L 20 VJ 12/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
20
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 Vi 1/93
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 VJ 12/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Entscheidung kann gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss erfolgen, wenn die relevanten tatsächlichen Umstände nicht mehr streitig sind und die Gutachtenslage nach Abschluss der Ermittlungen (übereinstimmende Feststellungen der Gutachter gemäß § 106 SGG und § 109 SGG) eindeutig ist, also der Fall nach Abschluss der Ermittlungen als einfach gelagert zu bezeichnen ist.
2. Gegen eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss spricht nicht der Umfang der Entscheidung, wenn dieser ohnehin unterdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Impfschadenverfahren ist und zudem wesentlich dadurch bedingt ist, dass auf weitestgehend nicht entscheidungsrelevantes Vorbringen der Klägerin und über 70, für die Entscheidung bedeutungslose Anträge einzugehen ist.
3. Ist nicht ansatzweise ersichtlich, warum eine mündliche Verhandlung zur weiteren Sachaufklärung führen könnte, kommt eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG in Betracht.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 7. April 1995 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Impfschadens und die Gewährung von Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) bzw. dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen einer Pockenschutzimpfung im Jahr 1957.

Die Klägerin ist 1955 geboren. Sie leidet unter den Folgen einer Kinderlähmung.

Die Pockenschutzimpfung unterlag im Jahre 1957 der Impfpflicht.

Mit Formblattantrag vom 29.09.1990 beantragte die Klägerin, Polio und Allergien als Impfschaden festzustellen. Sie sei im Mai 1956 vom Gesundheitsamt R. gegen Pocken geimpft worden, wobei sie das im Datum in einer mitgesandten Anlage II vom 29.09.1990 auf Mai 1957 korrigierte. Die Impfung sei im Gasthaus F. in R. durchgeführt worden. Ein Impfschein oder ein Impfbuch über die Pockenschutzimpfung sei ihren Eltern nicht ausgehändigt worden.

Unterlagen über eine Impfung der Klägerin waren sowohl beim Gesundheitsamt R. als auch der Stadt R. nicht auffindbar.

Der Beklagte zog zunächst diverse medizinische Unterlagen über die Klägerin bei, u.a. auch den Bericht über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 16.07.1954 bis zum 02.09.1957 in der Städt. Kinderklinik R ... Dort heißt es, dass die Klägerin acht Tage zuvor eine eitrige Mandelentzündung gehabt habe und nach drei Tagen medikamentöser Behandlung wieder beschwerdefrei gewesen sei. Am Morgen des Tages vor der Aufnahme in der Klinik habe es plötzlich eine Schwäche des rechten Beins gegeben; die Klägerin habe nicht mehr auf dem rechten Bein stehen können. Als Hauptdiagnose wurde Poliomyelitis genannt.

Am 24.09.1991 wurde die Mutter der Klägerin beim Beklagten befragt. Dabei gab sie an, dass die Klägerin im Mai 1957 im Gasthaus Sch. (Anmerkung des Senats: Der Wirt des Gasthauses F. führt nach den vorliegenden Unterlagen den Namen Sch.) in R. wahrscheinlich durch das Gesundheitsamt R. eine Pockenschutzimpfung am Arm erhalten habe. Im Juli 1957 sei die Klägerin an Kinderlähmung erkrankt und sofort in die Kinderklinik R. eingewiesen worden. Ein bis zwei Wochen vor dem Auftreten der Kinderlähmung sei die Klägerin an einer Mandelentzündung erkrankt gewesen.

Die anschließend mit der Frage eines Impfschadens befassten Versorgungsärzte kamen in den drei Gutachten vom 20.02.1992 übereinstimmend zu der Einschätzung, dass bei der Klägerin keine Gesundheitsstörungen vorlägen, welche mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Pockenschutzimpfung zurückzuführen seien. In einer weiteren nervenärztlichen Stellungnahme wies die Versorgungsärztin Dr. Sch. am 13.05.1993 darauf hin, dass, auch wenn man von der Richtigkeit des angegebenen, aber nicht nachgewiesenen Impfzeitpunkts ausgehen würde, die im Juli 1957 aufgetretene Polioerkrankung sich schon wegen des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs nicht in ursächlichen Zusammenhang mit der angeschuldigten Pockenschutzimpfung bringen lasse.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21.07.1993 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem BSeuchG abgelehnt.

Den dagegen mit Schreiben vom 07.08.1993 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.1993 zurück.

Am 25.10.1993 haben die damaligen anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Landshut erhoben.

In der mündlichen Verhandlung vom 07.04.1995 vor dem SG ist die Mutter der Klägerin befragt worden. Sie hat dabei angegeben, dass die Pockenschutzimpfung im Mai 1957 im Gasthaus Sch., F., stattgefunden habe. An welchem Tag die Impfung genau gewesen sei, wisse sie nicht mehr, aber nach ihrem Gefühl sei es Ende Mai gewesen. Im Zusammenhang mit der Impfung seien ihr keine auffälligen Reaktionen der Klägerin in Erinnerung. Ca. zehn Tage nach der Impfung seien sie zur Nachschau im selben Gasthaus gewesen. Dabei sei festgestellt worden, dass die Impfung erfolglos gewesen sei. Es seien keine Pusteln oder Ähnliches zu sehen gewesen. Einige Zeit später habe die Klägerin eine Mandelentzündung bekommen. Sie sei daher mit ihr zu Dr. W. gegangen. Ca. zwei Wochen später im Juli 1957 sei die Klägerin von Dr. B. in die Kinderklinik R. eingewiesen worden. Dort sei eine Kinderlähmung festgestellt worden.

Mit Urteil vom 07.04.1995 hat das SG die Klage abgewiesen. Begründet worden ist die Klageabweisung damit, dass es bereits am objektiven Nachweis der behaupteten Pockenschutzimpfung fehle. Selbst wenn man unterstelle, dass eine Impfung im Mai 1957 stattgefunden habe, sei ein ursächlicher Zusammenhang mit den als Impfschadensfolge geltend gemachten Erkrankungen (Polio, Allergien) nicht wahrscheinlich.

Gegen das am 14.06.1995 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.06.1995 Berufung eingelegt. U.a. hat sie eine Veröffentlichung von Ehrengut/Rüstow zu Zusammenhängen zwischen Pockenschutzimpfung und Poliomyelitis vorgelegt, wonach theoretisch die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen Pockenschutzimpfung und Poliomyelitis zwischen dem 5. und 21. Tag nach der Impfung bejaht werde, von Siebert sogar ein Zeitraum von vier Wochen angenommen werde.

In der mündlichen Verhandlung vom 08.10.1996 erklärte die Klägerin, dass sie derzeit einen Nachweis dafür nicht erbringen könne, dass sie am 28.05.1957 geimpft worden sei. Daraufhin ist auf ihren Antrag hin das Ruhen des Verfahrens beschlossen worden.

Fast 13 Jahre später hat die Klägerin mit Schreiben vom 08.06.2009 die Fortführung des Verfahrens beantragt. In der Folge hat sie zahlreiche Unterlagen, u.a. auch zu im Jahr 1957 von Gesundheitsämtern durchgeführten Impfungen, vorgelegt. Mit Schreiben vom 23.05.2012 hat sie Prof. Dr. B. als Gutachter gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) benannt. Nachdem sie mitgeteilt hatte, dass sie die zu erwartenden Gutachtenskosten allenfalls in Raten von 100,- EUR pro Monat zahlen könne, ist der zunächst gemäß § 106 SGG erteilte Gutachtensauftrag vom 19.11.2012 vom damaligen Berichterstatter in einen solchen gemäß § 106 SGG umgewandelt worden (Schreiben vom 11.04.2013).

Unter dem Datum des 16.04.2013 hat Prof. Dr. B. (Facharzt für Innere Medizin und klinische Pharmakologie) auftragsgemäß sein nach Aktenlage erstelltes 70-seitiges Gutachten vorgelegt. Die Frage nach einer Primärschädigung hat er dahingehend beantwortet, dass es nach der Pockenschutzimpfung im Mai 1957 nachweislich nicht zu einer gesundheitlichen Schädigung gekommen sei, welche über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgegangen wäre. Das Auftreten einer Mandelentzündung sei nicht als Primärschädigung im Sinne einer unüblichen Pockenimpfreaktion einzustufen. Einen Zusammenhang zwischen Pockenschutzimpfung im Mai 1957 und der Poliomyelitis seit dem 16.07.1957 hat er verneint. Die Poliomyelitis sei unabhängig von der Pockenschutzimpfung aufgetreten. Was die bei der Klägerin vorliegende allergische Erkrankung betreffe, sei festzuhalten, dass bei ihr eine familiäre Belastung mit allergischen Erscheinungen dokumentiert sei. Es sei daher von einer anlagemäßigen Disposition zur allergischen Diathese auszugehen. Die bei der Klägerin seit 1964 bekannte allergische Erkrankung stehe zeitlich und kausal in keinem Zusammenhang mit der Pockenschutzimpfung im Mai 1957.

Nachdem mit Schreiben des damaligen Berichterstatters vom 11.06.2013 die Rücknahme der Berufung empfohlen und gleichzeitig darauf hingewiesen worden war, dass das Antragsrecht nach § 109 SGG noch nicht verbraucht sei, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.07.2013 die Qualität des Gutachtens beanstandet und ein "voll inhaltliches Verwertungsverbot ... ausgesprochen." Durch die Umwandlung des Antrags nach § 109 SGG in ein Gutachten nach § 106 SGG sei ihr die Möglichkeit der persönlichen Begutachtung genommen worden. Einen Antrag gemäß § 109 SGG hat sie in Aussicht gestellt.

Am 23.09.2013 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Anschließend hat die Klägerin mit Schreiben vom 03.10.2013 klargestellt, dass sie der Pflichtimpfung gegen Pocken unterzogen worden sei, wobei aber orts- und zeitgleich - nicht aber bei der Klägerin selbst - der ungeprüfte, aus den USA importierte Polio-Impfstoff nach Salk verimpft worden sei. Zum Impftermin hat sich die Klägerin dahingehend geäußert, dass dies der 21.05.1957 sei. Als Beleg hat sie Unterlagen zu den in der Stadt R. im Jahr 1957 durchgeführten Pockenschutzimpfungen vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass im Gasthaus zum F. am 21.05.1957 die Erstimpfung und am 28.05.1957 die Nachschau stattgefunden haben; andere Impftermine im genannten Gasthaus sind im zeitlichen Zusammenhang in den vorgelegten Unterlagen nicht dokumentiert.

