S 11 R 851/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 851/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 158/19
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten für eine Umschulung zum Foto-/ Mediendesigner im Zeitraum vom 01.10.2017 bis 31.03.2019 in Höhe von 7.814,40 EUR (Ausbildungskosten in Höhe von 7.630,40 EUR und Aufnahmegebühr in Höhe von 184,00 EUR) sowie die Bewilligung von Übergangsgeld für den Zeitraum vom 01.10.2017 bis 31.03.2019 streitig.

Der 1976 geborene Kläger absolvierte von 1996 bis 1998 erfolgreich eine Ausbildung zum Hotelfachmann (IHK-Abschluss) und war danach bis 2002 in diesem Beruf tätig. Anschließend arbeitete er bis 2006 als Lagerist und war ab 2007 als Fachinformatiker Systemintegration tätig.

Am 08.04.2016 stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben insbesondere mit der Begründung, dass er seine Tätigkeit als Fachinformatiker Systemintegration 2014 wegen einer Wirbelsäulenoperation im Oktober 2014 und nachfolgender Arbeitsunfähigkeit beendet habe. Eine Rückkehr in den bisherigen Beruf und eine sitzende Vollzeitbeschäftigung sei weiterhin nicht möglich. Konkret wolle er die Beklagte bitten, ihn im Weiterbildungsbereich Kreativ/Technik als Umschulungsmaßnahme zu fördern. Speziell der Bereich der audiovisuellen Medien interessiere ihn besonders. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen und Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. S. (MVZ A-Stadt) vom 09.09.2016 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.01.2017 den Antrag des Klägers insbesondere mit der Begründung ab, dass seine Erwerbsfähigkeit nicht erheblich gefährdet oder gemindert sei, weil er in der Lage sei, eine Beschäftigung als Fachinformatiker IT-Systemintegration weiterhin auszuüben.

Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers am 27.02.2017 (Schriftsatz vom 24.02.2017) Widerspruch ein, den er mit Schriftsatz vom 22.05.2017 insbesondere damit begründete, dass die Schwere der orthopädischen Gesundheitsstörungen des Klägers bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Es werde auf die beiliegenden Atteste des Dr. I. vom 04.05.2017 und von Frau Dr. vom 19.05.2017 verwiesen. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 21.06.2017 (Dr. B.) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2017 zurück. Der Kläger könne die Tätigkeit als Fachinformatiker IT-Systemintegration ohne erhebliche Gefährdung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit weiterhin mindestens sechs Stunden täglich ausüben.

Hiergegen richtet sich die von der Bevollmächtigten des Klägers am 11.09.2017 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage (Schriftsatz vom 11.09.2017). Zur Klagebegründung trägt sie mit Schriftsätzen vom 11.09.2017 und 11.01.2018 insbesondere vor, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Fachinformatiker im Bereich Systemintegration aufgrund der Folgen einer Wirbelsäulenoperation im Oktober 2014, chronischer Lumbalgien, Kribbelparästhesien im linken Bein und im linken Fuß, einer Fußheberschwäche links und Kribbelparästhesien beider Klein- und Ringfinger bei Sulcus-Ulnaris-Syndrom nicht mehr ausüben könne. Insbesondere seien dem Kläger die hohen Anforderungen an stundenlanges Arbeiten am PC, mithin unter Zwangshaltung, wegen des hohen Zeitdrucks häufig weit über einen üblichen Arbeitstag hinaus, seither nicht mehr möglich. Der Kläger habe von 2003 bis 2005 die Ausbildung zum Netzwerkadministrator absolviert und zusätzliche Kurse zur Weiterqualifizierung besucht. An eine Ausübung des bisherigen Berufs unter leidensgerechten Bedingungen sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu denken, da die Anforderungen an diese Tätigkeit überall hoch seien in Bezug auf die Arbeitszeit und die lange Einnahme von Zwangshaltungen etc. Der Kläger leide unter einer chronischen Schmerzstörung und Schmerzchronifizierung im Stadium II nach Gerbershagen. Wenn er seine sitzende Tätigkeit nicht immer wieder auch für längere Zeit und unter zusätzlichen Pausen unterbrechen könne, seien die Schmerzen im Laufe eines Arbeitstages unerträglich. Die Ausbildung dauere 18 Monate, finde bei der Firma D. statt und habe am 01.10.2017 begonnen. Die Ausbildung habe den Vorteil, dass der Kläger seine umfassenden IT-Kenntnisse nutzen könne. Die Maßnahme könne auch leidensgerecht ausgeübt werden, da sie ebenso wie die anschließende Berufstätigkeit in ein Berufsfeld führe, in dem vielfach wechselnde Körperhaltungen eingenommen werden könnten und müssten, da die Tätigkeiten nur teilweise im Sitzen, teilweise auch im Stehen und mit sonstigen Bewegungen verbunden ausgeführt werden. Der angestrebte Beruf führe nicht nur zu einer leidensgerechten Tätigkeit, sondern es bestehe hier auch ein hoher Bedarf auf dem Arbeitsmarkt, so dass die Aussichten, dass der Kläger nach abgeschlossener Weiterbildung eine leidensgerechte Tätigkeit werde aufnehmen können, hoch seien.

