L 10 R 3061/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 657/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3061/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17.05.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller, "hilfsweise teilweiser" Erwerbsminderung streitig.

Der am 1960 geborene Kläger erlernte den Beruf des Metzgers und war nachfolgend in seinem Ausbildungsberuf versicherungspflichtig beschäftigt. Am 17.11.2013 trat Arbeitsunfähigkeit ein. Der Kläger bezog zunächst Krankengeld und nachfolgend Arbeitslosengeld; eine Tätigkeit nahm er nicht mehr auf.

Im November 2013 wurde der Kläger mit einer Endoprothese im rechten Hüftgelenk versorgt. Aus der nachfolgend im Dezember 2013 in der R. in Bad K. durchgeführten Anschlussheilbehandlung (Diagnosen: Z.n. Hüft-TEP-Implantation rechts am 18.11.2013 bei Coxarthrose rechts, Gonarthrose links) wurde er mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis maximal mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus zwischen Stehen, Gehen und Sitzen, ohne häufiges Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie ohne kniende und hockende Tätigkeiten entlassen. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit wurde nicht mehr für leidensgerecht erachtet, worauf die Beklagte ihm Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bewilligte (Bescheid vom 14.04.2014).

Nach Zunahme der Beschwerden im linken Knie wurde im November 2014 eine Totalendoprothese im linken Kniegelenk implantiert. Die Anschlussheilbehandlung wurde wiederum in der R. in Bad K. durchgeführt (Diagnosen: Knie-TEP-Implantation links am 14.11.2014, Pangonarthrose links mit Valgusfehlstellung von 13 Grad, Hüft-TEP-Implantation rechts 11/2013, Impingement linke Schulter bei Supraspinatussehnenläsion). Ausweislich des entsprechenden Entlassungsberichtes sahen die behandelnden Ärzte den Kläger nunmehr noch für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig leistungsfähig. Zu vermeiden seien ständiges Stehen, Heben und Tragen von Lasten über 10 bis 15 kg, Klettern auf Leitern und Gerüste sowie kniende oder hockende Tätigkeiten.

Am 01.06.2015 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Seinen Antrag begründete er mit massiven Sprachstörungen nach Kehlkopfkrebs, massiven Schulter-, Halswirbel-, Hüft- und Knieproblemen sowie Spreizfüßen. Nach Beiziehung der Entlassungsberichte über die erwähnten Anschlussheilbehandlungen und weiterer medizinischer Unterlagen holte die Beklagte ein Gutachten bei dem Arzt für Orthopädie Dr. M. ein, der den Kläger im Juli 2015 untersuchte und die folgenden Diagnosen stellte: Status nach Hüft-TEP-Implantation rechts 2013 mit geringfügiger Funktionseinschränkung, beginnende Coxarthrose der linken Hüfte ohne Funktionseinschränkung, Status nach Knie-TEP links 2014 mit Funktionseinschränkung und Muskelatrophie im linken Bein, Metatarsalgien beidseits bei leichten Senk-Spreizfüßen mit Beinlängenverkürzung links von 1 cm (aktuell ohne nennenswerte Funktionseinschränkungen; Einlagenversorgung mit Höhenausgleich links), Impingement beider Schultergelenke, links mehr als rechts, mit geringfügiger Funktionseinschränkung beider Schultergelenke, Status nach Kehlkopf-Operation 2000 mit entsprechender Sprachstörung. Der Gutachter erachtete den Kläger für in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien schweres Heben und Tragen, kniende und hockende Tätigkeiten, Begehen von Leitern und Gerüsten, länger dauernde Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie Überkopfarbeiten. Mit Bescheid vom 24.07.2015 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mit der Begründung ab, der Kläger könne trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2016 zurückgewiesen.

Am 18.02.2016 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, auf Grund seiner Erkrankungen eine berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben zu können.