Zu einer dann erfolgten Äußerung der Klägerin zum Gutachten und ihrem umfangreichen Fragenkatalog hat sich der Sachverständige in einer 50-seitigen ergänzenden Stellungnahme vom 19.01.2014 geäußert. Er ist darin zu keiner von seinem Gutachten vom 16.04.2013 abweichenden Einschätzung gekommen. Zu den aufgezeigten Gesichtspunkten und Fragen der Klägerin hat er u.a. nochmals wiederholt, dass das Risiko einer Impf-Poliomyelitis durch den 1957 in Bayern verwendeten Polio-Impfstoff so extrem gering gewesen sei, dass das Risiko einer Impf-Poliomyelitis im Vergleich zu einer Wild-Poliomyelitis mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Das Institut der Kannversorgung sei nicht anwendbar, da über die Ursache des festgestellten Leidens (Poliomyelitis) in der medizinischen Wissenschaft keine Ungewissheit bestehe. Ein kausaler Zusammenhang sieben Wochen nach einer Pockenschutzimpfung würde von keinem der Autoren ernsthaft in Erwägung gezogen und könne daher auch nicht im Sinne der Kannversorgung angenommen werden. Auch ohne genaue Kenntnis der Hilfsstoffe und Adjuvantien, die heute nicht mehr aufklärbar seien, lasse sich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Auftreten von allergischen Beschwerden erst neun Jahre nach der Impfung nicht herstellen. Die Abklärung der Ursache der Angina (Mandelentzündung) sei nicht erforderlich, da die Mandelentzündung folgenlos und ohne Dauerschaden abgeheilt sei und mit dem Auftreten der Lähmung später in keinem kausalen Zusammenhang stehe. Eine unübliche Impfreaktion sei nicht erfolgt.

Zu der anschließend in den Raum gestellten Berufungsrücknahme hat sich die Klägerin mit einem auf den 19.07.2013 datierten und bei Gericht am 03.03.2014 eingegangenen Schreiben u.a. dahingehend geäußert, dass sie die gerichtliche Einschätzung zum Gutachten nicht teile. Das Gutachten beruhe ausschließlich auf Hypothesen und nicht verifizierbaren Studien. Weiter hat sie sich mit Schreiben vom 24.04.2014 auf 36 Seiten zu den Ausführungen des Sachverständigen geäußert und den Gutachter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, wobei dieser Befangenheitsantrag mit Beschluss des damals zuständigen 18. Senats vom 03.03.2016, L 18 SF 80/15 AB, als unzulässig verworfen worden ist; die dagegen erhobene Anhörungsrüge und Gegenvorstellung sind erfolglos geblieben (Beschluss vom 30.05.2016, L 18 SF 132/16). Mit einem weiteren Schreiben vom 22.09.2014 hat sich die Klägerin ergänzend zum Gutachten geäußert und wiederum diverse Anträge gestellt, wobei sie an ihrem Antrag gemäß § 109 SGG festgehalten, zuvor aber weitere Ermittlungen von Amts wegen begehrt hat.

Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. B. hat sich zum Vorbringen der Klägerin in einer weiteren 64-seitigen ergänzenden Stellungnahme vom 14.11.2014 geäußert. Er hat seine bisherige Einschätzung nochmals bekräftigt. Die erst sieben bis acht Wochen nach der Pockenschutzimpfung bei der Klägerin aufgetretene Poliomyelitis stehe allein schon wegen der überlangen Latenzzeit mit der durchgeführten Pockenschutzimpfung in keinem direkten oder indirekten kausalen Zusammenhang. Die neun Jahre nach der Impfung aufgetretene allergische Diathese sei mit der Pockenschutzimpfung im Mai 1957 kausal nicht verknüpft. Die bei der Klägerin aufgetretene Mandelentzündung könne durch die Pockenschutzimpfung wenige Wochen zuvor gefördert worden sein. Die Angina selbst sei jedoch folgenlos abgeheilt, so dass von daher kein Dauerschaden entstanden sei. Alternativ könne die Angina auch Folge einer Poliovirus-Infektion gewesen sein, die unabhängig von der Pockenschutzimpfung begonnen habe.

Die Klägerin hat an dieser Stellungnahme mit Schreiben vom 29.04.2015 u.a. beanstandet, dass es der Sachverständige unterlassen habe, auf ihren Individualfall einzugehen, und bemängelt, dass die genaue Zusammensetzung und Kenntnis der Inhaltsstoffe sowohl des Pockenimpfstoffs als auch des in R. von Mai bis Juli 1957 verwendeten Polioimpfstoffs fehle. Die Aussagen des Gutachters seien nicht tragfähig.

Auch dazu hat sich der Sachverständige in einer weiteren 39-seitigen ergänzenden Stellungnahme vom 02.11.2015 geäußert. Er hat nochmals darauf hingewiesen, dass alle Gesichtspunkte mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegen das Vorliegen einer Impf-Poliomyelitis sprächen. Die Pockenschutzimpfung habe auch keinen zeitlichen und kausalen Zusammenhang mit allergischen Erkrankungen. Eine weitergehende Kenntnis der Impfstoffzusammensetzung des Pocken- und des Salk-Impfungsstoffes (Polio-Impfstoff, der im zeitlich-räumlichen Umfeld der bei der Klägerin durchgeführten Impfung einsetzt worden war, nicht aber bei der Klägerin) werde nicht zu einer weiteren Abklärung des behaupteten Impfschadens Poliomyelitis führen.

Mit Schreiben vom 20.10.2016 hat die Klägerin Prof. Dr. K. gemäß § 109 SGG benannt. Unter dem 05.12.2017 hat Prof Dr. K. sein Gutachten vorgelegt. Er hat Folgendes erläutert: Die Klägerin sei nach eigenen Angaben am 28.05.1957 gegen Pocken geimpft worden. Die Mandelentzündung sei "keine direkte Primärschädigung der Pockenschutzimpfung", sie könne aber als eine der neurologischen Symptomatik typischerweise vorausgehende erste Phase der Poliomyelitis eingestuft werden. Dementsprechend wäre die Mandelentzündung als erstes Symptom der Poliomyelitis 41 Tage nach der Pockenschutzimpfung aufgetreten. Im vorliegenden Fall ergebe sich ein Zeitraum von ca. fünf Tagen, in dem sich die Infektion mit den Polioviren bei einem gleichzeitigen Auftreten von Pockenviren im Blut ereignet haben könnte. In diesem Fall könnte es zu einer sogenannten Provokations-Poliomyelitis gekommen sein. Damit überlappe die Inkubationszeit, d.h. die Zeit, die zwischen Infektion mit dem Poliovirus bis zum Ausbruch der Krankheit vergehe, mit der postvakzinalen Virämie mit Pockenviren. Eventuelle allergische Reaktionen auf Bestandteile des Impfstoffes seien bei der Klägerin nicht beschrieben worden. Bezüglich der Allergien und Asthma könne von einer anlagemäßigen Disposition zur allergischen Diathese ausgegangen werden, da bei der Klägerin eine familiäre Belastung mit allergischen Erscheinungen dokumentiert sei.

Der Beklagte hat sich mit einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.02.2018 umfassend auch zum Gutachten des Prof Dr. K. geäußert. Dabei hat der Versorgungsarzt die Beurteilung des Sachverständigen schon deshalb als fehlerhaft bezeichnet, da dieser von einer tatsächlich nicht so vorgenommenen Injektionstechnik bei der Impfung ausgegangen sei. Im Übrigen habe er einen falschen Impftermin (28.05.1957 statt 21.05.1957) angenommen, so dass auch bei Zugrundelegung der Argumentation des Sachverständigen wegen der Inkubationszeit ein Zusammenhang zwischen der Pockenschutzimpfung und der Poliomyelitis nicht mehr hergestellt werden könne.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 20.03.2018 ist der Klägerin die Sach- und Rechtslage erläutert und dabei darauf hingewiesen worden, dass auch der gemäß § 109 SGG benannte Sachverständige einen Primärschaden nicht als nachgewiesen erachte. Weiter ist der Klägerin erläutert worden, dass selbst dann, wenn zu ihren Gunsten das Erfordernis des Primärschadens übergangen würde, sich auch nach den Ausführungen des Prof. Dr. K. die Kausalität unter Zugrundelegung der Prämissen des Sachverständigen nicht herstellen lasse. Denn die Impfung sei nicht am 28.05.1957, wie dies der Sachverständige fälscherlicherweise zugrunde gelegt habe, sondern schon am 21.05.1957 durchgeführt worden. Die Impfung sei also tatsächlich zwei Tage vor Beginn des Zeitraums erfolgt, in dem sie hätte erfolgen müssen, um auch nur theoretisch von einem Zusammenhang ausgehen zu können. Prof. Dr. K. hätte daher, wenn er vom richtigen Impfzeitpunkt ausgegangen wäre, die Zusammenhangsfrage nur negativ beantworten können.

Am 11.07.2018 hat, nachdem die Klägerin angegeben hatte, dass ihr Sehvermögen in der Nähe reduziert sei und sie sich daher in die Schriftsätze des LSG nicht einlesen könne, ein über einstündiger Erörterungstermin stattgefunden. Die Klägerin hat dabei (erstmals) angegeben, dass der Beschwerdebeginn bei ihr nicht erst mit Einweisung ins Krankenhaus am 16.07.1954 oder am Vortag begonnen habe, sondern bereits früher. Ihr im Jahr 1996 verstorbener Vater habe ihr gesagt, dass sie bereits neun Tage vorher den Fuß nach sich gezogen habe. Im Erörterungstermin sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat erwäge, durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Eine Stellungnahmefrist ist bis zum 05.08.2018, später verlängert bis zum 13.08.2018, gesetzt worden. Weiter hat der Vorsitzende explizit darauf hingewiesen, dass Beweisanträge von der Klägerin bis zu diesem Datum nochmals bei Gericht einzureichen seien, wenn sie aufrechterhalten werden sollten. Anderenfalls sei davon auszugehen, dass die Anträge nicht mehr aufrechterhalten würden.

Mit Schreiben vom 15.07.2018 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie das Recht des rechtlichen Gehörs nicht wahrnehmen könne, da ihr das Protokoll des Erörterungstermins noch nicht vorliege. Sie beantrage Fristverlängerung bis zum 30.08.2018. Einem Schreiben der Klägerin vom 18.07.2018 ist zu entnehmen, dass ihr das Protokoll nunmehr zur Verfügung steht.