Anschließend hat das Gericht einen Befundbericht der praktischen Ärztin vom 11.01.2018 einschließlich Arztbriefe des Stadtkrankenhauses F-Stadt vom 06.04.2016, 14.12.2016 und 02.06.2017, des Universitätsklinikums E. vom 11.05.2016, des Kernspins LWS vom 26.05.2017, der Computertomographie LWS in Bandscheibentechnik nativ vom 16.05.2017, den Befundbericht des Facharztes für Chirurgie Dr. Y. vom 23.05.2016 einschließlich des Kernspins LWS vom 03.05.2016 und des Arztbriefs des Neurochirurgen Dr. M. vom 17.07.2017, den Befundbericht der Dr. J. vom 18.01.2018 sowie den Arztbrief des Stadtkrankenhauses F-Stadt vom 06.04.2016 bezüglich des stationären Aufenthalts vom 23.02. bis 08.03.2016, 14.12.2016 und 02.06.2017 beigezogen und eine Auskunft der Firma L. vom 28.02.2018 eingeholt.

Gemäß Beweisanordnung vom 16.01.2018 hat der Chirurg Dr. K. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 01.02.2018 gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten erstellt und ist darin zusammenfassend zum Ergebnis gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers bezogen auf die Tätigkeit als Fachinformatiker gemindert und gefährdet sei. Dieser könne nur noch zeitweise sitzende Tätigkeiten durchführen, wobei eine selbstgewählte Wechselhaltung erforderlich sei. Vermieden werden müssten Zwangshaltungen der Wirbelsäule, schwere und mittelschwere Hebe- und Tragetätigkeiten, häufige bückende und kniende Tätigkeiten, Schutz vor Nässe, Kälte und Zugluft müsse gewährleistet sein. Empfohlen werde eine Teilhabe am Arbeitsplatz durch einen höhenverstellbaren Tisch, eventuell Arbeitsplatzwechsel. Durch diese Maßnahmen könne die geminderte Erwerbsfähigkeit des Klägers wesentlich gebessert werden.

Hierzu nimmt die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.03.2018 dahingehend Stellung, dass nach der Auskunft des Arbeitgebers dem Kläger ein höhenverstellbarer Schreibtisch zur Verfügung gestellt worden sei, der jedoch keine dauerhafte positive Wirkung habe entfalten können. Über die konkrete Dauer der Nutzung dieses Schreibtisches seien keine Angaben gemacht worden. Im Übrigen seien die körperlichen Belastungsmerkmale im Bezugsberuf und im Wunschberuf "Mediendesigner" vergleichbar. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Kläger dem Wunschberuf besser gewachsen sein sollte als dem Bezugsberuf.

Hierauf erwidert die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 04.06.2018 unter Übersendung des Gutachtens der B. - A., A-Stadt - vom 27.06.2016 insbesondere, dass der arbeitsmedizinisch kompetente Arzt der A. festgestellt habe, dass von Tätigkeiten als Fachinformatiker mit entsprechender Belastung abzuraten sei. Noch bevor die Feststellungen durch den Arzt der A. getroffen worden seien, habe der Kläger im Rahmen einer Wiedereingliederung in das Arbeitsleben über 1 1/2 Monate versucht, seine vertraglich vereinbarte Tätigkeit mittels des höhenverstellbaren Schreibtisches wieder auszuüben. Neben dem verstellbaren Schreibtisch habe der Arbeitgeber dem Kläger auch einen verstellbaren Stuhl zur Verfügung gestellt, mit dem er seine Sitzhaltung seinen Beschwerden habe anpassen können. Der Kläger habe zunächst in der ersten Woche ab dem 22.06.2015 zwei Stunden gearbeitet, dann die Tätigkeit auf vier Stunden gesteigert, wobei aufgrund der Tatsache, dass die Tätigkeit gleichgeblieben sei, trotz der Höhenverstellbarkeit und trotz der Einstellbarkeit des Stuhles immer wieder haben Zwangshaltungen eingenommen werden müssen, die Schmerzen verursacht haben. Obwohl der Arbeitgeber auch Freiheiten in Bezug auf zusätzliche Arbeitspausen eingeräumt habe, habe bis zum 06.07.2015 festgestanden, dass ein effizientes Arbeiten nicht einmal in Teilzeit möglich sei, so dass vereinbart worden sei, dass der Kläger die Wiedereingliederung zunächst durch Urlaubsnahme unterbreche, um sich noch einmal zu erholen. Nach einem Urlaub vom 07.07. bis 27.07.2015 habe der Kläger am 28.07.2015 erneut die Arbeit aufgenommen, ohne dass er jedoch in den Folgewochen an Vollzeit herangekommen wäre. Schließlich habe am 05.08.2015 der Wiedereingliederungsversuch abgebrochen werden müssen. Ein effizientes Arbeiten als Informatiker sei nicht möglich, weil unabhängig von der Frage, welcher Stundenumfang zu bewältigen sei oder wieviele Pausen eingelegt werden müssten, die Tätigkeit dauerhaft in der gleichen Zwangshaltung verrichtet werden müsse, entweder im Sitzen oder im Stehen. Anders verhalte es sich hingegen mit der Durchführung der Tätigkeit in dem Beruf, in dem der Kläger nun die Ausbildung aufgenommen habe: Der Kläger führe die Ausbildung nun bereits seit über einem halben Jahr durch und könne feststellen, dass sie leidensgerecht sei. Insbesondere der ständige Wechsel zwischen praktischer Arbeit und Arbeit am Schreibtisch bringe es mit sich, dass der Kläger den vom Arzt der A. angeregten ständigen Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen wahrnehmen könne und dadurch die Schmerzen, die bei längerer Zwangshaltung auftauchten, vermeiden könne. Im Fotostudio des Ausbildungsbetriebs werde der überwiegende Teil der fotographischen Arbeiten erledigt. Um diese Arbeiten zu erledigen, stehe der Kläger überwiegend und bewege sich ständig, um verschiedene Positionen in verschiedenen Höhen und Perspektiven einzunehmen. Zur Bildbearbeitung auf dem Laptop könne der Kläger sowohl im Sitzen als auch im Stehen arbeiten. Innerhalb der Ausbildungsstätte könne der Kläger zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen wählen, an denen er mit seinem Laptop durchzuführende PC-Arbeiten erledige, dies könne er beispielsweise sogar beim Kaffeetrinken mit erledigen. Er könne sich also mit dem Laptop - entgegen einem fest eingerichteten PC-Arbeitsplatz - in jede leidensgerechte Lage versetzen. Auch sei es immer wieder erforderlich, mit dem Kollegen die Bildbearbeitung oder eben auch die Arbeiten während der "Foto-Session" zu koordinieren, wozu der Kläger innerhalb der Ausbildungsstätte immer wieder Wege zurückzulegen habe, weil es sich um keine reine Schreibtischarbeit handele, sondern auch viel ausprobiert und demonstriert werde. Auch die Konzepte für die Foto-Sessions, die zur Erledigung der Aufträge durchzuführen seien, werden mit den Kollegen gemeinsam entwickelt, wobei hierbei sowohl im Stehen als auch im Gehen als auch im Sitzen gearbeitet werde. Der Kläger sei also während der Arbeit und auch in Durchführung der Arbeit viel innerhalb der Ausbildungsstätte unterwegs, was dem Erfordernis der wechselnden Körperhaltungen sehr entgegenkomme. An solche Arbeitsbedingungen sei im Bereich der Fachinformatik/ Systemintegration nicht zu denken. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf das Sachverständigengutachten von Dr. S. verwiesen:

