S 23 U 6/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 6/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 247/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 50/18 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das Ereignis vom 28.03.2015 einen Arbeitsunfall darstellt.

Der Kläger wurde im Rahmen eines Benefizspiels in C./Namibia am 28.03.2015 als Fußballspieler verletzt; er zog sich eine Tibiakopfimpressionsfraktur rechts mit Außenmeniskusriss zu. Hierzu gab er in seiner Unfallanzeige gegenüber der Beklagten an, dass er an diesem Fußballspiel in Ausübung seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit (Inhaber des Unternehmens D.) teilgenommen habe. Er sei durch Vertragsschluss der D. mit dem E. e. V. zur aktiven Teilnahme an diesem Spiel verpflichtet gewesen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.01.2016 die Gewährung von "Entschädigungsleistungen" ab, weil kein Arbeitsunfall vorliege. Der Kläger sei bei der Beklagten für den Bereich Marketing, Werbung und Promotion freiwillig versichert. Das Fußballspielen stehe in keinem inneren Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers aus der freiwilligen Versicherung. Weder telefonisch noch schriftlich habe der Kläger den Antrag gestellt, seine freiwillige Versicherung bei der Beklagten auf die Tätigkeit als Benefizspieler auszudehnen. Auf Anruf des Klägers vom 21.07.2001 hin, dass er seit 01.01.2001 nicht mehr im Bereich Marketing tätig sei, sondern als bezahlter Sportler, habe die Beklagte einen entsprechenden Veranlagungsbescheid vom 23.07.2001 erlassen. Auf den erneuten Anruf des Klägers am 03.01.2002, dass er kein bezahlter Sportler sei, sondern im Bereich Marketing tätig sei und nur teilweise freiwillig an Benefizspielen teilnehme, habe die Beklagte am 03.01.2002 einen neuen Veranlagungsbescheid erlassen, in dem der Kläger wieder als Werbeunternehmer veranlagt worden sei. Widerspruch hiergegen sei nicht eingelegt worden. Lediglich die telefonische Mitteilung, teilweise freiwillig an Benefizspielen mitzuwirken, reiche nicht aus, davon auszugehen, dass die freiwillige Versicherung auf das Fußballspielen ausgedehnt werde. Abgesehen davon bezweifle die Beklagte, dass der Kläger tatsächlich im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit zur Teilnahme am Fußballspiel verpflichtet gewesen sei: Ein schriftlicher Vertrag liege insoweit nicht vor und der vereinbarte Geldbetrag sei auch nicht auf sein Geschäfts-, sondern auf sein Privatkonto überwiesen worden. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass der Kläger als Privatperson an dem Spiel teilgenommen habe.

Der Kläger hat am 13.01.2016 durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Frankfurt erhoben.

Der Klägervertreter vertieft den Vortrag des Widerspruchsverfahrens. Insbesondere macht er weiterhin geltend, dass der Kläger, als er aktiv an dem Benefizspiel teilnahm, eine Aufgabe erfüllt habe, die er als Unternehmer des Marketing-, Werbe- und Promotionsunternehmens wahrzunehmen gehabt habe. Der Kläger fordere nicht, dass nunmehr jede Teilnahme an einem Benefizspiel oder gar generell das aktive Fußballspielen unter den Schutz seiner freiwilligen Versicherung falle. Im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung ergebe hier jedoch zweifelsohne, dass die zum Unfall führende Verrichtung im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit gelegen habe.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 26.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.01.2016 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 28.03.2015 einen Arbeitsunfall im Sinne der §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 SGB VII darstellt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält ihre Rechtsauffassung für zutreffend.

Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die Verwaltungsakte der Beklagten inklusive Unternehmensakte zu dem Rechtsstreit beigezogen und bei dem Klägervertreter weitere Unterlagen in Bezug auf die von ihm vorgetragene vertragliche Verpflichtung zur aktiven Teilnahme am Fußballspiel, sowie zur medizinischen Versorgung unmittelbar nach dem Unfall, angefordert. Vorgelegt wurden in diesem Zusammenhang ein Artikel der Allgemeinen Zeitung vom 31.03.2015 sowie ärztliche Rechnungen in Bezug auf die medizinische Erstversorgung des Klägers in Namibia.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vorher gehört. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil (§ 105 Abs. 1 SGG).

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthaft.

Die Klage führt jedoch in der Sache nicht zum Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der belastenden Entscheidung der Beklagten und Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalls nach §§ 7, 8 SGB VII, denn nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts ist nach den durchgeführten Sachverhaltsermittlungen nicht erwiesen (Vollbeweis erforderlich), dass es sich beim Fußballspielen am 28.03.2015 um eine versicherte Tätigkeit gehandelt hat. Die Einwirkung auf den Körper des Klägers, die zu der o. g. Verletzung geführt hat, löst daher keinen Versicherungsfall aus.

