen werden kann. Sie trug vor, sie sei bereits am 01.03.2014 mit ihrem Ehemann in dessen D-Stadter Wohnung zusammengezogen. Sie hätten eine nichteheliche Lebensgemeinschaft gebildet. Die spätere Heirat sei geplant gewesen. Sie sei von Beruf Pfarrerin und habe bis zum Ablauf ihrer Pfarrstelle im Juni 2015 in der Nähe von E-Stadt (EX.) drei Gemeinden betreut. Sie sei bereits vor Jahren vom Vater ihrer drei erwachsenen Kinder rechtskräftig geschieden worden. Ihren verstorbenen Ehemann habe sie 2013 kennengelernt. Um mit ihm zusammenleben zu können, habe sie trotz finanzieller Einbußen die Landeskirche gewechselt. Sie habe zunächst im Jahr 2015 eine einjährige Vertretung in F-Stadt übernommen und dann ab Juli 2016 als Gemeindepfarrerin in G-Stadt, Ortsteil GX., gearbeitet. Ihr Ehemann sei im Laufe des Jahres 2015 an ALS (Amotryphe Lateralsklerose) erkrankt. Diese Krankheit habe letztendlich zu seinem frühen Tod geführt, womit anfangs nicht zu rechnen gewesen sei. Sie hätten geplant gehabt, dass ihr Ehemann bis zum Alter von 66 Jahren noch weiter als Laborarzt arbeite und sie gleichzeitig mit 63 Jahren in Ruhestand gehe. Nur wegen des schnellen Todes hätte die Zweijahresfrist nicht eingehalten werden können.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09.10.2017 den Antrag auf Absehen von der Zweijahresfrist ab. Zur Begründung führte sie aus, die zeitliche Nähe zwischen Diagnose (im Laufe des Jahres 2015) und Eheschließung (23.11.2015) lege das Vorliegen einer sog. Versorgungsehe nahe. Insb. handele es sich nicht etwa um einen plötzlichen, unvorhersehbaren Unfalltod. Ebf. sei davon auszugehen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht etwa in Unkenntnis von einer unheilbaren Krankheit gewesen sei. Zu den genannten finanziellen Einbußen seien keine näheren Ausführungen gemacht worden. Insb. sei bei der wirtschaftlichen Situation der Klägerin (Kinder aus erster Ehe bereits alle im Erwachsenenalter) keine besondere Härte zu erkennen. Das Kriterium der Unvorhergesehenheit spiele lediglich im Bereich der Berufsunfähigkeit eine Rolle. Hiergegen legte die Klägerin keinen Widerspruch ein.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2018 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.03.2017 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, Die Ehe der Klägerin habe für ca. 14 Monate bestanden und damit weniger als zwei Jahre während der vertragsärztlichen Tätigkeit des Ehemanns. Von der Zweijahresfrist könne nicht abgesehen werden, weil ihr entsprechender Antrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 09.10.2017 abgelehnt worden sei. Da die Klägerin nicht als teilnahmeberechtigte Hinterbliebene gelte, bestehe kein Anspruch auf Teilnahme an der EHV. Die Klägerin habe somit nur einen Anspruch auf einmalige Leistungen in Höhe von 7.000 Punkten.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.03.2018 die Klage erhoben. Sie trägt ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren vor, sie habe mit ihrem Ehemann seit 2013 in fester Partnerschaft gelebt. Seit Frühjahr 2013 hätten sie jeden Urlaub gemeinsam verbracht, z. T. hätten sie ihre beiden Enkelkinder mitgenommen. Bis Februar 2014 hätten sie beide zwischen D-Stadt und H-Stadt gependelt. Anschließend habe sie ein Sabbatjahr bis zum März 2015 gehabt und sie hätten gemeinsam in D-Stadt gelebt. Bei der Suche nach einer neuen Pfarrstelle für sie sei die Entfernung von D-Stadt von wesentlicher Bedeutung gewesen, da ihr Mann habe weiter arbeiten wollen. Sie hätten sich entschieden gehabt, die letzten Dienstjahre ggf. mit zwei Wohnsitzen zu verbringen, da die Übernahme einer Gemeindepfarrstelle auch die Residenzpflicht beinhalte. Ab März 2015 habe sie einen Vertretungsdienst in der Propstei J-Stadt übernommen. Zum 01.07.2016 habe sie in die Evangelische Kirche von K. wechseln können und habe die Pfarrstelle GX. im Kirchenkreis LG-Stadt, ca. 30 Minuten von D-Stadt entfernt, übernehmen können. Sie hätten einen gemeinsamen Ruhestand zum 65. Geburtstag ihres Ehemanns geplant. In ihrem Beruf sei es nicht üblich, längere Zeit in "wilder Ehe" zu leben, weshalb sie gegen Ende ihres Sabbatjahres über den Termin ihrer Hochzeit nachzudenken begonnen hätten. Im September 2015 hätten sie die Trauung für den 23.11.2013, den 60. Geburtstag ihres Ehemanns, beim Standesamt D-Stadt angemeldet. Die Diagnose Amotryphe Lateralsklerose (ALS) sei ihnen erst seit Februar 2016 nach einer Biopsie bekannt gewesen, nicht schon im Laufe des Jahres 2015. Sie sei für sie und ihren Ehemann schockierend gewesen. Im September 2015 war der Verdacht auf eine Polyneuropathie geäußert worden. Der behandelnde Facharzt im Universitätsklinikum Göttingen habe noch ihrem Ehemann gesagt: "Das kriegen wir wieder hin!" Vor der Hochzeit sei keine Rede von einer derart schwerwiegenden oder tödlich verlaufenden Krankheit gewesen. Noch im Februar 2016 sei von einer Lebenserwartung von drei, eher fünf Jahren auszugehen gewesen. Die Eheschließung habe in keinem Zusammenhang mit der Diagnose ALS gestanden. Ihr Ehemann habe durch ein Insolvenzverfahren (bis ca. Ende 2014) keine finanziellen Rücklagen bilden können. Sie verweise auch auf die physischen und psychischen Belastungen durch die Erkrankung und den Tod ihres Mannes. Alle vom Gericht eingeholten Befundberichte bestätigten ihre Aussagen, dass die lebensbedrohliche ALS erst im Frühjahr 2016, also fünf Monate nach der Hochzeit diagnostiziert worden sei. Vor der Hochzeit sei nur eine Polyneuropathie diagnostiziert worden, die nicht tödlich verlaufe. Nach der Ablehnung des Antrags auf Absehen von der Zweijahresfrist habe sie im Grunde wegen der Belastungen vor und nach dem Tod ihres Ehemanns aufgeben wollen. Sie habe im weiteren Verfahren bewusst von der Beauftragung eines Rechtsanwalts abgesehen, da ihr die Inhalte um ihre Ehe zu persönlich seien. Nach den vom Gericht eingeholten ärztlichen Auskünften können ein Zusammenhang zwischen Diagnose und Hochzeit ausgeschlossen werden. Die Klägerin hat ein Schreiben der evangelischen Kirche M. vom 16.01.2019 über die vorläufige Festsetzung ihres Ruhegehalts über 3.364,22 EUR und ein Schreiben des Versorgungswerks der Landesärztekammer über den Bezug von Witwenrente ab 01.02.2017 in Höhe von 1.122,80 EUR vom 30.03.2017 zur Gerichtsakte gereicht.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 24.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2018 die Beklagte zu verurteilen, ihr als Hinterbliebene die Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, das Begehren der Klägerin sei bereits angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 8 Abs. 1 lit. a) GEHV abzulehnen. Die Ehe habe mit 14 Monaten weniger als zwei Jahre bestanden. Ein Härtefall scheide aus. Nach BSG, Urt. v. 05.05.2009 - B 13 R 55/08 R müsse der Anspruchssteller die Vermutung einer "Versorgungsehe" widerlegen. Dabei komme dem Krankheitszustand des Versicherten eine gewichtige Bedeutung zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Es bestünden für die Klägerin erhebliche Widerlegungsanforderungen. Die Klägerin genüge nicht ihrer Darlegungslast und führe keine Gründe von besonderer Gewichtigkeit an, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen könnten. Es könne nicht von einem "plötzlichen" oder "unerwarteten" Ereignis ausgegangen werden. Das Schreiben der Frau N. C. bestätige ihre Zweifel am Vorbringen der Klägerin. Die vorgelegten Befunde bestätigten im Wesentlichen die Zweifel am Erfolg des klägerischen Begehrens. Daraus ergebe sich nicht, dass die Diagnose ALS erstmals ab Februar 2016 bekannt und die Diagnose Polyneuropathie erstmals im September 2015 geäußert worden sei. Eine angebliche Aussage der Ärzte von mindestens drei, eher fünf Jahren sei zu bezweifeln. Auch Prof. Dr. O. gebe im September 2015 an, dass die Symptome bereits seit sechs Monaten vorgelegen hätten, also deutlich vor der Eheschließung. Auch Prof. Dr. P. gebe einen acht Monate dauernden Beschwerdeverlauf an. Prof. Dr. O. gebe für den 22.10.2015, also vor Eheschließung, die Diagnose Verdacht auf CIDP an.