"Es können Tätigkeiten verrichtet werden in wechselnder Körperhaltung, also ohne Zwangshaltung, insbesondere nicht in Vorneige ... Es können Tätigkeiten verrichtet werden, teilweise im Sitzen, überwiegend im Stehen und Gehen, dies zu gleichen Teilen, in freier Einteilung."

Nicht nur im Bereich des Fotodesigns, sondern auch im Bereich des Mediendesigns fänden sowohl die Besprechungen mit den Kunden als auch die Besprechungen mit den Arbeitskollegen in der Regel in Bewegung statt, indem gestalterische Möglichkeiten ausgelotet würden, mögliche Gestaltungen demonstriert werden, wobei ständige Körperbewegung stattfinde etc. Auch während der Kläger vortrage oder präsentiere, finde er sich in der Regel in Bewegung und sitze nicht am Schreibtisch. Aus den Arbeitsplatzbeschreibungen der beiden Bereiche ergebe sich, wie vielfältig die Einsatzmöglichkeiten in beiden Bereichen seien und dass beide Bereiche einen großen Teil an Beweglichkeit - auch körperlicher Beweglichkeit - mit sich brächten, der zu einer den Kläger entlastenden Arbeitssituation führe. Die Tatsache, dass die Arbeitsstättenverordnung einzuhalten sei, löse das Problem der Zwangshaltungen als Fachinformatiker nicht. Die Maßnahme habe wie dort angegeben am 01.10.2017 begonnen und dauere 18 Monate an. Allerdings sei es dem Kläger in Verhandlungen mit der D. gelungen, die Ausbildungskosten von 11.988,00 EUR auf 7.630,40 EUR (zuzüglich 180,00 EUR Einschreibegebühr) herunter zu verhandeln, so dass die Durchführung der Maßnahme nun erheblich geringere Kosten verursache.

Unter Übersendung der fachärztlichen Stellungnahme des Schmerztherapeuten Dr. I. vom 10.07.2018 trägt die Bevollmächtigte des Klägers weiterhin vor, dass sich aus dieser ergebe, dass allein die Nutzungsmöglichkeit eines höhenverstellbaren Schreibtisches keinen Einsatz des Klägers im bisherigen Betätigungsfeld ermögliche, sondern nur eine körperlich leichte Tätigkeit mit möglichst häufigem Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen - ohne länger zu einer dieser Haltungen gezwungen zu sein - möglich sei.