Eine versicherte Tätigkeit wäre das Fußballspielen im Rahmen des Benefizspieles am 28.03.2015 nur dann, wenn sie dem Versicherungsschutz, hier des § 6 SGB VII freiwillige Versicherung -, unterfiele.

Dies ist indes nicht der Fall. Das Gericht folgt insoweit der Begründung der angefochtenen Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab § 136 Abs. 3 SGG).

Ergänzend wird die gerichtliche Entscheidung wie folgt begründet: Die beigezogene Unternehmensakte bestätigt die Richtigkeit der Entscheidung der Beklagten, wonach der Versicherungsschutz für die schadenbringende Tätigkeit fehlt.

Der Kläger war mit Beitrittserklärung vom 26.02.2000 der freiwilligen Versicherung der Beklagten beigetreten. Als Art und Gegenstand des Unternehmens hatte er "Marketing, Werbung und Promotion" angegeben. Die Beklagte hatte daraufhin unter dem 03.03.2000 ihre Zuständigkeit festgestellt und dem Kläger einen Veranlagungsbescheid übersandt, in dem sie sein Unternehmen nach der Gefahrtarifstelle 25 als Werbeunternehmen mit der Gefahrklasse 0,52 einstufte. Am 23.07.2001 hatte der Kläger bei der Beklagten angerufen und mitgeteilt, dass er seit dem 01.01.2001 nicht im Bereich "Marketing", sondern als bezahlter Sportler tätig sei. Daraufhin hob die Beklagte am 23.07.2001 den vorherigen Veranlagungsbescheid rückwirkend zum 01.01.2001 auf und veranlagte den Kläger ab diesem Datum nach der Gefahrtarifstelle 54.3 als "Sportunternehmen" mit der Gefahrklasse 1,98. Am 03.01.2002 meldete sich der Kläger erneut telefonisch bei der Beklagten und teilte mit, dass er kein bezahlter Sportler, sondern im Bereich "Marketing" tätig sei und teilweise freiwillig an Benefizspielen teilnehme. Das Telefonat vom 23.07.2001 sei von der Beklagten nicht richtig ausgelegt worden. Der Kläger bat um rückwirkende Änderung der Veranlagung als Werbeunternehmen, was die Beklagte mit Bescheid vom 03.01.2002 unter Rücknahme des Bescheids vom 23.07.2001 vollzog. Somit ist der Kläger mit seinem Unternehmen ab dem 01.01.2001 bestandskräftig als Werbeunternehmen veranlagt, so auch am Unfalltag, dem 28.03.2015.

Daher kann insbesondere keine Rede davon sein, dass die Beklagte den Kläger in dem Glauben gelassen habe, er sei auch mit einer aktiven Teilnahme an Fußballspielen im Rahmen der freiwilligen Versicherung versichert. Vielmehr offenbart sich aus den telefonischen Erklärungen des Klägers, dass er wusste, dass die Erklärung, nicht als "bezahlter Sportler" tätig zu sein, die (günstigere) Veranlagung als Werbeunternehmen nach sich zog (vgl. Erklärung vom 03.01.2002).

Da der Kläger im Telefonat vom 03.01.2002 seine aktive Teilnahme an Benefizspielen ausdrücklich als "freiwillig" bezeichnet hat, ist es ohnehin ausgeschlossen, sie im Nachhinein als Ausfluss einer vertraglichen Verpflichtung im Rahmen des Werbeunternehmens zu werten.

Soweit der Kläger hier eine Einzelfallbeurteilung für sich in Anspruch nimmt, wird darauf hingewiesen, dass ein unternehmensartorientierter Gefahrtarif – wie hier – seine Rechtfertigung aus der Gleichartigkeit der Unfallrisiken und Präventionserfordernisse bei verwandten Betrieben bezieht und es für die Bildung der Unternehmensarten und die Zuordnung zu ihnen entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen ankommt (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Juni 2010 – L 2 U 137/08 –, Rn. 17, juris). Der Versicherte kann daher nicht – erst recht nicht nach Eintritt eines Schadens – für sich reklamieren, dass im Einzelfall ein höheres Risiko (hier: aktive Teilnehmer an einem Fußballspiel) als das der Veranlagung zugrunde gelegte vom Versicherungsschutz abgedeckt ist. Vielmehr hätte der Kläger in diesem Fall eine Neuveranlagung beantragen müssen, was er jedoch gerade nicht getan hatte; im Gegenteil: Er hatte im Jahr 2001 die Veranlagung als Werbeunternehmen ausdrücklich beantragt, gerade in Abgrenzung zur vorherigen Veranlagung als Sportunternehmen, und die Beklagte hatte diesem Antrag entsprochen, mit den entsprechenden Konsequenzen für den Umfang des Versicherungsschutzes auch zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses.

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben und war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 105 Abs. 2, 143, 144 SGG.
Rechtskraft
Aus
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