Die Kammer hat die beiden Kinder des verstorbenen Ehemanns der Klägerin aus erster Ehe, Frau N. C., geb. 1988, und Herrn Q. C., geb. 1990, schriftlich befragt (Schreiben vom 22.07.2018 und 13.08.2018). Nach den Angaben von Frau N. C. habe zum Zeitpunkt der Eheschließung der Verdacht auf ALS bereits im Raum gestanden, sei aber noch nicht bestätigt gewesen. Es hätte allerdings im Umfeld ihres Vaters niemand mehr an eine "harmlose Erkrankung" auf Grund des unwahrscheinlich schnellen körperlichen Verfalls gedacht. Herr Q. C. hat sich den Ausführungen seiner Schwester angeschlossen. Ferner hat sich die Prozessbevollmächtigte und Tochter der Klägerin aus erster Ehe persönlich geäußert (Schreiben vom 30.08.2018), Frau B. A. Nach ihren Einlassungen habe der Ehemann der Klägerin zum Zeitpunkt seines 60. Geburtstags und seiner Eheschließung nur von einer leichten Einschränkung durch die Polyneuropathie gesprochen, er arbeite an sich, das gehe wieder weg. Selbst nach Kenntnis der Diagnose ALS habe er an die Möglichkeit einer Heilung geglaubt.