Hierzu entgegnet die Beklagte insbesondere (Schriftsätze vom 16.08.2018 und 17.08.2018), dass in den letzten Jahren mehrere sozialmedizinische Begutachtungen erfolgt seien, die nicht wesentlich voneinander abgewichen seien. Im Dezember 2014 sei im Rahmen einer stationären orthopädischen Rehabilitationsmaßnahme festgestellt worden, dass der Bezugsberuf sechs Stunden und mehr zumutbar sei. Im September 2016 sei im Rahmen des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ein fachorthopädisches Gutachten erstellt worden, das ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Bezugsberuf zumutbar sei unter der Voraussetzung, dass ein höhenverstellbarer Schreibtisch zur Verfügung gestellt werde. Ein höhenverstellbarer Schreibtisch sei dem Kläger durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden. Ein weiteres Gutachten vom 01.02.2018 (Dr. K.) sei erneut weitgehend zu demselben Ergebnis gelangt. Im Schriftsatz vom 04.06.2018 werde wiederholt behauptet, dass bei der Arbeit als Fachinformatiker "dauerhafte [ ...] Zwangshaltungen [ ...] entweder im Sitzen oder im Stehen" erforderlich seien. Offenbar liege hier ein Missverständnis des Begriffs Zwangshaltungen vor. Als Zwangshaltungen werden länger dauernde Arbeiten bezeichnet, die in ergonomisch ungünstiger Körperhaltung, verbunden mit statischer Muskelarbeit (z. B. Überkopfarbeit, mit Armvorhalt, Bücken, Knien, Rumpfbeugehaltung) ausgeführt werden. Das Sitzen an einem Schreibtisch oder das Stehen an einem höhenverstellbaren Schreibtisch entspreche nicht der Definition einer Zwangshaltung, da dies keine ergonomisch ungünstigen Positionen seien. Es lägen im Bezugsberuf des Klägers also überhaupt keine Zwangshaltungen vor. Darüber hinaus werde festgestellt, dass ein selbstgewählter Haltungswechsel (beliebiger Wechsel von Sitzen und Stehen) durch die zur Verfügung gestellte Arbeitsplatzausstattung mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch sichergestellt worden sei. Ein Umherlaufen sowie Dehnübungen o. ä. seien während der Erholungspausen sowie während der Verteilzeiten möglich. Ein ergonomischer Bürostuhl, wie er vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen sei und in der DGUV-Information 2015-410 beschrieben werde, ermögliche zudem dynamisches Sitzen. Dynamisches Sitzen heiße, dass die Sitzposition möglichst häufig zu wechseln sei. Es sollte ein Wechsel zwischen verschiedenen Sitzhaltungen erfolgen, so z. B. der Wechsel zwischen einer vorderen Sitzhaltung, einer aufrechten (ausbalancierten) Sitzhaltung und einer hinteren, zurückgelehnten Sitzhaltung. Es liege in der zumutbaren Eigenverantwortung des Klägers, sich in seiner Freizeit um die Linderung der Rückenschmerzen zu kümmern und bestehende körperliche und psychische Probleme zu bearbeiten. Infrage kämen hierfür neben der ärztlichen Behandlung beispielsweise ambulante Psychotherapie (z. B. kognitive Verhaltenstherapie), physiotherapeutische Behandlungsmaßnahmen mit Heimübungsprogramm, Stärkung der Rückenmuskulatur durch z. B. Kieser-Training oder elektrische Muskelstimulation (EMS), manuelle Therapie, Akupunktur, Entspannungsverfahren (wie z. B. progressive Muskelrelaxation, autogenes Training, Meditation oder Fantasiereisen), Ausdauersport, Schwimmen, Rückenschule, Pilates, Tai Chi, Qi Gong, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), Biofeedback, Hypnose oder zahlreiche andere Verfahren. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Umschulung seien jedoch nicht erforderlich. Anzumerken sei, dass im Beruf des Foto-/Mediendesigners gleiche Anforderungen an die Gesundheit gestellt werden. Soweit der Kläger davon ausgehe, dass mit der begehrten beruflichen Umorientierung die gesundheitlichen Einschränkungen zu beseitigen wären, verfehle dieses Begehren seinen Zweck.

Auf gerichtliche Veranlassung (Schriftsatz vom 30.08.2018) hat der gerichtliche Sachverständige Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.09.2018 insbesondere darauf hingewiesen, dass nach dem BERUFENET Arbeitsbereiche als Fachinformatiker in vielen Branchen möglich seien. Arbeitsorte seien Büroräume, aber auch Außendienste bei Kunden vor Ort, Besprechungsräume wie Schulungs- und Unterrichtsräume. Auffällig sei, dass sich die Anforderungen an die körperliche Belastbarkeit sehr ähneln. Eine Belastbarkeit der Wirbelsäule werde nicht diskutiert. Nach der Arbeitsstättenverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales habe der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass auch im Beruf als Fachinformatiker die Tätigkeiten am Bildschirm durch andere Tätigkeiten und regelmäßige Erholungszeiten unterbrochen werden könnten. Die körperlichen Anforderungen an den Wunschberuf des Klägers seien nahezu identisch mit der bisherigen Tätigkeit als Informatiker.