Das SG hat den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie S. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat von den bekannten orthopädischen Beeinträchtigungen (Hüft-TEP rechts, Knie-TEP links, Schultergelenksbeschwerden) sowie HWS- und LWS-Beschwerden berichtet und die Ausübung einer regelmäßigen Berufstätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich nicht mehr für möglich erachtet. Das SG hat sodann das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. G. eingeholt, der auf Grund Untersuchung des Klägers im September 2016 eine mittelschwere Osteochondrose der Halswirbelkörper (HWK) 5 bis 7 mit deutlicher Bewegungseinschränkung und rezidivierendem Schmerzsyndrom, ein mechanisches Engpass-Syndrom unter dem Schulterdach beider Schultergelenke bei leichter Schultereckgelenksarthrose beidseits mit Bewegungseinschränkung beider Schultern, deutliche periartikuläre Verkalkungen nach endoprothetischer Versorgung des rechten Hüftgelenks mit belastungsabhängigen Beschwerden und Beinlängendifferenz links von 1 cm, eine ausgeprägte Muskelminderung des linken Oberschenkels und einen rezidivierenden Reizerguss des linken Kniegelenks nach endoprothetischer Versorgung des linken Kniegelenks, ein Engpass-Syndrom des Mittelhandnervens beidseits sowie einen Spreizfuß und Hallux Valgus links beschrieben hat. Der Sachverständige hat die Ausübung leichter bis gelegentlich mittelschwerer Tätigkeiten überwiegend sitzend, zeitweise gehend oder stehend, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Überkopfarbeiten, ohne Heben und Tragen von schweren Lasten, ohne kniende und hockende Tätigkeiten, ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie ohne Kälte-, Zugluft- oder Nässeexposition sechs Stunden und mehr für zumutbar erachtet. Im Hinblick auf die Phonationsstörung hat er ferner Arbeiten, die ein vermehrtes Sprechen erfordern, mithin Tätigkeiten mit Publikumsverkehr ausgeschlossen. Die Wegefähigkeit hat er nicht eingeschränkt gesehen. Nach Auffassung des Sachverständigen "sollte" dem Kläger wegen der multiplen Einschränkungen zudem zusätzlich zu den betriebsüblichen Pausen zweimal täglich eine Pause von zehn Minuten gewährt werden. Die Beklagte hat sozialmedizinische Stellungnahmen der Fachärztin für Chirurgie Dr. B.-K. vorgelegt, die betriebsunübliche Pausen nicht für erforderlich erachtet hat.

Mit Urteil vom 17.05.2017 hat das SG die zuletzt auf Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung gerichtete Klage abgewiesen. Es hat sich dabei im Wesentlichen auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. G. gestützt, der schlüssig und nachvollziehbar eine zeitliche Leistungsminderung verneint habe. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liege nicht vor. Auch Gründe, die zusätzliche betriebsunübliche Pausen notwendig machten, seien nicht ersichtlich.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 05.07.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.08.2017 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, seine gesamtgesundheitliche Situation, einschließlich seines psychischen Zustandes, sei nicht hinreichend gewürdigt worden. Tätigkeiten von zumindest drei Stunden täglich könne er nicht mehr verrichten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17.05.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2016 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat das Gutachten des (Unfall )Chirurgen Prof. Dr. S. , Chefarzt im St. J. F. , auf Grund Untersuchung des Klägers im Januar 2018 eingeholt. Der Sachverständige hat eine Coxarthrose beidseits mit führender Symptomatik rechts, einen Zustand nach Implantation einer zementfreien Hüftgelenkstotalendoprothese rechts, eine Gonarthrose im linken Kniegelenk mit Zustand nach Implantation einer Kniegelenkstotalendoprothese links, degenerative Veränderungen beider Schultergelenke mit subacromialem Impingement, degenerative Veränderungen der HWS mit leichten Bandscheibenprotrusionen, Senk-/Spreizfüße beidseits, funktionelle Einschränkungen beider Schultergelenke in Außenrotation und Abduktion sowie bei Überkopfbewegungen, ein seitengleiches Streckdefizit an beiden Ellenbogen sowie eine geringe funktionelle Einschränkung der Beugung beider Hüftgelenke und des linken Kniegelenks im Seitenvergleich beschrieben und die Ausübung von leichten, im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübte Tätigkeiten ohne Tragen von Lasten über 5 bis 10 kg im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich für durchführbar erachtet. Nicht mehr möglich seien Tätigkeiten, die mit häufigem Bücken sowie Akkord- oder Fließbandarbeiten verbunden sind. Wegen der Phonationsstörung seien im Übrigen Tätigkeiten mit Publikumskontakt nur sehr bedingt durchführbar, eine Verständigung im geschlossenen Raum sei aber problemlos möglich. Auch er hat keine Einschränkung der Wegefähigkeit gesehen.