Mit Schreiben vom 08.08.2018 hat die Klägerin u.a. nochmals ihren Vortrag vom Erörterungstermin wiederholt, wonach ihr Vater ihr gegenüber erklärt habe, dass sie bereits neun Tage vor der Krankenhauseinweisung ihr Bein nachgezogen habe. Sie habe dies bis zum Erörterungstermin nicht in das Verfahren eingeführt, da ihr Vater bereits 1996 verstorben sei und sie die Erfahrung gemacht habe, dass immer alles in Frage gestellt werde. Sie sei sich deshalb sehr unsicher gewesen, diese Aussage ihres Vaters ihr gegenüber im Verfahren mitzuteilen, zumal ihr Vater nicht mehr befragt werden könne. Da der von ihr gemäß § 109 SGG benannte Sachverständige Prof. Dr. K. von einem Impfttag am 28.05.1957 ausgegangen sei, ergebe sich bei ihr der Verdacht, dass dem Gutachter nicht alle Akten und Unterlagen vollständig zur Begutachtung vorgelegen hätten. Zum Hinweis des Vorsitzenden im Erörterungstermin, dass auch Prof. Dr. K. keine Primärschädigung gesehen habe, hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass dieser Gutachter einen Zusammenhang zwischen Pockenimpfung und Lähmung erkannt habe und daher die Primärschädigung die unzweifelhafte Virämie nach der Pockenpflichtimpfung sei. Bei dem bei ihr eingesetzten Pockenimpfstoff sei aufgrund der damaligen Hygienebedingungen eine Verunreinigung mit anderen Krankheitserregern sicher. Im Zusammenhang mit der Pocken- und Polioimpfung - so die Klägerin - erkenne sie den "Denk- und Handlungseinfluss der an den Versuchen beteiligten Personen ..., die alle mindestens Mitglieder der NSDAP waren." Einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung widerspreche sie. Zudem hat die Klägerin insgesamt 71 Anträge ("18-01" bis "18-70" und "R8") gestellt. Weiter hat sie Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden des Senats als Berichterstatter wegen dessen Äußerungen im Erörterungstermin und den Sachverständigen Prof. Dr. B. gestellt. Diese Befangenheitsanträge sind mit Beschlüssen vom 31.08.2018, L 20 SF 325/18 AB, und vom 05.09.2018, L 20 SF 326/18 AB, abschlägig verbeschieden worden

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 07.04.1995 sowie den Bescheid des Beklagten vom 21.07.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.1993 aufzuheben, die bei ihr aus einer Poliomyelitis resultierenden gesundheitlichen Schäden als Impfschaden anzuerkennen und Versorgung, insbesondere Grundrente und Heilbehandlung, durch den Beklagten zuzusprechen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG Landshut sowie die zu den Befangenheitsanträgen im Berufungsverfahren beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angegriffene Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat wegen der Pockenschutzimpfung im Mai 1957 - konkret am 21.05.1957, wobei sich dieses Impfdatum erst im Laufe des Berufungsverfahrens herauskristallisiert hat - keinen Anspruch auf Gewährung von Versorgung nach § 51 Abs. 1 BSeuchG bzw. § 60 IfSG. Es fehlt an einer unüblichen Impfreaktion (Primärschädigung).

1. Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG

Der Senat kann durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind dazu im Erörterungstermin vom 11.07.2018 gehört worden; einer Zustimmung der Beteiligten zur Entscheidung durch Beschluss bedarf es nicht (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 27.06.2018, B 3 KR 54/17 B).

Dazu, dass nicht eine Entscheidung durch Urteil nach mündlicher Verhandlung erforderlich ist, ist der Senat bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens gekommen. Zwar ist das Verfahren von erheblicher Dauer gewesen. Die Berufung ist bereits im Jahr 1995 eingelegt worden. Dass es zu einer Verfahrensdauer von über 25 Jahren gekommen ist, ist aber zu einem Großteil dadurch zu erklären, dass das Verfahren wiederholt und zum Teil für viele Jahre auf Antrag der Klägerin zum Ruhen gebracht worden ist. Der Rechtsstreit ist aber nunmehr nach Abschluss der Ermittlungen als einfach gelagert zu bezeichnen; auch die tatsächlichen Umstände in Gestalt der Impfung an sich und des Zeitpunkts der Impfung sind nicht mehr streitig. Die Gutachtenslage ist eindeutig. Gegen eine Entscheidung durch Beschluss spricht auch nicht der Umfang der jetzt getroffenen Entscheidung. Denn er liegt deutlich unter dem durchschnittlichen Umfang der Entscheidungen des erkennenden Senats in impfschadensrechtlichen Streitsachen, der, werden alle Entscheidungen der letzten anderthalb Jahre einbezogen, bei etwas über 49 Seiten liegt. Im Übrigen wäre es, würde die Darstellung auf die rechtlich allein wesentlichen Umstände reduziert, ein Leichtes gewesen, den Beschluss weitaus kürzer zu fassen, wobei der Senat darauf aus dem Grund verzichtet hat, um der Klägerin nicht das subjektive Gefühl zu geben, ihr extrem umfangreiches, aber weitestgehend nicht entscheidungsrelevantes Vorbringen sei vom Senat nicht wahrgenommen worden. Auch erklärt sich der Umfang damit, dass die Klägerin zuletzt mit Schreiben vom 08.08.2018 insgesamt 71 Anträge gestellt hat, die zwar allesamt ohne Bedeutung für die zu treffende Entscheidung sind, gleichwohl aber ein Eingehen darauf, warum dies so ist, gebieten. Dass der Umfang der getroffenen Entscheidung vergleichsweise gering ist, zeigt sich augenfällig auch darin, dass der Umfang der konkreten sachlichen Entscheidungsgründe lediglich einen Umfang von rund acht Seiten hat (vgl. unten Ziff. 4). Die - zugegebenermaßen - umfangreichen Ermittlungen des Senats sind weitgehend darauf zurückzuführen, dass die Klägerin zahlreiche Einwendungen gegen das Gutachten erhoben hat, die aber - wie sich nicht nur in der Rückschau zeigt - weitestgehend entweder nicht entscheidungserheblich oder nicht nachvollziehbar waren. Dass sich die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts schlussendlich als einfach darstellt, ergibt sich auch daraus, dass selbst bei Zugrundelegung der Feststellungen des von der Klägerin benannten Sachverständigen für die Anerkennung eines Impfschadens kein Raum ist. Die Klägerin hat sich auch wiederholt im Rahmen von langdauernden Gerichtsterminen vor dem LSG zur Sache eingelassen und von ihrem Recht auf rechtliches Gehör umfassend Gebrauch gemacht. Im Übrigen ist sie, wie ihre zahlreichen und sehr langen Schriftsätze belegen, äußerst sprachgewandt, so dass es keiner mündlichen Verhandlung bedurfte, um ihr eine Klarstellung ihrer Rechtsposition zu ermöglichen, wobei schon gar nicht ersichtlich ist, was noch klargestellt werden könnte. Auch ist die Klägerin im letzten Erörterungstermin im Juli 2018 ausführlich darüber in Kenntnis gesetzt worden, welche Möglichkeiten ihr zur Sicherstellung des bereits zuvor umfassend gewährten rechtlichen Gehörs offenstehen. Dies wahrnehmend hat sie sich auch mit Schreiben vom 08.08.2018 auf über 24 Seiten geäußert und 71, ganz überwiegend bereits in früheren Schriftsätzen gestellte Anträge ins Verfahren eingebracht Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, warum eine mündliche Verhandlung zur weiteren Sachaufklärung führen könnte.

2. Streitgegenstand

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 21.07.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1993, mit dem der Antrag der Klägerin vom 29.09.1990 auf Versorgung wegen eines infolge der "im Mai 1957 durchgeführten Pockenschutzimpfung" (jeweils S. 1 des Bescheides und des Widerspruchsbescheides) eingetretenen Impfschadens, also eines Impfschadens im Sinne des § 52 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG bzw. § 2 Nr. 11, 1. Alt. IfSG, abgelehnt worden ist.

Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsschaden möglicherweise auf eine im Jahr 1957 an anderen Menschen - die Klägerin selbst ist damals nicht gegen Poliomyelitis geimpft worden - im Mai/Juni 1957 durchgeführte Polioschutzimpfung, also nicht die Pockenschutzimpfung, zurückzuführen ist - dann wäre ein Impfschaden im Sinne des § 52 Abs. 1 Satz 2 BSeuchG bzw. bzw. § 2 Nr. 11, 2. Alt. IfSG in Betracht zu ziehen. Insofern hat der Beklagte, wie es auch dem Antrag der Klägerin vom 29.09.1990 entspricht, die eine Anerkennung eines Impfschadens wegen der Impfung "gegen Pocken" (S. 1 des Formularantrags) beantragt hat, nicht aber wegen einer an anderen Menschen durchgeführten Polioschutzimpfung, keine Entscheidung getroffen. Etwaige Ansprüche wegen einer an anderen Menschen durchgeführten Polioschutzimpfung sind daher nicht Streitgegenstand geworden (vgl. auch Bayer. LSG, Urteil vom 25.07.2017, L 20 VJ 1/17 - rechtskräftig: BSG, Beschluss vom 29.11.2017, B 9 V 48/17 B; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.11.2016, L 6 VJ 4009/15); die Frage, ob die von der Klägerin in den Raum gestellte Polioschutzimpfung mit einem Salk-Impfstoff bei anderen Menschen zu einer Poliomyelitis-Infektion der Klägerin geführt haben könnte, bedarf daher im vorliegenden Verfahren keiner Klärung.

3. Voraussetzungen für die Anerkennung eines Impfschadens - allgemein

Da das IfSG am 01.01.2001 in Kraft getreten ist bei zeitgleichem Außerkrafttreten des BSeuchG ohne Übergangsvorschrift (siehe Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften vom 20.07.2000, BGBl. I, S. 1045), ist im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch bis zum Inkrafttreten des IfSG das BSeuchG weiterhin anzuwenden, hier also von der Antragstellung im September 1990 bis zum 31.12.2000 (vgl. zur Anwendbarkeit der maßgeblichen Rechtsnormen auch BSG, Urteil vom 20.07.2005, B 9a/9 VJ 2/04 R). Für die Zeit danach sind der Entscheidung die allerdings insoweit im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften des IfSG zu Grunde zu legen.

Nach § 51 Abs. 1 BSeuchG erhält, wer durch eine Impfung, die
1. gesetzlich vorgeschrieben oder
2. auf Grund dieses Gesetzes angeordnet oder
3. von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen oder
4. auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.

Ein Impfschaden ist nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BSeuchG ein über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden.

Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BSeuchG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Impfung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Impfung anerkannt werden, wobei die Zustimmung allgemein erteilt werden kann (vgl. § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BSeuchG).

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die
1. von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
2. auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde,
3. gesetzlich vorgeschrieben war oder
4. auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist,

eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.

Der Impfschaden wird in § 2 Nr. 11 IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.

Die Voraussetzungen nach dem BSeuchG entsprechen insoweit also denen nach dem IfSG; im Folgenden werden daher nur die Regelungen des IfSG angeführt.

Die Anerkennung als Impfschaden setzt eine (mindestens) dreigliedrige Kausalkette voraus (ständige Rspr., vgl. zum gleichgelagerten Recht der Soldatenversorgung: BSG, Urteile vom 25.03.2004, B 9 VS 1/02 R, und vom 16.12.2014, B 9 V 3/13 R): Ein schädigender Vorgang in Form einer "Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe", die die genannten Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfüllen muss (1. Glied), muss zu einer "gesundheitlichen Schädigung" (2. Glied), also einer Primärschädigung, teilweise auch Primärschaden genannt, (d.h. einer Impfkomplikation) geführt haben, die wiederum den "Impfschaden", d.h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also den Folgeschaden (3. Glied) bedingt. Zwischen Primärschädigung und Folgeschaden können, abhängig von der jeweiligen Fallkonstellation noch weitere Zwischenstufen von Gesundheitsschäden liegen. Anstelle einer dreigliedrigen Kausalkette kann daher im Einzelfall auch eine mehr als dreigliedrige Kette der Beurteilung des Versorgungsanspruchs zugrunde zu legen sein, wobei dann alle Stufen und die dazwischen liegende Kausalität im jeweils erforderlichen Beweismaßstab nachgewiesen sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, 9/9a RV 1/92 - zum Gesichtspunkt des Todesleidens).

