S 7 R 1715/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 7 R 1715/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, über den Widerspruch der Klägerin vom 23.11.2012 gegen den Bescheid vom 08.11.2012 zu entscheiden.

Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreits ist an sich ein Statusfeststellungsverfahren. Im Rahmen dessen ist streitig, ob die Klage zulässig ist oder ob zunächst ein Widerspruchsbescheid zu erlassen ist. Die Beklagte weigert sich, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen, weil sie ihn nicht für erforderlich hält.

Auf Antrag des Beigeladenen leitete die Beklagte im November 2011 ein Statusfeststel-lungsverfahren wegen seiner Tätigkeit bei der Klägerin ein. Mit Bescheid vom 02.05.2012 stellte die Beklagte zunächst eine selbstständige Tätigkeit fest. Hiergegen erhob der Bei-geladene Widerspruch und begehrte die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung. Die Beklagte holte von der Klägerin eine Stellungnahme ein. Die Klägerin ging davon aus, dass der Beigeladene selbstständig tätig gewesen ist.

Mit Bescheid vom 08.11.2012 nahm die Beklagte den Bescheid vom 02.05.2012 zurück und stellte fest, dass die vom Beigeladenen vom 02.05.2007 bis 20.12.2010 ausgeübte Tätigkeit als Kalkulator/Bauleiter im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis-ses ausgeübt worden sei. Es habe Versicherungspflicht in der Kranken-, der Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden. Der Be-scheid ging sowohl an den Beigeladenen als auch an die Klägerin. Dem Bescheid war eine Rechtsmittelbelehrung angefügt. In dieser stand, dass gegen den Bescheid Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben werden könne.

Hiergegen hat die Klägerin am 23.11.2012 Klage erhoben. Sie begehrt in der Hauptsache weiterhin die Feststellung, dass keine abhängige Beschäftigung mit Versicherungspflicht bestanden hat. Das Verfahren ruhte zwischenzeitlich wegen eines Insolvenzverfahrens der Klägerin und wird nunmehr unter dem hiesigen Aktenzeichen fortgeführt.

Am 21.03.2017 hat ein Termin stattgefunden. Anlässlich der Vorbereitung des Termins ist dem Gericht aufgefallen, dass es keinen Widerspruchsbescheid gibt. Das Gericht hat der Beklagten im Termin aufgegeben, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen, damit danach in der Sache entschieden werden kann. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 28.03.2017 mitgeteilt, dass sie keinen Widerspruchsbescheid erlassen werde, da ein solcher gemäß analoger Anwendung von § 68 VwGO nicht erforderlich sei. Es sei möglich, das Klagever-fahren ohne vorheriges Widerspruchsverfahren durchzuführen. Hierzu verweist die Be-klagte auf ein entsprechendes Urteil des LSG Hamburg.

Die Klägerin begehrt schriftlich hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, über den Widerspruch vom 23.11.2012 gegen den Be-scheid vom 08.11.2012 zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakte verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung erging mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Über die Frage, ob ein Widerspruchs-bescheid zu erlassen ist bzw. über die Pflicht der Beklagten, den Widerspruch der Klägerin zu bescheiden, war mit einem Teilurteil gemäß § 202 SGG i. V. m. § 301 ZPO zu ent-scheiden. Soweit im Verfahren zuvor unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG da-von ausgegangen wurde, dass ein Zwischenurteil zu erlassen ist, hat die Kammer diese Auffassung aufgegeben. Das LSG Niedersachsen-Bremen (Teilurteil vom 10. Dezember 2014 – L 2 R 494/13 –) hat in einem im Wesentlichen vergleichbaren Fall ebenfalls ein Teilurteil erlassen und sich bewusst gegen ein Zwischenurteil entschieden. Hierzu hat es Folgendes ausgeführt:

"Das vom Gesetzgeber verpflichtend vorgeschriebene Vorverfahren kann auch noch während des Prozesses nachgeholt werden. Das Prozessgericht hat dabei der Verwal-tung Gelegenheit zu geben, das Vorverfahren durchzuführen (BSG, U.v. 2. August 1977 - 9 RV 102/76 - SozR 1500 § 78 Nr 8 mwN). Hiervon ausgehend hat sich auch der Senat mehrfach, zuletzt noch in der mündlichen Verhandlung, bemüht, die Beklagte zur inhaltlichen Prüfung der Einwendungen des Klägers gegen den angefochtenen Ab-rechnungsbescheid in einem Vorverfahren zu bewegen; die Beklagte hat jedoch stets zum Ausdruck gebracht, dass sie im vorliegenden Fall und in allen anderen vergleich-baren Fallgestaltungen nicht bereit sei, den vorstehend erläuterten gesetzlichen Vorga-ben Rechnung zu tragen.