Hiergegen wendet die Bevollmächtigte des Klägers insbesondere ein (Schriftsatz vom 28.09.2018), dass der beratende Arzt der A. A-Stadt (Herr Schmelzer) am 27.06.2018 ausgeführt habe, dass der Kläger weder ständig noch überwiegend Tätigkeiten im Sitzen verrichten könne, sondern dass die Tätigkeit nur zeitweise im Sitzen, zeitweise im Gehen und zeitweise im Stehen ausgeübt werden könne. Ein Belastungsvermögen also, das die bisherige Tätigkeit des Klägers ausschließe. Der Kläger habe bei seinem letzten Arbeitgeber eine Tätigkeit ausgeübt, die ihn von Zwangshaltungen und schweren Belastungen, wie dem Heben und Tragen von EDV-Gerät etc., freigehalten habe, und schon diese Tätigkeit habe der Kläger trotz des Entgegenkommens des Arbeitgebers und der weitgehend leidensgerecht zur Verfügung gestellten Ausstattung nicht bewältigen können. Umso schwerer wäre es für den Kläger, wenn er - was im Arbeitsbereich des Fachinformatikers häufig vorkomme - auch noch neben den reinen EDV-Tätigkeiten EDV-Gerät bewegen, Anlagen installieren, Kabel verlegen und die entsprechenden Geräte heben und tragen müsste. Dr. K. führe selbst aus, dass die Belastbarkeit der Wirbelsäule im BERUFENET nicht diskutiert werde. Das Arbeitsfeld des Fachinformatikers sei jedoch mit diesen Aufgaben verbunden.

Soweit sich die Beklagte im Schriftsatz vom 16.08.2018 auf den Reha-Entlassungsbericht berufe, sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger bei der postoperativ durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme noch als arbeitsunfähig entlassen worden sei und die berufliche Einschätzung der Klinik eine prognostische Einschätzung gewesen sei, die sich beim Versuch des Klägers, wieder in das Berufsleben einzusteigen, leider nicht bewahrheitet habe. Der Kläger habe die daran anschließenden ambulanten Reha-Maßnahmen abbrechen müssen, weil die Schmerzen so überhandgenommen hätten, dass er die Maßnahme nicht habe fortführen können. Diese Schmerzzustände hätten sich seither trotz verschiedenster intensiver medizinischer Maßnahmen nicht mehr beseitigen lassen; der Kläger sei nach wie vor auf das morphinhaltige Medikament Hydromorphon in einer Dosis von täglich 32 mg angewiesen, um den Tag und die aktuellen Belastungen zu überstehen. Würde der Kläger nun einen Beruf auszuüben beginnen, indem er überwiegend in sitzender Haltung arbeiten müsste und den bereits mehrfach dargelegten Belastungen ausgesetzt wäre, so würde sich sein Zustand sofort akut verschlechtern.

Hierauf erwidert die Beklagte insbesondere (Schriftsatz vom 30.10.2018), dass in der Arbeitsplatzbeschreibung des Arbeitgebers L. körperliche Belastungen mit schwerem Heben/Tragen, häufigem Bücken nicht angegeben worden seien. Im vorliegenden Verfahren gehe es zunächst um eine Entscheidung über das "Ob" der Leistung. Erst wenn eindeutig feststehe, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers erheblich gefährdet oder gemindert sei, könne über das "Wie" der Leistung befunden werden.

Hierzu nimmt die Bevollmächtigte des Klägers insbesondere unter Übersendung einer Bestätigung des Geschäftsführers der Firma P. vom 29.11.2018 dahingehend Stellung (Schriftsatz vom 29.11.2018), dass im Rahmen der Wiedereingliederung die Firma dem Kläger sowohl einen ergonomischen Bürostuhl als auch einen höhenverstellbaren Tisch zur Verfügung gestellt habe. Außerdem seien dem Kläger zusätzliche Erholungspausen sowie Zeit für freie Bewegung eingeräumt worden. Trotz dieser Maßnahmen sei die Wiedereingliederung gescheitert, was sowohl vom Geschäftsführer Herrn F. als auch von der behandelnden Ärztin bestätigt werden könne. Auch eine Erweiterung der Aufgaben auf nicht sitzende Tätigkeiten wäre mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten verbunden und vom Kläger nicht durchführbar gewesen. Die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung richteten sich grundsätzlich an gesunde leistungsfähige Arbeitnehmer. Für die IT-Tätigkeit sei es eben erforderlich, auch in Ansehung der Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung, den ganzen Tag Bildschirmarbeiten zu verrichten und ggf. auch schwere Lasten zu heben und zu tragen und Zwangshaltungen bei der Einrichtung von EDV-Anlagen einzunehmen.

In der öffentlichen Sitzung vom 12.12.2018 trägt die Bevollmächtigte des Klägers weiterhin vor, dass der Kläger inzwischen die gesamten Umschulungskosten bezüglich der Umschulung vom 01.10.2017 bis 31.03.2019 bezahlt habe. Die Kosten belaufen sich auf 7.630,40 EUR + Anmeldegebühr 184,00 EUR, insgesamt 7.814,40 EUR. Bei der Umschulung zum Foto-/Mediendesigner habe der Kläger sein Vorwissen (IT-Fachwissen) einbringen können, ebenso seine Berufserfahrung, so dass diese Tätigkeit leidensgerecht sei.

Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt (öffentliche Sitzung vom 12.12.2018), unter Aufhebung des Bescheids vom 30.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2017 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Ausbildungskosten in Höhe von 7.814,40 EUR (Ausbildungskosten in Höhe von 7.630,40 EUR und Aufnahmegebühr in Höhe von 184,00 EUR) zu erstatten und für den Zeitraum vom 01.10.2017 bis 31.03.2019 Übergangsgeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt (öffentliche Sitzung vom 12.12.2018), die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Akte der Beklagten sowie die Schwerbehindertenakte des Z. - Region M. - zum Verfahren beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig (§§ 51, 54, 57, 78, 87, 90 SGG).