Neben einer "Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe", die die genannten Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfüllen muss (1. Glied), müssen die "gesundheitliche Schädigung" (2. Glied) als Primärschädigung, d.h. die Impfkomplikation, und der "Impfschaden" (3. Glied), d.h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also der Folgeschaden, vorliegen. Diese drei, ggf. auch mehr (vgl. oben vorstehender Absatz), Glieder der Kausalkette müssen - auch im Impfschadensrecht - im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteile vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R, und vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R; Hessisches LSG, Urteil vom 26.06.2014, L 1 VE 12/09; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.07.2016, L 13 VJ 19/15). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, 9/9a RV 1/92).

Dass die gesundheitliche Schädigung als Primärschädigung, d.h. die Impfkomplikation, neben der Impfung und dem Impfschaden, d.h. der dauerhaften gesundheitlichen Schädigung, im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein muss und eine irgendwie geartete Beweiserleichterung bei der Primärschädigung, wie es der 15. Senat des Bayer. LSG im Urteil vom 31.07.2012, L 15 VJ 9/09, mit der Beurteilung "des Zusammenhangs zwischen Impfung und manifestiertem Gesundheitsschaden in einer einzigen gedanklichen Etappe" anhand von "Mosaiksteinen", die den Nachweis der Primärschädigung im Vollbeweis als "realitätsfremd" und damit verzichtbar erscheinen lassen sollen, angenommen hat und wie dies auch im Schreiben des ehemaligen Berichterstatters (des damals zuständigen 15. Senats) vom 23.03.2011 an die Klägerin erkennbar geworden ist, damit nicht vereinbar ist, hat der erkennende Senat in seinem rechtskräftigen (vgl. BSG, Beschluss vom 29.11.2017, B 9 V 48/17 B) Urteil vom 25.07.2017, L 20 VJ 1/17, bereits deutlich zum Ausdruck gebracht. Eine andere Sichtweise steht - wie der Senat in der genannten Entscheidung ausgeführt hat - nicht in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben und der klaren obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. auch Bayer. LSG, Urteile vom 31.07.2012, L 15 VJ 9/09, und vom 06.12.2017, L 20 VJ 3/05, bestätigt vom BSG mit Beschluss vom 30.11.2017, B 9 36/17 B). Dies hat im Übrigen das BSG erneut mit Beschluss vom 29.01.2018, B 9 V 39/17 B, bekräftigt und dort ausgeführt: "Aber auch insoweit hat sich die Beschwerde weder mit den tatbestandlichen Voraussetzungen noch mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG auseinandergesetzt, nach der der Nachweis einer Primärschädigung im Vollbeweis geführt werden muss und deshalb Ermittlungen zur Kausalität auf der Grundlage des abgesenkten Beweismaßstabs der Wahrscheinlichkeit für einen Nachweis "nicht erkennbar zutage getretener Primärschädigungen" nicht ausreichen."

Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache nach den allgemeinen Regeln der Beweislast zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs auf ihr Vorliegen stützt, also des Antragstellers.

Demgegenüber gilt für den (mindestens) zweifachen ursächlichen Zusammenhang der (mindestens) drei Glieder der Kausalkette nach § 61 Satz 1 IfSG ein gegenüber dem Vollbeweis abgeschwächter Beweismaßstab - nämlich der der Wahrscheinlichkeit im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. auch § 1 Abs. 3 BVG; siehe auch BSG, Urteile vom 13.12.2000, B 9 VS 1/00 R, vom 29.04.2010, B 9 VS 2/09 R, und vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R; Bayer. LSG, Urteil vom 31.07.2012, L 15 VJ 9/09). Der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R - in Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 24.09.1992, 9a RV 31/90, die für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität noch den Vollbeweis vorausgesetzt hat) als auch den der haftungsausfüllenden Kausalität. Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung.

Eine potentielle, versorgungsrechtlich geschützte Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, 10 RV 15/77), also mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht (vgl. BSG, Urteile vom 19.08.1981, 9 RVi 5/80, vom 26.06.1985, 9a RVi 3/83, vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84, vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R, und vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als "überwiegende" (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 14.10.2015, B 9 V 43/15 B) oder "hinreichende" (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 18.02.2009, B 9 VJ 7/08 B) Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei dieser Zusatz nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer/S.t, SGG, 12. Aufl. 2017, § 128, Rdnr. 3c). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteile vom 26.11.1968, 9 RV 610/66, und vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R).

Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.08.1974, 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs "annähernd gleichwertig" sind. Von einer annähernden Gleichwertigkeit einer versorgungs- und damit auch impfschadensrechtlich geschützten Ursache kann nur dann ausgegangen werden, wenn ihre Bedeutung gleich viel oder mehr Gewicht hat als die der andere(n) Ursache(n) (zusammen) (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 6/13 R).

Die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinn als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, ist im jeweiligen Einzelfall aus der Auffassung des praktischen Lebens abzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2001, B 9 V 5/00 R).

Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Gesundheitsschäden zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R).

Kann eine Aussage zu einem (hinreichend) wahrscheinlichen Zusammenhang nur deshalb nicht getroffen werden, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kommt die sogenannte Kannversorgung gemäß § 61 Satz 2 IfSG in Betracht. Von Ungewissheit ist dann auszugehen, wenn es keine einheitliche, sondern verschiedene ärztliche Lehrmeinungen gibt, wobei nach der Rechtsprechung des BSG von der Beurteilung auf dem Boden der "Schulmedizin" (gemeint ist damit der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Wissenschaft) auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R). Aber auch bei der Kannversorgung reicht allein die bloße Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs oder die Nichtausschließbarkeit des Ursachenzusammenhangs nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs positiv vertritt; das BSG spricht hier auch von der "guten Möglichkeit" eines Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteile vom 12.12.1995, 9 RV 17/94, und vom 17.07.2008, B 9/9a VS 5/06). In einem solchen Fall liegt eine Schädigungsfolge dann vor, wenn bei Zugrundelegung der wenigstens einen wissenschaftlichen Lehrmeinung nach deren Kriterien die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs nachgewiesen ist (vgl. Bayer. LSG, Urteile vom 19.11.2014, L 15 VS 19/11, vom 21.04.2015, L 15 VH 1/12, vom 15.12.2015, L 15 VS 19/09, vom 26.01.2016, L 15 VK 1/12, und vom 25.07.2017, L 20 VJ 1/17 - rechtskräftig: BSG, Beschluss vom 29.11.2017, B 9 V 48/17 B;). Existiert eine solche Meinung überhaupt nicht, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer Ungewissheit; denn alle Meinungen stimmen dann darin überein, dass ein Zusammenhang nicht hergestellt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993, 9/9a RV 41/92).

Sofern Börsel (vgl. diess., RdLH 2018, 45 - nach Juris) in ihren Anmerkungen zum Urteil des Bayer. LSG vom 11.7.2017, L 15 VJ 6/14, die Ansicht äußert, dass der dort entschiedene Fall deutlich mache, "wie schwer es sei, die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit für die Verursachung der Schädigung durch die Impfung zu belegen", und die Forderung aufstellt, dass "im Hinblick auf den Zweck des Impfschadensrechts ... die Gerichte mit der Kann-Versorgung großzügiger sein [sollten]", offenbart dies eine eklatante Rechtsunkenntnis und ein erschreckendes Unverständnis sowohl der gesetzlichen Vorgaben als auch der Aufgabe der Gerichte. Börsel verkennt schon, dass "die Verursachung der Schädigung durch die Impfung" nicht im Vollbeweis - dem entspricht die von Börsel verwendete Formulierung "an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit" - erwiesen sein muss, sondern dafür die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit ausreicht. Eine im Sinne potentieller Impfschadensbetroffener liegende weitere Reduzierung der Anforderungen an die Kausalität bei der Anerkennung eines Impfschadens würde zudem dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwider laufen, da der Gesetzgeber im Impfschadensrecht für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs die gleichen Maßstäbe wie in allen anderen Fällen des Versorgungsrechts vorgegeben hat (vgl. BSG, Urteile vom 19.08.1981, 9 RVi 5/80 - mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien, und vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R). Im Übrigen könnte eine Absenkung der Beweisanforderungen wegen des Gewaltenteilungsgrundsatzes des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Grundgesetz nicht durch die Gerichte erfolgen. Eine Änderung wäre einzig und allein dem Gesetzgeber im Rahmen seines gesetzgeberischen Tätigwerdens möglich.

Lässt sich der Zusammenhang nicht (hinreichend) wahrscheinlich machen und auch nicht über das Institut der Kannversorgung herstellen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf das Vorliegen des Zusammenhangs stützen möchte, also des Antragstellers (ständige Rspr., vgl. beispielhaft BSG, Urteil vom 03.02.1999, B 9 V 33/97 R, und Beschluss vom 05.04.2018, B 5 RS 19/17 B).

4. Prüfung der Voraussetzungen im vorliegenden Fall

Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich Folgendes: Zwar ist für den Senat aufgrund der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen zweifelsfrei nachgewiesen, dass die Klägerin am 21.05.1957 einer damals verpflichtend vorgeschriebenen Pockenschutzimpfung unterzogen worden ist. Dass überhaupt eine Pockenschutzimpfung durchgeführt worden ist, ist für den Senat aufgrund der glaubwürdigen Angaben der Mutter der Klägerin zweifelsfrei nachgewiesen. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergibt sich weiter, dass die Impfung nur am 21.05.1957 stattgefunden haben kann; der Senat folgt daher insofern den von der Klägerin zuletzt gemachten Angaben zum Impftermin. Dass die Impfung bei der Klägerin vermutlich nicht "angeschlagen" hat, weil sich bei ihr keine für die Pockenschutzimpfung typischen Pusteln gebildet haben, steht der Annahme einer versorgungsrechtlich geschützten Impfung nicht entgegen, da der Gesetzesbegriff der Impfung auf den technischen Vorgang des Einbringens des Impfstoffes in den Körper beschränkt bleiben muss und eine immunologische Auseinandersetzung des Körpers mit dem eingebrachten Impfstoff nicht zum gesetzlichen Begriff der Impfung gehört (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.1985, 9a RVi 3/83). Das Begehren der Klägerin auf Anerkennung eines Impfschadens und Versorgung scheitert aber daran, dass eine Impfkomplikation (Primärschädigung, 2. Glied der oben aufgezeigten Kausalkette) nicht im Vollbeweis nachgewiesen ist.

Nach der Überzeugung des Senats, die sich auf das von Amts wegen eingeholte Gutachten und die diversen ergänzenden Stellungnahmen des Prof. Dr. B. gründet, ist bei der Klägerin eine Primärschädigung im Sinne einer Impfkomplikation nicht nachgewiesen.