Nachdem der Kläger einen Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. H. über eine dortige Erstvorstellung am 06.12.2018 eingereicht hat, wonach eine schwere Depression und Dysthymie, eine chronische Schmerzstörung und eine Insomnie vorlägen und 30 mg Mirtazapin zur Nacht rezeptiert worden sei, hat der Senat diesen als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt. Er hat mitgeteilt, dass sich der Kläger seit dem 06.12.2018 lediglich noch einmal am 29.01.2019 vorgestellt habe. Der Befund sei unverändert. Wenn der Kläger das Mirtazapin einnehme, dann seien die Einschlafstörungen gebessert. Zur Verbesserung der Stimmung sei nun eine möglichst regelmäßige Medikamenteneinnahme angestrebt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 24.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2016, mit dem die Beklagte es ablehnte, dem Kläger - über die bereits bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hinaus - Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Soweit der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage daher die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt, ist die Klage zulässig. Soweit der Kläger - obwohl er bereits eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezieht - hilfsweise die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung geltend macht, ist die Klage mangels Klagebefugnis unzulässig, da die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid nicht über einen solchen Anspruch entschied. Sie wies demgegenüber lediglich darauf hin, dass der Kläger weiterhin Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die genannten Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu.

Rechtsgrundlage für die im Streit stehende Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung der von dem Sachverständigen Dr. G. dargelegten qualitativen Einschränkungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch sechs Stunden täglich zumutbar verrichten kann und mit diesem Leistungsvermögen volle Erwerbsminderung nicht vorliegt und gleichermaßen auch keine zeitliche Leistungseinschränkung, die wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung begründen könnte.

Ebenso wie das SG geht auch der Senat auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. G. davon aus, dass die beim Kläger vorliegenden orthopädischen Beeinträchtigungen qualitative Einschränkungen bedingen, jedoch mit keiner zeitlichen Leistungseinschränkung auf weniger als sechs Stunden täglich verbunden sind. Der Sachverständige hat die beim Kläger von orthopädischer Seite vorliegenden Erkrankungen und die hieraus resultierenden funktionellen Einschränkungen im Einzelnen dargelegt und daraus ein schlüssig nachvollziehbares Leistungsbild abgeleitet. So resultieren aus der endoprothetischen Versorgung des rechten Hüftgelenks sowie des linken Kniegelenks eine Minderbelastbarkeit der unteren Extremitäten, wodurch schweres Heben und Tragen sowie überwiegend im Gehen und Stehen verrichtete Tätigkeiten ausgeschlossen sind, mithin gerade auch die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Metzger im Schlachthof. Ausgeschlossen sind gleichermaßen kniende und hockende Tätigkeiten, das Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten unter Kälte-, Zugluft- oder Nässeexposition. Im Hinblick auf die Beeinträchtigungen von Seiten der HWS und der Schultergelenke kommen Tätigkeiten nicht mehr in Betracht, die eine Rückneigung des Kopfes erforderlich machen bzw. ein Anheben der Schultern über die Horizontale, mithin insbesondere Überkopfarbeiten. Gleichermaßen sind Wirbelsäulenzwangshaltungen nicht mehr leidensgerecht. Ebenso wie der Sachverständige sieht auch der Senat keine Gründe, weshalb Tätigkeiten, die diesen Anforderungen entsprechen, nicht wenigstens sechs Stunden täglich möglich sein sollen. In diesem Sinne hat sich auch der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren hinzugezogene Gutachter Dr. M. geäußert und auch die behandelnden Ärzte der R. erachteten den Kläger nach den jeweils erfolgten Gelenkersatzoperationen für in der Lage, einer solchen leidensgerechten Tätigkeit zumindest sechs Stunden täglich nachzugehen.