Die Kammer hat Befundberichte von Dr. R., Facharzt für Neurologie in D-Stadt (vom 26.09.2018), Prof. Dr. P., Direktor der Klinik für Klinische Neurophysiologie an der Universität Göttingen (vom 25.09.2018), Prof. Dr. med. O., Oberarzt der Klinik für Klinische Neurophysiologie an der Universität Göttingen (vom 27.09.2018) und dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. med. S. in S-Stadt (vom 02.10.2018) eingeholt. Dr. R. hat den Ehemann der Klägerin vom 22.07.2014 bis 01.12.2016 behandelt. Bei der erstmaligen Vorstellung habe er die Verdachtsdiagnose rasch progrediente Polyneuropathie gestellt. In der Neurologie im Klinikum D-Stadt (stationär im Juli 2017 - gemeint wohl 2015) sei die Diagnose einer motorisch proximal betonten Polyneuropathie DD chronisch inflammatorische demeyelinisierende Polyneuropathie gestellt worden. Im August 2015 sei der Befund gleichbleibend gewesen. In der Vorstellung am 10.09.2015 finde sich weiterhin eine linksbetonte mittelgradig ausgeprägte Fußheberparese, keine Sensibilitätsstörung, leichte Gangstörung, Nervenleitgeschwindigkeitsmessung pathologisch, weiterhin Diagnose einer Polyneuropathie. Bei der Wiedervorstellung am 19.10.2015 sei der neurologische Befund unverändert gewesen, auch die Nervenleitgeschwindigkeitsmessung sei weiterhin pathologisch gewesen, Diagnose einer Polyneuropathie. Nach einem ihm vorliegenden Befund von der Universitätsklinik Göttingen habe er sich dort erstmals am 08.12.2015 ambulant in der Neurologie vorgestellt. Dort seien im Arztbrief erstmal Zweifel an der Diagnose immunvermittelte Neuropathie gestellt und sei eine stationäre Abklärung empfohlen worden. Nach einem stationären Aufenthalt in der Universitätsklinik Göttingen vom 04.01.2016 bis zum 08.01.2016 wurde erstmals der Verdacht auf eine Motoneuron-Erkrankung (gleichbedeutend mit Amyotropher Lateralsklerose) gestellt. Nach Vorstellung in der Universitätsklinik Würzburg am 14.04.2016 sei die Diagnose einer Motoneuron-Erkrankung im Sinne einer wahrscheinlichen Amyotrophen Lateralsklerose gestellt worden. Unter dieser Diagnose sei er dann auch weiter behandelt worden. lm Verlauf sei es zu einer deutlichen Dysarthrie, Schluckstörung und Zunahme der Gehfähigkeitsstörung gekommen. Er habe sich danach aufgrund Verschlechterung der Symptomatik vom 05.12. bis zum 08.12.2016 in der Neurologischen Akutklinik Werner-Wicker-Klinik vorgestellt, auch unter der Diagnose akute Verschlechterung der vorbekannten Amyotrophen Lateralsklerose. Dort sei er erneut stationär vom 09.12. bis 22.12.2016 gewesen. Spätestens seit der stationären Behandlung im Januar 2016 im Universitätsklinikum Göttingen sei er über die die Diagnose Motoneuron-Erkrankung informiert gewesen. Über die lebensbedrohliche Erkrankung und die hieraus folgende Lebenserwartung sei er informiert gewesen. Einerseits durch die Kontakte mit den Ärzten und auch aufgrund seines Wissens als Mediziner. Gespräche mit der Ehefrau von Herrn C. seien ihm aus der Erinnerung heraus nicht bekannt, er könne diese jedoch auch nicht gänzlich ausschließen. Prof. Dr. P. gibt an, den Ehemann der Klägerin vom 04.01. bis 08.01.2016 stationär behandelt zu haben. Er habe die Diagnose Verdacht auf Motoneuron-Erkrankung gestellt. Seiner Erinnerung nach sei sich der Ehemann der Klägerin der Lebensbedrohlichkeit seiner Erkrankung bewusst gewesen. Auch als Facharzt für Laboratoriumsmedizin habe er über die notwendigen medizinischen Kenntnisse, sich über die Prognose einer Motoneuronerkrankung zu informieren, verfügt. Auch die Gabe von Rilutek wird dem Patienten ihrerseits in aller Regel so erklärt, dass man damit keine Heilung bewirken könne, jedoch den Krankheitsverlauf günstiger beeinflussen könne. Auf Befragen des die Station betreuenden Assistenzarztes T. habe dieser angegeben sich zu erinnern, über den möglichen weiteren Verlauf mit dem Ehemann der Klägerin gesprochen zu haben. Er habe sich sogar erinnert, dass mit Herrn Dr. U., weiterer Assistenzarzt der Klinik, über einen individuellen Heilversuch gesprochen worden sei, bei dem diskutiert worden sei, einen statischen Magneten zur Hemmung der Motorkortexfunktion einzusetzen. Er könne sich nicht erinnern, ob die Klägerin bei Gesprächen zugegen oder informiert worden sei. Prof. Dr. med. O. hat den Ehemann der Klägerin am 22.10.2015, 08.12.2015 und 08.01.2016 untersucht. Am 22.10.2015 habe er die Diagnose Verdacht auf CIDP (Chronisch inflammatorisch demyelinisierende Polyradikuloneuropathie) gestellt, am 08.12.2015 Verdacht auf motorisch betonte Polyneuropathie ungeklärter Ätiologie. Am 08.01.2016 sei keine Diagnose gestellt worden. Die klinischen Befunde hätten sich im Verlauf vom 22.10.2015 bis zum 08.01.2016 leichtgradig verschlechtert. Sie hätten sich also weder erheblich verschlechtert noch deutlich gebessert. Am 22.10.2015 habe der Ehemann der Klägerin erstmals berichtet, dass er ca. 6 Monate zuvor eine Schwäche im linken Fuß bemerkt habe. lm weiteren Verlauf habe sich der Gesundheitszustand langsam schleichend verschlechtert. Im Zeitraum vom 22.10.2015 bis zum 16.01.2016 sei weder ihm noch dem Ehemann der Klägerin die Lebensbedrohlichkeit seiner Krankheit bewusst gewesen. Dr. med. S. hat den Kläger erst im Zeitraum vom 15.02.2016 bis zum 12.10.2016 in seiner Praxis behandelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 24.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2018 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung aufgrund der Härtefallregelung nach § 8 Abs. 1 Buchstabe a der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung in satzungsgemäßer Höhe. Die Klage war daher abzuweisen.