- Zu einer atypischen Impfreaktion ist es bei der Klägerin nicht gekommen. Irgendwelche ungewöhnlichen Veränderungen im Gesundheitszustand der Klägerin im zeitlichen Zusammenhang nach der Impfung sind nicht dokumentiert. Auch die vom SG am 07.04.1995 befragte Mutter der Kläger hat angegeben, dass ihr auffällige Reaktionen der Klägerin nach der Impfung nicht in Erinnerung seien. Der Sachverständige Prof. Dr. B., der sich mit den im Raum stehenden Fragen sehr eingehend und unter Berücksichtigung aller Umstände beschäftigt und sich sehr überzeugend und außergewöhnlich tiefgehend geäußert hat, hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es eine solche Reaktion bei der Klägerin nicht gegeben hat. Diese Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen, die sich der Senat zu eigen macht, wird auch nicht durch das Gutachten des gemäß § 109 SGG beauftragten Sachverständigen in Zweifel gezogen; dieser hat bei der Klägerin ebenfalls "keine direkte Primärschädigung der Pockenschutzimpfung" (S. 5 seines Gutachtens) erkennen können.

- Die bei der Klägerin eine Woche vor der Krankenhauseinweisung wegen der Poliomyelitis durchmachte dreitägige Mandelentzündung (Behandlung am 09.07.1957) stellt keine Primärschädigung der Pockenschutzimpfung dar, die die Anerkennung der Poliomyelitis als Impfschaden ermöglichen würde. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. B. sieht darin keine Impfkomplikation, ebenso nicht der von der Klägerin benannte Gutachter.

Ob die bei der Klägerin aufgetretene Mandelentzündung überhaupt nicht als Primärschädigung (der Pockenschutzimpfung) betrachtet werden kann, weil sie nicht durch eine Pockenschutzimpfung verursacht sein kann, oder sie nur eine Primärschädigung darstellt, die - zumindest im vorliegenden Fall - keine Primärschädigung im Sinne der Kausalkette für eine Poliomyelitis darstellen kann, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn diese Erkrankung ist jedenfalls nicht geeignet, den für die Anerkennung als Impfschaden erforderlichen Kausalzusammenhang mit der bei der Klägerin später aufgetretenen Poliomyelitis herzustellen. Denn die Mandelentzündung ist, wie der Sachverständige Prof. Dr. B. überzeugend erläutert hat, folgenlos ausgeheilt und kann daher schon deshalb nicht in einem kausalen Zusammenhang mit der anschließend aufgetretenen Poliomyelitis stehen. Ob die Angina durch die Pockenschutzimpfung gefördert worden ist oder die Folge einer mit der Impfung nicht in Zusammenhang stehenden Poliovirus-Infektion gewesen ist - diese beiden Alternativen zeigt der Sachverständige Prof. Dr. B. auf - oder vielleicht eine ganz andere Ursache gehabt hat, bedarf deshalb keiner weiteren Klärung.

Die Überzeugungskraft der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. B. wird durch die Ausführungen des von der Klägerin benannten Sachverständigen Prof. Dr. K. nicht erschüttert. Sofern dieser die Mandelentzündung auf S. 5 seines Gutachtens "als erstes Symptom ("Minor-Disease") der anschließend aufgetretenen paralythischen Poliomyelitis" versteht, ist das Gutachten in sich schon widersprüchlich. Denn auf S. 3 seines Gutachtens hat der Sachverständige nur die Möglichkeit ("könnte") gesehen, dass die Mandelentzündung als erste Phase der Poliomyelitis eingestuft werden könnte. Warum der Sachverständige seine ursprüngliche Einschätzung einer bloßen Möglichkeit aufgibt und dann davon ausgeht, dass die Mandelentzündung Beginn der Poliomyelitis sei, hat er an keiner Stelle begründet.

Aber selbst dann, wenn die Mandelentzündung als erstes Symptom der anschließend aufgetretenen Poliomyelitis betrachtet würde, was auch der Sachverständige Prof. Dr. B. nicht ausgeschlossen hat, kann dies an der Einschätzung nichts ändern. In einem derartigen Fall wäre die Mandelentzündung Teil einer Krankheitsgeschichte infolge einer Poliovirus -Infektion im Juni oder Juli 1957, wie Prof. Dr. B. dargestellt hat, nicht aber der Pockenschutzimpfung am 21.05.1957. Nach einer Inkubationszeit von 7 bis 14 Tage nach der Poliovirus-Infektion kommt es nämlich - so Prof. Dr. B. - bei symptomatischen Poliovirus-Infektionen zu einer etwa dreitägigen Erkrankung mit Fieber, Halsschmerzen, Abgeschlagenheit, oft Durchfall und Erbrechen. Damit würde die Mandelentzündung aber nicht in Zusammenhang mit der Pockenschutzimpfung stehen, sondern mit einer davon unabhängigen Poliovirus-Infektion. Im Übrigen wäre - würde dem Gutachter Prof. Dr. K. gefolgt und die Mandelentzündung als erstes Symptom einer Poliomyelitis angesehen - damit der im Vollbeweis erforderliche Nachweis einer Primärschädigung nicht geführt (vgl. unten, nächster Spiegelstrich).

- Erste Symptome einer Poliomyelitis sind für den 15.07.1957, nicht aber zu einem früheren Zeitpunkt nachgewiesen.

Dieser Feststellung des Senats liegt der Bericht über den Krankenhausenaufenthalt der Klägerin vom 16.07. bis zum 02.09.1957 in der Städt. Kinderklinik R. zugrunde. Darin wurde darüber berichtet, dass die Klägerin von Dr. W., der die Klägerin gut eine Woche zuvor wegen der Mandelentzündung behandelt hatte, wegen "gestern morgens plötzlich [aufgetretener] Schwäche d. re. Beines" ins Krankenhaus eingewiesen worden sei. Im Krankenhaus wurde dann die Aufnahmediagnose Polioverdacht und Parese des rechten Beines gestellt. Damit steht für den Senat zweifelsfrei fest, dass für den 15.07.1957 erste Lähmungszeichen und damit Symptome einer Poliomyelitis zweifelsfrei nachgewiesen sind. Irgendwelche Hinweise darauf, dass die ersten Zeichen einer Poliomyelitis bereits früher aufgetreten sind, gibt es nicht, weder in Arztberichten noch in den eigenen Angaben der Klägerin, wie sie diese bis vor dem Erörterungstermin vom 11.07.2018 gemacht hat, noch in den wiederholten - durch den Beklagten und das SG - durchgeführten Befragungen der Mutter der Klägerin.

Sofern die Klägerin erstmals im Erörterungstermin vom 11.07.2018 vorgetragen hat, dass die ersten Zeichen und Beschwerden einer Poliomyelitis nicht erst mit der Einweisung ins Krankenhaus am 16.07.1952 (bzw. am Vortrag) begonnen hätten, sondern sie bereits neun Tage vorher den Fuß nach sich gezogen habe, was ihr ihr 1996 verstorbener Vater gesagt habe, ist dies nicht geeignet, die aufgezeigte Feststellung des Senats zum Beschwerdebeginn am 15.07.1957 in Zweifel zu ziehen. Irgendwelche Nachweise für einen früheren Beginn der Lähmungserscheinungen als am 15.07.1957 gibt es in den ärztlichen Unterlagen nicht. Auch die wiederholt befragte Mutter der Klägerin hat keinen früheren Beschwerdebeginn geschildert. Lediglich die im Erörterungstermin vom 11.07.2018 gemachten Angaben der Klägerin beinhalten einen früheren Beschwerdebeginn. Damit lässt sich der Vollbeweis aber nicht führen. Auch erscheinen dem Senat die Angaben der Klägerin im Erörterungstermin vom 11.07.2018 nach den Umständen des Falles nicht glaubhaft im Sinne des § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG). Der Senat geht zu Gunsten der Klägerin zunächst davon aus, dass der Anwendungsbereich des KOVVfG nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil die Klägerin erst so spät die Behauptung aufgestellt hat, sie habe bereits neun Tage vor Aufnahme ins Krankenhaus den Fuß nach sich gezogen, was ihr ihr Vater erzählt habe. An eine Nichtanwendbarkeit des KOVVfG wäre zu denken, weil die Klägerin mit ihren neuen Angaben solange gewartet hat, bis ihr Vater (im Jahr 1996) verstorben war, so dass dieser nicht mehr befragt werden kann und damit der Beweisnotstand von der Klägerin zu vertreten ist. Aber selbst dann, wenn von der Anwendbarkeit des § 15 KOVVfG ausgegangen wird, kann nicht von einem nachgewiesenen früheren Beschwerdebeginn als dem 15.07.1957 ausgegangen werden. Denn die Angaben der Klägerin erscheinen dem Senat nicht als glaubhaft. Dabei stützt sich der Senat auf folgende Gesichtspunkte: In dem zeitnah zum Beginn der Erkrankung erstellten ärztlichen Bericht über den Aufenthalt in der Städt. Kinderklinik R. ist ausdrücklich eine "gestern morgens plötzlich" - gemeint ist damit der Tag vor der Aufnahme in die Klinik am 16.07.1957 - aufgetretene Schwäche des rechten Beins beschrieben worden. Diese präzise Angabe in einem sehr zeitnah nach Auftreten der Schwäche erstellten ärztlichen Bericht deutet ganz stark darauf hin, dass die Beschwerden nicht bereits schon früher eingesetzt haben. Anderenfalls wäre die verwendete Formulierung nicht zu erklären und auch mit Blick auf die ernste Erkrankung der Klägerin nicht nachvollziehbar. Wäre dem behandelnden Arzt Dr. W. bereits im Zusammenhang mit der Behandlung der Mandelentzündung eine Schwäche des Beins, die nach den Angaben der Klägerin im Erörterungstermin bereits damals erkennbar hätte sein müssen, aufgefallen, hätte er dies sicherlich im Bericht gegenüber der Kinderklinik erwähnt und wäre dies von der Klinik im Bericht über die stationäre Behandlung der Klägerin aufgegriffen worden. Auch die Mutter der Klägerin hat bei Befragung durch das SG am 07.04.1995 mit Ausnahme der Mandelentzündung keinerlei Auffälligkeiten im Gesundheitszustand der Klägerin, was Lähmungserscheinungen angeht, bis zur Krankenhauseinweisung beschrieben. Sofern die Klägerin bei der psychiatrisch-neurologischen Begutachtung durch Dr. S. am 20.02.1993 eine "normale ... Kindheitsentwicklung bis zur Erkrankung am 4. oder 5.7.57" angegeben hat, belegt auch dies keinen früheren Krankheitsbeginn. Vielmehr verdeutlicht diese Auskunft der Klägerin, dass es erst am Morgen des Tages vor der Krankenhauseinweisung (am 16.07.1957) zu ersten Lähmungsanzeichen gekommen ist. Die Klägerin war sich bei der damaligen Begutachtung ersichtlich im Unklaren über die exakte Datumsangabe, hat aber klar bestätigt, dass der Beschwerdebeginn plötzlich erfolgt ist und unmittelbar zu der Krankenhauseinweisung geführt hat, die als Krankheitsbeginn betrachtet werden kann. Der Senat kann sich die Angabe der Klägerin im Erörterungstermin vom 11.07.2018 daher nur damit erklären, dass sich die Klägerin durch falsche Angaben eine günstigere Position bei ihrem Versorgungsbegehren verschaffen will. Dies ist für den Senat augenfällig auch dadurch belegt, dass die Klägerin erstmals vor dem Erörterungstermin mit gerichtlichem Schreiben vom 20.03.2018 deutlich darauf hingewiesen worden ist, dass auch bei Zugrundelegung des Gutachtens des von ihr benannten Sachverständigen, der auf den ersten Blick zu einem für sie positiven Ergebnis gekommen ist, ein Impfschaden nicht anerkannt werden könne. In diesem Schreiben hat der Berichterstatter die Klägerin deutlich darauf aufmerksam gemacht, dass der Sachverständige anstelle des tatsächlichen Impftermins am 21.05.1957 fälschlicherweise von einer Impfung am 28.05.1957 ausgegangen ist und bei Zugrundelegung des vom Sachverständigen angenommenen Zeitrahmens, in dem möglicherweise von einem Zusammenhang zwischen Pockenschutzimpfung und Poliomyelitis ausgegangen werden könnte, eine Anerkennung als Impfschaden nicht möglich ist. Damit war der Klägerin, die durchweg - und auch jetzt trotz der von ihr behaupteten Konzentrationsschwierigkeiten, die im Erörterungstermin vom 11.07.2018 vom Berichterstatter nicht ansatzweise beobachtet werden konnten - sehr geschickt zu argumentieren versteht, klar, dass selbst nach der Einschätzung des von ihr benannten Sachverständigen ein Impfschaden nur dann in Betracht gezogen werden könnte, wenn der Zeitpunkt des ersten Auftretens der Symptome einer Poliomyelitis vorverlagert würde. Dass das Vorbringen der Klägerin im Erörterungstermin unter dieser Zielsetzung erfolgt ist, liegt für den Senat auf der Hand. Jedenfalls erscheint das Vorbringen dem Senat keinesfalls glaubhaft.