Die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen haben diese Einschätzung bestätigt. So ist der auf Antrag des Klägers mit einer weiteren Begutachtung beauftragte Sachverständige Dr. S. bei im Wesentlichen unveränderter Befundsituation gleichermaßen davon ausgegangen, dass für den Kläger leichte körperliche Tätigkeiten noch zumindest sechs Stunden täglich durchführbar sind. Soweit er einen Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen für notwendig erachtet und u.a. auch deshalb Akkord- oder Fließbandarbeiten ausgeschlossen hat, steht dies in Einklang mit den vom Sachverständigen Dr. G. aufgeführten qualitativen Einschränkungen. Soweit er darüber hinaus häufiges Bücken ausgeschlossen sowie Hebe- und Tragebelastungen auf 5 bis 10 kg beschränkt und dementsprechend auch gelegentliche mittelschwere Tätigkeiten ausgeschlossen hat, geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass auch solche Tätigkeiten für den Kläger nicht mehr leidensgerecht sind; Entsprechendes gilt in Bezug auf die von Dr. B.-K. zusätzlich genannte Einschränkung (keine Arbeiten mit Absturzgefahr, s. Bl. 90 LSG-Akte)

Damit ist keiner der im Laufe des Verfahrens mit den orthopädischen Beeinträchtigungen des Klägers befassten Gutachter bzw. Sachverständigen von einer quantitativen Leistungsminderung ausgegangen, weder der im Verwaltungsverfahren hinzugezogene Gutachter Dr. M. noch die gerichtlichen Sachverständigen Dr. G. und Prof. Dr. S ... Soweit sich der Kläger auf die Einschätzung des ihn behandelnden Orthopäden S. beruft, der im Rahmen seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge eine regelmäßige Berufstätigkeit von sechs Stunden täglich nicht mehr für möglich erachtet hat, folgt der Senat dieser Einschätzung nicht. Ungeachtet des Umstandes, dass der behandelnde Orthopäde S. seine Auffassung nicht begründet hat, ist diese mit den nachfolgend eingeholten Gutachten des Dr. G. und des Prof. Dr. S. , die sich ausführlich mit den orthopädischen Erkrankungen des Klägers gerade auch unter dem Gesichtspunkt der beruflichen Leistungsfähigkeit befasst haben, nicht bestätigt worden. Damit liegen für den Senat insbesondere auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger - wie von ihm geltend gemacht - selbst Tätigkeiten im Umfang von drei Stunden täglich nicht mehr verrichten kann.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren wiederum auf seine Phonationsstörung hinweist, hat schon das SG zutreffend dargelegt, dass es sich hierbei um eine Folge der im Jahr 2000 erfolgten Behandlung der Kehlkopfkrebserkrankung handelt, die ihn über viele Jahre hinweg nicht hinderte, seiner beruflichen Tätigkeit als Metzger nachzugehen. Dass der Kläger durch die bestehende Heiserkeit beeinträchtigt ist, weil er Gespräche insbesondere nicht in einer üblichen Lautstärke führen kann und eine Verständigung in lauter Umgebung erheblich erschwert ist, zweifelt auch der Senat nicht an. Entsprechend geht der Senat ebenso wie das SG und die Sachverständigen Dr. G. und Prof. Dr. S. davon aus, dass für den Kläger Tätigkeiten ausgeschlossen sind, die mit vermehrtem Sprechen einhergehen, so dass für den Kläger im Hinblick auf die Phonationsstörung insbesondere Tätigkeiten mit Publikumsverkehr nicht mehr leidensgerecht sind, er sich aber - so Prof. Dr. S. ausdrücklich - in geschlossenen Räumen problemlos unterhalten kann. Eine quantitative Leistungsminderung resultiert hieraus nicht, wie Dr. B.-K. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 02.03.2017 zutreffend dargelegt hat. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf den im Klageverfahren vorgelegten Arztbrief der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. L.-F. vom 07.02.2017 geltend macht, angesichts der aufgeführten Diagnose "Ges. Bösartige Neubildung der Glottis re" sei insoweit eine Verschlechterung eingetreten, lässt sich den dokumentierten Befunden Entsprechendes nicht entnehmen. Hierauf hat Dr. B.-K. in der bereits erwähnten Stellungnahme ebenfalls zutreffend hingewiesen und deutlich gemacht, dass Dr. L.-F. anlässlich ihrer Untersuchung einen klinisch regelrechten Larynxbefund (= Kehlkopfbefund) nach Chordektomie rechts (= operative Entfernung einer Stimmlippe) erhoben und das Vorliegen eines Tumorrezidivs ausgeschlossen hat.