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Aufgrund des vom Kläger zuletzt (öffentliche Sitzung vom 12.12.2018) gestellten Antrags auf Erstattung der Ausbildungskosten in Höhe von 7.814,40 EUR (Ausbildungskosten in Höhe von 7.630,40 EUR und Aufnahmegebühr in Höhe von 184,00 EUR) und Bewilligung von Übergangsgeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 01.10.2017 bis 31.03.2019 ist streitgegenständlich nur noch die Erstattung der Kosten für die Umschulung zum Foto-/ Mediendesigner, die er am 01.10.2017 begonnen hat und bereits vollständig bezahlt hat, sowie die Erstattung der Aufnahmegebühr in Höhe von 184,00 EUR.

Rechtsgrundlage der begehrten Kostenerstattung ist § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX (i.d.F. vom 19.06.2001, gültig ab 01.07.2001 bis 31.12.2017). Diese Vorschrift lautet:

"Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat."

Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Denn die Beklagte hat weder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht noch hat sie die begehrte Leistung (Umschulung zum Foto-/Mediendesigner) zu Unrecht abgelehnt.

Der Begriff der unaufschiebbaren Leistung ist im Gesetz nicht definiert, jedoch anhand der zu § 13 Abs. 3 SGB V durch die Rechtsprechung entwickelten Kriterien auszulegen (vgl. Götze in: Hauck/Noftz, SGB IX, Stand 12/12, § 15 Rn. 14). Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die Leistung sofort, d. h. ohne nennenswerten zeitlichen Aufschub, erbracht werden muss (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 14.08.2017, L 5 R 695/14, Rn. 28 m.w.N., zitiert nach juris). Allein der Umstand, dass die Umschulung zum Foto-/Mediendesigner am 01.10.2017 begonnen hat, rechtfertigt vorliegend nicht die Annahme einer Unaufschiebbarkeit, selbst wenn der Kläger für sich selbst möglichst schnell eine neue berufliche Perspektive finden wollte.

Dem Kläger sind auch nicht Kosten wegen einer zu Unrecht erfolgten Ablehnung der Umschulung zum Foto-/Mediendesigner zu erstatten. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX i.V.m. § 33 SGB IX für eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form beruflicher Weiterbildung setzt einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus. Der Anspruch auf Kostenerstattung darf nicht weiterreichen als ein entsprechender Primäranspruch; er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Maßnahme zu den Leistungen gehört, welche die Rehabilitationsträger allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (st.Rspr.; vgl. z. B. BSGE 113, 231 = SozR 4-2500 § 40 Nr. 7 (jeweils Rn. 9); BSG, Urteil vom 08.09.2015, B 12 KR 14/14 R, Rn. 17, zitiert nach juris). Bei im Ermessen des Leistungsträgers stehenden Leistungen erfordert dies eine Ermessensreduzierung auf Null.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn dem Kläger steht gegen die Beklagte bereits kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen für Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VI, § 16 SGB VI i.V.m. § 33 SGB IX zu. Darüber hinaus ist hier kein Fall einer Ermessensreduzierung auf Null gegeben, d. h. die Beklagte hätte ihr Ermessen unter Berücksichtigung aller in die Abwägung einzustellenden Interessen pflichtgemäß nicht nur in einem einzigen denkbaren Sinne, nämlich durch Bewilligung einer Umschulung zum Foto-/Mediendesigner ausüben können (2.).

Nach § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VI erbringt die Beklagte u. a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit des Versicherten oder sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder ihn möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Leistungen können gemäß § 9 Abs. 2 SGB VI erbracht werden, wenn die persönlichen (vgl. hierzu § 10 SGB VI) und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl. hierzu § 11 SGB VI) erfüllt sind und kein zusätzlicher Leistungsausschluss (§ 12 SGB VI) vorliegt.

Nach § 10 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte für Leistungen zur Teilhabe u. a. die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist (Nr. 1) und bei denen voraussichtlich bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann (Nr. 2b).

Der Träger der Rentenversicherung erbringt gemäß § 16 SGB VI Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 bis 38 SGB IX.

Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern (§ 33 Abs. 1 SGB IX). Die Leistungen umfassen insbesondere auch berufliche Anpassung und Weiterbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX) sowie berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden (§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX). Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt (§ 33 Abs. 4 S. 1 SGB IX). Ziel ist die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit behinderter Menschen und die Sicherung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer (§ 33 Abs. 1 SGB IX, §§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 10 Abs. 1 S. 2 SGB IX).

Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach diesen Vorschriften zu bewilligen, weil bereits bei ihm die persönlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SGB VI nicht vorlagen. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der in den Akten enthaltenen (medizinischen) Stellungnahmen, insbesondere aus den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. in seinem Gutachten vom 01.02.2018 einschließlich ergänzender Stellungnahme vom 12.09.2018. Danach war zwar die Erwerbsfähigkeit des Klägers bezogen auf die von ihm zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Fachinformatiker Systemintegration gemindert und erheblich gefährdet. Diese Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit hätte jedoch durch einen höhenverstellbaren Schreibtisch wesentlich gebessert werden können; der Bewilligung einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Umschulung bedurfte es nicht.