5. Hinsichtlich der Rechtsfolgen eines auf Seiten des beklagten Versicherungsträgers zu verantwortenden Fehlens eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens hat die höchst-richterliche Rechtsprechung festgehalten, dass es unzulässig sei, die Beklagte in einem Endurteil zur Erteilung eines Widerspruchsbescheides zu verpflichten. In diesem Falle würde das gerichtliche Verfahren abgeschlossen und die bisher bei Gericht rechtshän-gige Sache in unzulässiger Weise auf die Verwaltungsebene zurückverwiesen. Gleich-zeitig verstieße das Berufungsgericht mit einem solchen Endurteil gegen das Gebot der Herstellung der Spruchreife (§ 131 Abs. 2 SGG; BSG, Urteil vom 30. Januar 1980 – 9 RV 40/79 –, SozR 1500 § 78 Nr 16 mwN).

Diesen Bedenken könne auch nicht entgegengehalten werden, die entsprechende Ver-urteilung des Versicherungsträgers sei wegen dessen Weigerung, das Widerspruchs-verfahren nachzuholen, als notwendig zu betrachten. Ergebe sich im Verlaufe des ge-richtlichen Verfahrens, dass die Beklagte nicht bereit sei, das gesetzlich erforderliche Vorverfahren durchzuführen - obwohl das Prozessgericht ihr hierzu Gelegenheit gege-ben habe -, so sei das Prozessgericht vielmehr gehalten, der Beklagten mittels Zwi-schenurteil (§ 202 iVm § 303 Zivilprozessordnung -ZPO-) eine entsprechende Ver-pflichtung aufzuerlegen. Damit werde einerseits die Durchsetzbarkeit des nachträglich durchzuführenden Vorverfahrens erreicht, andererseits bleibe der Prozess in der Hauptsache weiterhin rechtshängig und könne - sobald das Vorverfahren nachgeholt worden sei - weitergeführt werden (BSG, Urteil vom 30. Januar 1980, aaO mwN).

Andererseits hat das BSG allerdings auch darauf abgestellt, dass § 78 Abs. 1 SGG keine besonderen Anforderungen, insbesondere hinsichtlich des Prüfungsumfangs, an die Durchführung eines Vorverfahrens stelle. In einem solchen Sinne dürfe diese Vor-schrift deshalb nicht interpretiert werden, weil andernfalls die Zulässigkeit der Klage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts von der Rechtmäßigkeit des weite-ren Verhaltens der Behörde bzw. der zuständigen Widerspruchsbehörde abhängig wä-re (BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 151/10 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 54; auch im Urteil vom 28. Oktober 1965 – 8 RV 721/62 –, SozR Nr 10 zu § 78 SGG hat das BSG darauf abgestellt, dass der Rechtsschutzsuchende Mängel der Verwal-tung nicht zu vertreten habe; vgl. hingegen auch BSG, Urteil vom 30. September 1996 – 10 RKg 20/95 –, juris: falls die Widerspruchsbehörde den Widerspruch als unzulässig zurückweist und nicht in der Sache entscheidet, sind die Gerichte an einer sachlich-rechtlichen Überprüfung des Klagebegehrens gehindert; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. September 2010 - L 1 AL 122/09 R -, juris Rn 29; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Juni 2011 - L 7 AS 552/11 B -, juris).

Diesen Ansatz, wonach die Zulässigkeit der Klage nicht von der Rechtmäßigkeit des weiteren Verhaltens der Behörde bzw. der zuständigen Widerspruchsbehörde abhän-gig gemacht werden dürfe, hat das BSG allerdings nicht in dem Sinne fortgeschrieben, dass auf das erforderliche Vorverfahren verzichtet werden könnte, wenn sich der Ver-sicherte insbesondere durch fristwahrende Einlegung eines Widerspruchs um die Her-beiführung einer Sachentscheidung im Widerspruchsverfahren bemüht und diese dann aus nicht von ihm, sondern von Seiten des Versicherungsträgers zu vertretenden Gründen unterblieben ist. Vielmehr gilt in der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Grundsatz, dass die Durchführung des vorgeschriebenen Vorverfahrens als unver-zichtbare, in jeder Lage des Verfahrens zu beachtende Prozessvoraussetzung anzu-sehen ist (BSG, Urteil vom 2. August 1977 – 9 RV 102/76 –, SozR 1500 § 78 Nr 8). Das Widerspruchsverfahren stellt eine grundsätzlich unverzichtbare Sachurteils-(Prozess-) Voraussetzung dar (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 1999 - B 12 KR 8/98 R -, SozR 3-1500 § 78 Nr 3). Dies schließt es auch bei "gebundenen", d.h. nicht im Ermes-sen der Verwaltung stehenden Entscheidungen, grundsätzlich aus, auf das Wider-spruchsverfahren zu verzichten (BSG aaO; LSG Rheinland-Pfalz, Teilurteil vom 30. September 2010 – L 1 AL 122/09 –, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Juni 2011 – L 7 AS 552/11 B –, juris).