Die bei der Klägerin für den 16.07.1957 erstmals dokumentierte Poliomyelitis, deren Beginn in der plötzlich am Vortag (15.07.1957) aufgetretenen Schwäche des rechten Beins zu sehen ist, stellt schon deshalb keine Primärschädigung dar, da es sich bei dieser Erkrankung allenfalls um das dritte Glied der Kausalkette handeln könnte, nämlich den Impfschaden selbst. Diesen potentiellen Impfschaden gleichzeitig als Primärschädigung zu betrachten, verbietet schon die klare und eindeutige Rspr. des BSG, beispielsweise im bereits oben zitierten Beschluss vom 29.01.2018, B 9 V 39/17 B. Denn anderenfalls würde, wie dies das BSG verbietet, von einer nicht erkennbar zutage getretenen Primärschädigung ausgegangen und damit das Erfordernis des Vollbeweises der Primärschädigung missachtet.

Aber selbst dann, wenn die Poliomyelitis als Primärschädigung in Betracht gezogen (bzw. entgegen den rechtlichen Vorgaben das Erfordernis der Primärschädigung als verzichtbar betrachtet) würde, könnte sich der Nachweis nicht erbringen lassen, dass die Poliomyelitis hinreichend wahrscheinlich in kausalem Zusammenhang mit der Pockenschutzimpfung steht. Denn Prof. Dr. B. hat überzeugend erläutert, dass eine Kausalität zwischen einer Poliomyelitis und einer Pockenschutzimpfung in der Literatur nur dann erwogen werden könnte, wenn kein größerer Zeitraum als 40 Tage zwischen Impfung und Auftreten der Poliomyelitis liegt. Ob - worauf der Sachverständige hingewiesen hat - eine von den Versorgungsämtern offenbar über die wissenschaftlich belegten Kenntnisse hinaus auf 48 Tage erweiterte Inkubationszeit zugrunde gelegt werden kann oder nur von 40 Tagen ausgegangen werden darf, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn die Latenzzeit war in jedem Fall deutlich überschritten, da erst am 15.07.1957 und damit am 55. Tag nach der Impfung erste Lähmungsanzeichen als Beleg für den Beginn einer Poliomyelitis belegt sind. Lediglich zur Vermeidung von Missverständnissen weist der Senat darauf hin, dass, wenn Prof. Dr. B. in seinen sachverständigen Äußerungen von einer Überschreitung der vorgenannten Latenzzeit von (nur) nur 49 Tagen und damit nur um einen Tag ausgegangen ist, dies darauf beruht, dass er zu Gunsten der Klägerin noch von einem Impftermin am 28.05.1957 ausgegangen ist; tatsächlich hat die Impfung aber schon am 21.05.1957 stattgefunden. Eine Kausalität zwischen Impfung und Poliomyelitis wäre damit weder im Sinne der hinreichenden Wahrscheinlichkeit noch im Sinne der Kannversorgung nachgewiesen.

Diese Einschätzung wird im Übrigen auch nicht durch das Gutachten des von der Klägerin benannten Sachverständigen und dessen Wertungen in Zweifel gezogen. Prof. Dr. K. hat einen Zeitraum von maximal 45 Tagen zwischen Impfung und Auftreten einer Provokationspoliomyelitis - 3 bis 35 Tage Inkubationszeit bei der Poliomyelitis und 1 bis 10 Tage Virämie nach Verimpfung des Pockenimpfstoffs - als Grundvoraussetzung dafür erachtet, dass ein Zusammenhang zwischen Impfung und Poliomyelitis hergestellt werden kann. Anders als Prof. Dr. B. sieht er bereits in der für den 08.07.1957 belegten Mandelentzündung die erste Phase der Poliomyelitis. Ob diese Annahme des Beginns der Poliomyelitis überhaupt fachlich zulässig ist - Prof. Dr. B. sieht dies nicht so, kann dahingestellt bleiben. Denn auch unter Zugrundelegung der Annahmen des Gutachters gemäß § 109 SGG lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Pockenschutzimpfung der Klägerin und ihrer Erkrankung an Poliomyelitis nicht wahrscheinlich machen. Denn der Zeitraum zwischen Pockenschutzimpfung am 21.05.1957 und der Erkrankung an der Mandelentzündung als - so Prof. Dr. K. - "erste Phase der Poliomyelitis ("Minor-Disease")" beträgt - zugunsten der Klägerin den Impftag und den ersten Tag der Erkrankung mit der Mandelentzündung nicht mitgerechnet (Anmerkung des Senats: Anders macht dies Prof. Dr. K., der bei seiner Berechnung sowohl den Impftag als auch den ersten Tag mit der Mandelentziehung als weitere Tage einbezieht) - 46 Tage und überschreitet damit den von Prof. Dr. K. genannten Maximalzeitraum, in dem ein Zusammenhang wahrscheinlich sein kann, um einen, nach der Berechnungsweise des Prof. Dr. K. sogar um drei Tage. Sofern Prof. Dr. K. in seinem Gutachten zu der Einschätzung gekommen ist, dass die Poliomyelitis der Klägerin in einem kausalen Zusammenhang mit der Pockenschutzimpfung stehe, weil "die Mandelentzündung als erstes Symptom der Poliomyelitis 41 Tage nach der Pockenimpfung aufgetreten" (S. 3 seines Gutachtens) sei, also "da die ersten Symptome der Poliomyelitis 41 Tage nach der erfolgten Pockenimpfung auftraten" (S. 7 des Gutachtens), so beruht dies einzig und allein auf dem von ihm irrtümlich angenommenen Impftermin am 28.05.1957, bei dem sich ein Zeitraum von 41 Tagen zwischen der Pockenschutzimpfung und dem Auftreten der ersten Symptome der Poliomyelitis ergäbe. Wäre er dagegen von dem nachgewiesenen Impftermin am 21.05.1957 ausgegangen, wäre auch dieser Sachverständige zwingend zu der Einschätzung gekommen, dass ein Zusammenhang zwischen Pockenschutzimpfung und Poliomyelitis nicht besteht. Denn dann würde der Zeitraum zwischen Impfung und ersten Symptomen 45 Tage und damit die Grenzen eines potentiellen zeitlichen Zusammenhangs überschreiten. Einer Nachfrage bei diesem Sachverständigen bedurfte es insofern nicht, da die von ihm geführte Argumentation samt zeitlichen Eckpunkten so klar ist, dass eine andere Bewertung als die genannte, nämlich die Verneinung eines kausalen Zusammenhangs, nicht möglich gewesen wäre. Der Senat musste sich daher auch nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob die von diesem Sachverständigen mit dem zeitlichen Zusammenhang geführte Argumentation an sich überhaupt nachvollziehbar ist und ob sein Gutachten weitere, einer Verwertung entgegenstehende Mängel aufweist, wie dies der Beklagte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme zum Gutachten erläutert hat.

Nach keiner einzigen gutachtlichen Feststellung ist damit im Fall der Klägerin ein Zusammenhang zwischen Pockenschutzimpfung und Poliomyelitis herstellbar.

- Für eine postvakzinale Enzephalitis oder Enzephalomyelitis, wie sie (nur) von der Klägerin als Alternative zu einer Poliomyelitis in den Raum gestellt worden ist, hat der Sachverständige Prof. Dr. B. keinerlei Hinweise gesehen, was im Übrigen auch der von der Klägerin benannte Sachverständige Prof. Dr. K. bestätigt hat. Ob eine postvakzinale Enzephalitis oder Enzephalomyelitis als im Vollbeweis nachzuweisende Primärschädigung betrachtet werden könnte oder nur als ebenfalls im Vollbeweis nachzuweisender Impfschaden, kann daher dahingestellt bleiben. Zudem gibt es keine Hinweise darauf, dass bei der Klägerin eine postvakzinale zerebrale Komplikation als Impfkomplikation vorgelegen hätte, wie dies Prof. Dr. B. überzeugend erläutert hat.

- Wenn die Klägerin zuletzt in ihrem Schreiben vom 08.08.2018 ihre Ansicht kund getan hat, "die Primärschädigung [ist] die unzweifelhafte Virämie nach der Pockenpflichtimpfung" (S. 4 ihres Schriftsatzes), ist dies keine atypische Impfreaktion im Sinne des Impfschadensrechts, zumal diese Virämie nicht früher nachgewiesen ist als die am 16.07.1957 erstmals dokumentierte Poliomyelitis und daher schon in keinem kausalen Zusammenhang mit der Pockenschutzimpfung stehen kann (vgl. oben Ziff. 4, 3. Spiegelstrich).

Da es bereits an der Primärschädigung fehlt, erübrigen sich nähere Ausführungen zur Frage einer Kausalität der Pockenschutzimpfung und der bei der Klägerin vorliegenden allergischen Erkrankung, die sich erst rund neun Jahre nach der Impfung manifestiert hat. Einen derartigen Zusammenhang hat im Übrigen auch keiner der Sachverständigen, auch nicht der von der Klägerin benannte, gesehen, zumal offenkundig in der Familie der Klägerin eine Disposition zu allergischen Erkrankungen vorliegt.