Nach ambulanter Untersuchung des Klägers stellt der gerichtliche Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten vom 01.02.2018 folgende Gesundheitsstörungen beim Kläger fest: - Zustand nach Versteifung am lumbosacralen Übergang bei Spondylolisthese. Verbliebene Radikulopathien mit Gefühlsstörungen am linken Oberschenkel und Fußheberparese links. Fehlhaltung an der Wirbelsäule. - Beinachsenfehlstellung und Fußfehlform beidseits. - Verdacht auf chronische Schmerzkrankheit mit seelischen und körperlichen Faktoren.

Aufgrund der vorliegenden Gesundheitsstörungen sind dem Kläger nur noch leichte körperliche Tätigkeiten zumutbar, die in selbstgewählter Wechselhaltung durchgeführt werden sollten, wobei eine längere Sitzdauer vermieden werden sollte.

Bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ist grundsätzlich auf den zuletzt ausgeübten Beruf abzustellen (Luthe in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 10 Rn. 31). Somit ist hier Bezugsberuf der Beruf des Fachinformatikers Systemintegration. Da die Tätigkeit als Fachinformatiker eine überwiegend sitzende Tätigkeit ist, ist ein höhenverstellbarer Tisch erforderlich, der es dem Kläger ermöglicht, bei Ausübung der Tätigkeit eine selbstgewählte Wechselhaltung zwischen Sitzen und Stehen einzunehmen.

Soweit der letzte Arbeitgeber des Klägers, die Firma P., mit Schreiben vom 29.11.2018 den Vortrag des Klägers bestätigt, dass die Firma dem Kläger während der Wiedereingliederung 2015 einen ergonomischen Bürostuhl sowie einen höhenverstellbaren Tisch zur Verfügung gestellt habe, dem Kläger Erholungspausen sowie Zeit für freie Bewegung eingeräumt habe und die Wiedereingliederung trotz dieser Maßnahmen nicht erfolgreich gewesen sei, belegt dies nicht, dass die Wiedereingliederungsmaßnahme aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers nicht erfolgreich sein konnte. Für den Misserfolg der Wiedereingliederung können nämlich auch nicht-medizinische Gründe maßgeblich gewesen sein. Insoweit konnte die Firma P. nur die Tatsache des Misserfolgs der Wiedereingliederungsmaßnahme und die damaligen Angaben des Klägers bestätigen, nicht aber den objektiven Grund hierfür beurteilen bzw. fachkundige medizinische Stellungnahmen abgeben.

Die Tätigkeit als Fachinformatiker Systemintegration ist auch mit den zusätzlichen qualitativen Leistungseinschränkungen des Klägers zu vereinbaren. Es müssen nämlich Zwangshaltungen der Wirbelsäule, schwere und mittelschwere Hebe- und Tragetätigkeiten, häufige bückende und kniende Tätigkeiten, Nässe, Kälte und Zugluft vermieden werden. Im BERUFENET werden für die Tätigkeiten als Fachinformatiker folgende körperliche Anforderungen beschrieben:

- Funktionstüchtigkeit der Arme und Hände. - Feinmotorik der Hände und Finger. - Ungestörtes Sprechvermögen. - Nahsehvermögen - auch korrigiert. - Farbsehvermögen. - Hörvermögen und Sprachverständnis.

Eine Belastbarkeit der Wirbelsäule wird im BERUFENET - worauf Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.09.2018 zutreffend hinweist - nicht unter der Rubrik "Berufsrelevante gesundheitliche Einschränkungen" aufgeführt.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 04.06.2018 einwendet, dass ihm ein effizientes Arbeiten als Informatiker nicht möglich sei, weil unabhängig von der Frage, welcher Stundenumfang zu bewältigen sei oder wie viele Pausen eingelegt werden müssten, die Tätigkeit dauerhaft in der gleichen Zwangshaltung verrichtet werden müsse, entweder im Sitzen oder im Stehen, weist die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.08.2018 zu Recht darauf hin, dass als Zwangshaltungen längerdauernde Arbeiten bezeichnet werden, die in ergonomisch ungünstiger Körperhaltung, verbunden mit statischer Muskelarbeit (z. B. Überkopfarbeit, mit Armvorhalt, Bücken, Knien, Rumpfbeugehaltung) ausgeführt werden. Das Sitzen an einem Schreibtisch oder das Stehen an einem höhenverstellbaren Schreibtisch entspricht nicht der Definition einer Zwangshaltung, da dies keine ergonomisch ungünstigen Positionen sind. Im Bezugsberuf des Klägers liegen demnach überhaupt keine Zwangshaltungen vor. Auch sind während der Erholungspausen bzw. während der Verteilzeiten Dehnübungen o. ä. bzw. ein Umherlaufen möglich.

Im Übrigen ermöglicht ein ergonomischer Bürostuhl, wie er vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist und in der DGUV-Information 215-410 beschrieben wird, dynamisches Sitzen. Dynamisches Sitzen heißt, dass die Sitzposition möglichst häufig zu wechseln ist. Es sollte ein Wechsel zwischen verschiedenen Sitzhaltungen erfolgen, so z. B. der Wechsel zwischen einer vorderen Sitzhaltung, einer aufrechten (ausbalancierten) Sitzhaltung und einer hinteren, zurückgelehnten Sitzhaltung.