Einem Anspruch der Klägerin steht der bestandskräftige Bescheid vom 09.10.2017 entgegen, mit dem die Beklagte den Antrag auf Absehen von der Zweijahresfrist abgelehnt hat.

Nach den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der ab 01.01.2017 gültigen Fassung mit den Änderungsbeschlüssen der Vertreterversammlung vom 12. März und 27. April 2016 (im Folgenden: GEHV, hier zitiert nach der Lesefassung), nimmt jedes zugelassene ärztliche Mitglied der KV Hessen auch im Falle der Anerkennung seiner Berufsunfähigkeit und/oder nach Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung (inaktiver Vertragsarzt) weiterhin an der Honorarverteilung im Rahmen dieser Bestimmungen der EHV teil (§ 1 Abs. 1 Satz 1 GEHV).

Als teilnahmeberechtigte Hinterbliebene gilt die Witwe eines Vertragsarztes, wenn die Ehe mindestens zwei Jahre während der vertragsärztlichen Tätigkeit in Hessen bestanden hat. In besonderen Fällen kann auf Antrag bei Tod eines aktiven Vertragsarztes oder bei Eintritt einer unvorhergesehenen Berufsunfähigkeit (z. B. Unfall) oder zur Vermeidung besonderer Härten durch Beschluss des Vorstandes von der Zweijahresfrist abgesehen werden. Besteht nach diesen Voraussetzungen ein Anspruch auf Teilnahme an der EHV nicht, wird, berechnet auf Basis der Normalstaffel, eine einmalige Leistung in Höhe von 7.000 Punkten gewährt (§ 8 Abs. 1 Buchst. a Satz 1, 3 und 4 GEHV).