Weitere Ermittlungen haben sich dem Senat nicht aufgedrängt; der Sachverhalt ist, was die entscheidungsrelevanten Tatsachen betrifft, ausermittelt. Weitere Ermittlungen würden allenfalls Gesichtspunkte betreffen, die für die Entscheidung des Senats nicht von rechtlicher Bedeutung sein können. Insbesondere waren keine weiteren Ermittlungen zur exakten Zusammensetzung des bei der Klägerin eingesetzten Impfstoffs angezeigt. Unabhängig davon, ob sich hierbei bisher nicht bekannte Zusatzstoffe oder Verschmutzungen herausstellen würden, würde dies daran nichts ändern, dass eine Primärschädigung als zwingende Voraussetzung für die Anerkennung eines Impfschadens nicht nachgewiesen ist und sich im Übrigen auch ein Kausalzusammenhang schon aus Gründen des Zeitablaufs nicht herstellen lassen könnte (vgl. oben). Selbst dann, wenn eine Kontamination des Pocken-Impfstoffs mit Polioviren nachgewiesen wäre, könnte sich daraus keine Anerkennung der Poliomyelitis der Klägerin ergeben, da es nicht nur an einer Primärschädigung nach der Impfung fehlt, sondern insbesondere auch die wissenschaftlich anerkannte Inkubationszeit für eine Ansteckung mit Poliomyelitis bis zum Auftreten der ersten Symptome bereits deutlich überschritten wäre. Der Senat war auch nicht gehalten, sämtliche von den Gutachtern zitierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen beizuziehen. Die Prüfpflicht des Gerichts geht nicht so weit, dass das Gutachten eines Sachverständigen anhand der von ihm verwendeten Literatur auf medizinische Richtigkeit zu überprüfen wäre. Denn eine derartige Überprüfung würde medizinische Fachkenntnisse erfordern, die sich das Gericht nicht anmaßen kann und darf.

Einer weiteren Fristverlängerung für eine Stellungnahme der Klägerin bedurfte es nicht. Die ihr gesetzte und nochmals verlängerte Frist nach Anhörung zu einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG war mit zunächst über einem Monat schon durchaus großzügig. Der Senat kann auch nicht erkennen, dass in den individuellen Verhältnissen der Klägerin ein Grund vorgelegen hätte, diese Frist zu verlängern. Sofern die Klägerin Konzentrationseinschränkungen vorträgt, waren derartige Einschränkungen im Rahmen des zuletzt durchgeführten Erörterungstermins nicht erkennbar. Die Klägerin hat durchaus gewandt und hartnäckig argumentiert und trotz des Angebots des Vorsitzenden, bei Bedarf eine Pause zu machen, den Rechtsstreit durchgehend über eine Stunde lang erörtert. Die Klägerin hat von der ihr eröffneten Möglichkeit zur Stellungnahme mit Schreiben vom 08.08.2018 auch sehr umfassend Gebrauch gemacht. Im Übrigen hat sie sich eine weitere faktische Fristverlängerung dadurch beschafft, dass sie mit Befangenheitsanträgen gegen den Berichterstatter und den gerichtlichen Sachverständigen eine Verfahrensverzögerung bewirkt hat.