Hiervon ausgehend erachtet es der Senat nicht für zulässig, für die gesetzlich vorge-schriebene inhaltliche Überprüfung der Einwendungen des Versicherten gegen die be-hördliche Entscheidung in einem Vorverfahren bereits eine formale Entscheidung der Widerspruchsstelle genügen zu lassen, wonach diese in entsprechenden Fallgestaltun-gen den Widerspruch als nicht statthaft wertet und daher von der vorgeschriebenen in-haltlichen Prüfung des Widerspruchsbegehrens ausdrücklich Abstand nimmt.

Bei einer anderen Interpretation würde letztlich die zwingende gesetzliche Vorgabe des § 78 Abs. 1 SGG zur Disposition der - doch gerade an das Gesetz gebundenen, vgl. Art. 20 Abs. 3 GG - Versicherungsträger gestellt. Diese hätten bei einer anderweitigen Auslegung jedenfalls faktisch die Option, für ganze Bereiche ihres Verwaltungshan-delns, wie es in der Praxis in Bezug auf Abrechnungsentscheidungen der vorliegend zu beurteilenden Art offenbar schon geschieht, sich den aus § 78 Abs. 1 SGG ergeben-den Prüfungspflichten dadurch zu entziehen, dass sie formal schlicht den Regelungs-charakter der tatsächlich getroffenen und dem Versicherten kundgegebenen Entschei-dungen in Abrede stellen.

6. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass das BSG in seinem vorstehend herange-zogenen Urteil vom 30. Januar 1980 (– 9 RV 40/79 –, SozR 1500 § 78 Nr 16) den Pro-zessgerichten nahegelegt hat, dem Versicherungsträger mittels Zwischenurteil (§ 202 iVm § 303 ZPO) eine entsprechende Verpflichtung zur Durchführung eines Vorverfah-rens aufzuerlegen, hat der Senat sich zum Erlass eines Teilurteils entschlossen. Das BSG (aaO) hat seinerseits bereits auf den Gesichtspunkt der anzustrebenden Durch-setzbarkeit der Anordnung eines nachträglich durchzuführenden Vorverfahrens hinge-wiesen; Zwischenurteile (vgl. heute § 130 Abs. 2 SGG) sind jedoch gerade nicht voll-streckbar (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 130 Rn. 8) und damit auch nicht im Sinne des o.g. BSG-Urteils durchsetzbar.

Auch mit einem Teilurteil wird andererseits dem Gebot der Herstellung der Spruchreife Genüge getan. Der Prozess bleibt im Übrigen in der Hauptsache weiterhin rechtshän-gig und wird - sobald das Vorverfahren nachgeholt ist - weitergeführt."

Diesen Ausführungen hat sich die Kammer angeschlossen und im Rahmen des ihr zu-stehenden Ermessens ein Teilurteil erlassen. § 301 Satz 1 ZPO regelt Folgendes: Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Die Kammer hält die Klage ohne Durchführung des Widerspruchsverfahrens für unzulässig, es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung, dass in einem solchen Verfahren das Pro-zesshindernis im Rahmen des laufenden Verfahrens zu beseitigen ist. Da die Beklagte nicht dazu bereit ist, einen Widerspruchbescheid zu erlassen, musste sie aufgrund des entsprechenden Antrags der Klägerin mit einem Teilurteil zur Bescheidung verpflichtet werden, damit das der Klägerin für ihre Klage im Weg stehende und von ihr anderweitig nicht zu beseitigende Prozesshindernis behoben werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.1999, B 6 KA 10/98 R, auch wenn dort als Lösung ein Zwischenurteil genannt wird). Die Klägerin hat einen entsprechenden Antrag gestellt (Verurteilung der Beklagten zur Be-scheidung), dieser ist entscheidungsreif und der Erfolg dieses Antrags ist Bedingung für die Entscheidung über den Rest der Klage. Daher liegen die Voraussetzungen für den Er-lass eines Teilurteils vor.