Aber auch dann, wenn unterstellt wird, dass durch einen höhenverstellbaren Schreibtisch eine Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers im Beruf des Fachinformatikers Systemintegration nicht hätte wesentlich gebessert bzw. wiederhergestellt werden können, lagen die Voraussetzungen für eine Teilhabe am Arbeitsleben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2b SGB VI nicht vor. Denn eine solche, durch einen höhenverstellbaren Schreibtisch nicht behebbare, geminderte Erwerbsfähigkeit konnte voraussichtlich durch eine Umschulung zum Foto-/Mediendesigner weder wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden noch hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden.

In Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. (ergänzende Stellungnahme vom 12.09.2018) und unter Berücksichtigung des Anforderungsprofils bezüglich der Tätigkeit als Foto-/Mediendesigner im BERUFENET geht das Gericht nämlich davon aus, dass die körperlichen Anforderungen an diese Tätigkeit den körperlichen Anforderungen an die Tätigkeit des Fachinformatikers Systemintegration sehr ähnlich sind. Eine Belastbarkeit der Wirbelsäule wird ebenfalls nicht gefordert. Hingegen ist erforderlich:

- Funktionstüchtigkeit der Arme und der Hände. - Feinmotorik der Hände und der Finger. - Ungestörtes Sprechvermögen. - Nahsehvermögen - auch korrigiert. - Farbsehvermögen. - Räumliches Sehvermögen (nur beim Fotodesigner) - Hörvermögen und Sprachverständnis.

Fotodesigner arbeiten in Fotostudios an wechselnden Aufnahmeorten, z. B. auch im Freien oder in Firmengebäuden, im Fotolabor und in der Dunkelkammer und in Büroräumen. Arbeitsbedingungen sind: - Kundenkontakt. - Gruppen-/Teamarbeit. - Bildschirmarbeit. - Arbeiten in Ateliers und Studios, Arbeiten in Büroräumen. Arbeiten im Labor. Wechselnde Arbeitsorte auch im Freien und beim Kunden. - Umgang mit Chemikalien. - Unregelmäßige Arbeitszeiten.

Mediendesigner/innen planen, entwerfen und gestalten Medien, z. B. Anzeigen, Werbespots, Firmenlogos, Internetseiten oder komplette virtuelle Szenarien.

Soweit der Kläger einwendet, dass entgegen der Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. und der Beklagten die derzeit durchgeführte berufliche Maßnahme ihm seit Aufnahme der mit der Maßnahme verbundenen Tätigkeit leidensgerecht möglich sei, verkennt er, dass Maßstab für die Vergleichbarkeit der körperlichen Anforderungen nicht die Tätigkeiten während seiner Ausbildung, sondern die typischen Anforderungen an den Beruf des Foto-/Mediendesigners sind. In Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.09.2018 geht das Gericht - gestützt auch auf das im BERUFENET beschriebene Anforderungsprofil an die Tätigkeit als Foto-/Mediendesigner - davon aus, dass das körperliche Anforderungsprofil an diese Tätigkeit dem Anforderungsprofil bezüglich der Tätigkeit als Fachinformatiker Systemintegration sehr ähnelt und auch aus diesem Grunde die persönlichen Voraussetzungen für eine Gewährung von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht vorliegen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2b SGB VI).

Da der Kläger die persönlichen Voraussetzungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 10 SGB VI nicht erfüllt hat, war schon aus diesem Grunde die Klage abzuweisen.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nicht erkennbar ist, inwieweit hier die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen haben. Nach § 9 SGB VI steht - bei Bejahung der Notwendigkeit der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach - die Entscheidung über das "Wie", d. h. Art, Umfang, Dauer, Ort der Leistung im pflichtgemäßem Ermessen des Rehabilitationsträgers, das gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. § 54 Abs. 2 S. 2 SGG; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 54 Rn. 25 ff. m.w.N.). Das Gericht kann diesen der Beklagten eingeräumten Entscheidungsspielraum nicht an deren Stelle ausüben, sondern kann die Beklagte grundsätzlich lediglich verpflichten, ihr Ermessen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut auszuüben. Ein Anspruch auf die Bewilligung einer (bestimmten) Umschulung kann deswegen nur im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null bestehen, d. h. dann, wenn die Beklagte ihr Ermessen unter Berücksichtigung aller in die Abwägung einzustellenden Interessen pflichtgemäß nur in einem einzigen denkbaren Sinne, nämlich in Form einer bestimmten Umschulung, ausüben könnte und jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre.

Eine solche Ermessensreduzierung auf Null war vorliegend aber nicht gegeben, da - abgesehen von den Zweifeln der Beklagten an einer erheblichen Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers - auch im Hinblick auf die ggf. zu ergreifenden Maßnahmen ein weites Spektrum denkbar gewesen wäre, ohne dass dieses wegen der körperlichen Leistungseinschränkungen des Klägers von vornherein determiniert gewesen wäre. Mangels Ermessensreduzierung auf Null scheidet ein Anspruch auf Gewährung einer bestimmten Ausbildungsmaßnahme ebenso aus wie ein Anspruch auf Kostenerstattung (vgl. BayLSG, Urteil vom 24.03.2010, L 20 R 579/08; BayLSG, Beschluss vom 20.04.2009, L 13 R 152/09 B ER; Hessisches LSG, Urteil vom 02.10.2009, L 5 R 315/08 Rn. 46 ff., jeweils zitiert nach juris).

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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