Der Kläger kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Er ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94, in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie der Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80, in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderten Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden. So liegen weder mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen vor, noch erweist sich die Phonationsstörung als besonders einschneidende Behinderung.

Zwar kann die Einsatzfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auch durch das Erfordernis betriebsunüblicher Pausen ausgeschlossen sein (BSG, Urteil vom 19.10.2011, B 13 R 78/09 R, in SozR 4-2600 § 43 Nr. 16; s. u.a. auch Senatsurteile vom 23.12.2016, L 10 R 1339/16, vom 17.11.2016, L 10 R 4560/14 und vom 20.10.2016, L 10 R 4150/14). Indes sieht der Senat im Falle des Klägers keine Anhaltspunkte für einen erhöhten Pausenbedarf. Soweit der Kläger sich insoweit auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. stützt, wonach ihm auf Grund der multiplen Einschränkungen zusätzlich zu den betriebsüblichen Pausen zweimal täglich eine Pause von zehn Minuten gewährt werden "sollte", vermag der Senat aus dieser Empfehlung des Sachverständigen nicht die Notwendigkeit regelmäßiger betriebsunüblicher Pausen herzuleiten. Denn wie auch Dr. B.-K. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 11.11.2016 zutreffend ausgeführt hat, ist dem Gutachten insoweit keine ausreichende Begründung zu entnehmen. Es ist schon nicht ersichtlich, aus welchen funktionellen Einschränkungen des Klägers der Sachverständige dies herleitet. Soweit er als Grund hierfür die "multiplen Einschränkungen" des Klägers nennt, wird diesen bereits durch die aufgeführten qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen, so dass sich nicht erschließt, weshalb im Rahmen des so beschriebenen Leistungsbildes über die qualitativen Einschränkungen hinaus zusätzliche, sogar noch über die arbeitsmarktüblichen Verteilzeiten hinausgehende Pausen erforderlich sein sollen. Solche Möglichkeiten der Arbeitsunterbrechung für Erholung und persönliche Bedürfnisse über die Arbeitszeitregelungen hinaus sind in betriebsüblichen Arbeitszeitregelungen nach Maßgabe tarifvertraglicher Vereinbarungen vorgesehen, so dass ohnehin schon kleine Pausen von nicht mehr als fünf bis sieben Minuten, z.B. Erholungs- und Entspannungszeiten außerhalb der Pausen, möglich sind (Senatsurteile vom 23.12.2016, L 10 R 1339/16 und vom 17.11.2016, L 10 R 4560/14; s. auch BSG, Beschluss vom 16.06.2016, B 13 R 119/14 B, in juris Rdnr. 15: weniger als 15 Minuten im öffentlichen Dienst). Eine Erforderlichkeit zusätzlicher Pausen folgt auch nicht allein aus der Tatsache, dass mehrere qualitative Einschränkung zu beachten sind. Denn wie Dr. B.-K. in der erwähnten Stellungnahme zu Recht angeführt hat, haben diese vielmehr Auswirkungen auf die Wahl des für den Versicherten noch geeigneten Arbeitsplatzes. Zusätzliche oder besondere Pausen, die über die persönlichen Verteilzeiten hinausgehen, wären dann notwendig, wenn besondere Verrichtungen erforderlich wären, wie z.B. bei der persönlichen Körperpflege im Rahmen einer Querschnittslähmung. Bei einer hier möglichen, leichten, überwiegend sitzenden Tätigkeit in einer gleichmäßig temperierten Arbeitsumgebung ohne zusätzliche Belastungen und der Möglichkeit zu einem gelegentlichen Haltungswechsel sind zusätzliche Pausen hingegen nicht erforderlich.