Diese Reglung ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, auch nicht insoweit, als die Ehedauer - im Unterschied zu § 46 Abs. 2a SGB VI - zwei Jahre betragen muss. Insb. sind keine Verstöße gegen Verfassungsrecht ersichtlich (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 16.09.2009 - S 12 KA 514/08 - juris Rdnr. 17 = www.lareda.hessenrecht.hessen.de = www.sozialgerichtsbarkeit.de zur - abgesehen von der Höhe der Einmalzahlung - gleichlautenden Vorschrift in § 6 GEHV a. F.; BSG, Urt. v. 05.05.2009 - B 13 R 53/08 R - juris zu § 46 Abs. 2a SGB VI).

Die Ehe der Klägerin mit dem am 25.01.2017 verstorbenen Dr. C. C. wurde am 23.11.2015 geschlossen und bestand daher mit einer Dauer von etwas über 14 Monaten nicht mindestens zwei Jahre.

Einem Anspruch der Klägerin nach der Härtefallregelung, nach der von der Zweijahresfrist abgesehen werden kann, steht der bestandskräftige Bescheid vom 09.10.2017 entgegen, mit dem die Beklagte den Antrag auf Absehen von der Zweijahresfrist abgelehnt hat. Damit können die Voraussetzungen der Härtefallregelung in diesem Verfahren von der Kammer nicht überprüft werden.

Die Klägerin hat nach Ablehnung des Antrags auf Teilnahme an der EHV als Hinterbliebene durch ihre damalige anwaltliche Prozessbevollmächtigte mit dem Widerspruch einen gesonderten Antrag auf Härtefallregelung nach § 8 Abs. 1 Buchstabe a GEHV gestellt. Nach Ablehnung des Antrags durch Bescheid vom 09.10.2017 hat die Klägerin trotz entsprechender und zutreffender Rechtsmittelbelehrung keinen Widerspruch eingelegt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Der Bescheid vom 09.10.2017 wurde nicht Gegenstand des noch laufenden Widerspruchsverfahrens aufgrund des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 24.03.2017.

Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen (§ 86 SGG). Ein Verwaltungsakt ändert einen anderen Verwaltungsakt ab, wenn sich die Regelungsbereiche der Verwaltungsakte zumindest teilweise überschneiden, d. h. die Verwaltungsakte müssen zumindest teilweise denselben Streitgegenstand betreffen. Ob eine teilweise Überschneidung des Regelungsbereiches vorliegt, ist durch einen Vergleich der Verfügungssätze zu ermitteln. Der abändernde Bescheid muss den Verfügungssatz des ursprünglichen Bescheids modifizieren. Maßgeblich ist, ob die von dem angefochtenen Verwaltungsakt ausgehende belastende Wirkung verstärkt oder verringert wird. Ist Gegenstand des Vorverfahrens ein Ablehnungsbescheid über eine Dauerleistung (z. B. über eine Rente), so wird ein auf einen weiteren Antrag ergehender nachfolgender Ablehnungsbescheid, der die begehrte Dauerleistung für einen späteren Zeitraum ablehnt, nicht Gegenstand des Vorverfahrens (vgl. Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 86 SGG, Rn. 17 f.)

Die Härtefallregelung nach § 8 Abs. 1 Buchstabe a Satz 2 GEHV ist eine die Teilnahmeberechtigung Hinterbliebener ergänzende Regelung und keine unmittelbare Tatbestandsvoraussetzung des Hinterbliebenenanspruchs einer Witwe bzw. eines Witwers. Bei der Härtefallregelung handelt es sich um eine ergänzende und damit vom Grundanspruch getrennte Anspruchsgrundlage. Im Ausgangsbescheid vom 24.03.2017 wird entsprechend der Rechtslage auf die Härtefallregelung nicht Bezug genommen. Auch im angefochtenen Widerspruchsbescheid geht die Beklagte von der Bestandskraft des Bescheids vom 09.10.2017 aus.

Bei dieser Rechtslage kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen der Härtefallregelung nach § 8 Abs. 1 Buchstabe a Satz 2 GEHV vorliegen. Insofern steht es der Klägerin offen, bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung des Bescheids nach § 44 SGB X zu stellen, wonach ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen ist.

Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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