Die Kammer hält den Erlass eines Widerspruchsbescheids für erforderlich. Gemäß § 78 Abs. 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßig-keit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens be-darf es nicht, wenn 1. ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder 2. der Verwal-tungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder 3. ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will. Keine der gesetzlich geregelten Ausnahmen liegt vor, daher war das Widerspruchsverfahren nicht entbehrlich. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, § 68 VwGO sei analog anwendbar und hierzu auch auf ein Urteil des LSG Hamburg (Urteil vom 31.03.2013, L 1 KR 52/10) verweist, folgt die Kammer dem nicht. Das Widerspruchsver-fahren im Sozialrecht ist anders ausgestaltet als das Widerspruchsverfahren im übrigen Verwaltungsrecht. Ein wesentlicher Unterscheid auf dem Gebiet der Sozialversicherung besteht darin, dass über Widersprüche in den in § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV genannten Berei-chen Widerspruchsausschüsse entscheiden. Widerspruchsausschüsse sind Ausdruck des das Sozialversicherungsrecht kennzeichnenden Prinzips der Selbstverwaltung, sie sind u. a. besetzt mit Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber. Diese verfahrensrechtli-che Besonderheit führt dazu, dass die Prozessordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit bei der Frage der Entbehrlichkeit des Vorverfahrens nicht auf die der Sozialgerichtsbarkeit übertragen werden kann. Auf diese Besonderheit ist das LSG Hamburg in seiner Ent-scheidung nicht eingegangen. Wenn der Gesetzgeber in Fällen wie vorliegend auf die Durchführung eines Vorverfahrens hätte verzichten wollen, hätte er dies durch einen Ver-weis auf § 68 VwGO i.V.m. § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO regeln müssen.

Die Voraussetzung für eine Verurteilung der Beklagten zur Bescheidung des Widerspruchs nach § 88 Abs. 2 SGG liegen ebenfalls vor. Die Widerspruchseinlegung ist in der Erhe-bung der Klage zu sehen. Jedenfalls in den Fällen, in denen es ernstlich zweifelhaft ist, ob ein Vorverfahren durchzuführen ist, muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger für den Fall, dass sich die Durchführung des Vorverfahrens als notwendig erweist, dieses mit der Klage beantragt hat. Anderenfalls liefe er Gefahr, infolge Versäumung der Wider-spruchsfrist – auch bei fehlender oder falscher Rechtsbehelfsbelehrung im Verwaltungsakt grundsätzlich nur ein Jahr (§ 66 Abs. 2 SGG) – seiner Rechte verlustig zu gehen (so aus-drücklich: BSG, Urteil vom 22. Juni 1966 – 3 RK 64/62 –; angesichts des dargestellten Tatbestands so auch gehandhabt in: BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – B 6 KA 1/00 R –; jeweils zitiert nach juris). So ist die Konstellation hier. Die Beklagte hat im Bescheid vom 08.11.2012 (aus Sicht der Kammer unzutreffend) in der Rechtsmittelbelehrung da-rauf hingewiesen, dass gegen den Bescheid Klage erhoben werden könne. Da es in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist, ob in Konstellationen wie vorstehend ein Wi-derspruchsverfahren erforderlich ist (das LSG Hamburg, a. a. O., hat wegen dieser Rechtsfrage sogar die Revision zugelassen) liegt ein Fall vor, in welchem "ernstlich zwei-felhaft ist, ob ein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist".

Die Beklagte hat nicht binnen 3 Monaten über den Widerspruch entschieden. Da die Be-klagte es außerdem ausdrücklich abgelehnt hat, noch einen Widerspruchsbescheid zu er-lassen, war es außerdem nicht ausreichend, den Rechtsstreit bis zum Erlass des Wider-spruchsbescheids auszusetzen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Gegen das Teilurteil ist die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 SGG zulässig. Da keine Geld, Dienst- oder Sachleistung, sondern der Erlass eines Widerspruchsbescheids streitgegen-ständlich ist (es ist auf den Streitgegenstand des Teilurteils abzustellen, vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, Rn. 18a), kommt es auf den Wert des Streitgegenstands nicht an.
Rechtskraft
Aus
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