Soweit der Kläger zur Begründung seiner Berufung schließlich auf seine psychischen Beeinträchtigungen hingewiesen hat, die nicht hinreichend gewürdigt worden seien, ergeben sich keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger an einer schweren psychiatrischen Erkrankung mit Auswirkungen auf die quantitative Leistungsfähigkeit leidet. So stand der Kläger weder zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung in psychiatrischer Behandlung noch hat er sich im Laufe des Verwaltungs- und Klageverfahrens in entsprechende fachärztliche Behandlung begeben. Auch im Berufungsverfahren hat er zunächst lediglich auf seinen psychischen Zustand verwiesen, ohne jedoch eine psychiatrische Behandlung für erforderlich zu erachten und eine solche in Anspruch zu nehmen. Erst am 06.12.2018, nachdem ihm die Erfolglosigkeit des Berufungsverfahrens mitgeteilt und dieser Beschluss angekündigt worden war, hat er sich erstmals beim Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. H. vorgestellt, Mirtazapin gegen seine Schlafstörungen verschrieben erhalten und er ist dann nur noch einmal am 29.01.2019 dort in Behandlung gewesen. Die Einschlafstörungen hat Prof. Dr. H. in seiner Zeugenauskunft gegenüber dem Senat als gebessert geschildert, wenn der Kläger das Mirtazapin einnimmt. Eine dauerhafte psychiatrische Behandlung mit engmaschigen therapeutischen Maßnahmen findet demgegenüber nach wie vor nicht statt. Es wird vielmehr eine Verbesserung der Stimmung des Klägers durch eine möglichst regelmäßige Medikamenteneinnahme angestrebt. Da sich ein Teilaspekt der depressiven Störung - nämlich die Einschlafproblematik - mithin bereits durch gelegentliche Einnahme des verordneten Medikaments gebessert hat, ist zu erwarten, dass bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme innerhalb eines halben Jahres eine Überwindung der grundsätzlich gut behandelbaren depressiven Störung möglich ist, zumal eine Intensivierung der Therapie z.B. durch Kombination mehrerer Antidepressiva noch aussteht. Der Senat schließt sich damit der Einschätzung von Dr. B.-K. in ihrer letzten sozialmedizinischen Stellungnahme vom 08.04.2019 an. Denn seelisch bedingte Störungen scheiden für die Begründung einer Erwerbsminderung aus, die der Betroffene bei der ihm zuzumutenden Willensanspannung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe (BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66, in SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO) sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann (BSG, Urteil vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61, in SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BSG, a.a.O.). Eine dem Kläger günstige Entscheidung lässt sich schließlich auch nicht aus dem von ihm im Berufungsverfahren vorgelegten vorläufigen Entlassungsbrief des Kreiskrankenhauses Emmendingen vom 04.05.2018 herleiten. Soweit der Kläger seinerzeit wegen rezidivierender Schwindelattacken stationär aufgenommen worden ist, ist nach neurologischem Konzil ein benigner paroxsysmaler Lagerungsschwindel diagnostiziert worden, der sich nach Durchführung von Lagerungsmanövern rasch deutlich gebessert hat, so dass der Kläger schon am Folgetag aus der stationären Behandlung hat entlassen werden können. Dauerhafte Einschränkungen der quantitativen Leistungsfähigkeit lassen sich dem daher nicht entnehmen, sondern lediglich die qualitative Einschränkung des Vermeidens von Tätigkeiten mit Absturzgefahr (s.o.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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