Den von der Klägerin im Schriftsatz vom 08.08.2018 gestellten Anträgen "18-01" bis "18-70" ist aus folgenden Gründen nicht nachzukommen, wobei die Gründe zwecks besserer Lesbarkeit und zur Vermeidung von Wiederholungen teils stichwortartig bezeichnet werden:
- "18-01":
Mit dem Antrag bezweckt die Klägerin eine ergänzende Stellungnahme des von ihr gemäß § 109 SGG benannten Sachverständigen. Das Antragsrecht gemäß § 109 SGG ist aber bereits mit der Einholung des Gutachtens vom 05.12.2017 verbraucht. Eine Befragung dieses Sachverständigen gemäß § 106 SGG ist nicht angezeigt, da das Gutachten des Prof. Dr. K. nicht die maßgebliche Entscheidungsgrundlage für den Senat ist und zudem auch kein Anlass bestünde, wegen etwaiger Unklarheiten beim Sachverständigen nachzufragen. Die Argumentation des Sachverständigen ist - unabhängig von der Richtigkeit seiner Argumentationsweise - in sich stimmig, wobei er lediglich von einem falschen Impftermin ausgegangen ist.
- "18-02":
Antragsrecht gemäß § 109 SGG verbraucht; Befragung des Sachverständigen gemäß § 106 SGG nicht angezeigt, da das Gutachten gemäß § 109 SGG nicht maßgebliche Entscheidungsgrundlage; Frage, ob Freistellung von der Impfung medizinisch begründet gewesen wäre, nicht entscheidungserheblich.
- "18-03":
Antragsrecht gemäß § 109 SGG verbraucht; Befragung des Sachverständigen gemäß § 106 SGG nicht angezeigt, da das Gutachten gemäß § 109 SGG nicht maßgebliche Entscheidungsgrundlage.
- "Antrag R8":
Nicht entscheidungserheblich, da bereits keine Primärschädigung nachgewiesen.
- "18-04":
Der Senat weicht nicht von der Einschätzung des Sachverständigen gemäß § 106 SGG (und im Übrigen auch nicht von der des Gutachters gemäß § 109 SGG) ab, sodass es auf den Nachweis eigener Sachkunde nicht ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 16/01 R).
- "18-05":
Nicht entscheidungserheblich. Qualifikation und Position des Versorgungsarztes ohne Relevanz für die Entscheidung des Senats.
- "18-06":
Nicht entscheidungserheblich, da bereits keine Primärschädigung nachgewiesen.
- "18-07":
Siehe unten die Entscheidung des Senats zur Nichtzulassung der Revision. - "18-08": Für die Kausalität ist § 15 KOVVfG nicht anwendbar; i.Ü. vgl. oben Ziff. 4, 3. Spiegelstrich.
- "18-09":
Zu den anzuwendenden gesetzlichen Regelungen vgl. oben Ziff. Ziff. 3.
- "18-10":
Nicht entscheidungserheblich. Es gibt keine versorgungsrechtlich weitergehende oder erleichterte "Haftung" bei fehlender Einwilligung in die Impfung.
- "18-11":
Nicht entscheidungserheblich. Die Frage der Primärschädigung lässt durch eine persönliche Untersuchung mehrere Jahrzehnte nach einer Impfung nicht weiter aufklären als durch eine Durchsicht vorhandener medizinischer Unterlagen; die Würdigung "neuer" Angaben der Klägerin wie im Erörterungstermin im Juli 2018 zum Beschwerdebeginn sind primär richterlich auf ihre Beweiskraft zu würdigen, nicht durch den Sachverständigen.
- "18-12":
Prozessleitende Verfügung, die keines Beschlusses und keiner Begründung bedarf; i.Ü. wäre eine ambulante Untersuchung über 60 Jahre nach der Impfung nicht dazu geeignet, weitergehende Erkenntnisse zur Primärschädigung zu gewinnen.
- "18-13":
Die dem Sachverständigen vorgelegten Akten ergeben sich aus dem Gutachtensauftrag, der der Klägerin in Abdruck zur Verfügung gestellt worden ist.
- "18-14":
Nicht nachvollziehbare Frage und nicht entscheidungserheblich.
- "18-15":
Kein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, da keine bestimmte Tatsachenbehauptung aufgestellt ist. Zudem hat die Klägerin bereits zahlreiche Nachfragen an den Sachverständigen gestellt, die in wiederholten ergänzenden Stellungnahmen abgehandelt worden sind. Weitere Nachfragen hat sie nicht aufgezeigt/angekündigt, sondern nur pauschal ihr "Fragerecht", ohne dass auch nur ansatzweise dessen Zielrichtung erkennbar wäre, geltend gemacht (vgl. BSG, Beschluss vom 29.01.2018, B 9 V 39/17 B. Für den Senat ist kein Nachfragebedarf ersichtlich:
- "18-16":
Vgl. oben zu "18.04".
- "18-17":
Nicht nachvollziehbare Unterstellung und nicht entscheidungserheblich.
- "18-18":
Nicht nachvollziehbare Behauptung und nicht entscheidungserheblich.
- "18-19":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen.
- "18-20":
Nicht entscheidungserheblich. Wirksamwerden des mit der Impfung bezweckten Pockenschutzes für Impfschaden ohne Bedeutung.
- "18-21":
Nicht entscheidungserheblich. Tatsachenwidrige Unterstellung der Klägerin hinsichtlich eines "Nichtbestehens von Polio-Wilderkrankungen" keine Grundlage für weitere Ermittlungen.
- "18-22":
Nicht entscheidungserheblich. MRT-Befund bei fehlendem Nachweis einer Primärschädigung ohne Bedeutung für die Entscheidung.
- "18-23":
Nicht entscheidungserheblich. Frage nach Isolierung und Konservierung des Wild-Poliovirus für die Entscheidung ohne Bedeutung.
- "18-24":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen.
- "18-25":
Eine Lasten-Nutzen-Analyse bzw. Risiko-Nutzen-Analyse ist allein Teil des strengen arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens für Impfstoffe, aber nicht maßgebend für versorgungsrechtliche Fragen des Impfschadensrechts (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom 06.12.2017, L 20 VJ 3/05 - m.w.N.).
- "18-26": Nicht entscheidungserheblich. Nichterkrankung von Familienmitgliedern der Klägerin an Poliomyelitis kann keine impfbedingte Primärschädigung der Klägerin beweisen. - "18-27": Nicht entscheidungserheblich für den Nachweis einer Primärschädigung.
- "18-28":
Nicht nachvollziehbar, nicht entscheidungserheblich und seit Jahren überholt, da der Gutachtensauftrag längst erteilt und bearbeitet worden ist; zudem ist die Formulierung der Beweisfragen Aufgabe des Gerichts, ohne dass die Beteiligten darauf eine zwingende Einflussnahmemöglichkeit hätten.
- "18-29":
Zum einen nicht ersichtlich, welche weitere "tatsächliche Tatsachenermittlung" erforderlich sein sollte. Die Formulierung der Beweisfragen obliegt dem Gericht, nicht den Beteiligten. Zum anderen sind Fragen zur Kausalität im Rahmen der Kannversorgung nicht von Entscheidungsrelevanz, da es bereits an der Primärschädigung fehlt.
- "18-30":
Nicht entscheidungserheblich. Zudem ist der Klägerin vom damaligen Berichterstatter des 15. Senats bereits mitgeteilt worden, dass keine Gesprächsnotizen existieren.
- "18-31":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen.
- "18-32":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen.
- "18-33":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen. Sofern die Klägerin davon auszugehen scheint, dass nur eine im Vollbeweis nachgewiesene Wild-Poliomyelitis einer Anerkennung als Impfschaden entgegenstünde, irrt sie. Die Frage, ob eine Wild-Poliomyelitis in der Person der Klägerin im Rahmen des Vollbeweises nachgewiesen ist, ist für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung.
- "18-34":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen. Ob angebliche Richtlinien für den Impfstoff eingehalten worden sind oder nicht, ist versorgungsrechtlich ohne Bedeutung.
- "18-35":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen. Im Übrigen hat der Sachverständige seiner Beurteilung die konkret bei der Klägerin durchgeführte Impfung zugrunde gelegt.
- "18-36":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen. Weitergehende Ermittlungen zu dem bei der Klägerin angewandten Pockenimpfstoff sind daher nicht angezeigt.
- "18-37":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen. Im Übrigen stellt die Klägerin die Aussagen des Sachverständigen falsch dar. Der gerichtliche Sachverständige hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.11.2014 darauf hingewiesen, dass im Jahr 1957 in Bayern wie in der Bundesrepublik Deutschland nahezu die Zahlen einer Epidemie erreicht worden seien, aber eben noch nicht ganz.
- "18-38":
Befangenheitsantrag mit Beschluss des Senats vom 31.08.2018, L 20 SF 325/18 AB, abgelehnt.
- "18-39":
Nicht entscheidungserheblich, zumal Streitgegenstand vorliegend nur die Pockenschutzimpfung ist, nicht die Polioimpfung.
- "18-40":
Der Sachverständige hat mehrfach seine im Ausgangsgutachten geäußerte Meinung bekräftigt und argumentativ belegt. Daher und wegen fehlenden neuen Vortrags der Klägerin kein Anlass für weiterer Nachfragen.
- "18-41":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen. Unterstellung des Vorliegens von "Geheimakten" nicht nachvollziehbar.
- "18-42":
Nicht entscheidungserheblich. Ob die Impfung ohne zivil- bzw. strafrechtlich wirksame Einwilligung durchgeführt worden ist, ist für den Versorgungsanspruch ohne Bedeutung.
- "18-43":
Die Einholung eines Rechtsgutachtens ist nicht erforderlich, da die Rechtsfindung dem Gericht obliegt. Eine von der Klägerin offenbar gewünschte Staatshaftung außerhalb des Impfschadensrechts ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
- "18-44":
Die von der Klägerin behauptete "Nichterfüllung der Prüfpflichten der Länder" ist impfschadensrechtlich ohne Entscheidungsrelevanz; ausreichend, aber auch erforderlich ist lediglich die Durchführung einer potenziell versorgungsbegründenden Impfung. Eine "Richteranfrage" verbietet sich daher.
- "18-45":
Der Senat hat keinerlei Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der zugrunde gelegten Vorschriften des Impfschadensrechts. Eine "Richteranfrage" verbietet sich.
- "18-46":
Vgl. oben 18-15.
- "18-47":
Vgl. oben 18-41.
- "18-48":
Vgl. oben Antrag R8; einer Entscheidung vorab durch Beschluss bedarf es nicht.
- "18-49":
Vgl. oben die gesamten Ausführungen des Senats zur Unbegründetheit der Berufung.
- "18-50":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen. Die von der Klägerin genannten "Tatsachendokumente" können, genauso wie die von ihr genannten Gesetzesmaterialien, keine neuen entscheidungsrelevanten Erkenntnisse liefern.
- "18-51":
Die im Berufungsverfahren erfolgten Ermittlungen des Senats sind der Klägerin umfassend bekannt; eine von der Klägerin offenbar erwartete komprimierte Zusammenstellung der Ermittlungen bzw. des Ermittlungsergebnisses ist vor der Entscheidung vom Gericht nicht zu liefern, wobei im vorliegenden Verfahren ohnehin der Klägerin wiederholt Hinweise zur Sach- und Rechtslage gegeben worden sind, die den üblichen Umfang weit überschreiten. Die Verwertung des nach § 106 SGG eingeholten Gutachtens angesichts der von der Klägerin erhobenen Einwände hat der Senat in seiner Entscheidung im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) abgewogen.
- "18-52":
Die Verwertung aller Beweise ergibt sich aus den obigen Urteilsgründen.
- "18-53":
Nicht entscheidungserheblich. Beweiserhebung samt Gutachtenseinholung längst abgeschlossen.
- "18-54":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen.
- "18-55":
Kein Antrag ersichtlich. Sofern die Klägerin damit auf die Schwierigkeiten der Feststellung, ob sie überhaupt geimpft worden ist, Bezug nimmt, wird darauf hingewiesen, dass der Senat in seiner Entscheidung die Impfung der Klägerin mit einem Pockenschutzimpfstoff als nachgewiesen betrachtet (vgl. oben Ziff. 4 a.A.).
- "18-56":
Kein Antrag ersichtlich. Zudem sind Gutachten im Berufungsverfahren eingeholt worden.
- "18-57":
Kein Antrag ersichtlich. Zudem ist durch die durch den ehemaligen Berichterstatter des 15. Senats - allein aus Gründen der Rücksichtnahme auf die von der Klägerin behaupteten finanziell eingeschränkten Verhältnisse - erfolgte Umwandlung des ursprünglich gemäß § 109 SGG gestellten Antrags auf Anhörung des Prof. Dr. B. in eine Begutachtung von Amts wegen der Klägerin nicht die Möglichkeit einer persönlichen Begutachtung genommen worden. In gleicher Weise wie die Formulierung von Beweisfragen obliegt auch die Auswahl der Art der Begutachtung dem Gericht, auch im Falle einer Begutachtung gemäß § 109 SGG. Zudem hat die Klägerin anschließend - trotz der von ihr früher behaupteten eingeschränkten finanziellen Verhältnisse - erneut einen Antrag gemäß § 109 SGG gestellt, der dann auch ausgeführt worden ist.
- "18-58":
Nicht entscheidungserheblich. Ganz abgesehen davon, dass die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht obliegt und, was über die medizinische Beurteilung des Sachfalls hinausgeht, nicht in die Hände eines Sachverständigen gegeben werden kann, hat die Klägerin umfassend Gelegenheit gehabt, Daten erforderlichenfalls richtig zu stellen und Tatsachen vorzutragen. Davon hat sie im vorliegenden Verfahren auch in außergewöhnlich umfangreicher Weise Gebrauch gemacht.
- "18-59":
Nicht entscheidungserheblich und längst überholt. Im Übrigen besteht kein Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Übersendung von Gutachterlisten durch das Gericht.
- "18-60":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen. Ob und wie viele Poliofälle in der örtlichen Umgebung der Klägerin gemeldet waren, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, auch wegen des Streitgegenstands. Eine von der Klägerin gewünschte "Nachbegutachtung" ist obsolet.
- "18-61":
Vgl. oben 18-60.
- "18-62":
Vgl. oben 18-60.
- "18-63":
Vgl. oben 18-60.
- "18-64":
Vgl. oben 18-60.
- "18-65":
Die von der Klägerin ohne Bezug auf ihren Fall getätigten Äußerungen zu einem Ministerialbeamten und gleichzeitigem Aufsichtsratsvorsitzenden eines Impfstoffherstellers sind ohne jede Bedeutung für die Entscheidung des Senats.
- "18-66":
Nicht entscheidungserheblich, da schon keine Primärschädigung nachgewiesen. Ob eine Unterscheidung zwischen einer Wild- und einer Impfpoliomyelitis möglich ist, ist für Entscheidung des Senats irrelevant.
- "18-67":
Wenn die Klägerin der Meinung ist, dass die Pockenschutzimpfung als Pflichtimpfung ein "Massenexperiment" bzw. einen "Menschenversuch" darstelle, was "seit den Nürnberger Prozessen" verboten sei, und daraus eine Staatshaftung erwachse, ändert dies nichts an den vom Gesetzgeber im Rahmen des Impfschadensrechts aufgestellten Voraussetzungen. Eine Zuständigkeit des Senats für Amtshaftungsklagen besteht nicht.
- "18-68":
Vgl. oben 18-42.
- "18-69":
Sofern die Klägerin dem Beklagten "das vorsätzliche Zurückhalten von Wissen ... in Zusammenhang mit der Zwangsimpfung gegen Pocken und den örtlich zeitgleich verimpften ungeprüften USA-Import-Polio-Impfstoff" vorhält und meint, dadurch sei ein Beweisnotstand ausgelöst, den sie verfahrensrechtlich geltend machen könne, kann dieser Vortrag nur dahingehend verstanden werden, dass die Klägerin eine Beweislastumkehr begehrt. Ganz abgesehen davon, dass ein vorsätzliches Zurückhalten von Wissen durch die Beklagte nicht ansatzweise nachvollziehbar ist, sehen die versorgungsrechtlichen Vorschriften, abgesehen von dem gegenüber dem Vollbeweis abgesenkten Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität und der Regelung in § 15 KOVVfG keine Beweiserleichterungen vor. Der Senat verweist insofern auf den Beschluss BSG vom 04.06.2018, B 9 V 61/17 B, in dem Folgendes ausgeführt worden ist: "Wie das BSG vielmehr bereits entschieden hat, kommt im Impfschadensrecht eine Beweislastumkehr in der Regel nicht in Betracht. Denn bereits das Gesetz sieht eine Beweiserleichterung - für die Anerkennung des Impfschadens als anspruchsbegründenden Umstand - vor (BSG Urteil vom 27.8.1998 - B 9 VJ 2/97 R - Juris RdNr 17)." Allenfalls dann, wenn ein Beweisnotstand auf einer schuldhaft unterlassenen bzw. unvollkommenen Beweiserhebung oder sogar auf einer Beweisvereitelung durch denjenigen beruht, dem die Unerweislichkeit der Tatsachen zum prozessualen Vorteil gereicht, kann eine Umkehr der Beweislast eintreten (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.2006, B 9a VS 1/05 R). Eine derartige Situation liegt hier aber ohne jeden Zweifel nicht vor. Die Klägerin verkennt völlig, dass - wenn überhaupt von einem Beweisnotstand gesprochen werden soll - sich die Klägerin allenfalls deshalb in einer Beweisnot im weitesten Sinne befindet, weil der Eintritt einer Primärschädigung nicht nachgewiesen ist. Dieser Umstand kann aber nicht dem Beklagten entgegengehalten werden, was Mindestvoraussetzung für eine Beweislastumkehr wäre. Vielmehr liegt die Ursache in der Sphäre der Klägerin und insbesondere auch in ihrem eigenen Verhalten, weil sie erstmals am 11.07.2018 und damit über 25 Jahre nach Beginn des impfschadensrechtlichen Verfahrens - für den Senat nicht glaubhafte (vgl. oben Ziff. 4, 3. Spiegelstrich) - Behauptungen zu einer angeblichen Primärschädigung aufgestellt hat. Dies kann nicht zulasten des Beklagten gehen.
- "18-70":
Vgl. oben 18-25 und 18-39.

Der Senat war nicht gehalten, die von der Klägerin mit Schreibens vom 08.08.2018 gestellten Anträge vorab, wie sie es im Schreiben vom 08.08.2018 begehrt hat, "mit Beschlussfassung durch das Gericht in vollem Umfang zeitnah zu erledigen", weil dies "notwendig [sei], um im aktuellen Verfahren mein rechtliches Gehör voll inwendig vollumfänglich wahrnehmen zu können und die notwendige Waffengleichheit im Verfahren zu erhalten" (S. 24 ihres Schreibens vom 08.08.2018). Einen derartigen Vorab-Beschluss sehen die gerichtsverfahrensrechtlichen Regelungen nicht vor. Genauso war der Senat im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz nicht verpflichtet, bei der Klägerin auf die Stellung von weiteren Beweisanträgen hinzuwirken oder im Rahmen von Beweisanträgen sonstige Formulierungshilfen zu geben (vgl. BSG, Beschluss vom 23.03.2017, B 9 V 51/16 B), zumal der Sachverhalt vollumfassend ausermittelt ist.

Die Berufung bleibt deshalb ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved